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Qualität in der Jugendgerichtshilfe - DVJJ-Hessen

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Frank He<strong>in</strong>er WeyelQualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>1. Was ist Qualität? - Begriffsklärungen2. Zielorientiertes Arbeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> JGH3. Selbstevaluation <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>1. Was ist Qualität? - BegriffsklärungenDie Qualitätsdebatte hat längst auch die JGH ergriffen. Zuerst und <strong>in</strong>tensiver waren und s<strong>in</strong>dzwar die freien Träger betroffen. Sie hängen am Tropf öffentlicher För<strong>der</strong>ung und könnendarum über die Kostenschraube zur Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Qualität gezwungen werden.Inzwischen ist es be<strong>in</strong>ahe Usus, dass die sozialpädagogische Betreuungs- undBeratungsangebote freier Träger als Leistungen o<strong>der</strong> Produkte verstanden werden, die alssolche im E<strong>in</strong>zelfall auch abgerechnet werden. Pauschalf<strong>in</strong>anzierungen, etwa überProjektför<strong>der</strong>ungen gehören immer mehr <strong>der</strong> Vergangenheit an.Aber auch die öffentlichen Träger, hier speziell die Jugendämter beschäftigen sich <strong>in</strong>tensivmit dem Thema Qualitätsmanagement bzw. Qualitätssicherung. Und unzweifelhaft geht esauch hier nicht nur um Qualitätsverbesserung son<strong>der</strong>n m<strong>in</strong>destens ebenso umKostenreduzierung. Dieser Zusammenhang ist da, er soll nicht verschwiegen o<strong>der</strong> unter denTeppich gekehrt werden. Aber wir wollen uns hier nicht mit den negativen Seiten dieserEntwicklung beschäftigen, son<strong>der</strong>n mit den - sicher ebenso gegebenen - Chancen <strong>der</strong>For<strong>der</strong>ung nach Qualitätsentwicklung.Zuerst e<strong>in</strong> paar Anmerkungen zur Begriffsklärung.Die Bezeichnung "Qualitätsentwicklung" verwendet das K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz imUnterschied zu "Qualitätssicherung", um damit deutlich zu machen, dass es <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialenund pädagogischen Arbeit mit jungen Menschen um Persönlichkeitsentwicklung geht. DasK<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz setzt damit e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Schwerpunkt, als er <strong>in</strong> dem BegriffQualitätssicherung zum Ausdruck kommt, <strong>der</strong> mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em statischen S<strong>in</strong>n verstandenwerden kann: das was wir haben, wollen wir festhalten, eben: sichern. Qualitätsentwicklungist e<strong>in</strong> dynamischer Begriff, <strong>der</strong> das prozesshafte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe deutlich machen will. DieQualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuung junger Menschen läßt sich immer nur für e<strong>in</strong>en Augenblickbeschreiben, Verallgeme<strong>in</strong>erungen s<strong>in</strong>d mit Vorsicht zu genießen. Wenn Sven nach dreiMonaten Betreuungshilfe gelernt hat, auf Fragen des Beraters mit ganzen Sätzen zuantworten, kann das für ihn e<strong>in</strong> qualitativ großer Fortschritt se<strong>in</strong>. Für Torsten, <strong>der</strong> ebenfallsseit drei Monaten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuung ist, ist die Fähigkeit sich verbal zu äußern, ke<strong>in</strong>qualitativer Fortschritt, bei ihm geht es mehr um die Fähigkeit, sich auf e<strong>in</strong>e Sachekonzentrieren zu können.Was Qualität im E<strong>in</strong>zelfall ist, muß für jeden Jugendlichen <strong>in</strong>dividuell def<strong>in</strong>iert werden.Auf e<strong>in</strong>er abstrakteren Ebene gibt es natürlich Qualitätsbeschreibungen die möglich s<strong>in</strong>d,denken wir etwa an § 1 K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz: Qualität ist, wenn <strong>der</strong> Jugendliche <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er Entwicklung geför<strong>der</strong>t wird ...1


