der kürzeste weg zu sich selbst führt um die welt herum. - Matarka
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56 István Molnár<br />
wo er mit einem neuen Begriff, den Bewusstseinsmutationen operiert und <strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />
erklärt. Sowohl Carus, als auch Gebser führen uns <strong>zu</strong> einer weiteren Persönlichkeit<br />
<strong>die</strong>ser verborgenen Gruppe, <strong>zu</strong> Hermann Keyserling. Sein Leben und Werk ver<strong>die</strong>nen,<br />
nicht nur erwähnt, son<strong>der</strong>n anhand mancher Themen auch untersucht <strong>zu</strong> werden. Aus <strong>der</strong><br />
kurzen Zusammenfassung seiner Biographie wird gleich klar, dass es gewichtige Gründe<br />
gibt, <strong>sich</strong> mit seiner wissenschaftlich-künstlerischen Tätigkeit <strong>zu</strong> beschäftigen.<br />
Hermann Keyserling war ein baltendeutscher Philosoph. Er stammte aus einem alten<br />
baltendeutschen Adelsgeschlecht. Er wuchs auf den abgeschiedenen livländischen Gütern<br />
seines Vaters auf, erst in Könno, dann in Rayküll, wo er von seinen Eltern und Hauslehrern<br />
unterrichtet wurde. Nach dem Tode seines Vaters (1895) heiratete seine Mutter<br />
Johanna im Jahre 1900 einen <strong>die</strong>ser Hauslehrer. Diese nicht standesgemäße Verbindung<br />
<strong>führt</strong>e <strong>zu</strong> einem dauerhaften und folgenschweren Zerwürfnis zwischen Mutter und Sohn.<br />
Während Johanna <strong>sich</strong> radikal gegen Standesunterschiede wandte, wurde Hermann später<br />
<strong>zu</strong> einem Verfechter aristokratischer Ideale. Nach seinem gescheiterten Versuch, mit einer<br />
philosophischen Arbeit an <strong>der</strong> Berliner Universität <strong>zu</strong> habilitieren, begann er seinen eigenen<br />
Weg als philosophischer Essayist und Privatgelehrter. Leidenschaft und intuitives Denken<br />
waren für seine Arbeiten charakteristisch. Für seine ganze denkerische Entwicklung erwies<br />
<strong>sich</strong> das baltische Erbe als entscheidend: <strong>die</strong>sem verdankte er nämlich den Hang <strong>zu</strong>r religiösen<br />
Tiefenintuition. Dadurch konnte er dem Westen östliches Denken erschließen, was<br />
den Reiz seiner zahlreichen Abhandlungen und Bücher ausmachte. In seinem bedeutenden<br />
Jugendwerk Das Gefüge <strong>der</strong> Welt. Versuch einer kritischen Philosophie gelang ihm <strong>der</strong><br />
Durchbruch <strong>zu</strong>m kritischen Denken. Die bisherige kritische Besinnung befriedigte aber den<br />
baltischen Denker nicht. Er wollte <strong>die</strong> Selbstvollendung durch wesentliche Eindrücke einer<br />
Weltreise (1911-1912) erreichen. Das Ergebnis war das berühmte Reisetagebuch eines<br />
Philosophen, das <strong>zu</strong>erst im Jahre 1919 veröffentlicht wurde. Wie wir im Weiteren sehen<br />
werden, <strong>die</strong> Beobachtung und <strong>die</strong> Aufnahmewilligkeit frem<strong>der</strong> Welten sollen bei ihm <strong>der</strong><br />
Selbstvertiefung <strong>die</strong>nen. Nach <strong>der</strong> Wandlung seiner grundlegenden denkerischen Einstellung<br />
kam <strong>die</strong> wichtige Ein<strong>sich</strong>t: <strong>die</strong> Philosophie ist künstlerische Lebensgestaltung, <strong>die</strong><br />
Philosophie soll <strong>sich</strong> wie Kunst manifestieren. Er musste inzwischen sein Vaterland verlassen,<br />
und das bedeutete für ihn eine Suche nach einer neuen Heimstatt, eine <strong>sich</strong>ere geistige<br />
Heimat <strong>zu</strong> finden. Er gründete <strong>die</strong> Schule <strong>der</strong> Weisheit in Darmstadt im Jahre 1920. Der<br />
Einfluss <strong>die</strong>ser Schule auf das europäische Geistesleben <strong>der</strong> zwanziger Jahre war überaus<br />
groß. Dem Wirkungskreis gehörten Psychoanalytiker wie C. G. Jung und E. Kretschmer,<br />
Philosophen wie N. Berdjajew und M. Scheler, <strong>der</strong> Sinologe R. Wilhelm, <strong>der</strong> indische<br />
Dichter R. Tagore wie <strong>der</strong> Religionsphilosoph E. Troeltsch zeitweilig an. Über Bergson<br />
wurde Keyserling auch in Frankreich sehr bekannt. Im Zeichen seines neuen Denkens erklärte<br />
<strong>der</strong> Philosoph:<br />
Neben <strong>der</strong> Kirche und <strong>der</strong> Universität ist es <strong>die</strong> Schule <strong>der</strong> Weisheit, <strong>die</strong> nun<br />
maßgeblich den Menschen bilden soll. Hier erscheint wie<strong>der</strong> <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>zu</strong>r Öffnung<br />
gegenüber <strong>der</strong> asiatischen Weisheit. Die Ost-West-Relation speist <strong>die</strong> Erkenntnis des Weisen.<br />
Diese schöpferische Erkenntnis öffnet dem Menschen <strong>die</strong> Eigengesetzlichkeit des Ichs<br />
im Zeichen einer pantheistischen Sinnerfassung des Lebens, eine Auffassung, <strong>die</strong> von den<br />
Kirchen und von <strong>der</strong> deutschen Schulphilosophie oft kritisiert wurde. Ab 1939 lebte er bis<br />
<strong>zu</strong>m Tode völlig <strong>zu</strong>rückgezogen, <strong>zu</strong>letzt in Tirol: in Form von Lebenserinnerungen machte<br />
er nur noch eine Reise durch <strong>die</strong> Zeit.