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Beitrag von Holger Gerhard - DVJJ-Hessen

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Das `Haus des Jugendrechts´ - Wohnsitz kriminalpräventiver Ansätze oder<br />

Unterschlupf repressiven Vorgehens?<br />

<strong>Holger</strong> <strong>Gerhard</strong><br />

Zur Beseitigung des eigens angerichteten Trümmerhaufens, den die hessische<br />

Landtagswahl 2008 bei der früheren und nunmehr geschäftsführenden<br />

Landesregierung <strong>von</strong> <strong>Hessen</strong> hinterlassen hat, hat der hessische Justizminister Jürgen<br />

Banzer im Rahmen einer Pressemitteilung vom 07.03.2008 (Keine rechtsfreien, sondern<br />

nur angstfreie Räume) das künftige Handlungskonzept zur Senkung der<br />

Jugendkriminalität vorgestellt. 1 In dem aus den drei Säulen: Prävention,<br />

Strafverfolgung, nebst Strafvollstreckung sowie Opferschutz bestehendem Konzept,<br />

findet sich unter Punkt zwei der beabsichtigten Sofortmaßnahmen die Aufnahme <strong>von</strong><br />

konkreten Planungen für ein modellhaft ausgerichtetes `Haus des Jugendrechts´ in<br />

Frankfurt am Main. Mit Hilfe des evaluierten Modellprojektes des Stuttgarter `Haus des<br />

Jugendrechts´ in Bad Cannstadt befasst sich der folgende <strong>Beitrag</strong> mit den zu<br />

erwartenden Auswirkungen eines solchen Konzeptes, insbesondere im Hinblick auf<br />

die im Jugendstrafrecht agierende Jugendhilfe und ihrer Klienten.<br />

Jugendkriminalität stagniert, sind neue Konzepte notwendig?<br />

Mit dem Ziel, der „noch effektiveren Bekämpfung <strong>von</strong> Jugendkriminalität“, hat der<br />

hessische Justizminister Jürgen Banzer in der Pressemitteilung vom 07.03.2008: „Keine<br />

rechtsfreien, sondern nur angstfreie Räume“ das geplante Handlungskonzept zur<br />

Senkung der Jugendkriminalität erklärt. 2 Eine der „tragenden Säulen des<br />

gesamtheitlichen Konzepts“ des Ministers ist die Schaffung <strong>von</strong> Häusern des<br />

Jugendrechts. „Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, der Polizei, der<br />

Jugendgerichtshilfe, des allgemeinen sozialen Dienstes, der Jugendämter und die<br />

Jugendsachbearbeiter werden unter einem Dach zusammenarbeiten, um schnell<br />

und konsequent auf jugendliche Straftäter reagieren zu können. Durch die enge<br />

Zusammenarbeit soll eine Verfahrensbeschleunigung erreicht und die Möglichkeit<br />

geschaffen werden, intensiv und individuell auf delinquentes Verhalten <strong>von</strong><br />

Jugendlichen reagieren zu können. Daneben wurde mit den konkreten Planungen<br />

für ein `Haus des Jugendrechts´ in Frankfurt am Main begonnen, das so schnell wie<br />

möglich realisiert werden soll.“ 3 Überraschend ist dies zumindest für die in Frankfurt<br />

arbeitenden Praktikerinnen und Praktiker im Bereich der Jugendstraffälligenhilfe und<br />

Jugendjustiz gewesen.<br />

Festzuhaltende Ausgangslage in dem Bereich <strong>von</strong> Jugendkriminalität ist bundesweit,<br />

dass „weder (…) Jugendkriminalität insgesamt noch (…) die Gewaltkriminalität<br />

junger Menschen in den letzten Jahren dramatisch gestiegen“ ist. Vielmehr ist „eine<br />

weitgehende Konstanz oder gar einen Rückgang der Delinquenzbelastung, und<br />

zwar auch im Gewaltbereich“ 4 , feststellbar. Auch wenn scheinbar Unbelehrbare<br />

1<br />

Nachfolgende Erörterungen vgl. Pressemitteilung desHessischen Ministerium der Justiz vom 07.03.2008<br />

2 Pressemitteilung desHessischen Ministerium der Justiz vom 07.03.2008<br />

3 Pressemitteilung desHessischen Ministerium der Justiz vom 07.03.2008<br />

4 Heinz (2008), S.88. Siehe auch <strong>DVJJ</strong>-Erklärung vom 11. Januar 2008: Für ein rationales Strafrecht (2008),<br />

S. 96. `Die jetzige Bundesregierung hat in ihrem Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht <strong>von</strong> 2006<br />

ausgeführt: „Gewaltkriminalität ist ein qualitatives, kein quantitatives Problem der polizeilich registrierten<br />

Kriminalität; auf deren schwere Formen entfallen derzeit 3,3%, darunter zu über zwei Dritteln gefährliche<br />

und schwere Körperverletzung. Innerhalb der Gewaltkriminalität entfallen auf vorsätzliche Tötungsdelikte<br />

etwas mehr als 1%. ... Die schwersten Formen der Gewaltdelikte – Mord und Totschlag – sind seit Anfang<br />

