um die Würde der Frauen zu heben..... - Verband Wiener Volksbildung
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Feministisches Grundstudi<strong>um</strong> V<br />
Lehrgang universitären Charakters<br />
6. Diplomlehrgang<br />
Jänner 2006 bis Dezember 2007<br />
„.... <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong>...“<br />
Autorin, Politikerin und philosophische Feministin,<br />
Olympe de Gouges, <strong>die</strong> „Femme Auteur“<br />
Verfasserin : Gabriele Eisenriegler-Bunyai<br />
Erstbegutachtung: Dr.in Ursula Kubes-Hofmann<br />
Zweitbegutachtung: Dipl. Päd. Verena Bruchhagen<br />
Abgabetermin: 30. Mai 2008<br />
Rosa-Mayre<strong>der</strong>-College, Wien<br />
Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, Strobl/OÖ<br />
VHS-Ottakring, Wien<br />
0
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung .................................................................................................................................. 2<br />
Historischer Hintergrund <strong>der</strong> französischen Revolution ..................................................... 5<br />
1 Historische Lebensgeschichte............................................................................................... 9<br />
Olympe de Gouges (7.5.1748 – 3.11.1793).............................................................................. 9<br />
1.1 Kindheit und Jugend .........................................................................................................9<br />
1.2 Bildung und Beruf........................................................................................................... 11<br />
1.3 Soziale Kontakte und Umfeld......................................................................................... 14<br />
1.4 Anerkennung als Schriftstellerin und Autorin ................................................................ 16<br />
2 Philosophischer und politischer Hintergrund .................................................................. 22<br />
2.1 <strong>Frauen</strong>bild <strong>der</strong> Epoche .................................................................................................... 22<br />
2.2 Ablehnung des feministischen Ansatzes durch <strong>die</strong> Revolutionäre ................................. 25<br />
2.3 Die <strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration von Olympe de Gouges .................................................... 27<br />
3 Bedeutung Olympe de Gouges in <strong>der</strong> Gegenwart ........................................................... 31<br />
3.1 Aktualität ist immer noch gegeben ................................................................................. 31<br />
3.1.1 Terre des Femmes ........................................................................................................ 32<br />
3.2 Gesetzliche Grundlagen als Vorausset<strong>zu</strong>ng und Absicherung <strong>der</strong> Gleichberechtigung. 33<br />
4 Zusammenfassung...............................................................................................................39<br />
4.1 Jede Frau hat Geschichte ................................................................................................ 39<br />
4.2 <strong>Frauen</strong> als Heldinnen ...................................................................................................... 40<br />
4.3 „... <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong> ...“ und role models heute ................................ 42<br />
Literaturverzeichnis............................................................................................................... 45<br />
Anhang .................................................................................................................................... 47<br />
1
Einleitung<br />
Auf <strong>der</strong> Historienreise in <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>geschichte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts bis <strong>zu</strong>r Mo<strong>der</strong>ne lernte<br />
ich im Lehrgang des Feministischen Grundstudi<strong>um</strong>s, Lehrgang 5, im Basismodul I –<br />
Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I), bei Frau Dr.in Ursula Kubes-<br />
Hofmann, Lehrgangsleiterin, <strong>die</strong> mir bis dahin völlig unbekannte Olympe de Gouges kennen<br />
und machte mich mit ihrer Lebensgeschichte vertraut.<br />
Im Bemühen, <strong>die</strong> Geschichte Olympe de Gouges im Kontext philosophischer und politischer<br />
Hintergründe <strong>zu</strong> verstehen und <strong>zu</strong> begreifen, welchen Einfluss und welche Bedeutung <strong>die</strong><br />
Arbeit einer Feministin aus <strong>der</strong> Epoche <strong>der</strong> beginnenden Aufklärung heraus aus dem<br />
französischen Absolutismus für uns noch immer hat, veranlasste mich, <strong>die</strong> Lebensgeschichte<br />
<strong>die</strong>ser außergewöhnlichen Frau mittels einer Literaturrecherche so <strong>um</strong>fangreich wie möglich<br />
<strong>zu</strong> erforschen. Wichtig war für mich, das Zustandekommen und <strong>die</strong> Bedeutung ihrer Werke,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und Bürgerinnenrechte, für unsere weibliche<br />
Gegenwart auch im Hinblick auf <strong>die</strong> aktuelle soziale und politische Arbeit von Feministinnen<br />
als weiteres Thema in meine Diplomarbeit auf<strong>zu</strong>nehmen.<br />
Die Aufgabe bestand darin, aus ihrer Welt in unsere Gegenwart über<strong>zu</strong>leiten und <strong>der</strong> Frage<br />
nach<strong>zu</strong>gehen, welchen Wert ihr Engagement in Fragen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte, <strong>der</strong><br />
Gleichberechtigung und <strong>der</strong> Nichtdiskriminierung für uns heute darstellt. Was lernen wir<br />
mo<strong>der</strong>nen <strong>Frauen</strong> von Olympe de Gouges und wie können wir ihr Wissen positiv integrieren?<br />
Die Fragen, <strong>die</strong> sich aus <strong>die</strong>ser Bearbeitung ergaben, betrafen einerseits den Menschen<br />
Olympe de Gouges, <strong>die</strong> im Zeitalter des Ancien Regime geboren wurde. An<strong>der</strong>erseits betrafen<br />
meine Fragen <strong>die</strong> von Olympe de Gouges gehegten Hoffnungen auf große Verän<strong>der</strong>ungen<br />
durch <strong>die</strong> Französische Revolution: persönliche Freiheit und Unabhängigkeit, für <strong>die</strong><br />
Gleichberechtigung, <strong>die</strong> Égalite <strong>der</strong> Geschlechter und eine Beendigung <strong>der</strong> Sklaverei. Und sie<br />
kämpfte für <strong>die</strong>se Hoffnungen mit mo<strong>der</strong>nen Mitteln wie <strong>der</strong> Veröffentlichung von Schriften.<br />
Anhand ihrer Lebensgeschichte galt es auch heraus<strong>zu</strong>finden, mit welchen Schwierigkeiten<br />
und Hin<strong>der</strong>nissen Olympe de Gouges konfrontiert wurde:<br />
Z<strong>um</strong> Bespiel mit Migrationsproblemen. Denn in Paris, wo sie als junge verwitwete Migrantin<br />
mit ihrem Sohn und ohne entsprechende Sprachkenntnisse ankam, musste sie ihr Leben neu<br />
organisieren, ohne ihren Lebensunterhalt selbst ver<strong>die</strong>nen <strong>zu</strong> dürfen.<br />
2
O<strong>der</strong>, wie sie erfahren musste, dass ihr leiblicher Vater einer von jenen Aristokraten war, <strong>der</strong><br />
sich <strong>um</strong> seine außerehelichen Kin<strong>der</strong> nicht <strong>zu</strong> kümmern und sorgen brauchte. Folglich musste<br />
er sie auch nicht als Tochter anerkennen, wodurch Olympe de Gouges rechtlos blieb, vor<br />
allem in Zusammenhang mit dem Erbrecht.<br />
All <strong>die</strong>se Erfahrungen feilten <strong>die</strong> Persönlichkeit <strong>die</strong>ser faszinierenden Frau dahingehend, dass<br />
sie mit ihrer Lebensgeschichte als Heldin in <strong>die</strong> Geschichte einzieht, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mängel in ihrem<br />
Leben mit den vorgegebenen Möglichkeiten vergleicht und davon überzeugt ist, dass ihr<br />
Handeln eine entscheidende Wende auch im gesellschaftlichen Bereich bewirkt.<br />
Für mich ist Olympe de Gouges eine Heldin <strong>der</strong> französischen Revolution, da sie unangepasst<br />
und abweichend von gesellschaftliche Normen bereits Geschichte geschrieben hat. Denn sie<br />
erkannte als eine <strong>der</strong> ersten, dass <strong>die</strong> neue geschriebene Verfassung aller Franzosen für alle<br />
Franzosen nicht für alle gelten sollte, denn „<strong>die</strong> Hälfte“ <strong>der</strong> französischen Bevölkerung,<br />
nämlich <strong>der</strong> weibliche Anteil, sollte weiterhin in <strong>der</strong> Abhängigkeit aller Männer und somit<br />
rechtlos verhaftet bleiben.<br />
Wie wichtig es ist, Bedürfnisse einzelner und ganzer Gruppen als Gebot in Recht <strong>zu</strong><br />
formulieren, <strong>zu</strong> verankern und durch Recht Verbote gegen willkürlich Herrschende <strong>zu</strong><br />
vollziehen, wurde von Olympe de Gouges frühzeitig erkannt und in ihrer<br />
<strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration dok<strong>um</strong>entiert. Die <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> französischen Revolution befanden<br />
sich eine Zeit lang in einer gemeinsamen Bewegung wie ka<strong>um</strong> <strong>zu</strong>vor und sie erhofften sich<br />
Gehör und rechtlich abgesicherte Anerkennung <strong>zu</strong> verschaffen in <strong>der</strong> revolutionären<br />
Aufbruchsstimmung am Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Viele <strong>Frauen</strong> aus dem gehobenen Bürgert<strong>um</strong> und des liberalen Adels, aber auch <strong>Frauen</strong> aus<br />
dem sogenannten Dritten Stand veröffentlichten ihre Schriften, Briefe und Abhandlungen z<strong>um</strong><br />
Teil anonym o<strong>der</strong> unter einem männlichen Pseudonym, <strong>um</strong> dem Druck <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>zu</strong><br />
entgehen. Gleichberechtigung, das Recht auf Bildung, Beruf und Wahlrecht, auf freie<br />
Meinungsäußerung, auf Besitz, auf Scheidung, und <strong>Frauen</strong>rechte im Allgemeinen, <strong>die</strong> sich<br />
durch alle Bildungsschichten zogen, mussten gegen heftige Wi<strong>der</strong>stände erst erkämpft<br />
werden. Diesen Hin<strong>der</strong>nissen stellte sich Olympe de Gouges ihren Gegnern herausfor<strong>der</strong>nd<br />
und mutig, indem sie unter ihre Werke ihren eigenen Namen setzte.<br />
Gut, dass <strong>die</strong> französische Revolution weit hinter uns liegt und wir geraten dabei in<br />
Versuchung <strong>zu</strong> denken, dass uns all <strong>die</strong>se Ungerechtigkeit nie wie<strong>der</strong> passieren kann. Doch<br />
<strong>die</strong> Arbeit <strong>der</strong> deutschen Organisation Terre de Femmes zeigt uns, wie wichtig das Kämpfen<br />
<strong>um</strong> <strong>Frauen</strong>- und Menschenrechte auf <strong>der</strong> ganzen Welt weiterhin ist, unter ständiger Angst<br />
3
<strong>um</strong>´s Überleben. Denn <strong>die</strong> Gewaltakte an <strong>Frauen</strong> durch aktuelle Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen<br />
wie Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen, Genitalverstümmelungen und Vergewaltigung als<br />
strategische Maßnahme in Kriegsereignissen bedrohen weiterhin unsere Vorstellung von<br />
Zivilisation und erfor<strong>der</strong>n eine aktive Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng und politisches Engagement.<br />
Role Models in <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>geschichte sind <strong>Frauen</strong> wie Olympe de Gouges, Serap Cileli und<br />
Simone de Beauvoir, durch <strong>die</strong> wir den Zugang <strong>zu</strong>r <strong>Frauen</strong>geschichte, <strong>die</strong> sich nicht als<br />
Herrschaftsgeschichte definiert, finden. Es sind mutige und unabhängige <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong><br />
Geschichte haben, so wie wir selbst – jede Frau von uns – eine Geschichte hat. All jene<br />
<strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> anonym gegen jede Art von Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen gekämpft haben und<br />
kämpfen, zeigen uns, dass es immer möglich war und ist, mit motiviertem Wi<strong>der</strong>stand gegen<br />
bestehende Unterdrückung <strong>zu</strong> kämpfen.<br />
4
Historischer Hintergrund <strong>der</strong> französischen Revolution<br />
Im Geburtsjahr von Olympe de Gouges herrschte <strong>der</strong> Absolutismus des „Ancien Regime“<br />
unter dem Bourbonen Ludwig XV in Frankreich. 1770 vermählte Ludwig XV seinen Enkel<br />
den Herzog von Berry und <strong>zu</strong>künftigen Ludwig XVI (1754-1793) mit <strong>der</strong> Erzherzogin Marie<br />
Antoinette, einer Tochter von Kaiserin Maria Theresia.<br />
Er war ein im Zeitalter des Barocks Musterbeispiel für einen Herrscher des Absolutismus. Die<br />
Menschen waren alle Untertanen, den Adeligen blieben jedoch soziale Vorrechte, <strong>die</strong><br />
Privilegien. Der Adel war von Steuern befreit, bekleidete hohe Posten in <strong>der</strong> Armee und <strong>der</strong><br />
Kirche und vor Gericht wurden sie besser behandelt als Nichtadelige. Der Prototyp <strong>der</strong><br />
Ständegesellschaft, aus dem Stand in den man hinein geboren wurde, fiel man nicht mehr<br />
heraus. 1<br />
Doch <strong>die</strong> Freigeister <strong>der</strong> Aufklärung hinterfragten den für sie ungerechten feudalen<br />
Ständestaat. Die finanzielle Misswirtschaft mit dem ungleichen Steuersystem, <strong>die</strong> Korruption<br />
<strong>der</strong> Verwaltung, <strong>die</strong> Willkürjustiz, da<strong>zu</strong> <strong>die</strong> von den Kriegen ausgebrannte Bevölkerung sowie<br />
Frivolität und Intrigen bei Hof führten <strong>die</strong> Revolutionäre aller Lager <strong>zu</strong> den Grundsätzen ihrer<br />
Bewegung: <strong>der</strong> Freiheit, <strong>der</strong> Gleichheit, <strong>der</strong> Rationalität, <strong>der</strong> Transparenz und <strong>der</strong> Moral 2 .<br />
Die französische Revolution lässt sich nach Eberhard Schmitt in 5 Phasen einteilen:<br />
Die erste Phase als <strong>die</strong> Phase <strong>der</strong> Pre-Revolution von 1787 bis 1788. Im August 1787 erfolgte<br />
<strong>der</strong> Teilstaatsbankrott <strong>der</strong> Krone, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Krone aus dem politischen Machtkampf<br />
ausschaltete. Am 8. August 1788 fand <strong>die</strong> Einberufung <strong>der</strong> Generalstände statt. In <strong>die</strong>ser<br />
Zeitspanne wurden <strong>die</strong> späteren Programme und Zielset<strong>zu</strong>ngen ausgearbeitet. Und <strong>die</strong>se<br />
konnten anlässlich <strong>der</strong> Wahlen <strong>zu</strong> den Generalständen von 1789 (5. Mai 1789) 3 in Versailles,<br />
bei denen es <strong>zu</strong> heftigen Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen zwischen den Vertretern des 3. Standes und<br />
dem König und den Adeligen kam, bereits vorhanden sein. In Paris fanden erste<br />
Arbeiterproteste statt, <strong>die</strong> auf Befehl des Königs gewaltsam nie<strong>der</strong>geschlagen wurden. Eine<br />
bewaffnete Bürgerwehr wurde <strong>zu</strong>sammengestellt und <strong>die</strong> Pariser Commune bildete sich <strong>zu</strong><br />
einer Art Gegenregierung. In weiterer Folge erklärte sich <strong>der</strong> 3. Stand im Juni 1789 <strong>zu</strong>r<br />
Nationalversammlung.<br />
1 wikipedia.org/wiki/Ancien, Zugriff am 9.8.2007<br />
2 Schmitt, Eberhart, Einführung in <strong>die</strong> französische Revolution (1980) S 50 ff.<br />
3 www.historia-universalis.de/historia_universalis/franzRev, Zugriff am 23.5.2008<br />
5
Die zweite Phase <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> konstitutionellen Monarchie nennt sich auch <strong>die</strong><br />
Revolution Bourgoise o<strong>der</strong> Revolution de la Liberté. Diese Phase von 1789 bis 1792 war <strong>die</strong><br />
erste Phase <strong>der</strong> eigentlichen Revolution. Konflikte zwischen dem Adel und dem 3. Stand im<br />
Kampf <strong>um</strong> <strong>die</strong> Abschaffung <strong>der</strong> Privilegien des 1. Standes entflammten in ganz Frankreich,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Bauern kämpften in Südfrankreich <strong>um</strong> <strong>die</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Feudalherrschaft,<br />
gegen <strong>die</strong> Leibeigenschaft und gegen <strong>die</strong> Armut <strong>der</strong> bäuerlichen Landbevölkerung (Grande<br />
Peur), <strong>die</strong> auch <strong>zu</strong> Unruhen zwischen den Bauern und den Bürgern führte.<br />
Dann am 26.8.1789 erfolgte endlich <strong>die</strong> Verkündung <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und<br />
Bürgerrechte. Trotz <strong>der</strong> bestehenden Armut und Hungersnöte in Paris zeigte <strong>der</strong> König, Louis<br />
XVI, massiven Wi<strong>der</strong>stand gegen <strong>die</strong> neue Verfassung, weswegen es Anfang Oktober 1789<br />
<strong>zu</strong> dem Marsch <strong>der</strong> Pariser Marktfrauen nach Versailles kam, bei dem <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> das Schloss<br />
Versailles besetzten und schlussendlich den König und seine königliche Familie nach Paris<br />
„entführen“ konnten. Auch im Oktober 1789 gab es weiterhin Unruhen in Paris, <strong>die</strong> mittels<br />
Kriegsrecht von <strong>der</strong> Nationalversammlung, <strong>die</strong> gleichfalls nach Paris <strong>um</strong>gezogen war,<br />
nie<strong>der</strong>geschlagen wurden.<br />
Das Jahr 1790 wurde genutzt <strong>um</strong> Reformen <strong>zu</strong> gestalten, denn viele Probleme plagten ganz<br />
Frankreich, so <strong>die</strong> Staatsschulden, eine Neuordnung des Wahlrechtes und <strong>die</strong><br />
Bauernaufstände in Südfrankreich, und waren <strong>zu</strong> lösen sowie Fragen in Sachen neuer<br />
Bürgerrechte. Bereits im Sommer 1790 formierte sich <strong>die</strong> revolutionäre Pariser<br />
Volksbewegung <strong>der</strong> Sansculotten, <strong>die</strong> später im Jahre 1791 durch ihre Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen<br />
