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Der Mensch ist, was er isst - Gesellschaft für kritische Philosophie

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Entdeckungen Feu<strong>er</strong>bachs. Von Feu<strong>er</strong>bach dati<strong>er</strong>t<br />

<strong>er</strong>st die positive human<strong>ist</strong>ische und natural<strong>ist</strong>ische<br />

Kritik. Je g<strong>er</strong>äuschlos<strong>er</strong>, desto sich<strong>er</strong><strong>er</strong>,<br />

tief<strong>er</strong>, umfangreich<strong>er</strong> und nachhaltig<strong>er</strong> <strong>ist</strong> die<br />

Wirkung d<strong>er</strong> Feu<strong>er</strong>bachschen Schriften, die einzigen<br />

Schriften, seit Hegels Phänomenologie und<br />

Logik, worin eine wirkliche theoretische Revolution<br />

enthalten <strong>ist</strong>.“ (Marx, Nationalökonomie<br />

und <strong>Philosophie</strong>, in: <strong>D<strong>er</strong></strong>s., Die Frühschriften,<br />

Stuttgart 1968: 227) Bege<strong>ist</strong><strong>er</strong>t schreibt Marx an<br />

and<strong>er</strong><strong>er</strong> Stelle: „Es gibt keinen and<strong>er</strong>n Weg ...<br />

zur Wahrheit und Freiheit, als durch den Feu<strong>er</strong>bach.<br />

<strong>D<strong>er</strong></strong> Feu<strong>er</strong>bach <strong>ist</strong> das Purgatorium d<strong>er</strong><br />

Gegenwart.“ (Marx, Luth<strong>er</strong> als Schiedsricht<strong>er</strong><br />

zwischen Strauß und Feu<strong>er</strong>bach, in: W<strong>er</strong>ke, Bd.<br />

I, B<strong>er</strong>lin 1957: 27) Auch Engels v<strong>er</strong>leiht seinem<br />

(anfänglichen) Enthusiasmus gegenüb<strong>er</strong> Feu<strong>er</strong>bachs<br />

mat<strong>er</strong>ial<strong>ist</strong>ischen Kritik an d<strong>er</strong> ideal<strong>ist</strong>ischen<br />

<strong>Philosophie</strong> schwunghaften Ausdruck:<br />

„W<strong>er</strong> hat ... das Geheimnis des ‹Systems› aufgedeckt?<br />

Feu<strong>er</strong>bach. W<strong>er</strong> hat die Dialektik d<strong>er</strong><br />

Begriffe, den Gött<strong>er</strong>krieg, den die Philosophen<br />

allein kannten, v<strong>er</strong>nichtet? Feu<strong>er</strong>bach. W<strong>er</strong> hat<br />

... ‹den <strong>Mensch</strong>en› an die Stelle des alten Plund<strong>er</strong>s,<br />

auch des ‹unendlichen Selbstbewusstseins›<br />

gesetzt? Feu<strong>er</strong>bach und nur Feu<strong>er</strong>bach.“ (Engels,<br />

Die heilige Familie, W<strong>er</strong>ke, a.a.O., Bd. II: 7) Bekanntlich<br />

nimmt die Bege<strong>ist</strong><strong>er</strong>ung und ge<strong>ist</strong>ige<br />

V<strong>er</strong>wandtschaft zwischen dem Begründ<strong>er</strong> des anthropologischen<br />

Mat<strong>er</strong>ialismus und den Vorkämpf<strong>er</strong>n<br />

des h<strong>ist</strong>orischen Mat<strong>er</strong>ialismus im<br />

Laufe d<strong>er</strong> Zeit ab; siehe Marx’ b<strong>er</strong>ühmten Feu<strong>er</strong>bach-Thesen<br />

und Engels späte Position in «Ludwig<br />

Feu<strong>er</strong>bach und d<strong>er</strong> Ausgang d<strong>er</strong> klassischen<br />

deutschen <strong>Philosophie</strong>», in: Marx u. Engels,<br />

Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, B<strong>er</strong>lin<br />

1985<br />

5<br />

Feu<strong>er</strong>bach, Wid<strong>er</strong> den Dualismus von Leib und<br />

Seele, Fleisch und Ge<strong>ist</strong>, in: <strong>D<strong>er</strong></strong>s., Ausgewählte<br />

Schriften I, Frankfurt a. M. 1985: 181<br />

6<br />

Feu<strong>er</strong>bach, Grundsätze d<strong>er</strong> <strong>Philosophie</strong> d<strong>er</strong><br />

Zukunft, in: <strong>D<strong>er</strong></strong>s., Ausgewählte Schriften I,<br />

a.a.O., hi<strong>er</strong>: §36; H<strong>er</strong>vorh. im Original<br />

7<br />

Feu<strong>er</strong>bach, Üb<strong>er</strong> Spiritualismus und Mat<strong>er</strong>ialismus,<br />

besond<strong>er</strong>s in Beziehung auf die Willensfreiheit,<br />

in: <strong>D<strong>er</strong></strong>s., Klein<strong>er</strong>e Schriften IV, Gesammelte<br />