Der Begriff Qualitätsmanagement ist eher betriebswirtschaftlich zu verstehen. Er ist e<strong>in</strong>Oberbegriff für alles, was mit <strong>der</strong> Organisation von Qualität zu tun hat: Qualitätsplanung,Qualitätssicherung, Qualitätscontroll<strong>in</strong>g.Um Qualität zu managen, zu sichern o<strong>der</strong> zu entwickeln, gibt es verschiedene Verfahren. Siesollen hier nur erwähnt werden: Relativ bekannt ist die Normenreihe ISO 9000(ISO=International Organisation for Standardization), bei <strong>der</strong> nach vere<strong>in</strong>heitlichtenStandards und nach den Vorgaben e<strong>in</strong>es Qualitätsmanagement-Handbuchs <strong>der</strong>Qualitätsprozeß gesteuert und zertifiziert wird.Bei dem Modell Gütesiegel erfolgt die Vergabe e<strong>in</strong>es Siegels für Organisationen, die sich denQualitätsstandards e<strong>in</strong>es Verbandes unterwerfen und sich e<strong>in</strong>er externen Qualitätsprüfungunterziehen.Total Quality Management bezieht sich auf die Abläufe e<strong>in</strong>er gesamten Organisation, die vorallem bestrebt ist, die auf Kundenanfor<strong>der</strong>ungen abgestellten Qualitätsziele zu verfolgen.Dazu werden Qualitätszirkel e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> denen Mitarbeiterteams permanent alleQualitätsfragen diskutieren und lösen sollen.Beim Benchmark<strong>in</strong>g treten anhand vere<strong>in</strong>barter Kategorien bzw. Leistungsmerkmalemehrere vergleichbare Organisationen, E<strong>in</strong>richtungen o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungsteile <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eKonkurrenz mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Rangsystem e<strong>in</strong>geordnet und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verglichen (e<strong>in</strong>faches Beispiel aus dem Sport: die Bundesligatabelle).Selbstevaluation ist e<strong>in</strong> Verfahren, auf das später hier näher e<strong>in</strong>gegangen werden soll.Selbstevaluation ist e<strong>in</strong>e Methode <strong>der</strong> systematischen Dokumentation und Reflexion vonProzessen im eigenen Arbeitsfeld. Der Evaluierende ist <strong>der</strong> Mitarbeiter/die Mitarbeiter<strong>in</strong>selbst. 1Qualität ganz allgeme<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t die Güte bzw. Beschaffenheit e<strong>in</strong>er Sache, <strong>in</strong> unseremZusammenhang e<strong>in</strong>er Dienstleistung. Was jeweils Qualität ist, richtet sich nach <strong>der</strong>Sichtweise des Betroffenen und danach, auf was sie sich bezieht.<strong>Jugendgerichtshilfe</strong> soll qualitativ gut se<strong>in</strong>. Was darunter zu verstehen ist, kommt auf diePerspektive an: E<strong>in</strong>e <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> mit Qualität ist aus Sicht des Jugendlichen ganzan<strong>der</strong>s zu sehen, als aus Sicht des Jugendrichters, des Jugendamtsleiters o<strong>der</strong> des betreffendenJugendgerichtshelfers. (Auf die weibliche Form wird hier aus Vere<strong>in</strong>fachungsgründenverzichtet, sie ist aber immer mitgeme<strong>in</strong>t.) Der Jugendliche will möglichst glimpflich aus demVerfahren herauskommen, <strong>der</strong> Staatsanwalt will e<strong>in</strong>e "spürbare Maßnahme". Qualität nachdem K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz ist, wenn es gel<strong>in</strong>gt, junge Menschen <strong>in</strong> ihrer<strong>in</strong>dividuellen und sozialen Entwicklung zu för<strong>der</strong>n und Benachteiligungen zu