1


auch nach der hessischen Landtagswahl anderes propagieren 5 , so ist der<br />

Presseinformation des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom<br />

17.01.2008 zu entnehmen, „dass der Anteil der Kinder an den Tatverdächtigen<br />

insgesamt mit 3,6 Prozent auf dem Vorjahresniveau blieb. Auch der Anteil der<br />

Jugendlichen und Heranwachsenden habe sich nur unwesentlich verändert, <strong>von</strong><br />

10,5 Prozent auf 10,7 Prozent bei den Jugendlichen und <strong>von</strong> 9,0 Prozent auf 9,1<br />

Prozent bei den Heranwachsenden. Bei der Gewaltkriminalität ist die Anzahl der<br />

tatverdächtigen Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden im Wesentlichen<br />

gleich geblieben. (…) Mit diesen 20,6 Prozent lag <strong>Hessen</strong> im Übrigen bereits im Jahr<br />

2006 unter dem Bundesdurchschnitt.“ 6<br />

Dennoch gilt es die erneute Fokussierung auf das Thema Jugendstrafrecht zu nutzen,<br />

mögliche Novellierungen und Verbesserungen für das Arbeitsfeld zu entwickeln und<br />

in die Praxis umzusetzen. Die Einrichtung eines `Haus des Jugendrechts´ strebt dabei<br />

als primäre Zielsetzungen eine Optimierung in den Bereichen der Effektivität bei der<br />

Bekämpfung der Jugendkriminalität/-delinquenz und der behördenübergreifenden<br />

Zusammenarbeit an. 7 Absicht dieses Projektes ist u.a. die räumliche<br />

Zusammenfassung der Institutionen, die sich mit straffällig geworden jungen<br />

Menschen befassen, konkret sind das Polizei, Jugendstaatsanwaltschaft,<br />

Jugendgerichtshilfe und freie Träger der sozialen Arbeit. Die dort angebotene Arbeit<br />

soll einer „raschen und ganzheitlichen Reaktion“ auf Straftaten junger Menschen<br />

dienen und zudem den betroffenen jungen Menschen „notwendige<br />

Hilfemaßnahmen“ anbieten. 8<br />

Konzeptionell schließt das Stuttgarter Modell des `Haus des Jugendrechts´<br />

nachfolgende Zielvereinbarungen ein:<br />

„1. Optimierung der Effektivität bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität/-<br />

delinquenz;<br />

2. Optimierung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit durch Unterbringung<br />

aller Beteiligten in einem Gebäude (…);<br />

3. Beschleunigung staatlicher und kommunaler Reaktionen auf Straftaten junger<br />

Menschen;<br />

4. rasches und zeitnahes Reagieren auf normwidriges Verhalten, bereits bei der<br />

ersten Verfehlung;<br />

5. langfristige Reduzierung der Jugendkriminalität/-delinquenz.“ 9<br />

Die in dem Konzept für das `Haus des Jugendrechts´ vorgesehene beschleunigte<br />

Einschaltung der Jugendgerichtshilfe (JGH) durch die Staatsanwaltschaft (StA)<br />

der 1970er Jahre rückläufig. Körperverletzungsdelikte haben dagegen – in quantitativ-statistischer<br />

Betrachtung – zugenommen. In langfristiger Betrachtung hat auch die Zahl polizeilich bekannt<br />

gewordener Raubdelikte zugenommen: Seit 1997 sind hier die Zahlen rückläufig, in den letzten Jahren<br />

blieben sie weitgehend konstant. Insgesamt gesehen gehen die Täter-Opfer-Konstellationen bei diesen<br />

Delikten zu Lasten <strong>von</strong> jungen Menschen. Opfer <strong>von</strong> Gewalt Erwachsener sind häufig junge Menschen,<br />

Opfer <strong>von</strong> Gewalt junger Menschen sind in der Regel Gleichaltrige. (...) Unter den Tatverdächtigen sind<br />

junge Menschen überproportional vertreten. Junge Menschen weisen allerdings in jeder Gesellschaft<br />

und zu allen Zeiten eine deutlich höhere Belastung mit registrierter Kriminalität auf als Erwachsene“`.<br />

5<br />

So der hessische Landtagsabgeordnete Lenhart (CDU): „Die besorgniserregende Entwicklung in der<br />

Jugenddelinquenz wird verdeutlicht durch die seit Jahren steigenden Tatverdächtigenzahlen,<br />

besonders im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität. Noch alarmierender als die allgemeine<br />

Entwicklung ist der überproportionale Anstieg der Gewaltkriminalität bei Kindern und Jugendlichen.“<br />

6<br />

Presseinformation des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 17.01.2008<br />

7<br />

vgl. Feuerhelm (2003), S. 61<br />

8<br />

vgl. Feuerhelm (2003), S. 59<br />

9<br />

Feuerhelm (2003), S. 59 f.<br />

2


entspricht der Vorgabe nach § 38 Abs. 3 JGG. 10 Ein solches Vorgehen wäre<br />

wünschenswert und ist meistens der Sachlage angemessen. Es wird in Frankfurt im<br />