mit <strong>der</strong> Nationalversammlung und <strong>der</strong> Regierung an Bedeutung für <strong>die</strong> französische<br />
Revolution gewannen. Auf <strong>die</strong>sen Zusammenschluss wurde seitens <strong>der</strong> Nationalversammlung<br />
sofort reagiert und es wurde ein Koalitionsverbot für berufsständische Vereinigungen<br />
ausgesprochen, das einem Verbot von Arbeiterversammlungen gleichkam.<br />
Die verhin<strong>der</strong>te Flucht des Königs nach Varennes im Juni 1791 brachte eine neuerliche<br />
Wende in den Verlauf <strong>der</strong> Revolution, denn <strong>die</strong> königliche Flucht ließ den Ruf nach <strong>der</strong><br />
Abschaffung <strong>der</strong> Monarchie laut werden und schaffte wie<strong>der</strong> kämpferische<br />
Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen bis endlich im August <strong>die</strong> neue Nationalversammlung gewählt wurde<br />
und am 3.9.1791 <strong>die</strong> erste geschriebene Verfassung Frankreichs unterzeichnet wurde, auf <strong>die</strong><br />
<strong>der</strong> König seinen Eid leistete. In all <strong>die</strong>sen Jahren erfolgte <strong>die</strong> Umstrukturierung Frankreichs<br />
vom Ständestaat einer Monarchie <strong>zu</strong>r konstitutionellen Monarchie bzw. z<strong>um</strong> konstitutionellen<br />
Einheitsstaat.<br />
6
Diese Phase wurde 1792 bis 1794 abgelöst durch <strong>die</strong> Konventsherrschaft <strong>der</strong> Girondisten und<br />
Jakobiner. Diese Phase wird auch <strong>die</strong> Revolution Democratique o<strong>der</strong> Revolution de l´Égalite<br />
genannt. Und <strong>um</strong>fasste auch <strong>die</strong> Diktatur des Wohlfahrtsausschusses. Mit dem Terreur vom<br />
September 1793 bis Mai 1794 und dem Grande Terreur im Juni/Juli 1794, <strong>der</strong> am 27.7.1794<br />
(= 9. Thermidor des Jahres II) unter Robespierre und Saint Just <strong>zu</strong>sammenbrach. In <strong>die</strong>ser<br />
Phase stand Frankreich ganz im Einfluss des Krieges (seit 1792 gegen Europa). In <strong>die</strong>ser<br />
Zeitspanne setzte sich <strong>die</strong> Sansculottenbewegung mit ihren wirtschaftlichen, sozialen und<br />
politischen Ansprüchen durch. Vorerst übernahmen im Winter 1791 bis z<strong>um</strong> Frühjahr 1792<br />
<strong>die</strong> Girondisten <strong>die</strong> Herrschaft in <strong>der</strong> Nationalversammlung und in <strong>der</strong> Regierung. Am<br />
20.4.1792 erklärte <strong>die</strong> Nationalversammlung Österreich den Krieg. In ganz Frankreich gab es<br />
weiterhin Teuerungsunruhen und Bauernaufstände. Als <strong>der</strong> König einen Minister <strong>der</strong><br />
Girondisten entließ, kam es <strong>zu</strong> einem letzten Machtkampf zwischen ihm und den<br />
Revolutionären. Der Sturm auf <strong>die</strong> Tuilerien am 10.8.1792 führte <strong>zu</strong>r Inhaftierung <strong>der</strong><br />
königlichen Familie und <strong>zu</strong>r Abschaffung <strong>der</strong> Monarchie am 21.9.1792. Ludwig XVI wurde<br />
am 21.1.1793 auf dem Revolutionsplatz guillotiniert.<br />
Zwei Monate später errichteten <strong>die</strong> Revolutionäre das Revolutionstribunal und einen weiteren<br />
Monat später <strong>die</strong> Einset<strong>zu</strong>ng des Wohlfahrtsausschusses. In Paris gingen <strong>die</strong> bewaffneten<br />
Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen weiter und erstmals erzwangen <strong>die</strong> aufgebrachten Sansculotten den<br />
Ausschluss <strong>der</strong> Girondisten aus dem Konvent und erreichten damit, dass <strong>die</strong> Jakobiner <strong>die</strong><br />
Herrschaft im Konvent übernahmen. Mit dem Eintritt Robespierres als Mitglied des<br />
Wohlfahrtsausschusses spricht man vom Beginn des Terreurs. Die Sansculotten erzwangen<br />
eine weitere Radikalisierung <strong>der</strong> Revolutionäre, wie durch <strong>die</strong> Festset<strong>zu</strong>ng für Höchstpreise,<br />
<strong>der</strong> Guillotinierung <strong>der</strong> Girondisten und dem Verbot <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>clubs. Olympe de Gouges<br />
wurde ein Opfer <strong>die</strong>ser radikalen For<strong>der</strong>ungen.<br />
In <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Bürgerlichen Republik von 1794 bis 1799 wurde im Inneren <strong>der</strong> Rechtsstaat<br />
wie<strong>der</strong> hergestellt und nach außen <strong>die</strong> Hegemonialstellung Frankreichs.<br />
Neben den Hinrichtungen des Königs und <strong>der</strong> Königin, den Girondisten, <strong>der</strong> Revolutionäre,<br />
Generäle finden sich in den Listen <strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Guillotine Verstorbenen auch Namen, <strong>die</strong> mit<br />
dem Schicksal von Olympe de Gouges verbunden waren: da<strong>zu</strong> zählen Robespierre und <strong>der</strong><br />
ehemalige öffentliche Ankläger des Revolutionstribunals, Antoine-Quentin Fouquier-Tinville<br />
(1795).<br />
Die Ära Napoleons von 1799 bis 1815 zählen wenige Historiker <strong>zu</strong>r französischen<br />
Revolution, doch meint <strong>der</strong> Autor 4 , dass viele Gesichtspunkte vorhanden sind, <strong>die</strong>se Phase als<br />
4 vgl. Eberhard Schmitt, Einführung in <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong> französischen Revolution, (1980) S. 50 ff.<br />
7
<strong>die</strong> fünfte Phase <strong>der</strong> französischen Revolution <strong>zu</strong> benennen, <strong>um</strong> <strong>die</strong> gesamte Zeitspanne als<br />
Einheit sehen <strong>zu</strong> können.<br />
8
1 Historische Lebensgeschichte<br />
Olympe de Gouges (7.5.1748 – 3.11.1793)<br />
1.1 Kindheit und Jugend<br />
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre Olympe de Gouges in eine intakte Kleinfamilie<br />
geboren. Doch <strong>die</strong>se Struktur zerbricht für <strong>die</strong> Familie Gouze und das kleine Mädchen<br />
Olympe de Gouges bereits sehr bald nach seiner Geburt.<br />
Am 7. Mai 1748 wurde Olympe de Gouges als Marie Gouze, drittes Kind <strong>der</strong> Ehe des<br />
Ehepaares Pierre Gouze, Metzger, und Ann-Olympe Mouisset, Wäscherin, geboren und im<br />
Familienregister (=Taufregister) <strong>der</strong> Stadt Montauban (okzitanisch: Montalban) im Südwesten<br />
Frankreichs, ca. 50 km nördlich von Toulouse, <strong>der</strong> heutigen Region: Midi-Pyrenees, als<br />
legitimes, also eheliches Kind eingetragen. 5 Der im Familienregister als legitimer Vater<br />
verzeichnete Pierre Gouze stirbt zwei Jahre nach ihrer Geburt und ihre Mutter entschließt<br />
sich, ein zweites Mal <strong>zu</strong> heiraten, und zwar einen Polizeibeamten. Diese Entscheidung trifft<br />
sie vermutlich aus finanziellen Erwägungen, da sie für insgesamt drei Kin<strong>der</strong> <strong>zu</strong> sorgen hatte<br />
und den drei Kin<strong>der</strong>n und sich eine Existenz sichern musste. Das kleine Mädchen Marie<br />
musste früh eine weitere bittere Wahrheit erfahren und verkraften, nämlich <strong>die</strong>, dass sie nicht<br />
<strong>die</strong> Tochter ihres Vaters, des Metzgers Pierre Gouze, war, auch nicht <strong>die</strong> Tochter des<br />
Polizeibeamten, ihrem Stiefvater, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> außereheliche Tochter des reichen und adeligen<br />
Literaten, Jean-Jacques Lefranc, Marquis de Pompignan, und ihrer Mutter. Denn <strong>der</strong> als<br />
Literat tätige adelige Pate von Ann-Olympe Mouisset, hatte <strong>die</strong>se während ihrer aufrechten<br />
Ehe mit Pierre Gouze geschwängert. 6<br />
Werte wie <strong>die</strong> Religion und <strong>die</strong> Frömmigkeit bestimmten <strong>die</strong> Moral <strong>der</strong> Bevölkerung und<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> des feudalen Landadels nach außen hin. Gerade in Montauban<br />
befand man sich in einem theologischen Zentr<strong>um</strong>. Doch <strong>die</strong>ser moralische Heiligenschein<br />
glänzte schon lange nicht mehr. Beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> Landbevölkerung machte sich Unmut breit<br />
wegen <strong>der</strong> feudalen Besitzverhältnisse und <strong>der</strong> feudalen Lebensweise des Landadels. Die<br />
Risiken <strong>der</strong> einfachen <strong>Frauen</strong> durch eine außereheliche Schwangerschaft waren im Lichte <strong>der</strong><br />
Doppelmoral besehen unvorstellbar groß und ohne Konsequenzen für den Täter. So ist es<br />
5 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S.62<br />
6 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung/mutter <strong>der</strong> Menschenrechte; Schrö<strong>der</strong>,<br />
Hannelore, 1995, Olympe de Gouges. Mensch und Bürgerin, Zugriff am 26.4.2007<br />
9
nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich, son<strong>der</strong>n höchstwahrscheinlich <strong>zu</strong>treffend, dass Marie Gouze <strong>die</strong><br />
natürliche Tochter und theoretisch <strong>die</strong> einzige Nachfahrin des adeligen Literaten, Jean-<br />
Jacques Lefranc, Marquis de Pompignan, war, ohne <strong>die</strong> offizielle Anerkennung ihrer adeligen<br />
Abstammung erfahren <strong>zu</strong> haben, obwohl eine solche Anerkennung rein rechtlich durchaus<br />
möglich gewesen wäre. (Als Beispiel für <strong>die</strong> Geisteshaltung am französischen Hof erwähne<br />
ich an <strong>die</strong>ser Stelle den damaligen französischen König , Ludwig XV, <strong>der</strong> von seinen sieben<br />
außerehelichen Kin<strong>der</strong>n lediglich einen Sohn anerkannt hatte 7 ).<br />
Für den Vater von Olympe de Gouges, dem damaligen Weltbild nach ein frommer Katholik,<br />
und dessen Familie, gab es keinen Grund und keine Veranlassung, kein Gesetz und keinen<br />
Vaterschaftstest und somit erst recht keine Moral, <strong>die</strong> ihn veranlassen konnte, seine leibliche<br />
Tochter an<strong>zu</strong>erkennen und für ihren Unterhalt seinem Stand entsprechend einen Beitrag <strong>zu</strong><br />
leisten o<strong>der</strong> gar für sie <strong>zu</strong> sorgen. Nach dem Tode des Pierre Gouzes im Jahre 1750 wollte er<br />
zwar für eine standesgemäße Erziehung und Bildung von Marie sorgen, <strong>die</strong>s hatte jedoch <strong>die</strong><br />
Mutter Marie`s, <strong>die</strong> sich abermals verehelicht hatte, abgelehnt und somit verhin<strong>der</strong>t.<br />
Diese Wahrheit, ein illegitimes Kind mit adeliger Abstammung <strong>zu</strong> sein, prägte Marie Gouze<br />
bzw. Olympe de Gouges ihr Leben lang. Formte ihren Wi<strong>der</strong>stand gegen jede Art von<br />
Unmoral im Sinne einer ganzheitlichen Gesellschaftskritik. Bereits ihr erster Briefroman<br />
handelte von ihrer illegitimen Herkunft und in ihrem Nachwort <strong>zu</strong> ihrer Erklärung <strong>der</strong><br />
<strong>Frauen</strong>rechte, ca. zehn Jahre später, griff sie <strong>die</strong>se Doppelmoral auf und an und schrieb: „Der<br />
reiche kin<strong>der</strong>lose Epikureer findet nichts dabei, wenn er <strong>zu</strong> seinem armen Nachbarn geht und<br />
dessen Familie vermehrt“ 8 .<br />
Marie Gouze verbrachte ihre Kindheit und Jugend gemeinsam mit <strong>der</strong> Mutter und ihren<br />
Geschwistern (<strong>die</strong> ersten beiden Jahre ihres Lebens mit dem Vater Pierre Gouze, dann <strong>die</strong><br />
weiteren Jahre mit dem Stiefvater), in <strong>der</strong> Stadt Montauban. Die kleine provenzalische Stadt<br />
erlangte Bedeutung durch ihre weithin bekannten theologischen Akademien und <strong>die</strong><br />
theologische Fakultät.<br />
Marie Gouze konnte als Mädchen keine <strong>die</strong>ser Schulen o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Fakultät besuchen, denn es<br />
gab in ganz Frankreich und in ganz Europa keine Schulpflicht. Schon gar nicht für Mädchen<br />
und speziell für arme Mädchen war <strong>der</strong> Zugang <strong>zu</strong> den Schulen nicht möglich und nicht<br />
7 www.de.wikipedia.org/wiki/bourbonen, Zugriff am 29.5.2008<br />
8 De Gouges, Olympe Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin (1791), Nachwort<br />
10
erlaubt. Da ist es bereits als kleiner Fortschritt <strong>zu</strong> sehen, dass Olympe de Gouges trotz <strong>der</strong><br />
kleinen und bescheidenen Verhältnisse, in denen sie aufwuchs, bei den Ursulinen in den<br />
Grundkenntnissen des Lesens und Schreibens unterrichtet worden war. Nicht in Französisch,<br />
son<strong>der</strong>n in ihrer provenzalischen Muttersprache, dem Okzitanischen. Sie war somit nicht <strong>zu</strong>r<br />
Gänze Analphabetin, ein Schicksal, wie es <strong>zu</strong>r damaligen Zeit armen <strong>Frauen</strong> und Mädchen<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger gesetzlich bestimmt war. Lediglich Wohlhabende und Besitzende konnten<br />
<strong>die</strong> Bildung ihrer Töchter för<strong>der</strong>n. Französisch galt als <strong>die</strong> Landessprache des Nordens und<br />
wurde daher in Paris gesprochen. Erst als Olympe de Gouges in Paris ankam lernte sie<br />
französisch als Zweitsprache.<br />
Mit siebzehn Jahren wurde Marie auf Grund <strong>der</strong> finanziellen Abhängigkeiten und Nöte ihrer<br />
Familie gezwungen, <strong>die</strong>se <strong>zu</strong> verlassen und eine ihr existenzsichernde, aufgezwungene<br />
Vernunftehe ein<strong>zu</strong>gehen. Somit fand ihre Jugend durch eine Zwangsverheiratung ein abruptes<br />
Ende. Sie musste dem familiären und gesellschaftlichen Zwang nachgeben und wurde mit<br />
dem reichen Louis-Yves Aubry, einem traiteur (Verwalter, Koch, Wirt) verheiratet, den sie<br />
überhaupt nicht liebte und den sie später als „den verhassten Mann“ 9 bezeichnen wird. Doch<br />
<strong>zu</strong>nächst eröffnete sie mit ihm eine Gastwirtschaft. Bereits im ersten Jahr nach <strong>der</strong> Hochzeit<br />
wird ihr Sohn Pierre geboren. Der Ehemann Aubry stirbt zwei Jahre nach <strong>der</strong> Hochzeit bei<br />
einem Unfall während eines Hochwassers. Marie Gouze ist <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem Zeitpunkt im Jahr 1767<br />
neunzehn Jahre und ihr Sohn Pierre ist gerade ein Jahr alt.<br />
1.2 Bildung und Beruf<br />
Marie zieht nach dem Tod ihres Mannes mit Pierre etwa im Jahr 1768 nach Paris, wo bereits<br />
ihre ältere Schwester Jeanne und <strong>der</strong>en Mann lebten. Zu erwähnen ist, dass Olympe de<br />
Gouges in Begleitung des Transportunternehmers Jacques Bietrix de Rozieres nach Paris<br />
gezogen war, mit dem sie eine freie und langjährige Verbindung eingegangen war, ohne sich<br />
mit ihm gesetzlich <strong>zu</strong> verheiraten, denn sie weigerte sich eine zweite Ehe ein<strong>zu</strong>gehen. Er<br />
unterstützte Marie finanziell, musste <strong>die</strong>se Zahlungen jedoch als Kreditrückzahlungen tarnen,<br />
da jede Art von Schenkungen an Konkubinen verboten waren. 10<br />
9 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S. 7 (aus De Gouges, Olympe: Mensch und Bürgerin „Die<br />
Rechte <strong>der</strong> Frau“ (1791); Schrö<strong>der</strong>, Hannelore (1995))<br />
10 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung/mutter <strong>der</strong> Menschenrechte, Schrö<strong>der</strong>,<br />
Hannelore, 1995, Olympe de Gouges. Mensch und Bürgerin, Zugriff am 26.4.2007<br />
11
Die Frage scheint berechtigt, welche Hoffnungen sich in <strong>der</strong> jungen Olympe de Gouges<br />
fanden, als sie von ihrer Familie fortzog, allein mit ihrem kleinen Sohn, weg aus <strong>der</strong><br />
ländlichen Enge, hinein in eine neue Zukunft des vorrevolutionären Paris, den literarischen<br />
Spuren ihres inoffiziellen Vaters folgend: Dort legte sie ihren alten Namen ab und än<strong>der</strong>te den<br />
Familiennamen von Gouze auf de Gouges. Ihren Vornamen än<strong>der</strong>te sie von Marie auf den<br />
Vornamen ihrer Mutter, Olympe. Es entstand ihr neuer Name, <strong>der</strong> ihr offenkundig auch <strong>zu</strong><br />
einer neuen Identität als Künstlerin und Schriftstellerin verhalf. Mit dem Namen entwarf sie<br />
sich selbst als Kunstfigur. Ihr neuer aristokratisch klingen<strong>der</strong> Künstlername, mit dem sie ihre<br />
Werke unterschrieb, lautete Olympe de Gouges. Auch ihre ältere Schwester Jeanne übernahm<br />
den neuen Künstlernamen.<br />
Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt war sich Olympe de Gouges dessen ganz genau bewusst, dass sie<br />
Nachfahrin des Adeligen und Literaten, Jean-Jaques Lefranc Marquis de Pompignan, war.<br />
Das veranlasste sie, wie ihr leiblicher Vater <strong>zu</strong> schreiben. Olympe de Gouges leitete<br />
selbstbewusst nicht aus ihrer Herkunft ihr Talent z<strong>um</strong> Schreiben ab, son<strong>der</strong>n aus ihrer<br />
biologischen Abstammung. Da sie jedoch ihre Kindheit und Jugend in kleinbürgerlichen<br />
Verhältnissen <strong>zu</strong>gebracht hatte und <strong>um</strong> <strong>die</strong> Not und Ausbeutung <strong>der</strong> einfachen Menschen<br />
Bescheid wusste, konnte sie aus sich selbst heraus reflektierend <strong>die</strong> Wi<strong>der</strong>sprüche aus den<br />
bestehenden Machtverhältnissen erkennen und <strong>die</strong> möglichen Wege aus <strong>der</strong> ständigen<br />
Unterdrückung durch eine feudale Herrschaft nie<strong>der</strong>schreiben. Mit Hilfe ihres Talents, ihrer<br />
Begabung, ihres Intellekts und <strong>der</strong> Gewissheit und Sicherheit, das Talent z<strong>um</strong> Schreiben auf<br />
Grund ihres biologischen Erbes <strong>zu</strong> besitzen, richtete sie ihr schriftstellerisches Potential auf<br />
den Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit durch ihre Benachteiligung als Frau.<br />
Doch <strong>um</strong> gleichzeitig <strong>zu</strong> literarischer Anerkennung <strong>zu</strong> gelangen, musste sie als<br />
alleinerziehende Mutter einen ungewöhnlichen Weg für sich selbst und ihr Kind wählen. Ihr<br />
sozialer Status als Witwe und außereheliche Tochter eines Aristokraten verschafften ihr<br />
einerseits in Paris <strong>die</strong> Möglichkeit berühmte und einflussreiche Pariser kennen <strong>zu</strong> lernen.<br />
An<strong>der</strong>erseits gab es keine an<strong>der</strong>e Möglichkeit Geld <strong>zu</strong> ver<strong>die</strong>nen außer von<br />
Unterhaltszahlungen ihrer Verehrer <strong>zu</strong> leben. Und so lebte sie <strong>die</strong> ersten zehn Jahre nach ihrer<br />
