GESETZ UND ZUM ZEUGNIS. - Licht und Recht
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Abschnitt II. – Der B<strong>und</strong>. 25<br />
Josua zum Volk: „Ihr seid Zeugen über Euch selbst, dass ihr Euch Jehova erwählt habt, dass ihr ihm<br />
dienet“. Und sie sprachen: „Ja, wir sind Zeugen!“<br />
Man stelle sich einen Augenblick vor: dass ein solches bedingungsweise eingegangenes, von gewissen<br />
Geboten abhängiges Verhältnis zwischen Jehova <strong>und</strong> Israel bestanden hätte, wie es sich die<br />
Rabbiner als Ideal dachten, <strong>und</strong> ihnen nach, wenn auch in etwas veredelter Form, unsre Rationalisten.<br />
Man stelle sich weiter vor, dass von der strikten Erfüllung dieser Gebote der Fortbestand Israels<br />
abgehangen hätte. Von der Beschneidung an bis zum Grabe wären demgemäß die Epigonen eines<br />
Mose, Kaleb <strong>und</strong> Josua an dem Strick des Gesetzes geb<strong>und</strong>en einhergegangen; stets auf dem<br />
Sprung, um nun dieses, dann jenes Gebot zu beobachten, <strong>und</strong> der Angst erliegend, sie möchten dem<br />
Gesetz irgendwie zu kurz getan haben. „Du sollst das nicht angreifen, du sollst das nicht kosten, du<br />
sollst das nicht anrühren“ (Kol. 2,21). Denken wir uns Gideon auf der Tenne Weizen dreschend <strong>und</strong><br />
zugleich das Sch’ma Israel! rezitierend, oder Simson auf dem Weg nach dem Philisterlande mit einer<br />
Gesetzesrolle in der Tasche! 18 Man denke sich David die Schaubrote, die der Hohepriester ihm<br />
darreicht, zurückweisend, weil sie nur den Priestern zustünden, <strong>und</strong> ganz Israel dreimal im Jahre die<br />
Waffen niederlegend, auch wenn die Philister im Lande waren, um vor Gott, d. h. vor der B<strong>und</strong>eslade<br />
zu erscheinen! Man denke sich dies <strong>und</strong> noch vieles Andre, was zum Ideal eines Judenstaates gehört,<br />
<strong>und</strong> man wird das Ungereimte fühlen von solchem Verlaufe der Geschichte Israels.<br />
Dennoch aber stand dies Alles im Buch, es war im Gesetz geboten, <strong>und</strong> wenn man es dort ausstreichen<br />
wollte, so würde man eine Lücke öffnen in der Mauer, die Gott vorsorglich durch sein Gesetz<br />
um sein Volk her gezogen. Gab Gott einmal seinem Volke Gesetze, so gab er sie ihm für alle<br />
Fälle <strong>und</strong> nach allen Beziehungen des Lebens, <strong>und</strong> sie galten necessitate praecepti, wenn auch nicht<br />
necessitate absoluta, was aber ein guter Gesetzgeber natürlich nicht von vornherein verraten darf. Er<br />
konnte bei den bürgerlichen <strong>und</strong> zeremoniellen Satzungen so wenig nach der Kapazität seines Volkes<br />
sich vorher erk<strong>und</strong>igen, wie bei den moralischen Gesetzen. Die Forderung: „Du sollst Gott deinen<br />
Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele <strong>und</strong> von ganzem Vermögen (Deut. 6,5) <strong>und</strong><br />
deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lev. 19,18), ist ja ebensowenig aus einer vorgängigen Untersuchung,<br />
ob etwa der Mensch dazu im Stande sei, hervorgegangen. Er ist nicht dazu im Stande, aber<br />
das Gesetz forderte es gleichwohl; <strong>und</strong> es donnerte <strong>und</strong> fluchte, wenn der Israelit seinen Verpflichtungen<br />
nicht nachkam. Das Gesetz stellt kategorisch seine Forderungen; es umfasst die göttlichen<br />
Forderungen an das Volk <strong>und</strong> den Einzelnen im ganzen Verlauf seines Lebens von der Geburt an bis<br />
zum Grabe. Da bleibt nur wenig der freien Initiative überlassen; selbst die Sühne ist geboten, <strong>und</strong><br />
die Sündenvergebung, wobei keines der Vergehen, die man auf dem Gewissen trägt, ausgeschlossen<br />
ist, gipfelt in einem zentralen Sühnakt am großen Versöhnungstage (Lev. 16,21), welcher vorgeschrieben<br />
war. Der Buchstabe, die Forderung tritt überall in den Vordergr<strong>und</strong>, ohne doch für den<br />
Schärferblickenden den Geist der in dem Buchstaben war, zu ersticken. Will Israel wirklich ein Volk<br />
Gottes sein, natürlich nach dem Zuschnitt jener Zeiten <strong>und</strong> gemäß den Elementen der Welt (Kol.<br />
2,8.20), dann sollte es dies auch recht sein. Wollten wir Gottes Weisheit tadeln, der seinem Volk solche<br />
Fesseln angelegt, sobald es in die Reihe der Völker eintrat <strong>und</strong> als Volk in näherer Beziehung zu<br />
ihm stand? Nun, alle Heidenvölker hatten ähnliche Schranken <strong>und</strong> Formen, <strong>und</strong> in allen wichtigeren<br />
Gesetzen <strong>und</strong> Institutionen berührt sich das Volk Gottes mit den andren Heidenvölkern. Hier wie<br />
dort gab es einen Kultus; Kultusstätte, Opfer, Gebet, Segen – alles das war präliminiert. Auch in Israel<br />
hatte, wie bei den Völkern, das Orakel seine Stätte in den Urim <strong>und</strong> Thummim. Wenn in der<br />
Not des Krieges oder bei sonstigen schwierigen Anlässen der Heerführer oder König wissen wollte,<br />
was der Wille Gottes sei, dann fragten sie den M<strong>und</strong> Gottes mittelst der Urim <strong>und</strong> Thummim (Jos.<br />
18 Heillose Proben einer solchen Gesestzesauffassung gibt Lagarde in den Prophetae Chaldaice aus dem alten Reuchlin’schen<br />
Codex, S. XV u. XVIII.