Rahmen der vorhandenen Rahmenbedingungen in der Regel auch praktiziert.<br />

Soweit Verzögerungen festgestellt werden, liegen die Gründe wohl eher in einer<br />

unzureichenden Stellenbesetzung innerhalb der Jugendgerichtsbarkeit und nicht in<br />

der mangelnden Kooperation der im Jugendstrafrecht (zusammen-)arbeitenden<br />

Institutionen.<br />

Hand in Hand im Jugendstrafverfahren: Gemeinsames Handeln im Interesse aller<br />

Beteiligten?<br />

-Vertrauen ist gut, ist Kontrolle wirklich besser?-<br />

Das angestrebte Ziel der optimierten überbehördlichen Zusammenarbeit soll in dem<br />

Model des `Haus des Jugendrechts´ durch die gemeinsame Unterbringung aller<br />

Beteiligten in einem Gebäude ermöglicht werden. Bereits der geringe Arbeitsanteil<br />

<strong>von</strong> nur 11%, den die Jugendhilfe im Stuttgarter Modellprojekt prozentual <strong>von</strong> ihrer<br />

Gesamtarbeitszeit für das Projekt aufgewendet hat 11 , deutet auf die marginale<br />

Einbindung der Jugendhilfe innerhalb des Projektes hin. Die im Vergleich proportional<br />

wesentlich höhere Arbeitseinbindung <strong>von</strong> Polizei (55%) und StA (67 %) an dem<br />

Projekt 12 lässt zugleich den arbeitsinhaltlichen Schwerpunkt des Projektes erahnen.<br />

Bedenklich oder zumindest zu bedenken ist bei der geplanten engen und<br />

behördenübergreifenden Zusammenarbeit die anscheinende und für den<br />

Betroffenen nicht mehr eindeutig wahrzunehmende Trennung der Organe der<br />

Jugendhilfe und des Jugendstrafrechts sowie die augenscheinliche Vermischung der<br />

originären und unterschiedlichen Arbeitsaufträge.<br />

Gerade im Bereich der Jugend(straffälligen)hilfe lassen sich schon jetzt durch die<br />

wahrzunehmende polizeiliche Offensive in diesem Bereich immer mehr<br />

Überschneidungen des Handlungsfeldes der Polizei mit dem Aufgabengebiet der<br />

Jugendsozialarbeit wahrnehmen. 13 Zu verzeichnen ist an solchen Überschneidungen,<br />

eine nicht mehr an dem Bereich der primären Prävention orientierte Sozialarbeit,<br />

sondern eine Verstärkung der sozialen Kontrolle unter Leitung der Polizei. Es gilt eine<br />

inhaltliche Prüfung des jeweiligen Präventionsbegriffes dahingehend vorzunehmen,<br />

ob es mit der Begrifflichkeit einer „effizienten Förderung in der Jugendhilfe und um<br />

Begrenzung kriminalisierender Risiken“ geht oder der „strafrechtliche Blick“ im<br />

Vordergrund steht. 14 Dabei wird allgemein im Umgang mit straffällig Auffälligen das<br />

selektive Vorgehen sozialer Instanzen kritisiert, welches die Gefahren <strong>von</strong><br />

Stigmatisierungen und Zuschreibungen in sich birgt und gegenläufig zum<br />

Förderprinzip des Kinder- und Jugendhilfegesetzes zusehen ist. Das Angebot der<br />

Jugendhilfe muss als eine die Familie ergänzende Förderung verstanden werden, die<br />

(Straf-)Justiz hingegen ist für die Strafverfolgung zuständig. 15<br />

Eine Zugriffsbarriere zwischen den Kooperationspartnern Jugendhilfe und<br />

Jugendgerichtsbarkeit stellt zudem der Datenschutz des Kinder- und<br />

Jugendhilfegesetztes dar. „Am Schnittpunkt zwischen Jugendhilfe und Justiz muss der<br />

Schutz personenbezogener Daten besonders sorgfältig gehandhabt werden, weil<br />

durch das Agieren mehrerer Berufsgruppen verschiedenartige Interessen<br />

10<br />

„Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. Dies<br />

soll so früh wie möglich geschehen.“<br />

11 vgl. Feuerhelm (2003), S. 84<br />

12 vgl. Feuerhelm (2003), S. 84<br />

13<br />

nachfolgende Erörterungen vgl. Plewig (2005), S. 164 f.<br />

14 vgl. Plewig (2005), S. 165<br />

15 vgl. Plewig (2005), S. 165<br />

3


aufeinander treffen. Grundsätzlich dürfen Informationen nur unter Mitwirkung des<br />

betroffenen Jugendlichen und gegebenfalls seiner Personensorgeberechtigten<br />

erhoben, verarbeitet und genutzt werden, und nur soweit dies zur Erfüllung des<br />

jeweiligen Auftrags notwendig ist.“ 16 Hinsichtlich des Arbeitsauftrages der Jugendhilfe<br />

im Strafverfahren gilt: die Jugendgerichtshilfe ist ein Fachteam der Jugendhilfe, nicht<br />

der Justiz. 17 Ihren primären Arbeitsauftrag erhält die Jugendgerichtshilfe, als Teil der<br />

