100. GBR Sitzung ATC Alltag Alles eine Frage des ... - GdF
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<strong>ATC</strong> <strong>Alltag</strong><br />
✈ Die „Indirekten Kosten“, die zum Beispiel durch<br />
Re-Routings entstehen, sind schwere zu beziffern<br />
Photo: Airbus Industrie<br />
Nach 120 Minuten wurden die beiden Lotsen abgelöst<br />
und durften in die – wohlverdiente – Kaffeepause.<br />
Bevor sie jedoch in die Kantine gingen, schauten sie<br />
noch kurz beim SV-Arbeitsplatz vorbei, unterzeichneten<br />
den STCA-Report und füllten auch noch das Formblatt<br />
für „Besondere Vorkommnisse“ aus (Frequenzblockade),<br />
das ebenfalls beim SV auslag.<br />
Am folgenden Montag untersuchte der Sachbearbeiter<br />
für Besondere Vorkommnisse die Ereignisse der<br />
von Gewitteraktivitäten und krankheitsbedingten<br />
Ausfällen geprägten Nachmittagsschicht vom letzten<br />
Freitagnachmittag. Er musste dies tun, da ja – vorschriftsmäßig<br />
– das Formblatt „Besondere Vorkommnisse“<br />
von den beiden Lotsen ausgefüllt worden war.<br />
In diesem Zusammenhang wurde gleich auch noch<br />
der STCA-Alarm ausgewertet und man kam – erwartungsgemäß<br />
– zu dem Ergebnis, dass es zu k<strong>eine</strong>r<br />
Staffelungsunterschreitung gekommen war.<br />
Die Ergebnisse dieser Analyse sind <strong>des</strong>halb so interessant,<br />
da die Frequenzblockade ja k<strong>eine</strong>n Einfluss<br />
auf die Sicherheit gehabt hatte – diese dauerte 89<br />
Sekunden. Das tatsächliche Verkehrsaufkommen in<br />
diesem Sektor innerhalb der ersten 60 Minuten der<br />
Nachmittagsschicht betrug statt der vorgesehenen 40<br />
in Wahrheit 53 Luftfahrzeuge. Diese deutlich höhere<br />
Zahl resultierte aus den sich verändernden Flugprofilen<br />
auf Grund der CB’s in dem Sektor. In den zweiten<br />
60 Minuten ergab die Verkehrszählung die Anzahl von<br />
54 Flugbewegungen (statt der geplanten 40!), die von<br />
den beiden Fluglotsen abgearbeitet wurden. Auch<br />
hier wurde als Grund die sich ständig verändernden<br />
Flugprofile gesehen, da die Piloten der großen Gewitterzelle<br />
ausweichen mussten bzw. wollten.<br />
Die bereits oben erwähnte CFMU analysierte und<br />
veröffentlichte in ihrem täglichen Bericht, dem „Daily<br />
Debriefing Sheet“, zu diesem Freitagnachmittag<br />
jedoch folgende harten Fakten:<br />
• Besagte Streckenkontrollzentrale – irgendwo im<br />
kontinentalen Europa – hat an diesem <strong>eine</strong>n Freitagnachmittag<br />
10.000 Minuten Verspätung verursacht,<br />
weil sie zwei Sektoren zu <strong>eine</strong>m einzigen konsolidiert<br />
hatte und somit die offiziellen Verkehrs-/<br />
Sektorzahlen um 20% reduzieren musste.<br />
• Dies hatte bei den betroffenen Fluggesellschaften 71<br />
Euro pro Minute als „direkte Kosten“ verursacht. Die<br />
„indirekten Kosten“, wie zum Beispiel Re-Routings,<br />
die Umplanungen ganzer legs, die neuen Umlaufzeiten<br />
der Flight Crews etc. kommen noch hinzu,<br />
sind aber sehr schwer zu beziffern.<br />
• Die „safety indicators“, d.h. die Sicherheitskennzahlen,<br />
wurden durch diese Streckenkontrollzentrale<br />
auf Grund der Frequenzblockade sowie <strong>des</strong><br />
STCA-Alarms ebenfalls tangiert. Es konnte aber<br />
k<strong>eine</strong> weitergehende Aussage über die gesamte<br />
„safety performance“ dieses Nachmittags getroffen<br />
werden.<br />
Die falschen bzw. viel zu hohen Verkehrszahlen, die<br />
Gefahr <strong>eine</strong>r Überlastsituation für die beiden betroffenen<br />
Fluglotsen trotz der veranlassten Steuerungsmaßnahmen<br />
sowie die unterbliebenen weiteren Schritte<br />
durch den Supervisor schlugen sich ebenfalls negativ in<br />
der Bilanz dieser Streckenkontrollzentrale nieder.<br />
Der Leiter Betrieb dieser Zentrale bekam den Bericht<br />
über die entstandene Verspätung in „s<strong>eine</strong>m“ Center<br />
selbstverständlich auch zugestellt. Nach der genauen<br />
Analyse <strong>des</strong> CFMU-Berichts stieg s<strong>eine</strong> Besorgnis,<br />
den diesjährigen „performance based“-Bonus nicht<br />
zu bekommen, stark an. Er darf – als Bonusziel – nur<br />
250.000 Minuten Verspätung verursachen und die<br />
nun aufgetretenen 10.000 Minuten bringen ihn schon<br />
sehr nahe an 200.000 Minuten heran – und es war<br />
doch erst August.... An den Wintereinbruch wollte er<br />
gar nicht erst denken. Da aber der Verspätungsfaktor<br />
20% s<strong>eine</strong>s „performance based“-Bonus’ ausmachen,<br />
begann er sich zu fragen, ob er s<strong>eine</strong>n maximalen Jahresendbonus,<br />
der immerhin 10% s<strong>eine</strong>s Jahresgehalts<br />
ausmacht, überhaupt noch erreichen könne.<br />
Nach <strong>eine</strong>m Coordination Meeting mit allen europäischen<br />
operativen Flow Control Managern, hatte der<br />
21 der flugleiter 2010/01