vermeidenbeziehungsweise abzubauen.Qualität kann sich auf ganz verschiede Dimensionen e<strong>in</strong>er Dienstleistung beziehen. DieseDimensionen sollen uns dazu helfen, die verschiedenen Stationen von Qualitätsentwicklungbesser e<strong>in</strong>ordnen zu können.Es wird unterschieden zwischen• Konzeptqualität• Strukturqualität• Prozessqualität1 E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> Fragen <strong>der</strong> Selbstevaluation und Qualitätssicherung bietet folgendeVeröffentlichung: "Leitfaden für Selbstevaluation und Qualitätssicherung" von Christiane Liebald, HeftQualitätssicherung 19 (QS 19), herausgegeben vom Bundesm<strong>in</strong>isterium für Familie, Senioren, Frauen undJugend, Bonn 19982


• ErgebnisqualitätAuf die <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> bezogen könnte das beispielsweise folgendes heißen:KonzeptqualitätWelche Ziele gibt es? Passen die Bedürfnisse und Anfor<strong>der</strong>ungen zu den Zielen? Ist <strong>der</strong>Arbeitsauftrag, die Arbeitsschwerpunkte <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> im Amt geregelt undschriftlich fixiert, ist er mit dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz, <strong>der</strong> Justiz und denMitarbeiterInnen abgestimmt? Ist die Perspektive <strong>der</strong> Jugendlichen und <strong>der</strong>en Eltern <strong>in</strong> diesekonzeptionellen Überlegungen e<strong>in</strong>bezogen? Gibt es Konzepte für ambulante Hilfen?StukturqualitätWelche personellen, f<strong>in</strong>anziellen und räumlichen Bed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d notwendig undtatsächlich gegeben? Welche M<strong>in</strong>deststandards gibt es? Braucht jede/r <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>-MitarbeiterIn e<strong>in</strong> eigenes Büro, ist die Dienststelle für Jugendliche leicht zu erreichen etc.?Werden Dienstreisen <strong>in</strong> die U-Haft zügig genehmigt? Werden ambulante erzieherische Hilfenvorgehalten?ProzeßqualitätWo und wann setzt die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> e<strong>in</strong>? Übernimmt die<strong>Jugendgerichtshilfe</strong> die Fe<strong>der</strong>führung im Hilfeplanverfahren? Gibt es ausreichendSupervision und Fortbildung. Wie ist die Betreuung <strong>der</strong> Jugendlichen beschaffen? GehenBericht rechtzeitig bei Gericht e<strong>in</strong>? Wie geht die <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> mit denMaßnahmevorschlägen <strong>in</strong> Gerichtsverhandlungen um?ErgebnisqualitätZufriedenheit <strong>der</strong> Jugendlichen, <strong>der</strong> Eltern, des Gerichts, des JGHlers. Verkürzung von U-Haft erreicht? Berücksichtigung <strong>der</strong> JGH-Vorschläge bei Gericht?2. Zielorientiertes ArbeitenZielorientiertes Arbeiten ist heute wichtiger denn je. Zunehmende Erwartungen anProfessionalität, an Effektivität und Effizienz machen es erfor<strong>der</strong>lich, die Kräfte zu bündeln,sie gezielt und strategisch e<strong>in</strong>zusetzen. Der Anspruch von Sozialer Arbeit sche<strong>in</strong>t oftallumfassend. Auch <strong>in</strong> dem Modewort "ganzheitlich" kommt das zum Ausdruck. "Helfen" iste<strong>in</strong> positiv besetzter Wert, dem sich vor allem SozialarbeiterInnen verpflichtet wissen. Mitzunehmen<strong>der</strong> Berufserfahrung erkennt man allerd<strong>in</strong>gs se<strong>in</strong>e eigenen begrenztenMöglichkeiten und m<strong>in</strong>destens genauso die begrenzten Möglichkeiten des Systems um unsherum.Der effektivste Ausweg aus diesem Dilemma ist das zielorientierte Arbeiten. Ziele werden amAnfang e<strong>in</strong>es Weges bestimmt. "Ich will erreichen, dass ...." Dabei kommt es entscheidenddarauf an, die verschiedenen Zielebenen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zuhalten und se<strong>in</strong>e Arbeitsziele sorealistisch wie möglich zu formulieren.3