Jugendhilfe, aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch, welches auch die<br />

fachliche und inhaltliche Ausgestaltung der JGH regelt. Ziel der Jugend(gerichts)hilfe<br />

ist die Förderung und Sicherstellung einer kindeswohlgemäßen Erziehung (i.S.d. § 1<br />

SGB VIII). 18 Dabei sind stets die im Kinder- und Jugendhilfegesetz festgeschriebenen<br />

Voraussetzungen zu wahren, nämlich unter anderem Freiwilligkeit und Mitwirkung der<br />

betroffenen jungen Menschen und deren Sorgeberechtigten. Repressive und (straf-<br />

)sühnende Momente in der Erziehung schließt das Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />

nicht nur aus, sondern versucht gerade diesen mit den Mitteln der Jugendhilfe<br />

entgegenzuwirken. Die JGH hat „die sozialpädagogische Fachkompetenz vor<br />

Gericht zu vertreten, nicht die strafrechtliche, und die Polizei (…)“ hat „in der<br />

Sachaufklärung zu unterstützen. Diese Eigenständigkeit (…) geschieht nur auf<br />

Augenhöhe und die Kooperation sollte ohne Zwangsharmonisierung stattfinden.“ 19<br />

Ist eine behördenübergreifende Zusammenarbeit prinzipiell machbar und unter<br />

gewissen Voraussetzungen wünschenswert, so muss diese, neben der<br />

Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Voraussetzungen, vor allem für den<br />

betroffenen Adressaten eine klar nachvollziehbare und transparente Unterscheidung<br />

der Arbeitsweise der einzelnen Institutionen aufweisen, damit sich der Betroffene<br />

darauf einlassen kann. Zweifel diesbezüglich bestehen schon aufgrund der<br />

institutionellen Dichte, sowohl im räumlichen als auch inhaltlichen Sinne,<br />

beispielsweise dann, wenn die Jugendhilfe zu Gesprächen mit dem Betroffenen bei<br />

der StA oder Polizei hinzugezogen wird.<br />

In wieweit dieses klar getrennte Rollenverständnis aufgrund der regelmäßig<br />

stattfindenden und behördenübergreifenden Fallkonferenzen im `Haus des<br />

Jugendrechts´ und der fallübergreifenden Zusammenarbeit bei den<br />

multiprofessionellen Mitarbeiter jeweils Berücksichtigung gefunden hat, bleibt offen.<br />

Die Fallkonferenzen sind dabei als zentraler Ort des inhaltlichen Austausches zum<br />

Zwecke einer zeitnahen Abstimmung der unterschiedlichen Institutionen<br />

konzeptioniert. 20 Der Hinweis darauf, dass bei der Installierung der Integrierten<br />

Kriminalstatistik der Abgleich, ob die betreffende Person bereits bekannt ist, anhand<br />

einer Namensliste durch die Polizei dahingehend geändert werden müsse, dass kein<br />

Rückschluss auf den Klarnamen mehr erfolgen kann 21 , bietet hinsichtlich<br />

datenschutzrechtlicher Voraussetzungen zumindest Platz für Spekulationen.<br />

Kriminalitätsprävention durch ein rasches und zeitnahes Handeln, generell ein<br />

sinnvolles Konzept?<br />

16<br />

<strong>DVJJ</strong>-Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendgerichtshilfe (2003), S.12<br />

17<br />

Dies betonte der Gesetzgeber mit der Schaffung des Kinder- und Jugendhilfegesetzt (SGB VIII) <strong>von</strong><br />

1990, indem er die fachliche Verortung der Jugendgerichtshilfe klar und unmissverständlich durch den<br />

Verweis auf die Jugendhilfe im Strafverfahren hervorgehoben hat; vgl. <strong>DVJJ</strong>-Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Jugendgerichtshilfe (2003), S.7<br />

18<br />

Um dem im Jugendstrafrecht festgelegten Erziehungsprimat nachkommen und möglichst den<br />

erzieherischen Bedarf entsprechende Reaktionen finden zu können, bringt die Jugendgerichtshilfe die<br />

dafür notwendigen Erkenntnisse ein und zeigt darüber hinaus angemessene Leistungen der Jugendhilfe<br />

auf; vgl. § 52 SGB VIII, § 38 JGG, § 71ff. JGG<br />

19<br />

Breymann in: Förster (2007), S. 322<br />

20<br />

vgl. Feuerhelm (2003), S. 83<br />

21<br />

vgl. Feuerhelm (2003), S. 85 f.<br />

4


Die geplante Konzentration auch auf Ersttäter, durch das rasche und zeitnahe<br />

Reagieren auf normwidriges Verhalten bereits bei der ersten Verfehlung 22 , erscheint,<br />

insbesondere unter Beachtung des Normalitätskonzeptes 23 und den aktuellen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen über Jugendkriminalität, ein konzeptioneller und<br />

didaktischer Programmfehler des Projektes zu sein, der sich mit aktuellen<br />

kriminalistischen Befunden nicht deckt und das Ziel der Legalbewährung nicht zu<br />

erfüllen mag, sondern eher der Stigmatisierung Vorschub leistet. Denn, „je früher und<br />

je konsequenter auf einen bestimmten Delikttyp strafend reagiert wird, desto größer<br />

ist die Wahrscheinlichkeit, dass die kriminelle Karriere verlängert wird.“ 24 Ein<br />

frühzeitiges Intervenieren erscheint bei dieser Gruppe nicht angebracht. 25<br />