Ankunft in Paris als Femme Galante. Die ihr <strong>zu</strong>r Verfügung stehende freie Zeit verbrachte<br />
Olympe de Gouges damit, sich autodidaktisch <strong>zu</strong> bilden und sich <strong>die</strong> Fähigkeit des Schreibens<br />
an<strong>zu</strong>eignen, wobei für sie sehr bald feststand, dass sie als Schriftstellerin arbeiten wollte. Die<br />
12
einengenden Fesseln und Rollen<strong>zu</strong>schreibungen einer Ehe und <strong>der</strong> gesellschaftlichen Normen<br />
standen ihr bei <strong>die</strong>ser Entscheidung nicht im Weg.<br />
Olympe de Gouges war unvermögend, jedoch noch jung, beson<strong>der</strong>s schön, begabt, klug und<br />
selbstbewusst als sie in den Pariser Salons Prominente und Aristokraten traf, <strong>die</strong> sie verehrten<br />
und schätzten. Diese unterstützten sie, in <strong>die</strong> Pariser Theaterszene und in <strong>die</strong> Pariser Salons<br />
<strong>der</strong> Intellektuellen ein<strong>zu</strong>treten und ermöglichten ihr dort Fuß <strong>zu</strong> fassen. Als außereheliche<br />
Tochter eines bekannten adeligen Literaten hatte sie endlich einen leichten Vorteil bei dem<br />
Zugang in <strong>die</strong> Welt des Theaters und <strong>der</strong> Schriftstellerei. Aber dennoch war es bis dahin ein<br />
weiter Weg, denn den Beruf <strong>der</strong> weiblichen Autorin gab es offiziell nicht.<br />
Olympe de Gouges nutzte ihre neuen Kontakte mit Künstlern, Schauspielern und Literaten <strong>um</strong><br />
sich in Französisch durch Konversation <strong>zu</strong> bilden, sie las <strong>die</strong> Texte politischer und<br />
philosophischer Schriften, bildete sich in Sprache und Kultur durch Theaterbesuche und übte<br />
ihre literarischen Gehversuche. Trotz ihres sehr ambitionierten Vorgehens und ihrer<br />
intellektuellen Entwicklung vermisste sie für ihre Werke und ihr Wirken <strong>die</strong> nötige<br />
Schulbildung und sie bemerkte immer wie<strong>der</strong>, dass <strong>der</strong> Bildungsmangel ihrer Jugend eine<br />
grundlegende Benachteiligung für sie bedeutete. Sie beklagte <strong>die</strong>sen Umstand als etwas sehr<br />
Persönliches in ihrem Leben, doch konnte sie unter an<strong>der</strong>em durch den Begriff <strong>der</strong> Natur des<br />
Philosophen Rousseau einen Weg für sich selbst finden, <strong>um</strong> <strong>die</strong>sen Ausbildungsmangel, <strong>zu</strong><br />
kompensieren. Durch <strong>die</strong> „Natur“ ihres Vaters fand Olympe de Gouges ihre schriftstellerische<br />
Begabung. Und immer wie<strong>der</strong> betonte sie gerne, dass sie ein „Werk <strong>der</strong> Natur“ sei. 11<br />
„Ich kann von mir behaupten, daß ich eine ihrer raren Schöpfungen bin. Alles habe ich ihr <strong>zu</strong><br />
verdanken, nie einen an<strong>der</strong>en Lehrmeister gekannt; selbst meine philosophischen<br />
Betrachtungen können <strong>die</strong> bei mir nur all<strong>zu</strong> tief verwurzelten Unvollkommenheiten ihrer<br />
Erziehung nicht ausrotten. So hat man mir vorgeworfen, ich wisse mich in Gesellschaft nicht<br />
<strong>zu</strong> bewegen; obzwar mich <strong>die</strong>se Charakterschwäche in einem ungünstigen Licht erscheinen<br />
lasse, könnte ich dennoch eine <strong>die</strong>se anbetungswürdigen <strong>Frauen</strong> sein, wenn ich mich weniger<br />
vernachlässigte“ 12 .<br />
Niemals verschwieg Olympe de Gouges, dass ihr Bildungswille und ihre Arbeit unter den<br />
vielen Bildungsdefiziten ihrer Kindheit litt und sie überzeugte trotzdem kompensierend durch<br />
Fleiß und Intelligenz, durch selbständiges Denken und Handeln - letztendlich durch<br />
zahlreiche Veröffentlichungen.<br />
11 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, (Textsammlung I), S. 63<br />
12 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, (Textsammlung I), S. 63<br />
13
Das Recht auf freie Berufswahl <strong>zu</strong> erhalten, war auf Grund ihrer unsicheren<br />
Einkommenssituation eine ihrer wichtigsten For<strong>der</strong>ungen. Daher schrieb sie: „Ich biete ein<br />
untrügliches Mittel an, <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong>, nämlich, sie mit den Männern<br />
<strong>zu</strong>sammen an allen Erwerbszweigen teilhaben <strong>zu</strong> lassen“. 13<br />
1.3 Soziale Kontakte und Umfeld<br />
Olympe de Gouges war nach unseren heutigen Begriffen eine alleinerziehende Mutter, <strong>die</strong> es<br />
aus ihren Lebens<strong>um</strong>ständen für selbstverständlich erachtete ihr Geld selbst <strong>zu</strong> ver<strong>die</strong>nen, <strong>um</strong><br />
ihre Existenz und <strong>die</strong> ihres Sohnes <strong>zu</strong> sichern und <strong>um</strong> unabhängig ein eigenständiges Leben<br />
<strong>zu</strong> führen. Und sie war selbstbewusst genug, <strong>um</strong> ihren eigenen Weg <strong>zu</strong> gehen und ihre<br />
Interessen <strong>zu</strong> wahren. Somit stand für sie fest, dass sie mit ihrem vom Vater geerbten Talent<br />
ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin ver<strong>die</strong>nen wollte. Sie bewegte sich in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong><br />
Schauspieler, <strong>der</strong> Literaten und <strong>der</strong> Gebildeten, <strong>die</strong> sie in den Pariser Salons und Lesezirkeln<br />
traf und mit denen sie in Kontakt kam. Und trotz ihres Talents lebte sie vorerst in einer Welt,<br />
<strong>die</strong> für <strong>Frauen</strong> nicht vorsah, öffentlich <strong>zu</strong> wirken.<br />
Die Mehrheit <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> musste als Tagelöhnerinnen wie z<strong>um</strong> Beispiel als Wäscherinnen<br />
o<strong>der</strong> Näherinnen arbeiten, <strong>um</strong> ihren Familien, ihren Kin<strong>der</strong>n, Brot kaufen <strong>zu</strong> können; doch<br />
von den wohlhabenden und gebildeten <strong>Frauen</strong> wurde erwartet und gefor<strong>der</strong>t und somit über<br />
sie bestimmt, dass sie ihre „weibliche Natur“ nach dem Ehemann und den Kin<strong>der</strong>n<br />
ausrichteten und über keine den Männern vorbehaltenen Tätigkeiten Ambitionen verfügten<br />
o<strong>der</strong> auch nur Gedanken einer solchen Ambition hegten.<br />
Zehn Jahre musste Olympe de Gouges als Femme Galante ihren Lebensunterhalt ihren<br />
Lebensunterhalt ver<strong>die</strong>nen. Auf Grund ihrer Schönheit und ihrer Beliebtheit bekam sie den<br />
Namen Babichon (Rehlein) verliehen mit dem sie in den Petit Almanach eingegangen ist.<br />
Die Salons <strong>der</strong> Femmes Galantes waren Salons des Vergnügens und <strong>der</strong> Zerstreuung als<br />
„höchstes Ziel und letzter Zweck <strong>die</strong>ser Gesellschaft, <strong>die</strong> dabei ist, sich <strong>zu</strong> Tode <strong>zu</strong><br />
amüsieren“ 14 . Sie selbst äußerte sich ka<strong>um</strong> <strong>zu</strong> ihren galanten Jahren. Dass <strong>die</strong>se nicht<br />
beson<strong>der</strong>s einfach für sie waren, kann aus einem Satz ihrer <strong>Frauen</strong>rechtserklärung geschlossen<br />
13 Olympe-Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1 (Juni 1994), S. 19<br />
14 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S. 8 (vgl. Noack, Paul, Olympe de Gouges 1748 – 1793<br />
Kurtisane und Kämpferin für <strong>die</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau (1992) S. 35)<br />
14
werden: „Doch müssen wir nicht <strong>zu</strong>geben, dass in einer Gesellschaft, wo <strong>der</strong> Mann <strong>die</strong> Frau<br />
gleich einem Sklaven von <strong>der</strong> afrikanischen Küste kauft, ihr je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Weg, Wohlstand <strong>zu</strong><br />
erwerben, verwehrt ist?“ 15<br />
In <strong>die</strong>sen Salons des brodelnden Paris lernte sie Aristokraten und <strong>die</strong> Pariser Prominenz<br />
kennen wie auch Louis-Philippe-Joseph, duc d´Orleans, den späteren Philippe Égalite bzw.<br />
Citoyen Égalite, kennen, <strong>der</strong> sich bewusst von seinem adeligen Stand und dem Hof abspaltete<br />
und auf Grund seiner sozialen und liberalen Haltung eine wichtige Rolle während <strong>der</strong><br />
Revolution eingenommen hatte.<br />
Als junge Mutter brach sie mit <strong>der</strong> Konvention und verweigerte eine weitere Heirat <strong>zu</strong><br />
Gunsten ihrer persönlichen Freiheit. In Paris begann sie ein offenes, engagiertes und<br />
avantgardistisches Leben <strong>zu</strong> führen. Olympe de Gouges nutzte ihre Fähigkeiten <strong>um</strong> kritisch<br />
mit oppositionellen <strong>Frauen</strong> und Männern <strong>die</strong> gesellschaftlichen Missstände <strong>zu</strong> erkunden und<br />
literarisch <strong>zu</strong> verarbeiten. Sie gewann unter an<strong>der</strong>em <strong>die</strong> langjährige Freundschaft des<br />
Literaten, Louis-Sebastian Mercier mit dem sie ein gemeinsames Interesse an Literatur und<br />
Politik verband. 16 Mercier för<strong>der</strong>te ihren Intellekt und unterstützte ihren Freiheitsdrang und<br />
führte sie in <strong>die</strong> Kreise <strong>der</strong> Journalisten und Philosophen ein. Er schriebt über sie: „Die<br />
Freundschaft <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> hat einen viel sanfteren Reiz als <strong>die</strong> <strong>der</strong> Männer, sie ist aktiv,<br />
wachsam, sie ist zärtlich; sie ist tugendhaft, und vor allem sie ist dauerhaft.“ 17<br />
Im Laufe ihres literarischen und politisch engagierten Schaffens hatte sie Freunde in den<br />
bürgerlichen Salons und somit im bürgerlichen Lager gewonnen und natürlich wichtige<br />
politische Gegner auf Grund ihrer zahllosen politisch motivierten Veröffentlichungen, <strong>die</strong><br />
oppositionell <strong>zu</strong>r Gesellschaft und den Revolutionären standen.<br />
Sie war Mitglied des von wahrscheinlich Sophie de Condorcet 1791 gegründeten Vereins<br />
Cercle Social 18 , dessen deklariertes Ziel <strong>die</strong> politische und rechtliche Gleichberechtigung <strong>der</strong><br />
<strong>Frauen</strong> war und sie war aktiv im Club <strong>der</strong> Republikanerinnen. Und auf Grund ihres intensiven<br />
Schaffens in <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechtsbewegung war sie wahrscheinlich gut mit den an<strong>der</strong>en <strong>Frauen</strong><br />
<strong>der</strong> Bewegung vernetzt. Dass ihre Werke eine geringe Verbreitung fanden, lag eher an <strong>der</strong><br />
Tatsache, dass <strong>Frauen</strong> nicht lesen konnten.<br />
15 Olympe-Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1, (Juni 1994) S. 19<br />
16 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung Zugriff vom 26.4.2007 (S. 3 von 5)<br />
17 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S. 8 (vgl. Noack, Paul, Olympe de Gouges 1748 – 1793<br />
18 de.wikipedia.org/wiki/Olympe_de_Gouges, Zugriff am 26.4.2007, S. 2 von 5<br />
15
Ihre Nähe <strong>zu</strong> <strong>der</strong> revolutionären Bewegung drückte sie folgen<strong>der</strong>maßen aus:<br />
„Abhold je<strong>der</strong> Intrige, jenseits aller Parteien, <strong>der</strong>en leidenschaftliche Kämpfe Frankreich<br />
gespalten haben, bahnte ich mir einen neuen Weg; mich nur auf meine eigenen Augen<br />
verlassend, nur meiner eigenen inneren Stimme gehorchend bin ich den Törichten<br />
entgegengetreten.“ 19<br />
Da sie politisch überparteilich agiert hatte, konnten ihre Schriften und Werke auch nicht von<br />
einer Partei einseitig vereinnahmt werden.<br />
Durch ihre Kontakte <strong>zu</strong> den politischen Klubs und den Salons war sie lange Zeit sicher vor<br />
den Übergriffen <strong>der</strong> Machthaber, doch bei <strong>der</strong> allerletzten Entscheidung <strong>der</strong> Revolutionäre<br />
konnte auch sie sich nicht mehr helfen.<br />
1.4 Anerkennung als Schriftstellerin und Autorin<br />
Anerkennung konnte Olympe de Gouges durchaus aus verschiedensten Quellen schöpfen:<br />
den Bürgerlichen und Intellektuellen und den Revolutionären, aus allen jenen Mitkämpfern<br />
und Mitkämpferinnen, denen es <strong>um</strong> Gerechtigkeit des Individu<strong>um</strong>s und <strong>um</strong> Gerechtigkeit von<br />
ausgegrenzten Gruppen, wie den afrikanischen Sklaven, und <strong>um</strong> politische Verän<strong>der</strong>ungen<br />
ging.<br />
Für <strong>um</strong>jubelte Theaterstücke und faszinierende Prämieren blieb jedoch keine Zeit in ihrem<br />
Leben. Die Stücke waren durch eine Fülle von rebellischen For<strong>der</strong>ungen wie <strong>der</strong> nach<br />
Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und <strong>der</strong> nach Gerechtigkeit hinsichtlich<br />
gesellschaftspolitisch brisanter Themen wie <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Sklaverei, von hoher<br />
sozialpolitischer Relevanz und galten somit als eindeutig skandalös. Sie verarbeitete Themen<br />
in ihren Stücken mit aktuellem Be<strong>zu</strong>g, denen jedoch <strong>die</strong> Dringlichkeit und Wichtigkeit nicht<br />
eingerä<strong>um</strong>t wurde, da es ja vorrangig galt <strong>die</strong> Freiheit, <strong>die</strong> Gleichheit und <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit<br />
unter allen Franzosen her<strong>zu</strong>stellen und <strong>die</strong> Feudalherrschaft zwischen Knechten und Herren<br />
auf<strong>zu</strong>lösen.<br />
19 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 64<br />
16
Unterstüt<strong>zu</strong>ng in ihrer kritischen Haltung und Gleichgesinnte fand Olympe de Gouges in den<br />
Jahren vor <strong>der</strong> Revolution, als <strong>die</strong> Erwartungen nach einer grundlegenden, positiven<br />
Verän<strong>der</strong>ung durch <strong>die</strong> Gleichheitswerte, <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit und <strong>die</strong> Freiheit, <strong>Frauen</strong> und<br />
Männer Seite an Seite, Schulter an Schulter, stehen ließen und <strong>Frauen</strong> hoch motiviert<br />
gemeinsam für <strong>die</strong> Grundrechte aller Menschen kämpften.<br />
Motivation fand sie in den ersten Jahren <strong>der</strong> Revolution in den <strong>Frauen</strong>clubs und in den<br />
<strong>Frauen</strong>vereinen, <strong>die</strong> politisch aktiv <strong>die</strong> konstitutionelle Monarchie und späterhin <strong>die</strong><br />
Bürgerregierung hinsichtlich <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> am öffentlichen Geschehen und an<br />
den öffentlichen Entscheidungen gestalten wollten.<br />
1789 war sie <strong>die</strong> einzigartige Frau Autorin, <strong>die</strong> „femme auteur“, <strong>der</strong>en Stück Zamore und<br />
Mirza o<strong>der</strong> glückliche Schiffbruch mit Schauspielern <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise als politisches<br />
Stück uraufgeführt wurde.<br />
Olympe de Gouges traf im Alter von 30 Jahren (ca. im Jahr 1778) <strong>die</strong> Entscheidung ihr Leben<br />
mit etwas Sinnvollem selbst <strong>zu</strong> erfüllen und entschied sich als außereheliche Tochter eines<br />
Literaten unter diskreter Berufung auf ihren Vater selbst als Literatin in <strong>der</strong> Öffentlichkeit in<br />
Erscheinung <strong>zu</strong> treten 20 , mit dem Selbstbewusstsein das Talent ihres Vaters geerbt <strong>zu</strong> haben.<br />
In den literarischen Kreisen von Paris kannte man den leiblichen Vater von Olympe de<br />
Gouges als Literaten, da er im Jahr 1759 den Fauteuil 8 an <strong>der</strong> Academie Francaise inne hatte.<br />
Er scheiterte jedoch an <strong>der</strong> zynischen Kritik Voltaires an seinem Stück. Nach <strong>die</strong>ser<br />
Nie<strong>der</strong>lage verließ er Paris schwer gekränkt, <strong>um</strong> sich wie<strong>der</strong> in seiner provenzalischen Heimat<br />
Montauban nie<strong>der</strong><strong>zu</strong>lassen. 21<br />
Schon 1774, im Alter von etwa 26 Jahren, begann Olympe de Gouges unter ihrem neuen<br />
Künstlernamen – mutig als Frau erkennbar ! – ihre ersten politischen Denkschriften <strong>zu</strong><br />
verfassen, <strong>die</strong> jedoch erst im Revolutionsjahr 1789 veröffentlicht werden konnten.<br />
Ihr allererstes Werk war ein autobiografischer Briefroman, Memoires de Madame Valmont,<br />
<strong>der</strong> 1784 erschien und in dem sie ihre illegitime Herkunft als natürliche Tochter beschrieb. 22<br />
Für <strong>die</strong>sen Roman wählte Sie den Briefroman als mo<strong>der</strong>nes Stilmittel ganz bewusst aus. Denn<br />
<strong>die</strong> Renaissance des Briefromans Mitte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts ermöglichte ihr einerseits eine<br />
20 Hassauer, Frie<strong>der</strong>ike, Tribüne und Schafott, Iris Bubenik, Ute Schalz-Laurenze, „...ihr werten<br />
<strong>Frauen</strong>zimmer!“, S. 28<br />
21 www.1911encyclopedia.org/Jean_Jaques Zugriff am 23.5.2008<br />
22 www.uni-ulm.de/frauen/biographien Zugriff am 26.4.2007<br />
17
persönliche und gleichzeitig eine gesellschaftskritische Haltung ein<strong>zu</strong>nehmen und<br />
an<strong>der</strong>erseits <strong>die</strong> weibliche Tradition ihrer Vorbil<strong>der</strong>, <strong>der</strong> „Femmes de Lettres“ fort<strong>zu</strong>setzen. 23,<br />
24<br />
Auch <strong>der</strong> von ihr sehr geschätzte Jean-Jacques Rousseau schrieb La Nouvelle Heloise in <strong>der</strong><br />
Form eines Briefromanes. Briefromane lagen bei <strong>der</strong> literarischen aufgeklärten Avantgarde<br />
ganz im Trend <strong>der</strong> Zeit. Bereits nach <strong>der</strong> ersten Veröffentlichung begannen <strong>die</strong><br />
Diffamierungen gegenüber <strong>der</strong> Schriftstellerin, <strong>die</strong> als Frau in eine Männerdomäne einbrach<br />
und mutig unter eigenem Namen an <strong>die</strong> Öffentlichkeit tritt. 25<br />
Die Come<strong>die</strong> Francaise als Staatstheater, welches ab 1786 im Palais Royal ihren Sitz hatte,<br />
war natürlich ein männlich dominiertes Genre. Die Schauspieler <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise<br />
besaßen gemeinsam mit den Schauspielern <strong>der</strong> Come<strong>die</strong>nne-Italienne das<br />
Aufführungsmonopol für alle neuen Stücke <strong>die</strong> <strong>zu</strong>r Aufführung kamen, woraus sich ein<br />