ZielebenenLeitbil<strong>der</strong>ProgrammzielePraxisziele (auch Handlungsziele o<strong>der</strong> Arbeitsziele)Zu den Leitbil<strong>der</strong>n könnte im Bereich <strong>der</strong> Jugendämter die im K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetzdef<strong>in</strong>ierten Aufgaben gehören o<strong>der</strong> auch die jugenhilfepolitischen Leitl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Kommune.Leitziele können aber auch die bundesweit anerkannten Standards für die <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>enthalten, die die <strong>DVJJ</strong> herausgegeben hat.Programmziele können etwa vom K<strong>in</strong><strong>der</strong>-und Jugendhilfeausschuss e<strong>in</strong>er Kommune bzw.Kreise formuliert werden. Die Empfehlungen zur Mitwirkung <strong>der</strong> Jugendhilfe <strong>in</strong>Jugendstrafverfahren s<strong>in</strong>d ebenso e<strong>in</strong> Beispiel für Programmziele wie e<strong>in</strong> im Jugendamterarbeiteter Leitfaden für das Arbeitsfeld <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>.Im Unterschied zu Leitbil<strong>der</strong>n und Programmzielen können und werden Praxisziele von <strong>der</strong>jeweiligen Fachkraft selbstverantwortlich formuliert. Hier geht es um die Fallarbeit, um dieZiele, die ich mit e<strong>in</strong>em Jugendlichen erreichen will bzw. - und das zu beachten sche<strong>in</strong>t mirganz wichtig - es geht um Ziele, die <strong>der</strong> Jugendliche erreichen will und kann.Wenn wir hier also von zielorientiertem Arbeiten reden, dann spreche ich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie vonden Zielen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Alltagsarbeit. Das s<strong>in</strong>d Ziele, <strong>der</strong>en Erreichbarkeit ich bee<strong>in</strong>flussenkann. Je konkreter das Ziel, je weiter heruntergebrochen, je realistischer und klarernachvollziehbar, desto größer die Chance, dass es auch erreicht wird. Dass e<strong>in</strong>Drogenabhängiger, den ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jugendstrafverfahren betreue, von se<strong>in</strong>er Sucht frei wird,ist zwar wünschenswert, aber im Rahmen me<strong>in</strong>er Möglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>wenig wahrsche<strong>in</strong>lich. Dass aber dieser Junkie Kontakt zu e<strong>in</strong>er Beratungsstelle aufnimmto<strong>der</strong> gar mit e<strong>in</strong>er Therapie beg<strong>in</strong>nt, kann e<strong>in</strong> durchaus realistisches Ziel im Rahmen <strong>der</strong>JGH-Betreuung se<strong>in</strong>.In <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> zielorientiert arbeiten heißt also, se<strong>in</strong>e Arbeit auf Ziele zukonzentrieren, die im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>-Zuständigkeit erreichbar s<strong>in</strong>d.Die <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> hat dabei die Möglichkeit, Ressourcen an<strong>der</strong>er sozialer Dienstleisterzu nutzen: <strong>der</strong> Drogenberatungsstelle, des Vere<strong>in</strong>s, <strong>der</strong> soziale Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskurse anbietet, desJugendhauses, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Jugendliche Arbeitsstunden ableisten kann.Hier sche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong> entscheidendes Potential guter JGH-Arbeit zu liegen, nämlich imwirkungsgesteuerten Fallmanagement. Die gut gemanagte "Überweisung" <strong>in</strong> den sozialenTra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskurs, zu <strong>der</strong> z.B. auch die Motivierung des Jugendlichen gehört, trägt entscheidendzum Erfolg des sozialen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskurses