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Der Mensch ist, was er isst - Gesellschaft für kritische Philosophie

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lebensweltliche Erkenntnisint<strong>er</strong>esse und<br />

dies<strong>er</strong> lebenspraktische Standpunkt d<strong>er</strong><br />

Naturphilosophie v<strong>er</strong>steht sich indessen<br />

nicht als zufällig<strong>er</strong> Ausdruck ein<strong>er</strong> beliebigen<br />

Weltanschauung od<strong>er</strong> eines p<strong>er</strong>sönlichen<br />

Forschungsvorhabens, sond<strong>er</strong>n <strong>ist</strong><br />

objektiv begründet – eben in dem Anthropomorphismus<br />

eines metabolischen Naturv<strong>er</strong>hältnisses.<br />

25 Am deutlichsten <strong>er</strong>fasst<br />

Marx die fundamentalen gesellschafts-<br />

(bzw. agrar-)politischen und wissenschaftstheoretischen<br />

Konsequenz dieses<br />

ökologischen Grundgedankens: „Die<br />

Sinnlichkeit (siehe Feu<strong>er</strong>bach) muß die<br />

Basis all<strong>er</strong> Wissenschaft sein. ... <strong>D<strong>er</strong></strong><br />

<strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> d<strong>er</strong> unmittelbare Gegenstand<br />

d<strong>er</strong> Naturwissenschaft.“ Und d<strong>er</strong> avantgard<strong>ist</strong>ische<br />

Umweltanthropologe Marx<br />

<strong>er</strong>gänzt: „Die gesellschaftliche Wirklichkeit<br />

d<strong>er</strong> Natur und die menschliche Naturwissenschaft<br />

od<strong>er</strong> die natürliche Wissenschaft<br />

vom <strong>Mensch</strong>en sind identische<br />

Ausdrücke.“ (Nationalökonomie und <strong>Philosophie</strong>,<br />

a.a.O.: 245f.) Ab<strong>er</strong> Feu<strong>er</strong>bach<br />

gebührt die An<strong>er</strong>kennung, sich als <strong>er</strong>st<strong>er</strong><br />

den naturphilosophischen Sachv<strong>er</strong>halt<br />

klargemacht zu haben, dass im – bezüglich<br />

sein<strong>er</strong> Ex<strong>ist</strong>enzialität gewöhnlich unt<strong>er</strong>schätzten<br />

– ess<strong>ist</strong>enziellen Naturv<strong>er</strong>hältnis<br />

eine alltägliche und un<strong>er</strong>lässliche<br />

<strong>Mensch</strong>w<strong>er</strong>dung d<strong>er</strong> Natur stattfindet:<br />

„Essen und Trinken <strong>ist</strong> die alltägliche, deswegen<br />

nicht bewund<strong>er</strong>te, ja missachtete<br />

Inkarnation, <strong>Mensch</strong>w<strong>er</strong>dung, d<strong>er</strong> Natur.“<br />

(Üb<strong>er</strong> Spiritualismus und Mat<strong>er</strong>ialismus,<br />

a.a.O.: 218) Eine natural<strong>ist</strong>ische Anthropologie<br />

macht sich mit dies<strong>er</strong> unspektakulären<br />

Einsicht, welche von d<strong>er</strong> ideal<strong>ist</strong>ischen<br />

Anthropologie gemeinhin üb<strong>er</strong>gangen<br />

wird, einen fundamentalen (auch<br />

fundamental-ontologischen, metaphysischen)<br />

Sachv<strong>er</strong>halt des menschlichen<br />

Seins klar: Die menschliche Physis, das<br />

Ich, <strong>ist</strong> ganz und gar einv<strong>er</strong>leibte, zu Leib<br />

gemachte, menschlich<strong>er</strong> Leib gewordene<br />

Umwelt. Feu<strong>er</strong>bach führt aus: „Das Ich<br />

<strong>ist</strong> beleibt – heißt ab<strong>er</strong> nichts and<strong>er</strong>es als:<br />

das Ich <strong>ist</strong> nicht nur ein Aktivum, sond<strong>er</strong>n<br />

auch Passivum. Und es <strong>ist</strong> falsch,<br />

diese Passivität des Ich aus sein<strong>er</strong> Aktivität<br />

ableiten od<strong>er</strong> als Aktivität darstellen zu<br />

wollen.“ (Üb<strong>er</strong> den ‹Anfang d<strong>er</strong> <strong>Philosophie</strong>›,<br />

a.a.O.: 72) Und zu diesem physischen<br />

Metabolismus <strong>er</strong>gänzend, heißt es<br />

an ein<strong>er</strong> Stelle (wo Feu<strong>er</strong>bach eine bis<br />

heute fortbestehende Unentschiedenheit in<br />

d<strong>er</strong> begriffliche V<strong>er</strong>wendung von ‹Leib›,<br />

‹Fleisch› od<strong>er</strong> ‹Körp<strong>er</strong>› b<strong>er</strong>ührt): „<strong>D<strong>er</strong></strong> wesentlichste,<br />

d<strong>er</strong> ursprünglichste, d<strong>er</strong> notwendig<br />

mit dem Ich v<strong>er</strong>knüpfte Gegensatz<br />

des Ich <strong>ist</strong> – d<strong>er</strong> Leib, das Fleisch. ...<br />

Ja, das Fleisch od<strong>er</strong>, wenn ihr lieb<strong>er</strong> wollt,<br />

d<strong>er</strong> Leib, hat nicht nur eine naturh<strong>ist</strong>orische<br />

od<strong>er</strong> empirisch-psychologische, <strong>er</strong><br />

hat wesentlich eine metaphysische Bedeutung.<br />

Denn <strong>was</strong> <strong>ist</strong> d<strong>er</strong> Leib and<strong>er</strong>es als<br />

die Passivität des Ich?“ (ebd.: 74) 26<br />

Mit d<strong>er</strong> naturphilosophischen Erkenntnis<br />

ein<strong>er</strong> (in diesem gastrosophischen Sinne<br />

v<strong>er</strong>standenen) meta-physischen Leibphänomenologie<br />

ausg<strong>er</strong>üstet, v<strong>er</strong>folgt Feu<strong>er</strong>bach<br />

in vielen sein<strong>er</strong> Texte seinen Feldzug<br />

gegen den Idealismus, od<strong>er</strong> wie <strong>er</strong><br />

sagt, den Spiritualismus und Supranaturalismus<br />

d<strong>er</strong> ‹alten <strong>Philosophie</strong>›. Das ideal<strong>ist</strong>ische<br />

Denken, das die Welt strikt in<br />

Ge<strong>ist</strong> und Natur, Seele v<strong>er</strong>sus Leib entzweit,<br />

v<strong>er</strong>absoluti<strong>er</strong>e das „spekulative<br />

Ich“, einem „nur aus sich selbst alles<br />

schöpfenden Ich“ (ebd.: 73), das sich von<br />

d<strong>er</strong> Natur als „dem And<strong>er</strong>en des Ich“, als<br />

„Nicht-Ich“ d<strong>ist</strong>anzi<strong>er</strong>e. In dies<strong>er</strong> Vorstellung<br />

stehe d<strong>er</strong> <strong>Mensch</strong>, als Subjekt, d<strong>er</strong><br />

Welt, als Objekt (seines Denkens und<br />

Tuns, sein<strong>er</strong> Macht und H<strong>er</strong>rlichkeit), rein<br />

äuß<strong>er</strong>lich gegenüb<strong>er</strong>. Diesem absoluten,<br />

Aufklärung und Kritik 1/2004 127

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