Vorrecht gegenüber den Schriftstellern ableiten ließ, welches erst im Jahr 1790 gebrochen<br />
wurde. 26 Olympe de Gouges musste jahrelange Kämpfe mit den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Come<strong>die</strong><br />
Francaise ausfechten, <strong>um</strong> als Frau und als Autorin, als <strong>die</strong> „femme auteur“, <strong>zu</strong>r Aufführung<br />
eines Dramas mit gesellschaftspolitischem Anspruch in <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise <strong>zu</strong>gelassen <strong>zu</strong><br />
werden.<br />
Im Jahr 1774 schrieb <strong>die</strong> junge Schriftstellerin das Theaterstück L´Esclavage de Negres, doch<br />
wie<strong>der</strong> fand sich für <strong>die</strong> engagierte und junge Autorin kein Verleger, <strong>der</strong> sich für <strong>die</strong>ses erste<br />
gesellschaftskritische Theaterstück einer Frau interessierte und sich für sie als revolutionäre<br />
und kritische Autorin einsetzte. Viele Jahre später nach heftigen Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen,<br />
Verle<strong>um</strong>dungen und öffentlichen Diffamierungen als Frau sowie einer Verhaftung konnte<br />
Olympe de Gouges ihr Drama - unter dem neuen Titel - Zamora und Mirza o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
glückliche Schiffbruch, ebenfalls im Jahr 1784 bzw. 1785 <strong>zu</strong>r Veröffentlichung im Theater<br />
<strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise einreichen. Das Theaterstück handelt von <strong>der</strong> damals in den Kolonien<br />
Frankreichs existierenden Sklaverei. Es zeigte <strong>die</strong> Sklaverei als eine<br />
Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ng durch Frankreich in <strong>der</strong> Öffentlichkeit auf und for<strong>der</strong>te<br />
gleichzeitig <strong>die</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Sklaverei durch neue und gerechtere gesetzliche Regelungen.<br />
Dieses politische Stück wurde erst im Jahr 1789 an <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise aufgeführt, also<br />
23 www.anabell.de vom 4.12.2007<br />
24 www.wikipedia vom 4.12.2007<br />
25 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela, Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S. 9 (aus De Gouges, Olympe: Mensch und Bürgerin „Die Rechte<br />
<strong>der</strong> Frau“ (1791); Schrö<strong>der</strong>, Hannelore (1995) S. 82)<br />
26 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, (Textsammlung I) S. 63<br />
18
während <strong>der</strong> eigentlichen Revolutionsphase, doch davor lagen insgesamt fünf lange Jahre<br />
(1784 –1789) mit vielen ernsthaften Streitigkeiten und politischen Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen<br />
zwischen Olympe de Gouges und den Hofschauspielern des Königs und dem Versuch im Jahr<br />
1785, sie auf Grund ihrer revolutionären Gesinnung ins Gefängnis <strong>zu</strong> bringen. Dem<br />
damaligen Verhaftungsbefehl 1785 entging Olympe de Gouges nur durch persönliche<br />
Beziehungen. 27<br />
Die Come<strong>die</strong> Francaise verfügte einerseits über eine Art Monopol, das erst im Jahre 1791 von<br />
<strong>der</strong> revolutionären Nationalversammlung aufgehoben wurde. Die „königliche Akademie“ war<br />
natürlich auch an<strong>der</strong>erseits von seinen adeligen und monarchistischen Unterstützern abhängig.<br />
Fünf Jahre später im Jahr 1789 war das Theaterstück über <strong>die</strong> Sklaverei politisch noch<br />
brisanter und aktueller, denn <strong>die</strong> Stadt Paris stöhnte unter den Hungersnöten und Unruhen.<br />
Alle For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Revolutionäre nach Gleichheit und Freiheit k<strong>um</strong>ulierten in <strong>der</strong><br />
Hoffnung auf <strong>die</strong> Menschen- und Bürgerrechtserklärung sowie <strong>die</strong> erste Verfassung<br />
Frankreichs. Ihr eben erst aufgeführtes Stück musste bereits nach <strong>der</strong> Premiere wegen des<br />
Verursachens von Unruhen und Krawallen sofort – und für immer – vom Spielplan des<br />
Theaters abgesetzt werden. 28 Ihr Stück wurde in den Zeitungen verhöhnt, worauf sie schrieb:<br />
„War<strong>um</strong> <strong>die</strong>se unerschütterliche Voreingenommenheit gegen mein Geschlecht? Und war<strong>um</strong><br />
sagt man, wie ich es habe laut sagen hören, dass <strong>die</strong> Come<strong>die</strong> Francaise keine Stücke von<br />
<strong>Frauen</strong> spielen sollte? Ich bin eine Frau, wenig reich... Wird es denn den <strong>Frauen</strong> niemals<br />
erlaubt sein, den Schrecken <strong>der</strong> Armut an<strong>der</strong>s <strong>zu</strong> entkommen als mit nie<strong>der</strong>trächtigen<br />
Mitteln?“ 29 .<br />
Auch <strong>die</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Sklaverei erhielt nach 1789 keine weitere Chance und wurde als<br />
Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ng in Frankreich viele weitere Jahre beibehalten.<br />
Doch <strong>der</strong> Wille von Olympe de Gouges nach Unabhängigkeit und künstlerischer, literarischer<br />
Freiheit und ihre Vorstellung von einem Recht auf ein eigenes Leben ohne jeglicher<br />
Fremdbestimmung sowohl in Be<strong>zu</strong>g auf <strong>die</strong> Wahl ihrer sexuellen Partner als auch in Be<strong>zu</strong>g<br />
auf <strong>die</strong> Berufswahl brachten ihr üble Verfemungen ein, <strong>die</strong> sie als Frau diskriminierten und<br />
diskreditierten. Olympe de Gouges behielt jedoch ihren Idealismus und gebrauchte ihren<br />
Verstand und ließ sich von ihrer Entscheidung als Schriftstellerin <strong>zu</strong> arbeiten, auch nicht<br />
durch <strong>die</strong> vehementesten Anfeindungen, abhalten.<br />
27 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung, S. 4 von 5, Zugriff am 26.4.2007<br />
28 ebenda<br />
29 www.dadalos.org/Menschenrechte/<strong>Frauen</strong>rechte, Zugriff am 26.4.2007<br />
19
Für ihr Theaterstück Le Mariage inattendu de Cherubin bekam sie jedoch bereits 1786 im<br />
tonangebenden Mercure de France eine positive Rezension des gefürchteten Dramatikers Le<br />
Harpe.<br />
Parallel da<strong>zu</strong> – verstärkt ab 1789 – veröffentlichte sie in all den Jahren ungebrochen in ihrem<br />
Recht auf freie Meinungsäußerung und mit ihrer literarischen Begeisterung politische<br />
Schriften, Zeitungsartikel sowie unzählige Briefe an das Volk und kommentiert und gestaltet<br />
auf <strong>die</strong>se Weise <strong>die</strong> politischen Vorgänge; sie setzte sich für Min<strong>der</strong>heitenrechte und <strong>die</strong><br />
Gleichheit zwischen den Geschlechtern ein, weswegen sie immer wie<strong>der</strong> öffentlich verhöhnt<br />
wurde. Ihre zentralen Themen <strong>zu</strong>r Gleichberechtigung sind Bildung, Berufe und Ämter,<br />
Eigent<strong>um</strong>srechte für <strong>Frauen</strong> und <strong>der</strong> Priviliegienabbau, Kampf gegen Vaterschaftsleugnungen<br />
sowie Abschaffung <strong>der</strong> Patriarchenrechte <strong>der</strong> Männer und <strong>die</strong> freie Wahl <strong>der</strong> sexuellen<br />
Partner. Der Nationalkonvent äußerte sich bereits damals mit den Worten: „Die Ehre <strong>der</strong><br />
<strong>Frauen</strong> besteht darin, in aller Stille <strong>die</strong> guten Eigenschaften ihres Geschlechts <strong>zu</strong> kultivieren,<br />
im Schutzmantel ihrer Bescheidenheit und im Schatten ihres <strong>zu</strong>rückgezogenen Lebens. Es<br />
steht den <strong>Frauen</strong> weiterhin nicht an, den Männern den Weg <strong>zu</strong> weisen...“ 30 .<br />
Ein Jahr vor <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und Bürgerrechte, im Jahr 1788, veröffentlichte sie<br />
ihre erste patriotische Propagandaschrift im Journal General de France versehen mit dem<br />
Titel Brief einer Bürgerin an das Volk o<strong>der</strong> Projekt einer Vaterlandskasse, in <strong>der</strong> sie auf den<br />
Teilbankrott <strong>der</strong> Krone hinwies und for<strong>der</strong>te, dass alle Stände, ausgenommen den König,<br />
Steuer zahlen sollen. 31 Sie veröffentlichte daraufhin weitere insgesamt mehr als fünfzig<br />
politische Schriften, wovon <strong>die</strong> meisten vermutlich in Paris plakatiert wurden. Ein Jahr später,<br />
1789, veröffentlichte sie <strong>die</strong> Heroischen Taten einer Französin o<strong>der</strong> wie Frankreich von den<br />
<strong>Frauen</strong> gerettet wird, worin sie an den Patriotismus <strong>der</strong> französischen <strong>Frauen</strong> appellierte, sie<br />
mögen nach dem Vorbild <strong>der</strong> antiken Römerinnen ihren Schmuck <strong>zu</strong>r Rettung <strong>der</strong> Nation <strong>der</strong><br />
Nationalversammlung opfern. 32<br />
Nach <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> ersten geschriebenen Verfassung Frankreichs am<br />
3. September 1791, wonach Frankreich eine konstitutionelle Monarchie wurde und <strong>die</strong><br />
Umstrukturierung von einer ständischen Monarchie in einen Einheitsstaat erfolgte, publizierte<br />
30 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela, Menschenrechte:<strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S.10 (vgl. Noack, Paul, Olympe de Gouges 1748 – 1793<br />
Kurtisane und Kämpferin für <strong>die</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau (1992) S.44)<br />
31 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 63<br />
32 www.anabell.de (Zugriff am 10.10.2007)<br />
20
Olympe de Gouges, nunmehr 43 Jahre alt, ihre für uns so bedeutsame Declaration des droits<br />
de la femme et de la citoyenne, <strong>die</strong> sie <strong>der</strong> Nationalversammlung übermittelte.<br />
„Mit dem Mut <strong>der</strong> Schönen“ schrieb sie für alle <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sie als das an Schönheit und Mut<br />
im Ertragen <strong>der</strong> Mutterschaft überlegene Geschlecht bezeichnete, selbstbewusst für alle<br />
<strong>Frauen</strong>, ein ich z<strong>um</strong> wir entwickelte und ein sozialpolitisches Werk schuf, das unserer<br />
heutigen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte nicht nur <strong>um</strong> nichts nachsteht, son<strong>der</strong>n aus<br />
feministischer Sicht überlegen bzw. gleichwertig ist. Selbstbewusst schrieb sie daher:<br />
„Nur <strong>der</strong> Mann hat sich aus <strong>der</strong> Ausnahme ein Prinzip <strong>zu</strong>rechtgeschnei<strong>der</strong>t. Extravagant,<br />
blind, von den Wissenschaften aufgeblasen und degeneriert, will er <strong>die</strong>sem Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong><br />
Aufklärung und Scharfsichtigkeit, doch in krassester Unwissenheit, despotisch über ein<br />
Geschlecht befehlen, das alle intellektuellen Fähigkeiten besitzt. Er möchte von <strong>der</strong><br />
Revolution profitieren, er verlangt sein Anrecht auf Gleichheit“. 33<br />
Gleichfalls 1791 entstand ihr Contract Social (in Anlehnung an Jean-Jaques Rousseau´s<br />
Contract), <strong>der</strong> Entwurf eines Gesellschaftsvertrages für Ehepartner, <strong>der</strong> Teil ihrer<br />
<strong>Frauen</strong>rechtserklärung war.<br />
Nach <strong>der</strong> Abset<strong>zu</strong>ng des Königs Louis XVI am 10.8.1792 infolge seiner Flucht nach Varenne<br />
und seiner Anklage wegen Hochverrats bis hin <strong>zu</strong> seiner Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren<br />
am 21.1.1793 setzte sich Olympe de Gouges als Republikanerin vehement für den König ein,<br />
da sie <strong>um</strong> Ausgleich bemüht war:<br />
„Es genügt nicht den Kopf eines Königs rollen <strong>zu</strong> lassen, <strong>um</strong> ihn <strong>zu</strong> töten, er lebt noch lange<br />
nach seinem Tod. Wirklich tod ist er, wenn er seinen Sturz überlebt.“ 34<br />
Sie kritisierte öffentlich auf Schärfste das Vorgehen <strong>der</strong> Revolutionäre.<br />
Ihre politischen Äußerungen und Schriften in <strong>die</strong>sen Jahren, 1792 und 1793, somit in <strong>der</strong><br />
Phase <strong>der</strong> Konventsherrschaft <strong>der</strong> Girondisten und Jakobiner, <strong>die</strong> Veröffentlichung ihres<br />
Dramas Der Ein<strong>zu</strong>g von D<strong>um</strong>ouriez in Brüssel, (das ihr insofern z<strong>um</strong> Verhängnis wurde, als<br />
<strong>der</strong> von ihr angegriffene französische General D<strong>um</strong>ouriez wenige Tage nach <strong>der</strong><br />
Uraufführung <strong>zu</strong> den Revolutionären überlief), ihre Schmähschriften gegen <strong>die</strong> mächtigen<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Revolutionsregierung, Robespierre und Marat, <strong>die</strong> sie darin als „Usurpator <strong>der</strong><br />
Macht“ und „willenloser Handlanger“ bezeichnete, sowie letzten Endes ihre Wandzeitung <strong>die</strong><br />
Drei Urnen, in <strong>der</strong> sie <strong>zu</strong> einer direkten Volkswahl mit drei Wahlmöglichkeiten – Republik,<br />
33 Annette Kuhn, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, HG Andrea<br />
Graf Zur Politik des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 8<br />
34 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 64<br />
21
Fö<strong>der</strong>ative Republik o<strong>der</strong> Monarchie – für eine bestimmte Regierungsform aufrief 35 , führten<br />
<strong>zu</strong> ihrer Verhaftung als Girondistin wegen Verrats.<br />
Wenige Monate vor ihrem Tod, den sie vorausgesehen hatte, veröffentlichte sie ein<br />
politisches Testament, in dem es heißt: „Bürger ihr könnt mir den Tod geben, meine<br />
Prophezeiungen indes und meinen Einsatz für das Gemeinwohl könnt ihr mir nicht<br />
ungeschehen machen.“ 36<br />
Das letzte Schriftstück von Olympe de Gouges ist ein trauriger Bestandteil Ihres Erbes an<br />
ihren Sohn, ein letzter Brief an ihren Sohn Pierre, den sie im Gefängnis verfasste. Sie teilte<br />
ihm darin mit, dass ihr kein Anwalt ihrer Wahl <strong>zu</strong> ihrer Verteidigung <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt<br />
werde. Und, dass <strong>die</strong> Antwort seitens des öffentlichen Anklägers des Revolutionstribunals<br />
Antaine-Quentin Fouquier-Tinville auf ihren Wunsch lautete: „Sie habe genug Hirn, <strong>um</strong> sich<br />
selbst <strong>zu</strong> verteidigen“. 37 Ihre Bitte wurde abgewiesen. Das Gerichtsurteil wurde am 3.<br />
November 1793 an Olympe de Gouges vollstreckt.<br />
In ihrem Vermächtnis ist unter an<strong>der</strong>em Folgendes <strong>zu</strong> lesen: „Mein Herz vermache ich dem<br />
Vaterland, meine Ehrbarkeit den Männern, meine Seele den <strong>Frauen</strong>.“ 38<br />
Olympe de Gouges nahm stets einen übergeordneten Standpunkt ein. Denn jede Form von<br />
Fanatismus und moralischer Abweichung führe <strong>zu</strong> “Menschen ohne Charakter“, also ohne<br />
moralisches Empfinden. 39<br />
2 Philosophischer und politischer Hintergrund<br />
2.1 <strong>Frauen</strong>bild <strong>der</strong> Epoche<br />
Der Gleichheitsgedanke <strong>der</strong> Revolution machte es möglich, dass sich einzelne <strong>Frauen</strong> nicht<br />
länger als unterdrückte Min<strong>der</strong>heit begreifen konnten. Wie Olympe de Gouges strebten<br />
<strong>Frauen</strong> nach Berufen, <strong>die</strong> ausschließlich von Männern ausgeübt wurden. Die gebildeten<br />
<strong>Frauen</strong> for<strong>der</strong>ten ihre Zulassung an den Universitäten und <strong>die</strong> politisch engagierten <strong>Frauen</strong><br />
wollten politische Ämter bekleiden. Unverständnis und Missachtung durch <strong>die</strong> Männer war<br />
35 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela: Menschenrechte:<strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S. 10<br />
36 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I), S. 65<br />
37 Zitat aus dem Brief an Pierre (1793) In: Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte:<br />
<strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S.11 (aus De Gouges,<br />
Olympe: Mensch und Bürgerin „Die Rechte <strong>der</strong> Frau“ (1791); Schrö<strong>der</strong>, Hannelore (1995), S. 93)<br />
38 www.uni-ulm.de/frauen/biographien Zugriff am 26.4.2007<br />
39 FGS (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I)S. 64<br />
22
<strong>der</strong> Lohn ihrer Gleichheitsbestrebungen. Die Revolution bewirkte auch, dass <strong>Frauen</strong> den Mut<br />
aufbrachten, gemeinsam für ihre Anliegen – <strong>die</strong> spezifischen <strong>Frauen</strong>rechte – auf<strong>zu</strong>treten. Der<br />
kollektive weibliche Wi<strong>der</strong>stand hatte begonnen. 40<br />
Es wurden politische <strong>Frauen</strong>clubs<br />
gegründet, Flugblätter und feministische Journale herausgegeben. Politische Führerinnen wie<br />
Olympe de Gouges, Edda Palm, Theroigne de Mericourt, Rose Lacombe und Paulie Leon<br />
verschafften sich Gehör in Massenversammlungen, durch Volksreden und durch<br />
Zeitungsartikel. An<strong>der</strong>e <strong>Frauen</strong> wie Madame Roland und Manon de Condorcet beeinflussten<br />
offen ihnen bekannte und verwandte männliche Politiker. 41<br />
Die erste Form einer<br />
<strong>Frauen</strong>bewegung war entstanden. 42 Es galt den öffentlichen Ra<strong>um</strong> als Frau und Bürgerin <strong>zu</strong><br />
erobern. Die <strong>Frauen</strong>rechtsbewegung wurde somit auch durch namhafte Männer wie Jean<br />
Antoine de Condorcet unterstützt, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Nationalversammlung <strong>zu</strong> Beginn <strong>der</strong> Revolution<br />
1789 ein Plädoyer Für <strong>die</strong> Zulassung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> z<strong>um</strong> Bürgerrecht hielt. 43 Es wurde <strong>die</strong><br />
These Descartes ̀ über <strong>die</strong> Geschlechtslosigkeit <strong>der</strong> Vernunft diskutiert und über <strong>die</strong><br />
„Gleichheit <strong>der</strong> Geschlechter“ nach Francois Poulain de la Barres von 1673. 44<br />
Erwartungen und For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> wurden jedoch an<strong>der</strong>e männliche Definitionen von<br />
Weiblichkeit entgegengesetzt, <strong>die</strong> sich im Verlauf <strong>der</strong> Revolution letztendlich in den<br />
Entscheidungen durchsetzten. <strong>Frauen</strong>, so wurde arg<strong>um</strong>entiert, hätten eine „beson<strong>der</strong>e Natur“,<br />