bei und ist dementsprechend e<strong>in</strong> Qualitätsmerkmalguter <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>.Wie dieses Beispiel zeigt, ist es schon s<strong>in</strong>nvoll, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jugendamt vor Ortweitgehen<strong>der</strong> Konsens darüber besteht, welche Qualitätskriterien für die <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>relevant s<strong>in</strong>d. Hier könnte e<strong>in</strong>e lange Liste aufgemacht werden. Ich möchte nicht bei demimmer wie<strong>der</strong> diskutierten Beispiel <strong>der</strong> Teilnahme an Hauptverhandlungen hängen bleiben.Ich hebe mal e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Aspekt hervor, <strong>der</strong> teilweise auf Abwehr stößt: dieKundenzufriedenheit. Kunde <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> s<strong>in</strong>d zuallererst <strong>der</strong> Jugendliche undse<strong>in</strong>e Eltern, dann aber auch das Gericht.4


Fragt eigentlich jemand den Jugendlichen, was er unter guter Qualität <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>versteht? Ich halte viel davon, den Jugendlichen als Subjekt sehr ernst zu nehmen und se<strong>in</strong>eErwartungen <strong>in</strong> die Zielformulierung bewußt e<strong>in</strong>zubeziehen. Was soll die <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>aus Sicht des Jugendlichen tun, wozu soll sie ihm helfen? Woran würde <strong>der</strong> Jugendlicheerkennen, ob die <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> für ihn was gebracht hat? So könnten e<strong>in</strong>ige Fragen amAnfang <strong>der</strong> Betreuung lauten. Es s<strong>in</strong>d Fragen, die die sogenannte Klientenperspektivee<strong>in</strong>beziehen.Am Ende des Verfahrens kann die Zielüberprüfung stehen. Frage an den Jugendlichen: Hatdie <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> für dich das gebracht, was du dir am Anfang versprochen hast? Wasist erreicht worden, was nicht. S<strong>in</strong>d de<strong>in</strong>e persönlichen Erwartungen e<strong>in</strong>getroffen o<strong>der</strong> nicht?Auch die Ziele des Jugendlichen selbst sollen überprüft werden. Hast du die D<strong>in</strong>ge, die du dirals Vorbereitung für die Hauptverhandlung vorgenommen hast, erledigt? Das könnte dieBewerbung für e<strong>in</strong>e Arbeitsstelle se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> regelmäßige Schulbesuch, die Entschuldigungbeim Opfer und vieles mehr.Die Zeit vor <strong>der</strong> Verhandlung bietet m.E. hervoragende Chancen, klar def<strong>in</strong>ierte Zieleerfolgversprechend anzugehen. Die Erfolgschancen dürften schon deshalb nicht schlecht se<strong>in</strong>,weil die Jugendlichen <strong>in</strong> Bezug auf die Verhandlung unter Druck stehen und e<strong>in</strong> eigenesInteresse an e<strong>in</strong>em möglichst glimpflichen Ausgang haben. Prozessqualität ist es, wenn solcheoperationalisierten Ziele während <strong>der</strong> Betreuung mit dem Jugendlichen vere<strong>in</strong>bart werden unddie <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> e<strong>in</strong>e Begleiter<strong>in</strong> auf dem Weg zu diesen Zielen ist. Ergebnisqualitätist, wenn die Erreichung dieser Ziele auch am Ende <strong>der</strong> Betreuung überprüft und kritischgewürdigt werden.1. Selbst-Evaluation <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong>Ich möchte hier für e<strong>in</strong> Verfahren <strong>der</strong> Qualitätsentwicklung werben, das me<strong>in</strong>es Erachtenssehr gut geeignet ist, Qualitätsentwicklung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> zu unterstützen und sievor allem auch transparent zu machen. Ich me<strong>in</strong>e die Selbstevaluation.Selbstevaluation ist e<strong>in</strong>e