GESETZ UND ZUM ZEUGNIS. - Licht und Recht
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Abschnitt I. – Das Gesetz. 17<br />
Wann in aller Welt sollten sie dann dem Volk bekannt geworden sein? Dann sind auch sie wohl später<br />
eingeschwärzt <strong>und</strong> nur kühne Erdichtungen späterer Dichter? Paulus geht selbst so weit, im Vergleich<br />
mit der zu seiner Zeit stattfindenden Offenbarung die frühere als irrelevant hinzustellen <strong>und</strong><br />
von der Offenbarung eines Geheimnisses zu reden, welches von ewigen Zeiten her verschwiegen<br />
war, nun aber ans <strong>Licht</strong> gebracht worden (Röm. 16,25). Er meint mit diesem Geheimnis ja offenbar<br />
den göttlichen Ratschluss zur Erlösung der Welt. Nur ganz nebenbei erwähnt er als Organ der Bekanntmachung<br />
die prophetischen Schriften (V. 26) <strong>und</strong> schränkt dadurch seine frühere Behauptung,<br />
dass das Mysterium verschwiegen war, ein. So apodiktisch urteilt er, als ein Solcher, der, im Vollgenuss<br />
des gegenwärtigen Besitzes, andre Zeiten, die auch schon in der Hoffnung daran teilhatten,<br />
ganz übersieht, oder doch nur ganz beiläufig ihrer in diesem Zusammenhang Erwähnung tut (vergl.<br />
Exod. 6,2). Dennoch nahm die Verheißung einen viel breiteren Raum ein in der heiligen Geschichte<br />
vor Christus, aber natürlich so wie gegenwärtig, nach Christus, nimmermehr. Gerade so reden auch<br />
die historischen Bücher, außer demjenigen des Chronisten, gar nicht vom Gesetz als Hauptsache,<br />
auf dem Gesetzesbuchstaben wollen sie nicht bestehen, es ist oft gerade als ob er erloschen wäre.<br />
Und dagegen haben sie den weit tieferen Konflikt des Volkes mit seinem Gott vor Augen, den Unglauben<br />
<strong>und</strong> Ungehorsam, um derentwillen das Volk nie zu der Ruhe, die ihnen Gott verheißen,<br />
kommen konnte (Hebr. 3,11). Die Unterlassung einer treuen Gesetzeserfüllung war zwar ein Faktum,<br />
aber dieses Defizit im israelitischen Haushalte war ein verschwindendes gegenüber dem andren<br />
größeren des Unglaubens (man vergl. Hebr. 3,19; Hebr. 4,1-11). Hätte man sich nur darauf verlegt,<br />
die Unterlassungssünden gegenüber dem Gesetzesbuchstaben zu schildern, wo hätte man da<br />
anfangen, wo enden sollen? Wie fruchtlos wäre das auch gewesen? Diese kleineren Ausläufer der<br />
Sünde Israels lässt der prophetische Geschichtschreiber meist auf sich beruhen, indem er selbst kein<br />
Buchstabenknecht ist, <strong>und</strong> dringt durch seine Erzählung vielmehr auf Abstellung der Sünden wider<br />
das erste Gebot. Der Chronist verfährt wohl etwas anders, aber immer doch als Liebhaber des göttlichen<br />
Gesetzes, <strong>und</strong> nicht als Buchstabenknecht. Und wo immer er die Erfüllung des Gesetzes hervorhebt,<br />
da ist ihm dieselbe als eine Frucht <strong>und</strong> Merkmal des Glaubens wichtig: das ist bei David,<br />
bei Asa, bei Hiskia <strong>und</strong> Josia der Fall. Nirgend ist er geleitet durch das Bestreben, eine Retouchierung<br />
der älteren Geschichte, oder gar seiner Quellen, im Streit mit der historischen Wahrheit, vorzunehmen.<br />
– Es scheint uns also durchaus an der Zeit, den Begriff „Gesetz“ selber gehörig zu revidieren<br />
<strong>und</strong> diese aus der Zeit des Rationalismus der Theologie zugefallene Erbschaft zu untersuchen,<br />
bevor wir sie cum beneficio inventarii antreten. Wenn vom „Gesetz“ geredet wird, meint fast Jeder<br />
sofort zu wissen, um was es sich handelt. Aber die biblisch-theologische Analyse dieses Begriffs<br />
bringt doch auf andre Gedanken. Das „Gesetz“ ist im Volke Gottes nicht, wie bei andren Völkern,<br />
der endliche Niederschlag eines alten <strong>und</strong> reich entwickelten Usus, <strong>und</strong> auch nicht die Erfindung eines<br />
Einzelnen, etwa Moses. Es ist eine Gottesgabe, <strong>und</strong> doch so vorsichtig <strong>und</strong> unter solchen Kautelen<br />
am Sinai eingeführt, dass es den Charakter einer Episode behielt <strong>und</strong> stets necessitate praecepti,<br />
nicht aber necessitate absoluta als obligatorisch für das Volk erschien. Wer sich weigerte, das Gesetz<br />
zu halten, der entbehrte viel, aber er entbehrte nicht Alles. Die Könige, welche das Gesetz nicht beobachteten,<br />
schadeten sich selbst am meisten <strong>und</strong> gruben in Israel wenigstens ihrer Dynastie ein frühes<br />
Grab. Auch Juda hatte wenig fromme Könige im Sinne des „Gesetzes“, vielmehr war „Glaube“<br />
der eigentliche Prüfstein des Verhaltens gegenüber Gott, auf den alles ankam: durch Glauben <strong>und</strong><br />
Reue sind ihrer Mehrere, obschon Gesetzesübertreter, dennoch errettet worden. Und das Gleiche<br />
gilt von Gideon, Barak, Simson <strong>und</strong> Jephthah (Hebr. 11,32). Es hat also diese ganze Verhandlung<br />
über eine relativ leblose Existenz des Gesetzes bis auf Esras Zeit, aus der Viele den Schluss auf<br />
Nichtexistenz des Gesetzes machen, den Nutzen, zum rechten Urteil über das Gesetz zurückzuführen.<br />
Glaube, nicht Werk – das ist es, was die Hauptregel des Verhaltens Israels zu seinem Gott