Wissenschaftliche Erkenntnis ist, dass in der Regel das delinquente Verhalten junger<br />

Menschen mit zunehmender Reife und zunehmendem Alter <strong>von</strong> selbst endet und<br />

strafrechtliche Sanktionen dabei keine feststellbare Rolle spielen. 26 Vielmehr wird der<br />

sogenannten Spontanbewährung ein gelungener Übergang des jungen Menschens<br />

in die Erwachsenenwelt zugesprochen. Die Übernahme einer gefestigten Ich-<br />

Identität, eines gefestigten Normen- und Wertesystems, der Eintritt in den Beruf und<br />

die Bindung an einen festen Lebenspartner sind dabei für den Ausstieg aus<br />

kriminellen Verhaltensweisen junger Menschen <strong>von</strong> Bedeutung. Es besteht kein Anlass<br />

dazu, entwicklungsbedingte, meist periphere und episodenhafte deviante<br />

Auffälligkeiten junger Menschen zu einem Problem der inneren Sicherheit zu<br />

machen, gerade unter Berücksichtigung oben genannter Stagnation delinquenten<br />

in Erscheinungtretens junger Menschen.<br />

Zu bedauern ist, dass aufgrund des befristeten Evaluationszeitraumes des Stuttgarter<br />

Projektes <strong>von</strong> 1999 bis 2002, bisher keine validen Aussagen über das übergestellte Ziel<br />

des Projektes, der langfristigen Reduzierung der Jugendkriminalität/-delinquenz 27 ,<br />

vorliegen und dies trotz einer möglichen wissenschaftlichen Begleitung des Projektes<br />

22 vgl. Feuerhelm (2003), S. 60<br />

23<br />

Dem Normalitätskonzept <strong>von</strong> Jugendkriminalität kann entnommen werden, das delinquentes Handeln<br />

junger Menschen sowohl statistisch als auch entwicklungsbedingt in der Regel als normal,<br />

jugendspezifisch und dazugehörend erklärt. Straffälligkeit junger Menschen ist kein<br />

Minderheitenphänomen, entgegen dem ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass nahezu jeder junge Mensch im<br />

Laufe seines Entwicklungsprozesses gegen strafrechtliche Normen verstößt [vgl. Heinz (2003), S.71].<br />

Jugendkriminalität gilt daher als ubiquitär und keinesfalls als individuelle Auffälligkeit mit<br />

Seltenheitscharakter. In der Zeit des Erwachsenwerdens gilt delinquentes Verhalten Jugendlicher aus<br />

entwicklungspsychologischer Sicht als normal und erklärbar. Allgemein werden Jugendlichen in dieser<br />

Phase Statusunsicherheiten zugeschrieben, welche sich in dem Übergang in das Erwachsenenalter und<br />

den damit entstehenden Verunsicherungen begründen. Die erhöhte Auffälligkeit für Normverstöße<br />

kann u.a. erklärt werden mit der Phase der Identitätssuche, in der der Jugendliche ein gesichertes<br />

Normen- und Wertesystem noch nicht verinnerlicht hat. Bei den Verfehlungen der Jugendlichen<br />

handelt es sich dabei überwiegend um Delikte im Bagatellbereich. So gelten Delikte wie<br />

Sachbeschädigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und Gewaltdelikte als jugendtypisch,<br />

wobei sich die Gewaltdelikte in den meisten Fällen auf einfache Körperverletzung beschränken und<br />

schwere Formen <strong>von</strong> Gewalt selten sind.<br />

24<br />

Albrecht in: Heinz (2008), S. 89; weiter ausführend: „bestimmte rein strafende Sanktionsabfolgen<br />

erhöhen das Risiko, dass es nach einer dritten noch zu einer vierten Straftat kommt, auf das Dreifache.“<br />

25<br />

Diese Einschätzung entspricht auch der polizeilichen Bewertung <strong>von</strong> erstauffälligen jungen Menschen:<br />

„Hierbei ist die hinlänglich bekannte Tatsache <strong>von</strong> Bedeutung, dass die Mehrzahl der jugendlichen Täter<br />

nur einmal und darüber hinaus geringfügig auftritt, während nur ein geringer Teil wiederholt und mit<br />

einer kriminellen Disposition auffällig wird.“; Gloss (2007), S. 281. Einer Untersuchung der Kriminologischen<br />

Forschungsgruppe der Bayrischen Polizei ist zu entnehmen, dass Jugendliche im Alter zwischen 14 und<br />

15 Jahren, die durch Straftaten auffallen, zu einem Drittel einmalig auffallen und danach nicht mehr<br />

polizeilich registriert werden; vgl. Goerdeler (2003), S. 57<br />

26<br />

vgl. Heinz, in: Kiehl (1991), S. 193<br />

27<br />

vgl. Feuerhelm (2003), S. 62<br />

5


durch das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz ab dem Jahr 1999. 28<br />

