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Der Mensch ist, was er isst - Gesellschaft für kritische Philosophie

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Leib dieses And<strong>er</strong>e selbst, die Identität von<br />

Subjekt und Objekt. Die Meta-Physik des<br />

weltoffenen Leibseins hat ihre substanzielle<br />

Objektivität in und basi<strong>er</strong>t auf dem<br />

Metabolismus d<strong>er</strong> objektiven Umwelt-<br />

(leib)lichkeit des <strong>Mensch</strong>en als physischem<br />

Naturwesen. Auch wenn Feu<strong>er</strong>bach<br />

keine geschlossene und ausgearbeitete<br />

Anthropologie des menschlichen Umweltseins<br />

lief<strong>er</strong>t, kommt <strong>er</strong> – üb<strong>er</strong> seine<br />

Schriften v<strong>er</strong>streut – auf einzelne Elemente<br />

wie Luft, Licht, Wass<strong>er</strong> od<strong>er</strong> eben Essen,<br />

also auf solche Faktoren des Umwelt-<br />

‹einflusses› zu sprechen, welche uns ständig<br />

durchströmen und d<strong>er</strong>en Substrat wir<br />

zu uns<strong>er</strong>em Ich beleiben bzw. in uns<strong>er</strong>em<br />

physischen Zustand v<strong>er</strong>körp<strong>er</strong>n. And<strong>er</strong>s<br />

gesagt: „Vor allem bin ich ein nicht ohne<br />

Licht, ohne Luft, ohne Wass<strong>er</strong>, ohne Erde,<br />

ohne Speise ex<strong>ist</strong>i<strong>er</strong>endes, ein von Natur<br />

abhängiges Wesen.“ 31 Für das gastrosophische<br />

Anliegen bleibt an dies<strong>er</strong> Stelle<br />

festzuhalten, dass Feu<strong>er</strong>bachs naturphilosophisch<br />

fundi<strong>er</strong>te Anthropologie <strong>er</strong>stmals<br />

wied<strong>er</strong> die hippokratische Erkenntnis<br />

d<strong>er</strong> Umweltleiblichkeit des <strong>Mensch</strong>en<br />

ausspricht. Bekannt geworden <strong>ist</strong> diese <strong>für</strong><br />

ein ökologisches Selbstv<strong>er</strong>ständnis ebenso<br />

wie <strong>für</strong> ein umweltethisches Denken<br />

grundlegende Einsicht lediglich in Marx’<br />

griffigen Formel von „d<strong>er</strong> wahren Resurrektion<br />

d<strong>er</strong> Natur“, wonach d<strong>er</strong> „vollendete<br />

Naturalismus = Humanismus“ und<br />

d<strong>er</strong> „vollendete Humanismus = Naturalismus“<br />

sei. 32<br />

Eine weit<strong>er</strong>e Konsequenz, die sich aus<br />

Feu<strong>er</strong>bachs neu<strong>er</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>er</strong>gibt, betrifft<br />

den Sachv<strong>er</strong>halt, dass ein gastrosophisch<strong>er</strong><br />

Ex<strong>ist</strong>enzialismus trotz dessen<br />

praktischen Anthropomorphismus auf<br />

kein anthropozentrisches Naturv<strong>er</strong>ständnis<br />

hinausläuft, sond<strong>er</strong>n umgekehrt eh<strong>er</strong><br />

die normativen Grundlagen <strong>für</strong> eine moralische<br />

An<strong>er</strong>kennung d<strong>er</strong> Natur als Subjekt<br />

lief<strong>er</strong>t. Dies hängt nicht zuletzt mit<br />

Feu<strong>er</strong>bachs Freiheitsbegriff zusammen,<br />

d<strong>er</strong> auch hi<strong>er</strong> durch einen radikal neuen<br />

Gedanken die dual<strong>ist</strong>ischen Fundamente<br />

d<strong>er</strong> ‹alten <strong>Philosophie</strong>› unt<strong>er</strong>gräbt, die<br />

Freiheit und Natur als Gegensatzpaar<br />

dachte. In den «Vorläufigen Thesen zur<br />

Reform d<strong>er</strong> <strong>Philosophie</strong>» von 1842<br />

schreibt d<strong>er</strong> ‹junge Wilde›: „Nur d<strong>er</strong> neuen<br />

<strong>Philosophie</strong> wird es gelingen, die Freiheit,<br />

die bish<strong>er</strong> eine anti- und supranatural<strong>ist</strong>ische<br />

Hypothese war, zu naturalisi<strong>er</strong>en.“<br />

33 Diese Naturalisi<strong>er</strong>ung des Freiheitsbegriffs<br />

beinhaltet im Umkehrschluss,<br />

dass d<strong>er</strong> normative Bezugspunkt ein<strong>er</strong><br />

philosophischen Betrachtung d<strong>er</strong> Natur<br />

kategorial durch das menschliche Freiheitsv<strong>er</strong>mögen<br />

gegeben <strong>ist</strong>, das tägliche<br />

Essen als eine potentielle Praxis d<strong>er</strong> Freiheit<br />

auffassen zu können. Mithin implizi<strong>er</strong>t<br />

dieses gastrosophische Freiheitsv<strong>er</strong>ständnis<br />

nicht die Unabhängigkeit (die<br />

Freiheit) von Natur bzw. natürlichen körp<strong>er</strong>lichen<br />

Bedürfnissen. Naturphilosophisch<br />

gewendet, v<strong>er</strong>bindet sich <strong>für</strong> Feu<strong>er</strong>bach<br />

aus dem normativen Selbstv<strong>er</strong>ständnis<br />

sein<strong>er</strong> praktischen Anthropologie ein<br />

w<strong>er</strong>thaltig<strong>er</strong>, qualitativ<strong>er</strong> Naturbegriff.<br />

Denn wiewohl die alltägliche <strong>Mensch</strong>w<strong>er</strong>dung<br />

durch die Inkarnation d<strong>er</strong> ‹Wohlnatur›<br />

geschieht 34 , wird „die Natur nur<br />

<strong>Mensch</strong> infolge d<strong>er</strong> Identität von Subjekt<br />

und Objekt, die sich uns im Gefühl des<br />

Wohlseins offenbart.“ (Spiritualismus und<br />

Mat<strong>er</strong>ialismus: 218)<br />

Obschon Feu<strong>er</strong>bachs meta-physisch<strong>er</strong> wie<br />

qualitativ<strong>er</strong> Begriff d<strong>er</strong> Wohlnatur, wegen<br />

dessen praktischem (‹anthropomorphem›)<br />

Bezugspunktes des menschlichen Wohlseins,<br />

nicht direkt den umweltethischen<br />

Gedanken ein<strong>er</strong> An<strong>er</strong>kennung d<strong>er</strong> objektiven<br />

Natur als Subjekt formuli<strong>er</strong>t, lief<strong>er</strong>t<br />

Aufklärung und Kritik 1/2004 129

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