GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz
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Personalvertretung<br />
Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 wird novelliert<br />
Heinz Wüntscher berichtet vom Hearing des DGB in Mainz<br />
Am 18.Oktober fand in Mainz-<br />
Hechtsheim auf Einladung des<br />
DGB eine Anhörung zur Novellierung<br />
des Betriebsverfassungsgesetzes<br />
(BVG) statt. Unter dem Motto<br />
„Wer, wenn nicht wir? für eine fortschrittliche<br />
Betriebsverfassung“ erörterten<br />
eine Reihe von Fachleuten<br />
aus Politik und Wissenschaft mit<br />
Betriebsräten und Gewerkschaftern<br />
aus <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> die notwendigen<br />
Aktualisierungen des BVG von<br />
1972.<br />
Dr. Gerd Engels aus dem Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales stellte<br />
im Eingangsreferat die Grundlinien<br />
dar, in denen sich der Entwurf der<br />
Bundesregierung zum Ende dieses Jahres<br />
bewegen wird.<br />
Sowohl die Bedingungen eines veränderten<br />
Arbeitsmarktes, neue Anforderungen<br />
der ArbeitnehmerInnen an Betriebsräte<br />
als auch die veraltete Trennung<br />
von ArbeiterInnen und Angestellten<br />
verlangen nach neuen Antworten<br />
im BVG.<br />
Auch wichtige Fragen zur Sicherung<br />
von Arbeit, im Umwelt- und Datenschutz<br />
machen eine Novellierung erforderlich.<br />
Nicht zuletzt besteht Handlungsbedarf<br />
zu den „weißen Flecken in der betrieblichen<br />
Landschaft“, den Betrieben ab<br />
fünf Beschäftigten ohne Betriebsrat und<br />
Betriebsverfassung.<br />
Dr. Engels nannte insgesamt zehn<br />
Grundlinien, die sich im noch unveröffentlichten<br />
Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />
finden:<br />
1) Betriebs- und Unternehmensbegriff:<br />
Hier soll es eine Kombination von gesetzlichen<br />
und tarifvertraglichen Lösungen<br />
geben, damit Interessensvertretung<br />
der Beschäftigten bei Spaltung oder Zusammenlegung<br />
von Betrieben/ Unternehmen<br />
weiter funktioniert. Als Vermutungsregel<br />
soll immer ein „gemeinsamer<br />
Betrieb“ gelten. In Fällen betrieblicher<br />
Strukturänderungen ist ein<br />
generelles Übergangsmandat des Betriebsrats<br />
vorgesehen. Betriebsräte sollten<br />
zusätzlich die Möglichkeit erhalten,<br />
Sparten-, Filial- und Gesamtunternehmensbetriebsräte<br />
zu bilden.<br />
2) Entbürokratisierung des Wahlrechts:<br />
Die Streichung der Gruppenrechte Arbeiter<br />
- Angestellte soll zu mehr Überschaubarkeit<br />
und weniger Kosten bei<br />
den BR-Wahlen führen. Es ist vorgesehen,<br />
dass in Kleinbetrieben das Wahlverfahren<br />
vereinfacht wird, z.B. dadurch,<br />
dass ein Betriebsrat auch direkt<br />
auf einer Betriebsversammlung gewählt<br />
werden kann. Diejenigen, die eine solche<br />
Wahlversammlung einberufen, sollten<br />
durch einen begrenzten Kündigungsschutz<br />
abgesichert werden.<br />
3) Arbeitnehmerbegriff:<br />
Dem Betriebsrat soll Aufschluss über<br />
alle im Betrieb Tätigen gegeben werden,<br />
so dass auch Leih- und Tele-Arbeit<br />
ab einer Mindestdauer von z.B.<br />
drei Monaten in das aktive Wahlrecht<br />
mit einbezogen werden können.<br />
4) Arbeitnehmer-Grenzzahlen für<br />
BR-Wahlen:<br />
Die Grenzzahlen sollen bei BR-Wahlen<br />