weswegen <strong>die</strong> Teilnahme am politischen Geschehen und das Ausüben von Macht <strong>der</strong><br />
„beson<strong>der</strong>en Natur“ <strong>der</strong> Frau wi<strong>der</strong>sprach. <strong>Frauen</strong> wurden letzten Endes wegen ihrer<br />
45, 46<br />
sogenannten „Naturwidrigkeit“ von <strong>der</strong> Öffentlichkeit und <strong>der</strong> Gleichheit ausgeschlossen.<br />
Den<br />
Die Naturlehre des Jean Jaques Rousseau über das Wesen <strong>der</strong> Frau, <strong>die</strong> auf Grund ihrer<br />
natürlichen Neigung geduldig <strong>die</strong> Knechtschaft des Mannes erträgt, mit <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong><br />
Ungleichheit zwischen Mann und Frau, bestätigte den Mann als rechtmäßigen Eigentümer <strong>der</strong><br />
Frau. Die Frau wurde aus dem politischen Ra<strong>um</strong> <strong>zu</strong>rückgedrängt und durch ihre Fähigkeit <strong>der</strong><br />
40 Kubes-Hofmann, Ursula Das unbewusste Erbe (1993) S. 86<br />
41 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />
Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht (1990) S. 16<br />
42 FGS (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 61<br />
43 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />
Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht (1990) S.17<br />
44 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />
Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht (1990), S.17<br />
45 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott S. 29<br />
46 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft Zur Politk des Weiblichen<br />
<strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht, (1990) S. 28<br />
23
„weiblichen Natur“ in <strong>die</strong> Familie hinein. Eine bürgerliche Liebesideologie bildete sich<br />
47, 48<br />
heraus, <strong>die</strong> an den weiblichen Geschlechtscharakter gebunden war und noch immer ist.<br />
Und es gelang <strong>die</strong> Arg<strong>um</strong>entation, dass es aus Gründen <strong>der</strong> Vernunft und <strong>der</strong> Natur besser<br />
wäre, wenn <strong>Frauen</strong> mit politischen und öffentlichen Angelegenheiten nichts <strong>zu</strong> schaffen<br />
hätten. Fichte beweist in seiner Abhandlung „Deduktion <strong>der</strong> Ehe“, dass sich alle Menschen<br />
durch Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung auszeichnen. Der Naturzweck <strong>der</strong><br />
Geschlechterwesen, Mann und Frau, läge in <strong>der</strong> Produktion von Nachkommen. Der<br />
spezifische Naturzweck würde sich im Geschlechtsakt vollziehen, in dem <strong>der</strong> Mann aktiv<br />
seine Selbstverwirklichung findet; hingegen <strong>die</strong> Frau – ohne eigenen Trieb – nur Mittel z<strong>um</strong><br />
Zweck <strong>der</strong> Befriedigung ihres Mannes ist. Da jedoch <strong>Frauen</strong> auch Menschen sind, müssten sie<br />
einen Trieb besitzen, <strong>der</strong> sie aus <strong>der</strong> passiven in eine aktive Position bringt. Diesen Trieb<br />
erkennt Fichte als den Naturtrieb <strong>der</strong> Frau, welcher ihr <strong>die</strong> Fähigkeit verleiht, sich dem Mann<br />
als Mittel <strong>zu</strong> dessen Befriedigung hin<strong>zu</strong>geben. Dieser Naturtrieb war nach Fichte <strong>der</strong><br />
Liebestrieb <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>.<br />
Die Rolle <strong>der</strong> bürgerlichen Frau entwickelte sich in <strong>der</strong> Folge <strong>zu</strong>nehmend dahin, als Gattin,<br />
Hausfrau und Mutter für eine gesittete Familie innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft verantwortlich <strong>zu</strong><br />
sein und für <strong>der</strong>en Wohlergehen <strong>zu</strong> sorgen. 49 Dieses <strong>Frauen</strong>bild wurde vom mo<strong>der</strong>nen und<br />
aufgeklärten Mann entworfen und richtete sich auch an <strong>die</strong>sen. <strong>Frauen</strong> fanden sich nun wie<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> ökonomischen Abhängigkeit von ihren Ehemännern.<br />
Als Frau <strong>der</strong> Aufklärung wurde sie z<strong>um</strong> „Schönen Eigent<strong>um</strong>“ 50 des Mannes, <strong>zu</strong> <strong>der</strong> für den<br />
Mann idealen Frau, <strong>die</strong> ihn und ihre Kin<strong>der</strong> selbstlos liebt. Ein natürliches Wesen ohne<br />
jegliche Bestimmung außerhalb <strong>der</strong> Familie und somit angebunden in einem rechtsfreien<br />
Ra<strong>um</strong>.<br />
Die tatkräftigen <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> Revolution wandten sich <strong>zu</strong>nächst gegen <strong>die</strong>se neue, ihnen<br />
<strong>zu</strong>geschriebene Rolle und wehrten sich. Doch unter dem Druck <strong>der</strong> angedrohten<br />
Konsequenzen, <strong>die</strong> sie einschüchterten und in Angst versetzten, mussten sich <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> aus<br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>zu</strong>rückziehen, <strong>die</strong> sie mitbestimmt hatten. 51<br />
47 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S 5<br />
48 Kubes-Hofmann, Ursula, Das unbewusste Erbe (1993) S. 21, S. 49<br />
49 ebenda S 50<br />
50 ebenda S 48<br />
51 Barbara Schaefer-Hegel, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des Weiblichen,<br />
<strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 16<br />
24
2.2 Ablehnung des feministischen Ansatzes durch <strong>die</strong> Revolutionäre<br />
Die <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> Revolution kämpften aus Idealismus <strong>um</strong> <strong>die</strong> Verbesserung ihrer<br />
Lebensverhältnisse und hofften auf das Ende <strong>der</strong> sie in Sanftmut zwingende Abhängigkeiten.<br />
Sie kämpften auf unterschiedlichste Art und Weise wie z<strong>um</strong> Beispiel <strong>die</strong> legions d´amazones<br />
in <strong>der</strong> Armee o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Mütter <strong>der</strong> Revolution , <strong>die</strong> Brot und Nahrung für ihre Familien<br />
besorgen mussten .<br />
Für <strong>die</strong> meisten <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> Revolutionsjahre entstand eine Art <strong>der</strong> Identifikation mit den<br />
Werten <strong>der</strong> Revolutionsbewegung, <strong>die</strong> Opitz 1991 als „unauflöslichen<br />
Interdependenz<strong>zu</strong>sammenhang“ <strong>der</strong> Sphären zwischen Öffentlichkeit und Privatem, Familie<br />
und Gesellschaft, bezeichnet hat. 52 In allen Lebensbereichen übernahmen <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong><br />
<strong>die</strong>selben Aufgaben wie <strong>die</strong> Männer. Es gab <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sich <strong>zu</strong> einer eigenen Armee<br />
<strong>zu</strong>sammenschlossen, es gab <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> gemeinsam Seite an Seite mit ihren Männern durch<br />
<strong>die</strong> Straße zogen und in den zahlreichen Schlachten kämpften, es gab <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong><br />
Protestmärsche organisierten und politisch-militante Aktionen planten und es gab <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> traditionelle Versorgungsfrage übernommen hatten. Im Zug <strong>der</strong> Pariser Marktfrauen<br />
nach Versailles im Oktober 1789 erlangte <strong>die</strong>se ihren Höhepunkt. All <strong>die</strong>se öffentlichen<br />
Aktivitäten zogen <strong>die</strong> daraus resultierende Anerkennung <strong>der</strong> Deklaration <strong>der</strong> Menschen- und<br />
Bürgerrechte durch den König nach sich. Und es gab <strong>Frauen</strong> wie Olympe de Gouges, <strong>die</strong><br />
<strong>Frauen</strong>vereinigungen und politische <strong>Frauen</strong>clubs, den Club des Citoyennes Republicaines<br />
Revolutionnaires gründeten, Flugblätter und Journale verfassten, wie z.B. Claire Lacombe<br />
o<strong>der</strong> Pauline Leon. 1789 trä<strong>um</strong>ten <strong>Frauen</strong> von <strong>der</strong> Gleichheit zwischen Männern und <strong>Frauen</strong>.<br />
Die Gleichheit, <strong>die</strong> Égalite <strong>der</strong> Geschlechter, zwischen Mann und Frau, <strong>die</strong> Arbeit an den<br />
<strong>Frauen</strong>rechten und <strong>der</strong> Patriotismus standen im Zentr<strong>um</strong> von Olympe de Gouges Werken, <strong>die</strong><br />
sie grundsätzlich philosophisch und politisch durchdacht hatte. Sie sprach in den politischen<br />
Fragen von dem Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> „Vereinigung von Frau <strong>zu</strong> Mann“ für <strong>die</strong><br />
Beschließung, <strong>die</strong> Ausführung und Beurteilung <strong>der</strong> Gesetze. 53 Für sie bedeutete „Gleichheit“<br />
nicht nur <strong>die</strong> Angleichung an <strong>die</strong> Rechte des Mannes, son<strong>der</strong>n sie verlangte auch <strong>die</strong><br />
Unterschiedlichkeit zwischen Mann und Frau auf Grund ihres anatomischen Geschlechts an<br />
einem ihnen möglichen Maß an Freiheit <strong>zu</strong> orientieren.<br />
52 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I)<br />
(Gerhard 1989, S. 133) (Textsammlung I), S. 61<br />
53 ebenda<br />
25
Bis <strong>zu</strong>r Konventsherrschaft im Herbst 1792 verlief <strong>die</strong> Entwicklung für <strong>die</strong> aufgeklärten<br />
Bürgerlichen – Bourgeoisie contra Feudaladel – nach Plan. Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt schien für<br />
<strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>bewegung mit ihren For<strong>der</strong>ungen nach Recht auf Ausbildung, freier Berufswahl,<br />
<strong>der</strong> Anerkennung, dem Schutz sowie <strong>der</strong> Familienbildung, dem aktiven Wahlrecht, alles<br />
möglich. Denn auch <strong>Frauen</strong> wollten gleich und frei sein und am öffentlichen Leben<br />
gleichberechtigt teilnehmen. Doch bereits im April 1793 erklärte <strong>der</strong> Konvent, dass Kin<strong>der</strong>,<br />
Irre, Min<strong>der</strong>jährige, <strong>Frauen</strong> und Kriminelle kein Bürgerrecht genießen. In weiterer<br />
Konsequenz wurden im Oktober 1793 <strong>die</strong> politischen <strong>Frauen</strong>clubs verboten und geschlossen.<br />
Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t wird <strong>die</strong> „Aufklärung <strong>der</strong> Männer dominant“. Die „feministische<br />
Aufklärung“ wird bekämpft und in <strong>der</strong> Revolution vollständig „vernichtet“. 54<br />
Der Klassenkampf des linken Flügels <strong>der</strong> französischen Linken unter Robespierre ging noch<br />
viel weiter. Mit dem Ziel <strong>der</strong> Errichtung einer sozialen Demokratie in Frankreich, strebte er<br />
eine grundlegende Umformung <strong>der</strong> Gesellschaft an, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Fraternité im Zukunftsstaat <strong>der</strong><br />
Linken. 55 In <strong>die</strong>sem großen intellektuellen Programm waren <strong>die</strong> Befreiung und <strong>die</strong><br />
Emanzipation <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> nicht vorgesehen. Unter dem Anspruch auf epochale Befreiung <strong>der</strong><br />
Menschheit redupliziert <strong>die</strong> Revolution <strong>die</strong> Ständeordnung <strong>der</strong> Geschlechter: Libertät und<br />
Egalität existieren nur für <strong>die</strong> männerbündlerische Fraternität, für <strong>die</strong> Gemeinschaft <strong>der</strong><br />
„patriarchalisch vereindeutigten“ Bürger. 56 „Erinnert Euch <strong>die</strong>ser Virago“, rief Pierre Gaspard<br />
Cha<strong>um</strong>ette zwei Wochen nach dem Tod von Olympe de Gouges einer Gruppe von Jakobinern<br />
<strong>zu</strong>, <strong>die</strong> ihre <strong>Frauen</strong> mitgebracht hatten, „erinnert Euch <strong>die</strong>ses Mannweibs (femme-homme) <strong>der</strong><br />
schamlosen Olympe de Gouges, <strong>die</strong> als erste <strong>Frauen</strong>vereinigungen einrichtete, <strong>die</strong> aufhörte,<br />
ihr Hauswesen <strong>zu</strong> besorgen, <strong>die</strong> politisieren wollte und Verbrechen beging. Alle solchen<br />
unmoralischen Wesen wurden vom Rachefeuer <strong>der</strong> Gesetze vernichtet; und“, sagte er<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>zu</strong> den Republikanerinnen, „ihr wolltet ihr nacheifern? Nein, ihr spürt wohl,<br />
dass ihr nur dann interessant und wahrhaft <strong>der</strong> Wertschät<strong>zu</strong>ng würdig seid, wenn ihr das seid,<br />
was <strong>die</strong> Natur wollte, dass ihr seid. Wir wollen, dass <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> respektiert werden; dar<strong>um</strong><br />
werden wir sie zwingen, sich selbst <strong>zu</strong> respektieren“. 57 Mit <strong>die</strong>ser Rede am 15.11.1793 vor<br />
<strong>der</strong> Pariser Commune erreichte <strong>der</strong> jakobinische Abgeordnete Cha<strong>um</strong>ette den Ausschluss <strong>der</strong><br />
54 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />
Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S. 6<br />
55 Eberhard Schmitt: Einführung in <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong> französischen Revolution (1980) S. 50 ff.<br />
56 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, HG. Iris Bubenik-Bauer; Ute Schalz-Laurenze, „...ihr<br />
werten <strong>Frauen</strong>zimmer, auf!“ S.29<br />
57 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, Iris Bubenik, Ute Schalz-Laurenze, „...ihr werten<br />
<strong>Frauen</strong>zimmer, auf!“, S. 27<br />
26
<strong>Frauen</strong> aus den Ratssit<strong>zu</strong>ngen. Das bedeutete für <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>abordnungen, dass sie ihre<br />
For<strong>der</strong>ungen nicht mehr selbst, son<strong>der</strong>n nur durch männliche Volksvertreter dem Rat<br />
vorbringen konnten. Der konsequente Ausschluss <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> aus <strong>der</strong> politischen<br />
Öffentlichkeit begann. In den Monaten davor zeichnete sich bereits <strong>die</strong> antifeministische<br />
Haltung <strong>der</strong> Jakobiner ab. Nach dem Sturz <strong>der</strong> Girondisten – auch durch <strong>die</strong> Revolutionären<br />
Republikanerinnen – nahmen frauenfeindliche Äußerungen seitens <strong>der</strong> Jakobiner immer<br />
weiter <strong>zu</strong>. 58 Die politische Öffentlichkeit fand ab dem Jahr 1793 immer mehr ohne <strong>Frauen</strong><br />
statt. 1795 wurde den <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong> Teilnahme an jeglichen politischen Versammlungen<br />
verboten und 1800 wurde ihnen das Tragen <strong>der</strong> Kokarde untersagt. 59<br />
In <strong>die</strong>sem Zusammenhang sind <strong>der</strong> Mut und <strong>der</strong> Einsatz von Olympe de Gouges <strong>zu</strong> verstehen,<br />
nämlich <strong>die</strong> aufgeklärte Befreiung <strong>der</strong> gleichberechtigten Frau aus philosophischen Ansätzen<br />
abgeleitet mit dem Anspruch auf politische Umset<strong>zu</strong>ng.<br />
In <strong>der</strong> nach ihrer Hinrichtung veröffentlichen Urteilsbegründung hieß es:<br />
„Olympe de Gouges, <strong>die</strong> mit ihrer exaltierten Vorstellungskraft geboren war, hielt ihr<br />
Deliri<strong>um</strong> für eine Inspiration <strong>der</strong> Natur. Ein Staatsmann wollte sie sein, und das Gesetz hat <strong>die</strong><br />
Verschwörerin dafür bestraft, dass sie <strong>die</strong> Tugenden vergaß, <strong>die</strong> ihrem Geschlecht<br />
geziemen“. 60<br />
2.3 Die <strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration von Olympe de Gouges<br />
Olympe de Gouges verfasste im Jahr 1791 ihre Erklärung <strong>der</strong> Frau und Bürgerin, nachdem<br />
sie erkennen musste, dass alle <strong>Frauen</strong> auf Grund <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen und<br />
Bürgerrechte von 1789 weiterhin recht- und somit im politischen Sinne machtlos blieben.<br />
Ihrer aufklärerischen Überzeugung entsprechend, vermeinte sie mit Mitteln des Protests, <strong>der</strong><br />
freien Rede auf <strong>der</strong> Rednertribüne o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Pressefreiheit eine grundlegende, gesetzliche<br />
Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Situation herbeiführen <strong>zu</strong> können. Sie kämpfte für <strong>die</strong> Gleichheit <strong>der</strong><br />
Geschlechter, gegen den Ausschluss <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> von <strong>der</strong> allgemeinen Rechtsgleichheit und<br />
58 Kuhn, Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />
des Weiblichen, <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht S 88<br />
59 Schaefer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />
Weiblichen, <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht S. 17<br />
60 FGS 2004-2005 Modul Geschichte des politischen Feminismus<br />
27
gegen <strong>die</strong> Unterwerfung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> unter <strong>die</strong> Gewalt <strong>der</strong> Männer im rechtsfreien Bereich <strong>der</strong><br />
privaten Intimität. 61<br />
Die erste vom Volk ausgehende geschriebene Verfassung Frankreichs sollte im September<br />
1791 verabschiedet werden. Grundlage <strong>der</strong> Verfassung war <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und<br />
Bürgerrechte von 1789, <strong>die</strong> – ohne Einbindung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte – <strong>die</strong> Gleichheit zwischen<br />
allen Männern herstellen sollte. Olympe de Gouges erkannte den Handlungsbedarf für <strong>die</strong><br />
<strong>Frauen</strong>bewegung und verfolgte daher das Ziel, <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechte als Gesetzesantrag so <strong>zu</strong><br />
formulieren, dass <strong>die</strong>se von <strong>der</strong> Nationalversammlung verabschiedet und als eigener Katalog<br />
rechtzeitig in <strong>die</strong> neue Verfassung aufgenommen werden konnten. 62<br />
„Wir, Mütter, Töchter, Schwestern, Vertreterinnen <strong>der</strong> Nation verlangen, in <strong>die</strong><br />