Methode <strong>der</strong> systematischen Reflexion und Dokumentation vonProzessen im eigenen Arbeitsfeld. Selbstevaluation will unterstützen bei• Systematischem Arbeiten• Erkennen, wo die Wirkungen me<strong>in</strong>er Arbeit liegen (also die Stärken und Schwächen)• Darstellung me<strong>in</strong>er Arbeit bzw. me<strong>in</strong>er ArbeitsergebnisseSelbstevaluation ist e<strong>in</strong>e wissenschaftlich anerkannte Methode <strong>der</strong> Qualitätsentwicklungsozialer Arbeit. Sie wurde entwickelt vor allem von den Professor<strong>in</strong>nen Maja He<strong>in</strong>er undHiltrud von Spiegel, die beide <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung von SozialarbeiterInnen und Pädagogentätig s<strong>in</strong>d, und zwar für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen Arbeit. 2Es geht um das eigene berufliche Handeln und se<strong>in</strong>e Konsequenzen. In <strong>der</strong> Selbstevaluationwerden die Vorgänge untersucht, die me<strong>in</strong>en eigenen Arbeitsalltag betreffen. Nicht e<strong>in</strong> vonaußen kommen<strong>der</strong> Wissenschaftler untersucht me<strong>in</strong>e Praxis, son<strong>der</strong>n die Fachkräfte selbst,sozusagen als Forscher <strong>in</strong> eigener Sache.Die Kontrolle über Planung, Durchführung und Nutzung <strong>der</strong> Evaluation liegt bei denevaluierenden Fachkräften und erfolgt freiwillig.2 He<strong>in</strong>er, Maja: Selbstevaluation als Qualifizierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialen Arbeit. Freiburg i. Brsg. 1994)5


Der Ansatz <strong>der</strong> Selbstevaluation will nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie wissenschaftlich objektiveForschung betreiben, son<strong>der</strong>n sie will die Erfahrungen <strong>der</strong> Fachkräfte für dieWeiterentwicklung <strong>der</strong> Arbeit systematisch nutzen. Freilich bedienen sich die Fachkräftedabei auch anerkannter Methoden <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung, also etwa <strong>der</strong> Befragungvon Klienten mittels e<strong>in</strong>es Fagebogens. Aber was wann und wo am zweckmäßigsten anEvaluations<strong>in</strong>strumenten e<strong>in</strong>gesetzt wird, können die betroffenen Fachkräfte am bestenbeurteilen. Den größten Nutzen für e<strong>in</strong>e effektive sozialpädagogische Arbeit wird Evaluationdann haben, wenn die Sozialpädagogen die Kontrolle darüber selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand halten.Selbstevaluationen s<strong>in</strong>d vorwärtsgewandt. Sie beschäftigen sich weniger mit den Problemen<strong>der</strong> Vergangenheit, son<strong>der</strong>n Selbstevaluationen haben das Ziel, Lösungen zu f<strong>in</strong>den. Eswerden Ziele, d.h. mögliche Lösungen def<strong>in</strong>iert, überprüft, neu formuliert und wie<strong>der</strong>überprüft.Die Abfolge e<strong>in</strong>er Selbstevaluation läßt sich wie folgt schematisch darstellen:1. Beschreibung <strong>der</strong> Ausgangslage2. Praxisziel formulieren3. Indikatoren benennen (Woran erkenne ich, dass ich me<strong>in</strong> Ziel erreiche?)4. Geplante Interventionen (Was unternehme ich, um me<strong>in</strong> Ziel zu erreichen?)5. Untersuchungsziel und Fragestellungen6. Welche Reaktionen erwarte ich aus me<strong>in</strong>em Arbeitsfeld?7. Datenerhebung: Wer o<strong>der</strong> was soll wie befragt, beobachtet, gezählt o<strong>der</strong> gemessenwerden?Selbstevaluation hat e<strong>in</strong>e doppelte Aufgabe: Sie soll Praxisziele erreichen und parallel dazuuntersuchen, wie es zur Erreichung des Zieles kommt. Selbstevaluation dient also e<strong>in</strong>mal <strong>der</strong>Verbesserung sozialpädagogischer Praxis und gleichzeitig dem Erkenntnisgew<strong>in</strong>n über dieWirkungen <strong>der</strong> sozialen