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GESETZ UND ZUM ZEUGNIS. - Licht und Recht

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Abschnitt III. – Parallelen aus der Kirchengeschichte. 29<br />

losesten Folgen für den Wandel hervorkamen, fraß schnell um sich <strong>und</strong> ergriff bald das ganze Gebiet<br />

der sichtbaren Kirche. Wie auch immer aus der Kirche ausgetrieben, so blieb der Semipelagianismus<br />

doch zuletzt Sieger in dem System, wie er es von jeher in der Praxis gewesen war.<br />

Und dabei stehen wir hier noch vor einer recht merkwürdigen Erscheinung, welche interessant<br />

genug ist. Als keine Form geboten war, in der Zeit nach Christi Geburt, da beeilte sich der menschliche<br />

Geist, eine solche zu erfinden <strong>und</strong> sie mit allen möglichen Garantien für die treue Einhaltung<br />

vorsorglich zu umgeben. Als eine solche einst vom Sinai herab wirklich geboten worden, da hatte<br />

das Volk Israel nichts eiligeres zu tun, als sich dieselbe vom Halse zu schaffen <strong>und</strong> zu leben, als<br />

wenn es in seiner freien Wahl stünde, ob es nach dem Gesetz handeln wolle oder nicht. Wie sehr<br />

liebt der Mensch den Widerspruch. Gottes Weg ist ihm nie recht! Aber so viel ersehen wir daraus<br />

doch, dass, wenn schon Gott ein Volk am Sinai mit nationaler Existenz sich schaffen wollte – er<br />

nach seiner Weisheit zugleich feste Gesetze <strong>und</strong> Ordnungen diesem Volke offenbaren musste, welche<br />

die Verirrung in das Labyrinth der heidnischen Sitte verhindern <strong>und</strong>, wo sie das nicht vermochten,<br />

doch wenigstens dem verlorenen Sohne eine Heimstätte bereiten sollten, wohin er sich aus der<br />

Fremde immer wieder zurückwenden konnte. Als dann Christus kam, hörte diese aus sichtbaren Rudimenten<br />

bestehende Volksherrlichkeit auf, <strong>und</strong> es begann eine weit höhere, nun aber innerliche<br />

Herrlichkeit der Gemeinde Christi, bei der an ein Jerusalem hier unten nicht ferner zu denken war,<br />

sondern nur an ein Jerusalem dort oben. Aber siehe da: sofort ergänzte der erfindungsreiche Menschengeist<br />

das nach seiner Meinung Fehlende – <strong>und</strong> das also Ergänzte ward unbesehens zur Hauptsache.<br />

Und als nun seit der Reformation dasjenige, was die Waldenser in ihrem Kirchensiegel als unentwegte<br />

Hoffnung ausgesprochen, Wahrheit geworden 23 : als wirklich der Leuchter des Heiligtums<br />

wieder auf seinen Platz gerückt worden <strong>und</strong> Priester wie Leviten des neuen B<strong>und</strong>es diesen Leuchter<br />

bedienten, da währte es doch wiederum nicht lange auch mit dieser Herrlichkeit.<br />

Es erschien abermals unmöglich, dass die Kirchen der Reformation die scharfe Linie der Gerechtigkeit<br />

aus dem Glauben konsequent verfolgt <strong>und</strong> sich gleichweit entfernt vom Antinomismus einerseits,<br />

von der Werkgerechtigkeit andrerseits gehalten hätten. Beide Richtungen liefen tatsächlich nebeneinander<br />

her; neben der Glaubensgerechtigkeit, die von keinem Gesetz <strong>und</strong> von keinerlei Werken,<br />

sofern ihnen eine Notwendigkeit zukommen soll, wissen wollte, die Werkgerechtigkeit, welche<br />

ein Gesetz aufzurichten bestrebt war. Schon in der Reformationszeit hatte die <strong>Recht</strong>fertigungslehre<br />

in der Kirche Luthers Streitigkeiten zur Folge. Luthers freie Stellung gegenüber dem Gesetz brachte<br />

auf der einen Seite Einige zu der Behauptung: es sei nicht vonnöten, dass das Gesetz Moses gelehrt<br />

werde, weder zu Anfang der <strong>Recht</strong>fertigung, noch auch in der Mitte, noch am Ende 24 (Agricola).<br />

Auf der andren Seite veranlasste der Schrecken vor dem Antinomismus Melanchthon, in seinen locis<br />

wiederum von der nova obedientia zu reden 25 <strong>und</strong> die Werke als causa sine qua non zu bezeichnen.<br />

Dieser Schrecken diktierte dem Georg Maior den Satz: Gute Werke seien nötig zur Seligkeit,<br />

um auf Gr<strong>und</strong> der zugerechneten Gerechtigkeit die vollkommene Gerechtigkeit <strong>und</strong> ihr Ziel, die Seligkeit,<br />

zu erlangen <strong>und</strong> die erworbene Seligkeit nicht wieder zu verlieren. Man blieb nun zwar in<br />

der Lutherischen Kirche, in Nachfolge Luthers, der Lehre von der <strong>Recht</strong>fertigung aus dem Glauben<br />

treu. Aber um so mehr bot man in der Folge dem kritischen Auge der mit der buchstäblichen Orthodoxie<br />

Unzufriedenen unzählige Blößen. Man verdiente den Vorwurf der Laxheit, also des Antinomismus,<br />

<strong>und</strong> dieser Orthodoxie gegenüber fand der Pietismus genügend Gelegenheit zu glänzenden<br />

Evolutionen in der deutschen Kirche Luthers. Und noch weit früher, als in der Lutherischen Kirche,<br />

23 „Lucet in tenebris“ steht über dem Leuchter, welchen sieben Sterne auf diesem Siegel umgeben.<br />

24 S. Planck, Gesch. der protestant. Theologie, Bd. V, I. Teil, S. 15.<br />

25 S. Planck. Gesch. der protestant. Theologie, IV, S. 582 ff.

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