Nationalversammlung aufgenommen <strong>zu</strong> werden. In Anbetracht dessen, dass Unkenntnis,<br />
Vergessen o<strong>der</strong> Missachtung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong> alleinigen Ursachen öffentlichen<br />
Elends und <strong>der</strong> Korruption <strong>der</strong> Regierungen sind, haben wir uns entschlossen, in einer<br />
feierlichen Erklärung gestützt auf einfache und unangreifbare Grundsätze, sich immer <strong>zu</strong><br />
Erhaltung <strong>der</strong> Verfassung, <strong>der</strong> guten Sitten und z<strong>um</strong> Wohle aller auswirken mögen; <strong>die</strong><br />
unveräußerlichen und heiligen Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin dar<strong>zu</strong>legen, damit <strong>die</strong>se<br />
Erklärung allen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gesellschaft ständig vor Augen ist und sie unablässig an ihre<br />
Rechte und Pflichten erinnert; damit <strong>die</strong> Machtausübung von <strong>Frauen</strong> ebenso wie jene von<br />
Männern je<strong>der</strong>zeit am Zweck <strong>der</strong> politischen Einrichtung gemessen und somit auch mehr<br />
geachtet werden kann; damit <strong>die</strong> Beschwerden von Bürgerinnen, nunmehr gestützt auf<br />
einfache und unangreifbare Grundsätze, sich immer <strong>zu</strong> Erhaltung <strong>der</strong> Verfassung, <strong>der</strong> guten<br />
Sitten und z<strong>um</strong> Wohl aller auswirken mögen.<br />
Das an Schönheit wie Mut im Ertragen <strong>der</strong> Mutterschaft überlegene Geschlecht anerkennt und<br />
erklärt <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechte 1791 und for<strong>der</strong>t <strong>der</strong>en Verabschiedung von <strong>der</strong><br />
Nationalversammlung.“ 63 Angeblich verunmöglichte das frühe Inkrafttreten <strong>der</strong> Verfassung<br />
jedoch <strong>die</strong>ses politische Vorgehen Olympe de Gouges .̉ Einer These nach, befand sich das<br />
gesamte Werk <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Frau und Bürgerin gerade in Druck, als <strong>die</strong> Verfassung in<br />
Kraft trat. 64<br />
61 Olympe - Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1, (Juni 1994), S. 10<br />
62 Frysak, Viktoria; Kersic, Daniele; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? (2001) Univ.Wien S 19<br />
63 Olympe-Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1 (Juni 1994) S. 11; Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong><br />
Frau, Präambel (1791)<br />
64 Frysak, Viktoria; Kersic, Daniele; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? (2001) Univ.Wien S. 19<br />
28
Olympe de Gouges widmete <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechtserklärung <strong>der</strong> Königin Marie Antoinette. In<br />
einem Brief an <strong>die</strong> Königin suchte sie <strong>der</strong>en Unterstüt<strong>zu</strong>ng in <strong>der</strong> Hoffnung, sie würde sich<br />
<strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechtsbewegung anschließen:<br />
„Madame,<br />
Für <strong>die</strong> Sprache, <strong>die</strong> man <strong>zu</strong> Königen spricht, bin ich wenig geschaffen; dar<strong>um</strong> greife ich nicht<br />
<strong>zu</strong>r Schmeichelei <strong>der</strong> Höflinge, <strong>um</strong> Euch mit <strong>die</strong>sem ungewöhnlichen Werk <strong>zu</strong> huldigen.<br />
Mein Ziel, Madame, besteht darin, rückhaltlos <strong>zu</strong> Euch <strong>zu</strong> sprechen ... Nur <strong>der</strong>jenigen, <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />
Zufall auf einen so herausragenden Rang erhob, steht es <strong>zu</strong>, dem Aufschwung <strong>der</strong><br />
<strong>Frauen</strong>rechte (Droits de la Femme) Nachdruck <strong>zu</strong> verleihen. (...) Niemals wird man es Euch<br />
als Verbrechen anrechnen, wenn Ihr an <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Sitten arbeitet<br />
(Restauration des moeurs), <strong>um</strong> Eurem Geschlecht alle Festigkeit (consistence) <strong>zu</strong> geben, <strong>der</strong>er<br />
es nur fähig ist. Z<strong>um</strong> Unglück für das neue Regime ist <strong>die</strong>s lei<strong>der</strong> nicht das Werk eines Tages.<br />
Diese Revolution kann sich nur dann vollziehen, wenn alle <strong>Frauen</strong> durchdrungen sind von<br />
ihrem beweinenswerten Geschick und den Rechten, <strong>die</strong> sie in <strong>der</strong> Gesellschaft verloren haben<br />
(...) Madame, unterstützt eine so schöne Sache! Verteidigt <strong>die</strong>s unglückliche Geschlecht (...)“<br />
Angeschlossen an <strong>die</strong>sen Brief waren eine Präambel („hommes, es-tu capable d´etre juste<br />
....Mann, bist du fähig, gerecht <strong>zu</strong> sein?“), <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin<br />
(Artikel I-XVII), eine Postambel („Frau, erwache...“), <strong>der</strong> Contract Social und zwei<br />
Postskripte.<br />
Dieses <strong>um</strong>fassende Werk legte sie <strong>der</strong> Nationalversammlung vor und for<strong>der</strong>te dessen<br />
Verabschiedung in ihrer letzten Sit<strong>zu</strong>ng o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> folgenden Legislaturperiode. Sie „sehe<br />
jetzt schon, wie <strong>der</strong> ganze höllische Rattenschwanz sich gegen sie er<strong>heben</strong> werde“, hatte<br />
Olympe de Gouges angenommen. 65 Da<strong>zu</strong> kam es jedoch nicht. Die Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong><br />
Frau und Bürgerin wurde von <strong>der</strong> Nationalversammlung <strong>zu</strong>rückgewiesen. Olympe de Gouges<br />
wurde z<strong>um</strong> Skandalon, nicht weil sie <strong>die</strong> Egalität for<strong>der</strong>te, son<strong>der</strong>n auf Grund des<br />
Dominanzanspruchs mit dem sie ihre Erklärung über <strong>die</strong> <strong>der</strong> Menschenrechtserklärung<br />
setzte. 66<br />
Aus Reflexion und Überzeugung lehnte sie <strong>die</strong> neutrale Formulierung <strong>der</strong> Artikel <strong>der</strong><br />
Menschenrechtsdeklaration ab und begründete damit <strong>die</strong> Erkenntnis, dass mit<br />
geschlechtsneutralen Begriffen eine Hierarchie <strong>der</strong> Geschlechterordnung verbunden ist. Da<br />
sie in ihren Überlegungen auf <strong>die</strong> Vereinigung von Mann und Frau abzielte, stellte sie nicht<br />
65 Frysak, Viktoria; Kersic, Daniele; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? (2001) Univ.Wien S. 18<br />
66 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, HG. Iris Bubernik-Bauer, Ute Schalz-Laurenze,<br />
“... werten <strong>Frauen</strong>zimmer,, auf!“, S. 37<br />
29
einfach <strong>die</strong> Schwesterlichkeit neben <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit, son<strong>der</strong>n formulierte <strong>die</strong> gesamte<br />
Menschenrechtserklärung von 1789 neu. Sie ersetzte explizit das Wort Homme (=Mensch,<br />
Mann) durch Femme (=Frau) und stellte somit ihre <strong>Frauen</strong>rechtserklärung <strong>der</strong> allgemeinen<br />
Menschenrechtserklärung gegenüber. 67 Durch <strong>die</strong>ses Verfahren machte sie <strong>die</strong> Lücken <strong>der</strong><br />
Menschenrechtserklärung sichtbar. Und bei <strong>die</strong>sen Lücken handelte es sich ausnahmslos <strong>um</strong><br />
<strong>Frauen</strong>rechte. Dies war <strong>der</strong> eigentliche Skandalon <strong>der</strong> französischen Revolution von 1789:<br />
nicht <strong>die</strong> Reduzierung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> auf ihr Geschlecht, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Reduzierung „angeblicher“<br />
Menschenrechte auf das Geschlecht <strong>der</strong> Männer – und <strong>der</strong> mit <strong>die</strong>ser Reduzierung<br />
einhergehende Etikettenschwindel. 68<br />
Für Olympe de Gouges bedeutete Gleichheit zwischen den Geschlechtern jedoch nicht eine<br />
bloße Angleichung an <strong>die</strong> Rechte des Mannes, son<strong>der</strong>n dass <strong>die</strong>se einen übergeordneten<br />
Maßstab in Be<strong>zu</strong>g auf Freiheit verlangt. 69<br />
Die endgültige Ablehnung des Feministischen Ansatzes durch <strong>die</strong> Revolutionäre <strong>der</strong><br />
Konventsherrschaft erfolgte tiefgehend. Der Einfluss von <strong>Frauen</strong> im politischen Leben war<br />
nicht erwünscht und durfte somit nicht Platz greifen. Erwünscht waren hingegen <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong><br />
in ihrer Rolle weiterhin das traditionelle, apolitische Verhalten zeigten, das sie angeblich von<br />
Natur aus mitbrächten. Folglich wurden <strong>Frauen</strong> weiter aus allen Bereichen <strong>der</strong> Macht<br />
ausgeschlossen und blieben rechtlos - ohne jeglichen Anspruch auf Recht, außer <strong>der</strong> Rechtsund<br />
Schuldfähigkeit vor Gericht. Somit reduziert sich <strong>die</strong> soziale Rolle <strong>der</strong> Frau wie<strong>der</strong> auf<br />
ihre Geschlechternatur. 70<br />
Den härtesten und gewaltvollsten Ausschluss aus <strong>der</strong> Gesellschaft, nämlich <strong>der</strong><br />
fremdbestimmte Tod durch <strong>die</strong> Hinrichtung, musste auch Olympe de Gouges erfahren. Ihre<br />
For<strong>der</strong>ungen für alle <strong>Frauen</strong> wurden abgelehnt und durch den Voll<strong>zu</strong>g <strong>der</strong> Exekution an ihr<br />
wurden <strong>Frauen</strong> über viele Jahre hindurch in Angst und Schrecken versetzt.<br />
67<br />
ebenda S. 33<br />
68 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />
Weibllichen, <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 29<br />
69 De Gouges, Olympe,<br />
70 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, HG.Iris Bubernik-Bauer, Ute Schalz-Laurenze,<br />
“... werten <strong>Frauen</strong>zimmer,, auf!“, S. 29<br />
30
3 Bedeutung Olympe de Gouges in <strong>der</strong> Gegenwart<br />
3.1 Aktualität ist immer noch gegeben<br />
Olympe de Gouges war eine feministische Revolutionärin im ständigen Diskurs <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />
Wahrung bzw. <strong>die</strong> Berücksichtung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und Menschenrechte vor und während <strong>der</strong><br />
französischen Revolution. Sie war eine avantgardistische, intellektuelle Frau, <strong>die</strong> ihre<br />
Vorstellungen und Ideen über Gerechtigkeit und Emanzipation in ein geschriebenes Recht für<br />
<strong>Frauen</strong> fasste; und <strong>die</strong> ihr Leben dadurch riskierte, förmlich aufs Spiel setzte, weil sie <strong>die</strong><br />
politischen Entscheidungen des Konvents für unmoralisch hielt und sie sich darüber öffentlich<br />
äußerte und in weiterer Folge gegen <strong>die</strong> damaligen Machtstrukturen verlor.<br />
In <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng mit dem Thema, dass <strong>Frauen</strong>rechte Menschenrechte sind, ist <strong>die</strong><br />
Begegnung mit Olympe de Gouges dankenswerterweise bereits programmiert. Im Bereich <strong>der</strong><br />
Menschenrechts- und <strong>Frauen</strong>bewegung ist sie vielfach zitiert und eine Vielzahl von ihren<br />
For<strong>der</strong>ungen, Aussprüchen und nicht <strong>zu</strong>letzt ihre <strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration beeindrucken uns<br />
auf Grund ihrer klaren Sichtweise und ihres Mutes, sich nicht nur über das politische<br />
Geschehen <strong>zu</strong> informieren, son<strong>der</strong>n mittels Publikationen an<strong>der</strong>e <strong>zu</strong> informieren und<br />
öffentlich Kritik als Frau an den Machthabern <strong>zu</strong> üben und eigenständige Positionen mit <strong>der</strong><br />
damit verbundenen For<strong>der</strong>ung nach freier Meinungsäußerung <strong>zu</strong> vertreten.<br />
Die weltweit aktive Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes stellte im For<strong>um</strong> für<br />
Geschichte <strong>die</strong> Biografie von Olympe de Gouges vor und <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und<br />
Bürgerinnenrechte. Terre des Femmes schreibt da<strong>zu</strong>, dass mehr als 200 Jahre nach ihrem Tod<br />
<strong>die</strong> weiblichen Nachfahren von Olympe de Gouges im Kampf für Gleichberechtigung,<br />
Schulbildung, Berufsausbildung und Studi<strong>um</strong> profitiert haben, denn <strong>die</strong>se gehören <strong>zu</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Errungenschaften mo<strong>der</strong>ner Demokratien. 71<br />
So hat nun auch Olympe de Gouges einen wichtigen Platz bei Terre des Femmes gefunden, an<br />
dem sie sich würdig und endlich verstanden gefühlt hätte und vor allem könnte sie von <strong>die</strong>sem<br />
Ort aus mitverfolgen, was sich weltweit weiterhin an Unterdrückung von <strong>Frauen</strong> und Kin<strong>der</strong>n<br />
abspielt, insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Dritten Welt. Bei einem Vergleich zwischen den beiden<br />
Epochen, <strong>der</strong> französischen Revolution und <strong>der</strong> gegenwärtigen globalen Epoche, vermeint<br />
71 http://literaturkritik.de/public/rezension Zugriff vom 19.2.2008<br />
31
man beinahe, dass sich hier keine zwei Jahrhun<strong>der</strong>te dazwischen befinden können. Doch all<br />
unser Wissen über <strong>die</strong> bestehenden Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen bringt unsere nachhaltige<br />
Verantwortung für unsere Welt an <strong>die</strong> Oberfläche und for<strong>der</strong>t uns da<strong>zu</strong> auf, nach unseren<br />
besten Möglichkeiten <strong>zu</strong> handeln und Unrecht wirkungsvoll und vor allem engagiert <strong>zu</strong><br />
bekämpfen. Eine Gruppe von solchen wi<strong>der</strong>ständigen <strong>Frauen</strong> hat den Verein Terre des<br />
Femmes ins Leben gerufen und kämpft seit wahrlich vielen Jahren in den Bereichen <strong>der</strong><br />
wirkungsvollen Gegensteuerung <strong>zu</strong> den Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen an <strong>Frauen</strong> und Kin<strong>der</strong>n<br />
in Europa und auf <strong>der</strong> ganzen Welt.<br />
3.1.1 Terre des Femmes<br />
Bei <strong>der</strong> Organisation Terre des Femmes 72,73 handelt es sich <strong>um</strong> eine im Jahr 1981 in<br />
Tübingen, Deutschland, gegründete gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für <strong>Frauen</strong><br />
und Mädchen, <strong>die</strong> durch internationale Vernet<strong>zu</strong>ng, Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen,<br />
Einzelfallhilfe und För<strong>der</strong>ung von einzelnen Projekten <strong>Frauen</strong> und Mädchen unterstützt und<br />
<strong>die</strong> sich <strong>zu</strong>r Aufgabe gemacht hat, <strong>die</strong> Rechte von <strong>Frauen</strong>, ungeachtet ihrer konfessionellen,<br />
politischen, ethnischen und nationalen Identität <strong>zu</strong> verteidigen. Die Schwerpunktthemen <strong>der</strong><br />
Arbeit von Terre des Femmes sind seit Jahren <strong>der</strong> Kampf gegen <strong>Frauen</strong>handel,<br />
Genitalverstümmelungen, häusliche Gewalt, Ehrverbrechen, Sextourismus und <strong>die</strong><br />
Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen in z.B. Mittelamerika und In<strong>die</strong>n u.v.m..<br />
Seit 1981 hat sich <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des Vereines auf ca. 2700 Mitfrauen und<br />
För<strong>der</strong>mitglie<strong>der</strong> erhöht. 1990 wurde in Tübingen eine Bundesgeschäftsstelle mit<br />
hauptamtlichen Mitglie<strong>der</strong>n eingerichtet, wodurch <strong>die</strong> Vereinstätigkeit erheblich<br />
professionalisiert werden konnte. Terre des Femmes finanziert sich ausschließlich über<br />
Spenden. Sonst teilt sich Terre de Femmes in Städtegruppen auf, <strong>die</strong> ehrenamtlich<br />
mitarbeiten.<br />
Durch Publikationen, Mitteilungen an <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n, Unterschriftenkampagnen,<br />
Informationsstände, Rundschreiben und Veranstaltungen will Terre des Femmes <strong>die</strong> breite<br />
Öffentlichkeit sensibilisieren, aufklären und über Diskriminierung, Ausbeutung,<br />
Misshandlung und Verfolgung von <strong>Frauen</strong> informieren und <strong>zu</strong> Aktionen anregen.<br />
72 FGS (2004-2005) Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I)<br />
73 www.literaturkritik.de/public Zugriff vom 19.2.2008<br />
32
Terre des Femmes ruft auch immer wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> Postkartenaktionen auf. Bei <strong>die</strong>sen Aktionen<br />
werden Protestkarten an jene Firmen geschickt, <strong>die</strong> unter ausbeuterischen<br />
Arbeitsbedingungen ihre Produkte in „Dritte Welt Län<strong>der</strong>n“ produzieren lassen. Immer am<br />
25. November am Internationalen Tag: Nein <strong>zu</strong>r Gewalt an <strong>Frauen</strong>! bereitet Terre des<br />
Femmes solche Aktionen vor wie z<strong>um</strong> Beispiel eine Demonstration vor einem Reisebüro<br />
gegen Billigurlaubssangebote in Sextourismuslän<strong>der</strong>. Jährlich seit 2001 findet das einwöchige<br />
Filmfest <strong>Frauen</strong>Welten von Terre des Femmes im November statt, bei dem über 30 Spielfilme<br />
und Dok<strong>um</strong>entationen aus über 20 Län<strong>der</strong>n mit den inhaltlichen Schwerpunkten von<br />
<strong>Frauen</strong>rechten in verschiedenen Kulturen, wie <strong>der</strong> Situation von arabischen <strong>Frauen</strong>,<br />
„<strong>Frauen</strong>rechte und globale Wirtschaft“ und z<strong>um</strong> Thema betreffend „Häusliche Gewalt“<br />
gezeigt werden. Gleichzeitig wird ein Rahmenprogramm mit Diskussionsrunden z<strong>um</strong> Thema,<br />
wie <strong>Frauen</strong>rechte weltweit mit Mitteln des Films verteidigt werden können, angeboten. Auch<br />
mit dem <strong>Frauen</strong> Filmfest kooperiert Terre des Femmes mit Wien. Wan<strong>der</strong>ausstellungen z<strong>um</strong><br />
Thema <strong>Frauen</strong>handel und Zwangsprostitution, „Tatmotiv Ehe“ und Genitalverstümmelung<br />
werden so angeboten, dass sie von jedem Wohnort aus gebucht werden können. In<br />
Deutschland wurde <strong>die</strong> Kampagne Stoppt Zwangsheirat mit dem Preis für Demokratie und<br />
Toleranz ausgezeichnet.<br />