und bei Freistellungen (ab 200 Arbeitnehmern<br />
eine Freistellung) herabgesetzt<br />
werden. Teilzeit-Freistellungen<br />
werden im neuen Entwurf ebenso berücksichtigt<br />
wie das Mitbestimmungsrecht<br />
des BR bei Versetzungen von BR-<br />
Mitgliedern. Wie die Unterstützung der<br />
BR-Arbeit durch Fachleute aus dem Betrieb<br />
soll auch der Zugang des BR zu<br />
den modernen Kommunikationsmitteln<br />
erleichtert werden.<br />
5) Stärkung der Mitwirkungs- und<br />
Mitbestimmungsrechte:<br />
Hierunter fallen Qualifizierungsmaßnahmen<br />
bei neuen Techniken, Einführung<br />
von Gruppenarbeit, Verzahnungen<br />
von Sozialplänen mit den Regelungen<br />
des SGB III und Initiativen zur<br />
Beschäftigungssicherung. Die Grenzzahlen<br />
der §§ 99,106 BVG - Mitbestimmung<br />
zu personellen Einzelmaßnahmen<br />
und der wirtschaftlichen Mitbestimmung<br />
sollen herabgesetzt werden.<br />
6) Stärkung der Mitwirkung der<br />
Arbeitnehmer:<br />
Vorgesehen sind Themeninitiativen<br />
mindestens von 5% der Arbeitnehmer<br />
an den Betriebsrat, Entwicklung einzelner<br />
Beteiligungsrechte von Arbeitsgruppen<br />
und der Einsatz von Fachwissen<br />
aus der Belegschaft zur Unterstützung<br />
der BR-Arbeit.<br />
7) Umweltschutz:<br />
Es soll ein Aufgabenkatalog zur Förderung<br />
von Maßnahmen des Umweltschutzes<br />
erstellt werden. In §89 BVG -<br />
Arbeitsschutz- werden Regelungen für<br />
den Umweltschutz aufgenommen.<br />
8) Chancengleichheit Frauen -<br />
Männer:<br />
§15 BVG, in dem es heißt: „Die Geschlechter<br />
sollen entsprechend ihres zahlenmäßigen<br />
Verhältnisses vertreten<br />
sein.“ soll zur Muss-Vorschrift werden.<br />
Zusätzlich werden zur Gleichstellung<br />
der Frauen Ausgleichsansprüche für<br />
Teilzeitbeschäftigte aufgenommen.<br />
Chancengleichheit und Familienschutz<br />
werden zu immanenten Teilen der Personalplanung.<br />
Gleichzeitig ist vorgesehen,<br />
eine Quotenregelung zu den BR-<br />
Wahlen einzuführen.<br />
9) Jugend- und Auszubildendenvertretung:<br />
Für sie soll die Möglichkeit gegeben sein,<br />
eigene Ausschüsse zu bilden und Initiativen<br />
zur Übernahme von Auszubildenden<br />
in das Arbeitsverhältnis zu ergreifen.<br />
Es soll auch eine Konzern -<br />
Vertretung eingeführt werden.<br />
10) Maßnahmen gegen Rassismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit:<br />
Dies kann und soll Thema von betrieblichen<br />
Versammlungen sein. Der Betriebsrat<br />
bekommt im Rahmen der Bekämpfung<br />
solcher Tendenzen ein Antragsrecht<br />
zur Entfernung von einzelnen<br />
Arbeitnehmern im Betrieb.<br />
In einer kurzen Diskussion wurde auf<br />
das Problem der Fremdfirmen-Arbeit<br />
und der ständig wechselnden Leiharbeiter<br />
hingewiesen. Es wurde deutlich,<br />
dass den Arbeitgebern in der immer<br />
deutlicheren Einschränkung des Arbeitnehmerbegriffs<br />
klar entgegengetreten<br />
werden muss.<br />
Die Tarifautonomie steht nicht zur<br />
Disposition. Betriebsvereinbarungen<br />
und Experimentierklauseln zum Betriebs-<br />
und Unternehmensbegriff sollten<br />
unterbleiben.<br />
Es wurde betont, dass im neuen Gesetz<br />
auch stärker die Mitbestimmung in<br />
Weiterbildungs- und beruflich erforder-<br />
22 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 12 / 00