W<strong>er</strong>ke, B<strong>er</strong>lin 1982: 111.<br />

8<br />

Feu<strong>er</strong>bach, Die Naturwissenschaft und die<br />

Revolution, in: <strong>D<strong>er</strong></strong>s., Anthropologisch<strong>er</strong> Mat<strong>er</strong>ialismus.<br />

Ausgewählte Schriften II, a.a.O.: 222<br />

9<br />

In d<strong>er</strong> Abhängigkeit vom And<strong>er</strong>en sein<strong>er</strong><br />

Selbst, als Naturwesen, <strong>isst</strong> d<strong>er</strong> <strong>Mensch</strong> und hat<br />

sich deshalb nicht. <strong>D<strong>er</strong></strong> rationalismus<strong>kritische</strong><br />

Gastrosoph Feu<strong>er</strong>bach nimmt hi<strong>er</strong> grundlegende<br />

Einsichten – und einschlägige Formuli<strong>er</strong>ungen<br />

– von Freuds Meta-Psychologie des Es-Ich<br />

vorweg: „<strong>D<strong>er</strong></strong> <strong>Mensch</strong> steht mit Bewußtsein auf<br />

einem unbewußten Grunde; <strong>er</strong> <strong>ist</strong> unwillkürlich<br />

da, <strong>er</strong> <strong>ist</strong> ein notwendiges Wesen d<strong>er</strong> Natur. Die<br />

Natur wirkt in ihm ohne sein Wollen und Wissen.<br />

Er nennt seinen Leib sein und <strong>ist</strong> ihm doch<br />

absolut fremd; <strong>er</strong> ißt mit Genuß, und <strong>was</strong> ihn<br />

zum Hung<strong>er</strong> treibt, <strong>ist</strong> ein and<strong>er</strong>es Wesen. Er ißt:<br />

und doch hat <strong>er</strong> wed<strong>er</strong> den Grund noch die Folgen<br />

desselben in sein<strong>er</strong> Gewalt ... Er muß essen.<br />

Er <strong>ist</strong> in seinem eigenen Hause ein Fremdling,<br />

<strong>er</strong> hat alle Lasten und Genüsse, Schm<strong>er</strong>zen und<br />

Freuden, ohne doch Grundeigentüm<strong>er</strong>, H<strong>er</strong>r zu<br />

sein. Er <strong>ist</strong> gestellt auf die Spitze ein<strong>er</strong> schwindelnden<br />

Anhöhe – unt<strong>er</strong> ihm ein unbegreiflich<strong>er</strong><br />

Abgrund. Er weiß nicht seinen Anfang, nicht sein<br />

Ende. Er <strong>ist</strong> eh<strong>er</strong> im Besitz, ohne im Grund des<br />

Seins zu sein. Er <strong>ist</strong> Nicht-Selbst und Selbst. ...<br />

Er gehört zur Natur: <strong>er</strong> <strong>ist</strong> ein notwendiges Produkt.<br />

Er steckt tief in ihr.“ (Die Naturwissenschaft<br />

und die Revolution a.a.O.: 228)<br />

10<br />

An and<strong>er</strong><strong>er</strong> Stelle bin ich näh<strong>er</strong> auf diese Einsicht<br />

eingegangen: Harald Lemke, Phänomenologie<br />

des Geschmackssinns, in: Dietrich von Engelhardt<br />

(Hg.), Vom Sinn d<strong>er</strong> Sinne, New York /<br />

Frankfurt a. M., 2004<br />

11<br />

Feu<strong>er</strong>bach, Zur Ethik: <strong>D<strong>er</strong></strong> Eudämonismus, in:<br />

<strong>D<strong>er</strong></strong>s., Ausgewählte Schriften II, a.a.O.: 256<br />

12<br />

Diese subjektiv-allgemeine Gültigkeit und gemeinsinnliche<br />

Reflexion des Geschmacksurteils<br />

<strong>ist</strong> das Thema von Kants diesbezüglichen Ausführungen<br />

in d<strong>er</strong> Kritik d<strong>er</strong> Urteilskraft. Zur Notwendigkeit<br />

ein<strong>er</strong> int<strong>er</strong>subjektiven Geschmacksreflexion<br />

und sinnlichen Erkenntnis d<strong>er</strong> kulinarischen<br />

Wahrheiten siehe auch: Harald Lemke,<br />

Ästhetik des guten Geschmacks. Vorstudien zu<br />

ein<strong>er</strong> Gastrosophie, in: R. Behrens, R. Peplow,<br />

K. Kresse, Symbolisches Flani<strong>er</strong>en. Kulturphilosophische<br />

Streifzüge, Weinheim 2001<br />

13<br />

Diese dogmatische Nötigung des Geschmacks<br />

spürt Feu<strong>er</strong>bach nicht nur in den „lästigen Bitten“<br />

üb<strong>er</strong>eifrig<strong>er</strong> Gastgeb<strong>er</strong>, sond<strong>er</strong>n auch in jen<strong>er</strong><br />

schwarzen Pädagogik auf, wenn Elt<strong>er</strong>n ihren<br />

Kind<strong>er</strong>n bzw. Erzieh<strong>er</strong> ihren Zöglingen „bösen<br />

Willen od<strong>er</strong> Eigensinn“ unt<strong>er</strong>stellen, weil sie<br />

Aufklärung und Kritik 1/2004 136

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