3.2 Gesetzliche Grundlagen als Vorausset<strong>zu</strong>ng und Absicherung <strong>der</strong> Gleichberechtigung<br />
Olympe de Gouges hatte bereits 1791 erkannt, dass Menschenrechte auch <strong>Frauen</strong>rechte<br />
beinhalten müssen. Sie stellte daher <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und Bürgerrechte von 1789<br />
mit einem klaren feministischen Ansatz <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und Bürgerin<br />
entgegen, <strong>um</strong> <strong>die</strong> den <strong>Frauen</strong> vorenthaltenen Rechte, mit einer vollständig ausgearbeiteten<br />
Erklärung als Rechtsgrundlage ein<strong>zu</strong>for<strong>der</strong>n. 74<br />
Die Ausgangslage war ja <strong>die</strong>, dass vermutlich alle <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> französischen Revolution auf<br />
<strong>die</strong> Einführung <strong>der</strong> gesetzlichen Grundlagen <strong>zu</strong>r Absicherung ihrer Rechte und <strong>der</strong><br />
Gleichberechtigung in ihrem neuen nach Freiheit und Gleichheit strebenden Frankreich,<br />
gehofft haben und 1789 von <strong>der</strong> Erreichung ihrer Vorstellungen überzeugt waren.<br />
Die Gleichheitsfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> von 1789 schlossen den Wunsch nach einer<br />
Beachtung <strong>der</strong> Geschlechterdifferenz mit ein. 75<br />
74 Kuhn, Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />
des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 83<br />
75 Annette Kuhn, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />
des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 82<br />
33
In einer Petition <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> des Dritten Standes an den König vom 1.1.1789 ist <strong>zu</strong> erkennen,<br />
wie dringlich den <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ung nach einem rechtssicheren Ra<strong>um</strong> war:<br />
„Befreiung von den „letzten Ketten, <strong>die</strong> sie noch an einen herrischen Rest von Feudalität<br />
binden...“ und „Könnten <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> dauernd Gegenstand <strong>der</strong> Bewun<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong><br />
Verachtung <strong>der</strong> Männer sind, könnten <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> in <strong>die</strong>ser allgemeinen Aufregung nicht auch<br />
ihre Stimme tönen lassen?“. 76<br />
Es ging den <strong>Frauen</strong> <strong>um</strong> Bildung, politische Ämter, Bekämpfung <strong>der</strong> Armut und <strong>der</strong>en Folgen<br />
für <strong>Frauen</strong> und <strong>der</strong> Gleichberechtigung innerhalb <strong>der</strong> Ehe und innerhalb <strong>der</strong> Familie durch<br />
Abschaffung aller Privilegien des männlichen Geschlechts, denn ohne gesetzliche Grundlagen<br />
waren sie lediglich Besitz ihrer Väter, Ehemänner und des Staates. Bei den <strong>Frauen</strong> des Dritten<br />
Standes handelte es sich <strong>um</strong> selbständige und erwerbstätige Bürgerinnen, <strong>die</strong> ka<strong>um</strong> mehr als<br />
das Existenzminim<strong>um</strong> ver<strong>die</strong>nten und somit nie ökonomisch unabhängig leben konnten. Um<br />
sich als den Männern gleichwertig sehen <strong>zu</strong> können, for<strong>der</strong>ten sie logischerweise ihre<br />
ökonomische Selbständigkeit, Bildung und <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> freien Partnerwahl. 77<br />
Zur Absicherung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> und Kin<strong>der</strong> in den Ehen und Familien wurde von Olympe de<br />
Gouges <strong>der</strong> Entwurf eines Gesellschaftsvertrags für Ehepartner ausgearbeitet. Olympe de<br />
Gouges wusste, dass <strong>die</strong> Gleichheitsbestrebungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> nur durch <strong>die</strong> Erreichung einer<br />
gesetzlichen Verankerung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte erfüllt werden konnten. Jedes Zugeständnis an<br />
Entscheidungsfreiheit bedeutete lediglich weiterhin <strong>der</strong> Abhängigkeit eines Mannes<br />
ausgeliefert <strong>zu</strong> sein und konnte natürlich je<strong>der</strong>zeit wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>rückgenommen werden. Nur das<br />
Gesetz konnte als ordnungspolitische Größe für eine stabile Rechtssicherheit sorgen.<br />
In <strong>die</strong>sem Sinne findet auch <strong>die</strong> gegenwärtige <strong>Frauen</strong>arbeit bei Terre des Femmes statt, <strong>die</strong><br />
weltweit <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sich aus den unterschiedlichsten Formen <strong>der</strong> Unterdrückung und<br />
Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen in Not befinden, helfend unterstützt. Denn neben den<br />
Maßnahmen <strong>zu</strong>r Sensibilisierung <strong>der</strong> Öffentlichkeit hinsichtlich <strong>der</strong> Verlet<strong>zu</strong>ng von<br />
Menschenrechten an <strong>Frauen</strong>, vermittelt Terre des Femmes <strong>Frauen</strong> in Not an<br />
Kriseneinrichtungen und startet Briefaktionen an <strong>die</strong> Regierungen weltweit. Da<strong>zu</strong> arbeitet <strong>die</strong><br />
Menschenrechtsorganisation eng mit an<strong>der</strong>en <strong>Frauen</strong>- und Menschenrechtsorganisationen<br />
<strong>zu</strong>sammen.<br />
76 ebenda<br />
77 Kuhn, Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution Zur Politik<br />
des Weiblichen <strong>Frauen</strong>, Macht und Ohnmacht (1990), S. 84<br />
34
Derzeit (Februar 2008) unterstützt Terre des Femmes acht Selbsthilfeprojekte und Initiativen<br />
von <strong>Frauen</strong> für <strong>Frauen</strong> in Län<strong>der</strong>n außerhalb Deutschlands, unter an<strong>der</strong>em drei<br />
Aufklärungsprojekte gegen Genitalverstümmelung in Afrika.<br />
In Zahlen ausgedrückt handelt es sich dabei <strong>um</strong> eine Größenordnung von weltweit zwischen<br />
130 bis 150 Millionen Mädchen und <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sich jährlich <strong>um</strong> etwa 2 Millionen vergrößert.<br />
In Europa, so schätzt das Kin<strong>der</strong>hilfswerk <strong>der</strong> Vereinten Nationen (UNICEF), werden jährlich<br />
drei Millionen <strong>Frauen</strong> und Mädchen Opfer von Genitalverstümmelungen. 78<br />
Das erklärte Ziel des Projektes von Terre des Femmes ist es einen Beitrag <strong>zu</strong>r<br />
Gesundheitsför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> afrikanischen <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> leisten. Gleichzeitig wird eine größere<br />
Eigenständigkeit und Selbstbestimmung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> geför<strong>der</strong>t. Denn <strong>die</strong> Erfahrung zeigt, dass<br />
<strong>Frauen</strong> mit entsprechen<strong>der</strong> Information <strong>die</strong> schädliche und frauenfeindliche<br />
Genitalverstümmelung (Infibulation: Entfernen <strong>der</strong> Klitoris, <strong>der</strong> inneren und äußeren<br />
Schamlippen, Zunähen <strong>der</strong> Vagina bis auf eine minimale Größe 79 ablehnen und aktiv gegen<br />
<strong>die</strong>se tra<strong>die</strong>rte Beschneidung, vorgehen. Auch zeigt <strong>die</strong> Praxis, dass in Dörfern in denen <strong>die</strong><br />
<strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> Männer, <strong>die</strong> Dorfchefs und <strong>die</strong> Beschnei<strong>der</strong>innen selbst in <strong>die</strong> Aufklärungsarbeit<br />
miteinbezogen werden, nicht mehr beschnitten wird. (Projektleiterin in Burkina Faso, Rakieta<br />
Poyga-Sawadogo). 80 Diese Hilfeleistung <strong>der</strong> intensiven Aufklärungsarbeit <strong>zu</strong>r<br />
Bewusstseinsverän<strong>der</strong>ung ist, <strong>um</strong> tra<strong>die</strong>rte und frauenfeindliche Rollenbil<strong>der</strong> bei <strong>Frauen</strong> und<br />
Männern durch neue Bil<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gesellschaft bei <strong>Frauen</strong> und Männern entstehen <strong>zu</strong>lassen,<br />
als Instr<strong>um</strong>ent <strong>zu</strong>r Verän<strong>der</strong>ung bestehen<strong>der</strong> struktureller Gewalt immens wichtig. Auch <strong>die</strong><br />
gezielte Aufklärung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> über ihre Rechte, vor allem in traditionellen Regionen, schafft<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit <strong>zu</strong>r Anpassung regionaler und nationaler Rechtsvorschriften an <strong>die</strong><br />
internationalen Richtlinien und Bestimmungen hinsichtlich <strong>der</strong> Wahrung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte,<br />
<strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> vor Armut, Gewalt und jeglicher Diskriminierung schützen sollen. 81<br />
Neben <strong>der</strong> Menschenrechtsorganisation Terre de Femmes wenden sich mehrere nationale,<br />
regierungsunabhängige und internationale Organisationen, wie <strong>die</strong> UNO, UNICEF, UNIFEM,<br />
<strong>die</strong> Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, Menschen für Menschen Intact<br />
und TARGET gegen <strong>die</strong> Praxis <strong>der</strong> Beschneidung weiblicher Genitalien und for<strong>der</strong>n<br />
78 de.wikipedia.org/wiki/Beschneidung (Zugriff vom 26.3.2007)<br />
79 FGS V (2006-2007), Modul Gesellschaftspolitik und feministische Kritik II, Cross Impact Stu<strong>die</strong>,<br />
Genitalverstümmelung<br />
80 www.literaturkritik.de/public/rezension, Menschenrechte sind <strong>Frauen</strong>rechte-Über <strong>die</strong> Arbeit von<br />
Terre des Femmes Zugriff am 19.2.2008<br />
81 <strong>Frauen</strong>rechte-Menschenrechte: Vom Tra<strong>um</strong> <strong>zu</strong>r Wirklichkeit, Horizont 3000 (2002), S. 63<br />
35
offensivere Maßnahmen <strong>zu</strong>r Respektierung elementarer Menschenrechte wie das Recht auf<br />
körperliche Unversehrtheit. 82<br />
Ausbeutung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> durch kulturelle Praktiken wurde erstmals anlässlich <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong><br />
Abschlusserklärung bei <strong>der</strong> Menschenrechtsweltkonferenz 1993 in Wien als unvereinbar mit<br />
<strong>der</strong> <strong>Würde</strong> und dem Wert <strong>der</strong> menschlichen Person gesehen. 83<br />
3.3 Menschenrechte – <strong>Frauen</strong>rechte damals, Menschenrechte heute<br />
Die in <strong>der</strong> Aufklärung begründeten Menschenrechte zielten auf <strong>die</strong> Verankerung <strong>der</strong><br />
unveräußerliche Grundrechte und Grundfreiheiten aller Menschen und, dass <strong>die</strong>se berechtigt<br />
sind, ihre Rechte auch <strong>zu</strong> verteidigen und dafür ein<strong>zu</strong>treten. Nach den Philosophen John<br />
Locke, Thomas Paine und Jean Jaques Rousseau sind alle Menschen gleich und übernehmen<br />
<strong>die</strong> gleichen Rechte und Pflichten. Der Staat hat <strong>die</strong> Sicherung <strong>der</strong> natürlichen Rechte des<br />
Menschen z<strong>um</strong> Ziel. Rechte und Pflichten, <strong>die</strong> für jeden Einzelnen gleich sind, bieten auch<br />
ein Recht auf Sicherheit und auf Schutz vor Willkür. 84 <strong>Frauen</strong> wurden aus <strong>die</strong>sem Vertrag<br />
jedoch ausgeschlossen und erhielten kein Bürgerinnenrecht.<br />
Das Europa des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts zeigt sich uns bereits in einem an<strong>der</strong>en Licht.<br />
Seit dem Jahr 1957 als in den römischen Verträgen, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> damaligen<br />
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft <strong>die</strong>nten, das Prinzip <strong>der</strong> Lohngleichheit für Männer<br />
und <strong>Frauen</strong> verankert wurde, spielt <strong>die</strong> Gleichstellung <strong>der</strong> Geschlechter eine immer<br />
wesentlichere Rolle für <strong>die</strong> europäischen und nationalen PolitikerInnen. <strong>Frauen</strong>rechte,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, sind<br />
mittlerweile integraler Bestandteil <strong>der</strong> Menschenrechte und zählen <strong>zu</strong> den menschlichen<br />
Grundrechten. Die europäische Union hat seit den 1970er Jahren im Zuge ihrer<br />
Gleichstellungspolitik dreizehn Richtlinien <strong>zu</strong>r Gleichstellung erlassen.<br />
Eine, sehr dringend erwartete Richtlinie war <strong>die</strong> betreffend (Sexuelle) Belästigung, <strong>die</strong> erst<br />
mit <strong>der</strong> Novelle <strong>der</strong> Gleichbehandlungsrichtlinie im Jahr 2002 als Diskriminierung<br />
sexistischer und geschlechtsspezifischer Art auf EU-Ebene ausdrücklich verboten wurden.<br />
82 de.wikipedia.org/wiki/Beschneidung, Zugriff am 26.3.2007<br />
83 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus<br />
84 NEUHOLD, Brita, Internationale Dimensionen aus Menschenrechte – <strong>Frauen</strong>rechte,<br />
Internationale, europarechtliche und innerstaatliche Dimensionen, 2003, Stu<strong>die</strong>nverlag<br />
(Hsgb.), 2003, S. 22<br />
36
Die Gleichbehandlungsrichtlinie unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer<br />
Diskriminierung, <strong>die</strong> beide verboten sind:<br />
Als Beispiel für <strong>die</strong> unmittelbare Diskriminierung führe ich folgendes Beispiel an:<br />
Ein Arbeitgeber verhält sich unmittelbar diskriminierend, wenn er eine schwangere Frau<br />
wegen <strong>der</strong> finanziellen Kosten, <strong>die</strong> ihre schwangerschaftsbedingte Abwesenheit auslösen,<br />
nicht anstellt.<br />
Als Beispiel für eine mittelbare Diskriminierung kann <strong>die</strong> Schlechterstellung von<br />
Teilzeitkräften genannt werden, da sich <strong>die</strong>se nicht unmittelbar gegen <strong>Frauen</strong> richtet, jedoch<br />
<strong>Frauen</strong> im Regelfall davon betroffen sind.<br />
Doch <strong>um</strong> <strong>Frauen</strong>rechte durch<strong>zu</strong>setzen bedarf einer ständigen prozesshaften Überprüfung.<br />
Diese erfolgt durch den Europäischen Gerichtshof, dessen Entscheidungen immer mit<br />
Spannung erwartet werden, da <strong>die</strong>se für <strong>die</strong> europäische und nationale Gleichstellungspolitik<br />
85, 86<br />
von Bedeutung und somit richtungweisend sind.<br />
In Wien wurde mit dem <strong>Wiener</strong> Gleichbehandlungsgesetz von 1996 <strong>der</strong> EU-Richtlinie<br />
aus dem Jahr 1976 <strong>zu</strong>r Verwirklichung des Grundsatzes <strong>der</strong> Gleichbehandlung von Männern<br />
und <strong>Frauen</strong> hinsichtlich des Zuganges <strong>zu</strong>r Beschäftigung, <strong>zu</strong>r Berufsausbildung und z<strong>um</strong><br />
beruflichen Aufstieg sowie in Be<strong>zu</strong>g auf <strong>die</strong> Arbeitsbedingungen entsprochen. Zwei weitere<br />
EG-Richtlinien wurden eingearbeitet und das Gesetz entsprechend novelliert: Im Jahr 1997<br />
betreffend <strong>die</strong> Beweislast bei Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und im Jahr 2002<br />
<strong>die</strong> weitere europäische Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Richtlinie <strong>zu</strong>r Verwirklichung des Grundsatzes <strong>der</strong><br />
Gleichbehandlung von Männern und <strong>Frauen</strong>.<br />
Im September 2004 sind hinsichtlich <strong>der</strong> Dienstordnung und <strong>der</strong> Vertragsbe<strong>die</strong>nstetenordnung<br />
weitere entsprechende Gesetzesän<strong>der</strong>ung für <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nsteten <strong>der</strong> Stadt Wien in Kraft<br />
getreten. Diese Gesetzesän<strong>der</strong>ungen waren durch <strong>die</strong> Verpflichtung Österreichs, drei EU-<br />
Richtlinien <strong>um</strong><strong>zu</strong>setzen, und zwar <strong>die</strong> Antirassismus-Richtlinie (2000/43/EG), <strong>die</strong><br />
Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG) und <strong>die</strong><br />
Än<strong>der</strong>ungs-Richtlinie <strong>zu</strong>r Verwirklichung <strong>der</strong> Gleichbehandlung von <strong>Frauen</strong> und Männern im<br />
Arbeitsleben notwendig geworden (2002/73/EG).<br />
Das aus 7 Teilen bestehende Gesetz gilt für <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nsteten <strong>der</strong> Stadt Wien (BeamtInnen und<br />
Vertragsbe<strong>die</strong>nstete) und <strong>die</strong>, <strong>die</strong> sich dar<strong>um</strong> bewerben und - mit Son<strong>der</strong>bestimmungen - für<br />
LandeslehrerInnen.<br />
85 FGS V (2006-2007), Modul 2 Recht.Macht.Geschlecht, Gleichstellungspolitik in <strong>der</strong> EU<br />
86 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus<br />
37
Der zweite Teil des Gesetzes <strong>um</strong>fasst <strong>die</strong> Gleichbehandlung mit dem Gleichbehandlungsgebot<br />
sowie <strong>die</strong> Rechtsfolgen <strong>der</strong> Verlet<strong>zu</strong>ng des Gleichbehandlungsgebotes. Diskriminierungen auf<br />
Grund des Geschlechts als auch Diskriminierungen auf Grund <strong>der</strong> Rasse o<strong>der</strong> ethnischen<br />
Herkunft, <strong>der</strong> Religion o<strong>der</strong> Weltanschauung, des Alters, <strong>der</strong> sexuellen Orientierung sowie<br />
sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind durch gesetzlich Bestimmungen verboten. Die mit<br />
<strong>der</strong> Gleichbehandlung und <strong>Frauen</strong>för<strong>der</strong>ung befassten Einrichtungen und Personen<br />
(Gleichbehandlungskommission, Gleichbehandlungsbeauftragte) und <strong>der</strong>en Aufgaben sind im<br />
3. Teil des Gesetzes angeführt. Die beson<strong>der</strong>en För<strong>der</strong>ungsmaßnahmen für <strong>Frauen</strong> sind im<br />
vierten Teil des Gesetzes geregelt; <strong>der</strong> 5. Teil ist dem Berichtswesen gewidmet und im<br />
sechsten Teil finden sich <strong>die</strong> entsprechenden Son<strong>der</strong>bestimmungen für <strong>die</strong> LandeslehrerInnen.<br />
Im Teil 7 sind <strong>die</strong> Übergangs- und Schlussbestimmungen zitiert. 87<br />
Seitens <strong>der</strong> Stadt Wien gibt es jedenfalls ein klares öffentliches Bekenntnis da<strong>zu</strong>, dass <strong>Frauen</strong>und<br />
Gleichstellungspolitik querschnittorientiert <strong>zu</strong> sein hat. Die Stadt Wien hat als einziges<br />