Seinen präventiven Auftrag kann das `Haus des Jugendrechts´ nicht einlösen, indes<br />

wird es seinem repressivem Arbeitsansatz 29 gerecht. Unabhängig <strong>von</strong> dargelegten<br />

Veränderungen sowohl im Bereich der Diversion als auch im Bereich <strong>von</strong> Weisungen<br />

und Auflagen, die bei einer „bloßen“ Ausweitung dieser Verfahrensweise auf<br />

Bagatell- und Ersttäterdelikten indes kein Ausbau präventiven Vorgehens darstellen,<br />

sondern vielmehr im Sinne einer Sanktionsausweitung zu verstehen sind 30 , bleibt in der<br />

wissenschaftlichen Begleitung der immense Anstieg der Jugendstrafe ohne<br />

Bewährung <strong>von</strong> rund 20% (<strong>von</strong> 6,3 % zu 8,5 % aller Urteile) innerhalb der vierjährigen<br />

Projektzeit vollkommen unkommentiert. 31 Dieser massive Anstieg der Ultima Ratio<br />

Strafe des Jugendstrafrechtes deutet auf eine Zunahme repressiver Sanktionierungen<br />

hin, welche sich mit dem Deckmantel kriminalpräventiven und multiprofessionellen<br />

Zusammenarbeitens kleidet.<br />

Präventionskonzepte sind stets dahingehend zu prüfen, welchem Adressaten sie<br />

gelten und welche Art der Prävention, in Verbindung mit der bezweckten Intention,<br />

sich hinter der jeweiligen Begrifflichkeit verbirgt. Das Model des `Haus des<br />

Jugendstrafrechts´ ist dabei in den Bereichen der sekundären und tertiären<br />

Prävention anzusiedeln, da es für eine bestimmte Risikogruppe konzipiert ist, und es<br />

im speziellen der Vermeidung, bzw. der Vorbeugung neuer delinquenter Auffälligkeit<br />

dienen soll. Eine Einordnung des Konzeptes in eine aufklärende oder intervenierende<br />

Form der Prävention fällt zu Gunsten des aktiv eingreifenden Konzeptes aus, da das<br />

rasche und zeitnahe Eingreifen bei einem bekanntwerden jugendlicher Delinquenz<br />

ein Teilziel des `Haus des Jugendrechts´ ist. Mit dem Wissen, dass durch eine<br />

frühzeitige Sanktionierung die Wiederholungsgefahr erst gesteigert wird, widerspricht<br />

dieses Vorgehen dem Ziel einer langfristigen Reduzierung <strong>von</strong> Jugendkriminalität und<br />

gefährdet zugleich das Ziel der Legalbewährung. Auch Begründungen in Form <strong>von</strong><br />

negativer und spezialpräventiver Abschreckung laufen ins Leere. Die Strategie der<br />

Kriminalitätsvermeidung durch Abschreckung geht in der (jugend-)strafrechtlichen<br />

Praxis nicht auf, gerade wenn man bedenkt, dass die <strong>von</strong> jungen Menschen<br />

begangenen Delikte in aller Regel spontan und unprofessionell ausgeübt werden.<br />

Mögliche (strafrechtliche) Folgen werden zum Zeitpunkt der Tatbegehung <strong>von</strong> den<br />

Agierenden meist nicht bedacht.<br />

Das Model des `Haus des Jugendrechts´ kommt hinsichtlich seiner präventiven<br />

Zielsetzung insofern, da augenscheinlich kein kriminalitätsmindernder Faktor<br />

offensichtlich wird, in Erklärungsnöte.<br />

Die Jugendhilfe, das Kellerkind des `Haus des Jugendrechts´?<br />

28 vgl. Feuerhelm (2003), S. 57<br />

29 vgl. Feuerhelm (2003), S. 79<br />

30 vgl. Kiehl (1991), S. 200<br />

31<br />

Der massive Anstieg der vollstreckten Jugendstrafe wird Anhand Abbildung 7: „Vergleich der<br />

Urteilsinhalte beim AG Bad Cannstadt vor und während der Projektzeit“ ersichtlich; vgl. Feuerhelm<br />

(2003), S. 77<br />

6


Durch die Besonderheit des im Jugendstrafrechtes verankerten, grundlegenden<br />

Erziehungsgedankens (§ 2 Abs. 1 JGG n.F) wird die (jugendstrafrechtliche) Praxis dem<br />

Phänomen jugendlicher Devianz, unter Berücksichtigung des oben genannten<br />

entwicklungsbedingten Normalitätskonzeptes <strong>von</strong> strafrechtlicher Auffälligkeit im<br />

Jugendalter, dadurch gerecht, dass das dem Strafrecht fremde Mittel erzieherischer<br />

Hilfen durch die Einbindung der Jugendhilfe im Jugendstrafverfahren nicht nur Einzug<br />

erhält, sondern diese auch vorrangig angewandt werden sollen. 32 Die Dialektik in der<br />

Ausweitung repressiven und kontrollierenden Vorgehens liegt in der Zurückdrängung<br />

helfender und fördernder Ansätze, die den Betroffenen dazu befähigen sollen,<br />

künftig ein straffreies Leben führen zu können. Ein solches Vorgehen missachtet<br />

zugleich die aktuellen Ergebnisse der Ursachenforschung, welche die Entstehung <strong>von</strong><br />

