100. GBR Sitzung ATC Alltag Alles eine Frage des ... - GdF
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<strong>ATC</strong> <strong>Alltag</strong><br />
<strong>Alles</strong> <strong>eine</strong> <strong>Frage</strong> <strong>des</strong> Standpunkts<br />
oder „Ein ganz normaler<br />
Nachmittag“<br />
Es war ein ganz normaler Freitagnachmittag in <strong>eine</strong>m Streckenkontrollzentrum<br />
irgendwo im kontinentalen Europa. Es war August.<br />
Hochsommer. Die Nachmittagsschicht hatte gerade begonnen, und<br />
die diensthabenden Fluglotsen wussten bereits im voraus, dass sie<br />
mit Gewitteraktivitäten, CB’s in ihrem Jargon, zu tun haben würden.<br />
Die hohen, majestätischen Wolkentürme, die sich bereits wie überdimensionaler<br />
Blumenkohl am Himmel aufbauten, waren ja auch<br />
kaum zu übersehen.<br />
Die Nachmittagsschicht musste mit <strong>eine</strong>r reduzierten<br />
Anzahl an Fluglotsen auskommen, da sich überraschenderweise<br />
zwei Kollegen krank gemeldet hatten.<br />
Der Supervisor (SV) der Frühschicht konnte die<br />
beiden nun fehlenden Kollegen – natürlich – so kurzfristig<br />
nicht mehr ersetzen, so dass <strong>eine</strong> veränderte<br />
Sektorkonfiguration gewählt werden musste. Der<br />
Supervisor traf unter bestmöglicher Berücksichtigung<br />
aller Faktoren die Entscheidung, nur 12 der sonst<br />
üblichen 13 Sektoren zu öffnen, d.h. zwei Sektoren<br />
wurden zu <strong>eine</strong>m konsolidiert, d.h. zusammengelegt.<br />
Diese neue Sektorisierung wurde vorschriftsmäßig<br />
an die CFMU, die Central Flow Management Unit, in<br />
Brüssel gemeldet. Weitere zusätzliche Verkehrsflussmaßnahmen<br />
kamen dazu: 40 statt der sonst üblichen<br />
50 Luftfahrzeuge pro Stunde wurden als Steuerungswert<br />
für diese Sektorkonfiguration festgelegt – d.h.<br />
<strong>eine</strong> Reduzierung von 20%, bedingt durch die CB-<br />
Aktivitäten. Der Stundenwert für das gesamte Center,<br />
d.h. für die gesamte Streckenkontrollzentrale, wurde<br />
somit von den üblichen 120 Bewegungen pro Stunde<br />
auf 96 reduziert, eben genau um diese 20%.<br />
Die beiden Lotsen an dem zusammengelegten<br />
Arbeitsplatz (=Sektor)<br />
begannen ihre Arbeit. In der Mitte ihres<br />
Sektors hatte sich <strong>eine</strong> größere Gewitterzelle<br />
gebildet, die die Flugzeuge<br />
zwang, diese in mehr oder weniger 40<br />
Nautischen Meilen (NM) vom Zentrum<br />
der Aktivität zu umfliegen. Der Executive<br />
Controller, d.h. der Radarlotse, genehmigte und<br />
identifizierte dabei ganz neue Verkehrsströme und<br />
ein völlig anderes Netz von Kreuzungspunkten in s<strong>eine</strong>m<br />
Sektor.<br />
Der Planner, d.h. der Koordinator, musste also mit den<br />
angrenzenden Sektoren neue Ansprachen und Verfahren<br />
abstimmen und koordinieren, da die Luftfahrzeuge<br />
auf ihren neuen Flugwegen sehr nahe an die Grenzen<br />
zu den benachbarten Sektoren fliegen würden. Dies<br />
musste getan werden, da es zu potentiellen Konflikten<br />
mit dem Flugverkehr der Nachbarsektoren führen<br />
konnte. Beide Fluglotsen waren mit der Erledigung<br />
ihrer jeweiligen Aufgaben völlig ausgelastet.<br />
Nach 45 Minuten konzentrierter Arbeit erlebten die<br />
beiden Lotsen die Blockade <strong>eine</strong>r ihrer zwei Frequenzen,<br />
die durch die Konsolidierung der beiden<br />
Sektoren und der dadurch stattfindenden Verkopplung<br />
der Frequenzen auftrat. Das machte das Arbeiten<br />
besonders schwierig und zwang sie zu besonderer<br />
Aufmerksamkeit – zum Glück dauerte diese Blockade<br />
aber nur ca. 90 Sekunden.<br />
von<br />
Jens Lehman<br />
Photos: DFS und skyguide<br />
19 der flugleiter 2010/01