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Der Mensch ist, was er isst - Gesellschaft für kritische Philosophie

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leiblosen und unb<strong>er</strong>ührten Ich hält die<br />

‹neue Anthropologie› die objektive Passivität<br />

des sinnlichen, sich <strong>er</strong>nährenden,<br />

v<strong>er</strong>körp<strong>er</strong>ten Ichs entgegen: „Allein das<br />

Ich <strong>ist</strong> keineswegs «durch sich selbst» als<br />

solches, sond<strong>er</strong>n durch sich als leibliches<br />

Wesen... Im Leib sein, heißt in d<strong>er</strong> Welt<br />

sein.“ (ebd.) Mit dies<strong>er</strong> meta-physisch naturphilosophischen<br />

Bestimmung des Leibseins<br />

des <strong>Mensch</strong>en und sein<strong>er</strong> „Wahrheit“<br />

27 nimmt Feu<strong>er</strong>bach die Grundeinsicht<br />

d<strong>er</strong> phänomenologischen Leibphilosophie<br />

vorweg, wie sie von M<strong>er</strong>leau-Ponty<br />

und and<strong>er</strong>en Autoren entwickelt wurde. 28<br />

Meta-Physik des porösen Ichs, Vorgang<br />

des Objekts<br />

<strong>D<strong>er</strong></strong> entscheidende Punkt d<strong>er</strong> wenig beachteten,<br />

ess<strong>ist</strong>enziellen H<strong>er</strong>leitung von<br />

Feu<strong>er</strong>bachs Leibphilosophie <strong>ist</strong> sich<strong>er</strong>lich<br />

d<strong>er</strong> Gedanke d<strong>er</strong> „porösen“ Natur des<br />

<strong>Mensch</strong>en, uns<strong>er</strong><strong>er</strong> physisch-sinnlichen<br />

und metabolischen Offenheit zur Welt. Im<br />

Anschluss an die Feststellung, dass Leibsein<br />

Weltsein heißt, noti<strong>er</strong>t Feu<strong>er</strong>bach,<br />

dass das Ich „durch den Leib, d<strong>er</strong> Welt<br />

offen“ sei und fügt hinzu: „Soviel Sinne<br />

– soviel Poren, soviel Blößen. <strong>D<strong>er</strong></strong> Leib<br />

<strong>ist</strong> nichts and<strong>er</strong>es als das poröse Ich.“ 29<br />

Es wurde zurecht darauf hingewiesen,<br />

dass sich Feu<strong>er</strong>bach mit d<strong>er</strong> anthropologischen<br />

Charakt<strong>er</strong>isi<strong>er</strong>ung des <strong>Mensch</strong>en<br />

als weltoffenem Wesen zwar zum scharfsinnigen<br />

Vordenk<strong>er</strong> ein<strong>er</strong> zentralen Erkenntnis<br />

sowie eines grundlegenden Begriffs<br />

d<strong>er</strong> ‹philosophischen Anthropologie›<br />

gemacht hat, wie diese üb<strong>er</strong> ein halbes<br />

Jahrhund<strong>er</strong>t spät<strong>er</strong> dann von Plessn<strong>er</strong><br />

und Schel<strong>er</strong> entworfen wird, dennoch ab<strong>er</strong><br />

seine praktische Anthropologie nicht in<br />

dem Kanon dies<strong>er</strong> philosophischen Tradition<br />

einzureihen sei (vgl. Schmidt,<br />

Emanzipatorische Sinnlichkeit, a.a.O.:<br />

31). Die weltoffene Porosität des Körp<strong>er</strong>s<br />

dient Feu<strong>er</strong>bach nicht zur Wesensbestimmung<br />

des <strong>Mensch</strong>en üb<strong>er</strong> eine biolog<strong>ist</strong>ische<br />

Abgrenzung gegenüb<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en Lebewesen,<br />

wie beispielsweise Plessn<strong>er</strong>s<br />

Konzept d<strong>er</strong> „exzentrischen Positionalität“,<br />

od<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> die Annahme ein<strong>er</strong> „ex<strong>ist</strong>enziellen<br />

Entbundenheit vom Organischen“,<br />

wie Schel<strong>er</strong> den anthropologischen<br />

Begriff d<strong>er</strong> „Weltoffenheit“ in seinem<br />

Hauptw<strong>er</strong>k «Die Stellung des <strong>Mensch</strong>en<br />

im Kosmos» postuli<strong>er</strong>t. Mit d<strong>er</strong><br />

Rede von d<strong>er</strong> Porosität uns<strong>er</strong>es leiblichsinnlichen<br />

Wesens v<strong>er</strong>sucht Feu<strong>er</strong>bach das<br />

physische Ich in sein<strong>er</strong> empirischen Passivität<br />

als natürliches Objekt bzw. v<strong>er</strong>menschlichte<br />

Natur induktiv zu <strong>er</strong>fassen.<br />

Denn das beleibte Ich <strong>ist</strong> wesentlich in<br />

sein<strong>er</strong> Weltoffenheit ein Passivum, <strong>was</strong> „in<br />

Wahrheit nichts and<strong>er</strong>es ausdrückt als das<br />

unfreiwillige Gesetztsein des Ich von seiten<br />

des Objekts“. (Üb<strong>er</strong> den ‹Anfang d<strong>er</strong><br />

<strong>Philosophie</strong>›, a.a.O.: 70) <strong>D<strong>er</strong></strong> Gedanke<br />

vom Vorrang des Objektes, den Feu<strong>er</strong>bach<br />

Adorno v<strong>er</strong>macht 30 , dezentri<strong>er</strong>t die Hi<strong>er</strong>archie<br />

in d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>hältnisbestimmung von<br />

Subjekt und Objekt, <strong>Mensch</strong> und Natur,<br />

wie sie die ‹alte›, ideal<strong>ist</strong>ische Anthropologie<br />

mit ihr<strong>er</strong> Konstruktion vom absolut<br />

gesetztem, alles Sein nur aus dem eigenen<br />

Ge<strong>ist</strong> schöpfendem, spekulativem Ich<br />

rechtf<strong>er</strong>tigt. Wenn, wie Feu<strong>er</strong>bachs ökologische<br />

Anthropologie darlegt, das „Passivum<br />

des Ichs“ gleichbedeutend <strong>ist</strong> mit<br />

dem „Aktivum des Objekts“ – <strong>was</strong> ins<br />

Gastrosophische üb<strong>er</strong>setzt nichts and<strong>er</strong>es<br />

meint, als dass Nahrung und Essen d<strong>er</strong><br />

substanzielle Anfang des Seins sind und<br />

<strong>Mensch</strong>w<strong>er</strong>dung (Subjekt) üb<strong>er</strong> die tägliche<br />

Einleibung und transsubstanzialisi<strong>er</strong>te<br />

Inkarnation d<strong>er</strong> Natur (Objekt) geschieht<br />

–, dann <strong>ist</strong> die Natur nicht das And<strong>er</strong>e des<br />

Ichs. Vielmehr <strong>ist</strong> das physische Ich als<br />

Aufklärung und Kritik 1/2004 128

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