Jugendkriminalität und kriminalitätsbegünstigenden Faktoren, vor allem auf sozioökonomischen<br />

Belastungen und auf marginalisierte Zustände des Einzelnen (aber<br />

auch Gruppen) zurückführen. 33 Dabei sind „Lebenslagen und Schicksale (…) positiv<br />

beeinflussbar – aber nicht mit den Mitteln des Strafrechts. Die Forschungen zeigen,<br />

dass die negativen Entwicklungsdynamiken krimineller Karrieren gebrochen werden<br />

können, aber nicht durch strafrechtliche Intervention, sondern durch `Verbesserung<br />

der Chancen der Jugendlichen auf soziale Teilhabe’.“ 34 Zwar wird auch die Soziale<br />

Arbeit nicht in der Lage sein gesellschaftspolitische Strukturen gänzlich auflösen und<br />

kompensieren zu können. Dennoch ist diese Ausgangslage Ansatzpunkt einer auf<br />

Förderung und Sicherstellung einer kindeswohlgemäßen und gemeinschaftsfähigen<br />

Entwicklung ausgerichteten Arbeitsweise der Jugendhilfe innerhalb des<br />

Jugendstrafverfahrens. Bis auf die JGH hat „niemand der Beteiligten (StA, Ri, Pol) den<br />

fachlichen Sachverstand bezüglich entwicklungspsychologischer und<br />

sozialpädagogischer Fragen“ und sowohl Polizei, als auch Staatsanwaltschaft haben<br />

„originär nichts mit Beratung, Betreuung oder Erziehung zu tun.“ 35 Vor einem<br />

„`Wildern´ einzelner Professionen in fremden Arbeitsgebieten (ist) zu warnen.“ 36<br />

„Jugendhilfe muss ihren Auftrag als `kooperatives Konkurrenzverhältnis´ zur Polizei<br />

und Justiz verstehen: so viel Jugendhilfe wie möglich, so wenig Strafrecht wie nötig.“ 37<br />

Die arbeitsinhaltlichen Unterschiede zwischen Jugendhilfe und Strafverfolgung,<br />

nämlich ressourcenorientierte Förderung auf der einen Seite und die Wahrung<br />

32<br />

Die rechtlichen Folgen einer Jugendstraftat ergeben sich aus § 5 JGG. Dabei sind die Reaktionen in<br />

einem in der Eingriffslegitimität abgestuften System festgeschrieben, welches dem Prinzip der<br />

Subsidiarität folgt. Dabei sind Erziehungsmaßregeln vorrangig anzuordnen, deren Zweck nicht in der<br />

Ahndung der Tat, sondern ausschließlich in der Erziehung des Täters bestehen soll. „Denn die<br />

Erziehungsmaßregel dient ausschließlich der positiven Spezialprävention, der Entwicklung des<br />

Verurteilten.“ 32 Böhm (1996), § 22, S. 147<br />

33<br />

„Kriminalität ist durch eine Vielzahl <strong>von</strong> ökonomischen, sozialen, individuellen und situativen Faktoren<br />

bedingt, die regelmäßig außerhalb des Einflusses des strafrechtlichen Systems liegen. So zeigen z.B.<br />

Untersuchungen zur Kriminalität sowohl jugendlicher Mehrfach- und Intensivtäter wie jugendlicher<br />

Gewalttäter ein hohes Maß sozialer Defizite und Mängellagen bei diesen Tätergruppen, angefangen<br />

<strong>von</strong> erfahrener, beobachteter und tolerierter Gewalt in der Familie, materiellen Notlagen,<br />

Integrationsproblemen vor allem bei jungen Zuwanderern (mit oder ohne deutschen Pass), bis hin zu<br />

Schwierigkeiten in Schule und Ausbildung und dadurch bedingter Chancen- und Perspektivlosigkeit.“ W.<br />

Heinz (2008), S. 89<br />

Bei der Anamnese jugendlicher Intensivtäter ließen sich vor allem schwerste, aus der Kindheit<br />

resultierende Verlust- und Mangelerfahrungen sowie früh einsetzende Fehlentwicklungen feststellen, vor<br />

allem in den Bereichen: eigener Erfahrung innerfamiliärer Gewalt, gravierender sozialer<br />

Benachteiligungen und schlechter Zukunftschancen aufgrund eines niedrigen Bildungsniveaus; vgl.<br />

Huck (2002), S. 189<br />

34<br />

W. Heinz (2008), S. 89<br />

35<br />

Breymann, nach: Förster (2007), S. 322<br />

36<br />

Breymann, nach: Förster (2007), S. 322<br />

37 DIJuF (2007), S. 324<br />

7


strafrechtlich relevanter Normen, insbesondere unter Anwendung repressiver Mittel 38 ,<br />

auf der anderen Seite, muss insbesondere für den Adressat der Jugendhilfe klar<br />

unterscheidbar sein, damit er die ihm angebotene Hilfe annehmen kann. Nur so<br />

kann der Ansatzpunkt der Jugendhilfe im Strafverfahren, das erzieherische oder<br />

helfende Tätigwerden gegenüber dem straffällig gewordenen jungen Menschen<br />

zum Zwecke der Legalbewährung 39 (u.a.), Umsetzung finden.<br />

So wünschenswert flexible Verfahrensgestaltungen innerhalb des<br />

Jugendkriminalitätsrechts sind, gilt es vermeintlich gut gemeinte Schnellschüsse zu<br />

vermeiden. 40 Das Konzept des Stuttgarter `Haus des Jugendrechts´ wird indes seinen<br />