Arbeit. Beide Stränge stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ständigen Dialog.In <strong>der</strong> <strong>Jugendgerichtshilfe</strong> kann Selbstevaluation dazu helfen, Ressourcen gezieltere<strong>in</strong>zusetzen und Informationen z.B. darüber zu erhalten, welche Rolle sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuungdes Jugendlichen spielt und welchen E<strong>in</strong>fluß sie auf das Jugendstrafverfahren hat.Selbstevaluation kann etwa helfen, genauer beurteilen zu können, was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Berichtstehen muß, um e<strong>in</strong> bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Welche Informationen braucht dasGericht, um zu e<strong>in</strong>er Entscheidung zu kommen, die sozialpädagogische Gesichtspunkte (siehe§ 38, 2 JGG) ausreichend berücksichtigen? Sie kann unterstützen bei <strong>der</strong> Umsetzung vonBetreuungszielen, z.B. wenn mit e<strong>in</strong>em Jugendlichen berufsvorbereitende Maßnahmenangegangen werden sollen. Es wird e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividueller Hilfeplan erarbeitet (falls möglichabgeleitet aus dem Hilfeplan nach § 36 K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz), bei dem schriftlichfestgelegt wird, wer was macht, woran zu erkennen ist, welche Schritte gegangen bzw.welche Teilziele erreicht wurden. Und es wird mit Hilfe verschiedenerDatenerhebungs<strong>in</strong>strumente gemessen, ob und wie erfolgreich die angestrebten Ziele erreichtwurden.Selbstevaluation ist für den Praktiker <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialarbeit e<strong>in</strong>e Möglichkeit, Qualitätzuverlässig zu beschreiben, zu messen und zu bewerten. Gerade <strong>in</strong> Zeiten des starkenKostendrucks und des Stellenabbaus bietet Selbstevaluation die Chance, den Wert <strong>der</strong><strong>Jugendgerichtshilfe</strong>-Täigkeit besser darstellen zu können. Es steht nicht mehr nur dieBehauptung im Raum: "Unsere Arbeit ist wichtig und wirksam!", son<strong>der</strong>n diese Aussagekann und muß verifizierbar werden.Natürlich kann das auch zu Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit führen. Wenn wir zum Beispielfeststellen, - vere<strong>in</strong>facht gesagt - dass soziale Gruppenarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> bisherigen Form für unserKlientel viel weniger br<strong>in</strong>gt als die Betreuungsweisung, dann könnte das heißen, die6


Betreuungsweisungen auszubauen und soziale Gruppenarbeit zu reduzieren. Ich stelle es mirauch sehr <strong>in</strong>teressant vor, mehr darüber zu wissen, wie JGH-Berichte und Stellungnahmen <strong>in</strong><strong>der</strong> Hauptverhandlung so gestaltet werden, dass sie e<strong>in</strong>e optimale E<strong>in</strong>fluß aufSanktionsentscheidungen haben, und zwar im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Jugendhilfe. Selbstevaluation gibtuns das notwendige Instrumentarium an die Hand, solche Wirkungen sicherer beurteilen unddamit auch gezielter arbeiten zu können.Nicht zuletzt wird Selbstevaluation e<strong>in</strong>en Beitrag zu fachlichen Profilierung <strong>der</strong><strong>Jugendgerichtshilfe</strong> leisten. Sie wird Jugendhilfeplanern, <strong>der</strong> Justiz und <strong>der</strong> Kommunalpolitiknachvollziehbare Informationen über die Qualität <strong>der</strong> JGH-Arbeit an die Hand geben. 3Anschrift des Verfassers:Frank H. WeyelBuchenweg 1063571 Gelnhausenfrank.weyel@t-onl<strong>in</strong>e.de3 Bei Interesse an e<strong>in</strong>er Beratung zur Selbstevaluation wenden Sie sich bitte an den Autor des Beitrags (Kontaktüber E-Mail: frank.weyel@t-onl<strong>in</strong>e.de o<strong>der</strong> die <strong>DVJJ</strong> <strong>Hessen</strong>7

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