GESETZ UND ZUM ZEUGNIS. - Licht und Recht
GESETZ UND ZUM ZEUGNIS. - Licht und Recht
GESETZ UND ZUM ZEUGNIS. - Licht und Recht
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Abschnitt II. – Der B<strong>und</strong>. 21<br />
ben auch unsere Reformatoren biblische Theologie getrieben <strong>und</strong> in keiner andren Weise haben sie<br />
vom B<strong>und</strong>e, auf den Gott vom Anfang der Welt an Bedacht genommen, geurteilt. 14 Der B<strong>und</strong>, welcher<br />
für die Propheten Hauptsache war, ist der Gnadenb<strong>und</strong> Gottes mit den Erzvätern.<br />
Wenn also Gott am Sinai mit Israel in ein näheres Verhältnis trat, so ist das kein andres, als das<br />
mit den Erzvätern bereits eingegangene; es ist kein von neuen Bedingungen abhängiges, sondern<br />
ein definitives Verhältnis. Denn wie? sollte der Allerhöchste auf Sinai herabgekommen sein, um die<br />
ehedem den Vätern gegebene Gnade zu schmälern, während er doch vielmehr den Gnadenb<strong>und</strong>,<br />
welcher zuvor im Stammhause der Erzväter eingeschlossen war, über ein ganzes Volk ausbreiten<br />
wollte, gemäß seiner Zusage an jene Väter. Der ganze Charakter, den die sinaitische Offenbarung<br />
trägt, hat nichts antipatriarchalisches, aber ebenso wenig hat er etwas antiprophetisches. Jeremias<br />
Auffassung ist hier die einzig richtige <strong>und</strong> liefert zugleich einen Kommentar über die ersten Vorgänge<br />
am Sinai. Es heißt Jer. 7,22 ff.: „Ich habe euren Vätern, als ich sie aus Ägypten ausführte, keinerlei<br />
Befehl getan in Betreff des Brand- <strong>und</strong> Dankopfers. Sondern das allein habe ich ihnen befohlen:<br />
hört auf meine Stimme, so will ich Euer Gott sein <strong>und</strong> ihr sollt mein Volk sein; <strong>und</strong> wandelt in allen<br />
den Wegen, die ich euch weisen werde, auf dass es euch gut gehe“. Ebenso Vers 25: „Von dem Tage<br />
an, da eure Väter aus Ägypten gezogen sind, habe ich alle meine Knechte, die Propheten, zu euch<br />
gesandt, immer frühzeitig sie entbietend; aber sie hörten nicht“. Wo wäre denn am Sinai in solcher<br />
Weise von einem B<strong>und</strong>e die Rede, dass man das ganze spätere Verhältnis als eine Art contrat social<br />
zwischen Gott <strong>und</strong> Israel zu betrachten hätte? Gleich anfangs, als Jehova Exod. 19 zum Behuf der<br />
Verkündigung der zehn Worte (die wir „Gebote“ heißen) auf den Sinai herabfährt, ist es sein Erstes,<br />
dass er Gehorsam fordert. Das heißt aber nach dem Zusammenhang: gläubiges Aufmerken auf die<br />
Verheißung <strong>und</strong> Beobachtung des mit den Vätern geschlossenen B<strong>und</strong>es (Beschneidung <strong>und</strong> Wandel<br />
nach der Gen. 18,19 angedeuteten Weisung eines Abraham). Ganz in Übereinstimmung mit Jeremia<br />
heißt es Exod. 19,5: „Und nun, wenn Ihr ganz gewiss auf meine Stimme hören werdet, <strong>und</strong><br />
meinen B<strong>und</strong> beobachten werdet, so werdet ihr mein Eigentum sein aus allen Völkern“, oder, laut<br />
Vers 6, ein Königreich von Priestern <strong>und</strong> ein heiliges Volk; welches Alles so viel besagt wie das jeremianische:<br />
„so will ich euer Gott sein <strong>und</strong> ihr mein Volk“ (vergl. Deut. 5,2 f.). Das Wort „B<strong>und</strong>“<br />
kann in diesem Zusammenhang nur den Allen bekannten B<strong>und</strong> Gottes mit den Vätern (Gen. 15 u.<br />
17) bedeuten, <strong>und</strong> bei der Erneuerung dieses B<strong>und</strong>es soll keineswegs Jehovas Verhältnis zu Israel<br />
von neuen Bedingungen eines Werkb<strong>und</strong>es, die Israel zu prästieren gehabt hätte, abhängig gemacht<br />
werden. Die sogenannten zehn Gebote waren nichts, als die Regel des Gnadenb<strong>und</strong>es, <strong>und</strong> sind dies<br />
bis heute geblieben. Der Ausdruck „B<strong>und</strong>“ hat freilich nie den Charakter einer einseitigen Gewährung,<br />
wobei nicht auf Gegenleistungen Bedacht genommen würde. Nur sind diese Gegenleistungen<br />
nicht bald diese, bald jene, sondern sie sind stets die gleichen. Gen. 15,6 ist der Glaube Abrahams<br />
die Gegenleistung; Kap. 17, woselbst der B<strong>und</strong> mit den Heiden gleichsam „in absentia“ geschlossen<br />
wird, ist selbstverständlich der Heiden Glaube die Gegenleistung, <strong>und</strong> ebenso Exod. 19,5, wo es<br />
heißt: wenn ihr meine Stimme hören werdet – wenn ihr meinen B<strong>und</strong> beobachten werdet. Und damit<br />
stimmt überein der große Schriftkenner Paulus, wenn er Röm. 4,13.14 sagt: „denn nicht durch<br />
eine gesetzliche Bestimmung (διὰ νόμου) geschah dem Abraham oder seinem Samen die Verheißung,<br />
dass er Erbe der Welt sein werde, sondern Glaubensgerechtigkeitsweise (διὰ δικαισύνησ<br />
πἱστεωσ). Denn wenn die Leute des Gesetzes Erben sind, so ist es mit dem Glauben aus, <strong>und</strong> zunichte<br />
gemacht ist die Verheißung!“ – Der Apostel zeigt sich sehr empfindlich in dem Punkte des<br />
Gesetzes – er kann, wo er von der Verheißung redet, nicht im mindesten zulassen, dass zugleich von<br />
gesetzlichen Bedingungen gesprochen werde. Das Gesetz vom Sinai ist pure Episode <strong>und</strong> ganz irre-<br />
14 Vergl. L. Diestel, Deutsche Jahrbücher für Theol. 1862, Heft IV, über die Ansicht der Reformatoren vom mosaischen<br />
Gesetz; bes. S. 725.