Primärzielen nicht gerecht. Die angestrebte „Optimierung der Effektivität bei der<br />

Bekämpfung der Jugendkriminalität (…) zur langfristigen Reduzierung der<br />

Jugendkriminalität/-delinquenz“ 41 vermag das Model, bei einem Anstieg der<br />

unbedingten Jugendstrafe <strong>von</strong> ca. 20% (binnen vier Jahre), nicht einlösen zu können.<br />

Auch das Konzept des engen und behördenübergreifenden Zusammenarbeitens<br />

stellt sich, unabhängig auch <strong>von</strong> datenschutzrechtlichen Vorgaben, aufgrund der<br />

originären und unterschiedlichen Arbeitsaufträge, aber auch aufgrund der sich für<br />

den Adressaten darstellenden und undurchschaubaren Vermischung <strong>von</strong> Hilfe- und<br />

Kontrollinstanzen, eher kontraproduktiv dar und droht sich negativ auszuwirken. Die<br />

Errichtung eines derartigen Konzeptes erscheint eine zumindest fragwürdige<br />

Vorgehensweise in Bezug auf das gesteckte Ziel der Bekämpfung <strong>von</strong><br />

Jugendkriminalität zu sein. Statt einen vermeintlich uneffektiven, weil an den<br />

Ursachen vorbeiwirkenden, Ausbau sozialer Kontrollinstanzen, gilt es „Einrichtungen<br />

und Maßnahmen der primären und sekundären Prävention zu fördern, die<br />

anzusetzen haben bei den Familien, Schulen und in den Kommunen.“ 42 Ein erster<br />

Schritt in die richtige Richtung für <strong>Hessen</strong> (aber auch bundesweit) wäre die<br />

Rücknahme der landespolitischen Kosteneinsparungen („Operation sichere Zukunft“)<br />

im Bereich der ambulanten Jugendstraffälligenhilfe und dem dadurch realisierbaren<br />

Ausbau pädagogischer Hilfeangebote. Bei einem Umzug der Jugendhilfe in ein<br />

`Haus des Jugendrechts´ droht ein Wiedereinzug der „Sozialarbeit in das Souterrain<br />

der Justiz“ 43 und der Rückfall in ein traditionell justiznahes Rollenverständnis der im<br />

Jugendverfahren tätigen Sozialarbeit. Die Jugendhilfe als Mietnomade des `Haus des<br />

Jugendrechts´, der weder so recht zu den anderen Mietern passt, noch besucht<br />

wird, kann nicht das Ziel eines gelingenden Kooperationsverhältnisses im<br />

Jugendstrafverfahren sein, so dass aus Sicht aller Beteiligten, aber insbesondere der<br />

Jugendhilfe und ihrer jungen Klientel, da<strong>von</strong> abzuraten ist.<br />

38<br />

„Der Schwerpunkt der polizeilichen Jugendsachbearbeitung liegt eindeutig im repressiven Bereich,<br />

wenngleich auch präventive Sachverhalte aufgearbeitet werden.“; Gloss (2007), S. 280<br />

39<br />

vgl. DIJuF (2007), S. 324<br />

40<br />

Gegen einen Schnellschuss spricht, dass bereits im September 2006 ein Antrag der Fraktion der SPD<br />

betreffend der Schaffung eines “Hauses des Jugendrecht“ in <strong>Hessen</strong> erfolgt ist, dieser aber bisher keine<br />

Umsetzung gefunden hat; Drucksache des hessischen Landtages 16/6071 vom 26.09.2006<br />

41<br />

Feuerhelm (2003), S. 59 f.<br />

42<br />

Heinz (2005), S. 17<br />

43<br />

Gleichnamiger <strong>Beitrag</strong> <strong>von</strong> Müller & Otto: „Sozialarbeit im Souterrain der Justiz“; in: Trenczek und in:<br />

Becker-Textor, I., Textor M.R<br />

8


L I T E R AT U R V E R Z E I C H N I S<br />

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DIJuF – Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht: Jugendhilfe und Jugendgerichtsbarkeit (2007). Die<br />

Unterschiede als Chance verstehen! Kommunikation, Kooperation und der § 36 a SGB VIII. Zeitschrift für<br />

Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 18 (3), 323-329.<br />

<strong>DVJJ</strong>-Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendgerichtshilfe (Hrsg.) (2003). Grundsätze: Jugendhilfe im Strafverfahren.<br />

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18 (3), 278-283.<br />

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[www.unikonstanz.de/rtf/kik/Jugendkriminalitaet-2003-7-e.pdf].<br />

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[http://www.unikonstanz.de/rtf/kis/Heinz_Alternativen_zu_klassischen_Sanktionen.pdf].<br />

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