Bundesland im Jahr 2005 eine eigene Projektstelle für Gen<strong>der</strong> Mainstreaming in <strong>der</strong><br />
Konzernspitze eingerichtet. Diese Positionierung von Gen<strong>der</strong> Mainstreaming direkt in <strong>der</strong><br />
Magistratsdirektion hat sich für Wien als sehr positiv erwiesen, da Gen<strong>der</strong> Mainstreaming<br />
beson<strong>der</strong>s in den Bereichen Planung, Wohnbau, Gesundheit, Jugend und Kultur sowie in den<br />
von <strong>der</strong> Stadt Wien dotierten Fonds (z.B. <strong>Wiener</strong> ArbeitnehmerInnenfonds) berücksichtigt<br />
wurde. 88 Das Know-how Wiens bei <strong>der</strong> Implementierung von Gen<strong>der</strong> Mainstreaming ist<br />
mittlerweile international gefragt und viele Expertinnen <strong>der</strong> Stadt Wien haben ihre Erfahrung<br />
in viele europäische und amerikanische Städte exportiert. Wirkungsvolle Kampagnen wurden<br />
gestartet, Hinweisschil<strong>der</strong> wurden unter dem Titel „Wien sieht an<strong>der</strong>s“ so verän<strong>der</strong>t, dass das<br />
Bewusstsein für Gen<strong>der</strong> Mainstreaming geschärft wurde durch allgemein bekannte<br />
Piktogramme und Schil<strong>der</strong> mit getauschtem Geschlecht. 89<br />
Gen<strong>der</strong> Mainstreaming versteht in <strong>der</strong> (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und<br />
Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle<br />
politischen Konzepte auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an politischen<br />
Entscheidungen beteiligte Akteure und Akteurinnen ein<strong>zu</strong>beziehen (1998). 90<br />
87 <strong>Wiener</strong> Gleichbehandlungsgesetz 1996 i.d.g.F.,<br />
88 <strong>Frauen</strong> in Wien, Informationen von A-Z, HG.MA 57-<strong>Frauen</strong>abteilung <strong>der</strong> Stadt Wien (2005), S. 155<br />
89 www.wien.gv.at/nachrichten Zugriff vom 28.12.2006<br />
90 FGS V (2006-2007) Modul 4 Gesellschaftspolitik und feministische Kritik I<br />
38
4 Zusammenfassung<br />
4.1 Jede Frau hat Geschichte<br />
„Jede Frau sollte mindestens ein Jahr <strong>Frauen</strong>geschichte stu<strong>die</strong>ren, egal was sie sonst macht.<br />
Jede Frau än<strong>der</strong>t sich, wenn sie weiß, dass sie eine Geschichte hat.“ (Zitat Gerda Lerner) 91 .<br />
„Jede von uns hat ihre Geschichte und wir bringen sie in jedem Augenblick des Lebens in<br />
vielfältiger Weise z<strong>um</strong> Ausdruck. Z<strong>um</strong> Beispiel durch unsere unterschiedlichen<br />
Lebenswelten, <strong>die</strong> sich in einem Wechselspiel komplexer struktureller gesellschaftlicher und<br />
kultureller Beziehungsgeflechte gestalten. Wir machen daher „unsere Geschichte zwar nicht<br />
(nur) aus freien Stücken, aber wir machen sie selbst“ (Rosa Luxemburg). 92<br />
Die Motivierung für meine Diplomarbeit ein geschichtliches Thema auf<strong>zu</strong>greifen, ergab sich<br />
aus meinem Wunsch mein Wissen in möglichst vielen Disziplinen <strong>zu</strong> erweitern. Und mit <strong>der</strong><br />
Lebensgeschichte von Olympe de Gouges stand plötzlich eine Frau vor mir, <strong>der</strong>en Leben in so<br />
vielen Facetten schimmerte, so dass ich an meine eigene Begeisterungsfähigkeit erinnert<br />
wurde. Gleichzeitig wurde mir durch das Studi<strong>um</strong> ermöglicht, vieles über <strong>die</strong>se Frau und <strong>die</strong><br />
da<strong>zu</strong>gehörigen historischen Zusammenhänge aus feministischer Sichtweise <strong>zu</strong> erfahren. Mich<br />
interessierte ihre Lebensgeschichte im Zusammenhang mit all den politischen und<br />
philosophischen Strömungen <strong>die</strong>ser Zeit und <strong>die</strong> Frage, war<strong>um</strong> wird letztendlich <strong>die</strong><br />
Todesstrafe gegen eine Frau verhängt, <strong>die</strong> jahrelang für <strong>die</strong>se Gemeinschaft Frankreich und<br />
<strong>die</strong> Revolution gekämpft hat. Inwiefern hat sie durch ihre Positionierung, <strong>die</strong> biologische<br />
Geschlechterdifferenz in ein Recht <strong>zu</strong> fassen und <strong>die</strong>ses Recht ein<strong>zu</strong>for<strong>der</strong>n, gegen <strong>die</strong> Inhalte<br />
<strong>der</strong> Revolution verstoßen, wer wollte sie und jede Frau so gering sehen, dass man(n) sie<br />
entmachtete? Und war<strong>um</strong> durften <strong>die</strong> neu geschaffenen Menschenrechte nicht auch für <strong>Frauen</strong><br />
gelten ? Was sagt Olympe de Gouges uns <strong>Frauen</strong> heute, was sie durch ihre Schriften<br />
hinterlassen hat, was ich an<strong>der</strong>e <strong>Frauen</strong> wissen lassen muss? Nachdem sie so lange<br />
91 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, Textsammlung I, Vorwort<br />
92 ebenda<br />
39
totgeschwiegen wurde, so wie viele an<strong>der</strong>e <strong>Frauen</strong> in Angst versetzt und belassen wurden, ist<br />
es auch mir wichtig geworden, meinen Teil <strong>zu</strong> ihrem Bekanntwerden bei<strong>zu</strong>tragen.<br />
Es war mir wichtig heraus<strong>zu</strong>finden, dass Olympe de Gouges sich nicht in eine Opferrolle<br />
begeben hat, son<strong>der</strong>n aktiv am politischen Leben teilgenommen hat, <strong>um</strong> mit ihren Fähigkeiten<br />
ein Gleichgewicht in den so aufgewühlten Jahren <strong>der</strong> Revolution <strong>zu</strong> schaffen. Dass sie sich<br />
während <strong>der</strong> Vorbereitungsarbeit für ihre Deklaration <strong>der</strong> Frau und Bürgerin <strong>der</strong><br />
Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch ein soziales Gefüge und Netz sicher sein konnte. Und, dass sie den Mut<br />
hatte, <strong>die</strong> herrschende, politische Mehrheit <strong>zu</strong> reizen und ihr entgegen <strong>zu</strong> treten bzw. entgegen<br />
<strong>zu</strong> schreiben im Sinne ihres Idealismus. Denn <strong>die</strong> großen zentralen Themen ihrer Werke<br />
galten dem Patriotismus, <strong>der</strong> Gleichheit und Gleichberechtigung und den<br />
Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen.<br />
Sie erkannte als eine <strong>der</strong> ersten, dass <strong>die</strong> neue geschriebene Verfassung nicht für alle gelten<br />
sollte, denn „<strong>die</strong> Hälfte“ <strong>der</strong> französischen Bevölkerung, nämlich <strong>der</strong> weibliche Anteil,<br />
verblieb weiterhin in <strong>der</strong> Abhängigkeit aller Männer und somit rechtlos in <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />
Wie wichtig es ist, Bedürfnisse einzelner und ganzer Gruppen als Gebot in Recht <strong>zu</strong><br />
formulieren <strong>zu</strong> verankern und durch Recht Verbote gegen willkürlich Herrschende <strong>zu</strong><br />
vollziehen, wurde von Olympe de Gouges frühzeitig erkannt. Und ich glaube, dass wir von<br />
<strong>die</strong>ser Frau jede Menge lernen können: vor allem politisches Selbstbewusstsein, Zivilcourage,<br />
Leidenschaft für den Gegenstrom und Sehnsucht nach Identität. Ihr kulturelles Erbe, das sie<br />
uns hinterlassen hat, ist weiterhin von immenser Bedeutung, denn ihr persönlicher Lebensweg<br />
zeigt uns wie wichtig es ist, ungeachtet patriarchal-dominanter Strukturen aktiv und somit<br />
„heldinnenhaft“ das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit ein<strong>zu</strong>for<strong>der</strong>n.<br />
4.2 <strong>Frauen</strong> als Heldinnen<br />
In Deutschland gibt es seit dem Jahr 2001 <strong>die</strong> Vergabe des Olympe-de-Gouges-Preises durch<br />
<strong>die</strong> Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer <strong>Frauen</strong> an <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> nach Meinung <strong>der</strong><br />
Preisverleiherinnen durch ihren Mut und ihre Unerschrockenheit im Kampf <strong>um</strong> <strong>Frauen</strong>- und<br />
Menschenrechte <strong>zu</strong> Heldinnen geworden sind.<br />
40
Am 9.3.2008 wurde <strong>die</strong>ser Preis an <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechtlerin und Autorin Serap Cileli vergeben, in<br />
Würdigung und Danksagung an ihren Einsatz gegen <strong>die</strong> Zwangsverheiratung und gegen<br />
Ehrenmorde, weswegen ich an <strong>die</strong>ser Stelle ein Gedicht <strong>der</strong> Autorin einfüge. 93<br />
Frei sein<br />
Leben möchte ich ohne Angst,<br />
frei ohne Gewalt.<br />
Frei sein ohne Ketten,<br />
frei, <strong>um</strong> ja o<strong>der</strong> nein <strong>zu</strong> sagen.<br />
Frei, <strong>um</strong> meine Schwächen <strong>zu</strong> zeigen,<br />
weil auch du nicht fehlerfrei bist,<br />
so frei, <strong>um</strong> Gefühle geben <strong>zu</strong> können, ohne Zwang ohne Scham.<br />
Frei sein von Tränen aus Trauer,<br />
möchte ich lachen, wie so manches Kind aus <strong>der</strong> Seele.<br />
Trä<strong>um</strong>e trä<strong>um</strong>en und kein Albtra<strong>um</strong> mehr.<br />
Leben möchte ich in unbegrenzter Freiheit,<br />
frei <strong>um</strong> Wege <strong>zu</strong> gehen, ohne gebunden <strong>zu</strong> sein.<br />
Frei leben und nicht gelebt werden,<br />
frei und<br />
ohne Gewalt, dass es an<strong>der</strong>en Mut macht.<br />
Serap Cileli, 18.10.2002 94<br />
Die Autorin und Feministin Serap Cileli kam mit ihrer Familie 1974 aus dem türkischen<br />
Ardana nach Deutschland und wurde mit 15 Jahren in <strong>die</strong> Türkei zwangsverheiratet. Nach 7<br />
Jahren Zwangsehe konnte sie nach Deutschland fliehen. Seit damals widmet sie ihre<br />
politische Arbeit <strong>der</strong> Betreuung von muslimischen und türkischen <strong>Frauen</strong> und Mädchen in<br />
ganz Europa und veröffentlichte <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem Thema bereits zahlreiche Gedichte und Romane.<br />
Ihr neuestes Buch wird im Oktober 2008 erscheinen und trägt den Titel: „Eure Ehre – unser<br />
Leid, „Zwangsverheiratung ist Vergewaltigung auf Lebensdauer“.<br />
93 www.spiegel.de/politik Zugriff am 26.5.2008<br />
94 www.serap-cileli.de Zugriff am 26.5.2008<br />
41
Beiden <strong>Frauen</strong> waren und sind sich mit Sicherheit <strong>der</strong> Gefahren und <strong>der</strong> möglichen<br />
Konsequenzen für ihr wi<strong>der</strong>ständiges Verhaltens bewusst und ließen sich trotz ihrer<br />
Rechtlosigkeit nicht einschüchtern. Ihre innere Überzeugung hinsichtlich ihres Anliegens,<br />
auch ihr Glaube, sowie ihr politisches Bewusstsein und ihre persönliche Betroffenheit, <strong>die</strong><br />
Solidarität und <strong>die</strong> Freundschaft <strong>zu</strong> Gleichgesinnten ließen sie <strong>die</strong> Angst überwinden und<br />
Wi<strong>der</strong>stand gegen <strong>die</strong> politischen und privaten Gewaltstrukturen leisten.<br />
Heldinnen sind <strong>Frauen</strong> wie Olympe de Gouges und Serap Cileli, durch <strong>die</strong> wir auch den<br />
Zugang <strong>zu</strong>r <strong>Frauen</strong>geschichte, <strong>die</strong> sich nicht als Herrschaftsgeschichte definiert, finden.<br />
Heldinnen sind mutige und unabhängige <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> Geschichte haben, so wie wir selbst –<br />
jede Frau von uns – eine Geschichte hat. Die Leistungen aller berühmten Rebellinnen, aller<br />
<strong>die</strong> in Vereinigungen Wi<strong>der</strong>stand leisten und leisteten und all jene <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> anonym aktiv<br />
gegen jede Art von Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen gekämpft haben, zeigen uns, dass es immer<br />
möglich war und ist, mit motiviertem Wi<strong>der</strong>stand gegen bestehende Unterdrückung <strong>zu</strong><br />
kämpfen.<br />
Doch sind nicht auch jene Alltagsfrauen Heldinnen, wie <strong>die</strong> tausenden Versorgungsfrauen,<br />
Mütter, Ehefrauen, Marktfrauen, <strong>die</strong> am 5.und 6. Oktober 1789 von dem Arbeiterdorf St.<br />
Antoine bei Paris über das Rathaus von Paris nach Versailles marschierten, <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />
Versorgung mit Nahrungsmitteln für ihre Familien beim König <strong>zu</strong> erkämpfen und <strong>zu</strong> sichern.<br />
Bewaffnet mit Waffen aus dem Rathaus wurden sie auf ihrem Weg - nach und nach - von<br />
Männern und <strong>Frauen</strong> aus allen Ständen begleitet <strong>um</strong> <strong>der</strong> Nationalversammlung <strong>die</strong><br />
For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> überbringen. Und <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> waren erfolgreich, denn <strong>der</strong><br />
französische König unterzeichnete noch am Abend des 5. Oktober 1789 zwei entscheidende<br />
Dekrete betreffend <strong>die</strong> Sicherung <strong>der</strong> Getreideversorgung für Paris und <strong>die</strong> Zusicherung, <strong>die</strong><br />
Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und Bürgerrechte ohne Bedingungen <strong>zu</strong> unterschreiben. 95<br />
4.3 „... <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong> ...“ und role models heute<br />
Olympe de Gouges verankerte in ihrer Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin <strong>die</strong><br />
unveräußerlichen Ansprüche <strong>der</strong> Frau auf Anerkennung als würdevolles, eigenständiges<br />
95 Kuhn Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />
des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht, S. 86, 87<br />
42
menschliches Wesen, das dem Mann auf allen Ebenen ebenbürtig ist. 96 Ihre Eigenständigkeit<br />
konnte Olympe de Gouges unter Beweis stellen, denn ihr temperamentvoller und rebellischer<br />
Charakter ließ sie ohne jeden Zweifel ein durchaus emanzipiertes Leben führen. Sie<br />
verweigerte nach ihrer leidvollen Ehe eine weitere eheliche Bindung und begab sich bewusst<br />
nicht mehr in <strong>die</strong> Hand eines Mannes von dem sie geistig, körperlich und ökonomisch<br />
abhängig war. 97 Der dadurch erhaltene persönliche Freira<strong>um</strong> half ihre Zielset<strong>zu</strong>ngen klar und<br />
eindeutig <strong>zu</strong> formulieren. Im Laufe ihres Lebens entschied sie selbst, was für sie richtig war<br />
und sie äußerte sich angriffslustig und aufgeklärt <strong>zu</strong> allen großen Themen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und<br />
Menschenrechte wie Bildung, Beruf, Gleichberechtigung und Wi<strong>der</strong>stand für <strong>Frauen</strong> und<br />
Sklaverei. Als gleichberechtigten Teil einer Gesellschaft verstand sie sich, in <strong>der</strong> sie <strong>zu</strong>r<br />
Unabhängigkeit von eingrenzenden Rollenmustern aufrief.<br />
Olympe de Gouges ist eine von jenen <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> eine für uns unvergessliche<br />
Lebensgeschichte hat, da sie bereit war, ihre Erkenntnisse und For<strong>der</strong>ungen <strong>zu</strong> veröffentlichen<br />
und in eine Rolle geschlüpft war, <strong>die</strong> es uns heute ermöglicht, sie selbst als role model in eine<br />
Reihe mit unseren mo<strong>der</strong>nen Philosophinnen wie etwa Simone de Beauvoir, <strong>zu</strong> stellen.<br />
Zwischen <strong>die</strong>sen beiden <strong>Frauen</strong> liegen etwa 150 Jahre, in denen zwar grundlegende<br />
Verän<strong>der</strong>ungen wie das Wahlrecht für <strong>Frauen</strong> verfassungsmäßig verankert wurde, doch <strong>die</strong><br />
Abwehr <strong>der</strong> bürgerlichen Werte, <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> in ihrer Denk- und Handlungsfähigkeit<br />
einschränken und unterdrücken, ist <strong>die</strong>sen beiden Feministinnen noch immer gemeinsames<br />
Thema.<br />
Auch Simone de Beauvoir führte ein Leben, das sich für uns als Modell angeboten hat und<br />
weiterhin anbietet. Als Schriftstellerin, Philosophin und Feministin des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
kämpfte sie ihr ganzes Leben lang gegen Unterdrückung und Gewalt. Sie gilt als eine <strong>der</strong><br />
Begrün<strong>der</strong>innen des Feminismus nach 1968.<br />
In ihrem 1949 erschienenen Buch Das an<strong>der</strong>e Geschlecht vertritt sie <strong>die</strong> These, dass <strong>die</strong><br />
Unterdrückung <strong>der</strong> Frau im Patriarchat gesellschaftlich bedingt sei: „Man wird nicht als Frau<br />
geboren, man wird es“. <strong>Frauen</strong> sind von den Männern z<strong>um</strong> „An<strong>der</strong>en Geschlecht“ gemacht<br />
worden. Das bedeutet nach Simone de Beauvoir, dass sich <strong>der</strong> Mann als das Absolute, das<br />
Essentielle, das Subjekt setzt, während <strong>der</strong> Frau <strong>die</strong> Rolle <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en, des Objekts<br />
<strong>zu</strong>gewiesen wird. Sie wird immer in Abhängigkeit vom Mann definiert. Deshalb hat sie mit<br />
96 <strong>Frauen</strong>rechte-Menschenrechte: Vom Tra<strong>um</strong> <strong>zu</strong>r Wirklichkeit (2002), Horizont 3000, S. 17<br />
97 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, Textsammlung I,<br />
Vorwort,<br />
43
stärkeren Konflikten <strong>zu</strong> kämpfen als <strong>der</strong> Mann. Wenn sie ihrer „Weiblichkeit gerecht werden<br />
will, muss sie sich mit einer passiven Rolle begnügen, <strong>die</strong>s steht aber ihrem Wunsch<br />
entgegen, sich als freies Subjekt durch Aktivität selbst <strong>zu</strong> entwerfen“. 98<br />
Simone de Beauvoir engagierte sich gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Jean-Paul Satre<br />
gegen den Vietnam- und Algerienkrieg, stellte sich ab den 1970er Jahren <strong>der</strong> internationalen<br />
<strong>Frauen</strong>bewegung <strong>zu</strong>r Verfügung und trat als eine <strong>der</strong> Ersten für <strong>die</strong> Straffreiheit <strong>der</strong><br />
Abtreibung ein. 99<br />
Im Gegensatz <strong>zu</strong> Olympe de Gouges konnte Simone de Beauvoir Anerkennung und Ruhm<br />
erlangen, solange sie noch lebte. Doch auch sie blieb nicht verschont von Kritik und<br />
Anfeindungen aus allen politischen Lagern.<br />
98 http://de.wikipedia.org/wiki/Simone_de_Beauvoir, Zugriff am 21.5.2008<br />
99 www.literaturkritik.de/public Zugriff vom 19.2.2008<br />
44
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http://de.wikipedia.org/wiki/Olympe- de_ Gouges (26.4.2007)<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Simone_de_Beauvoir (21.5.2008)<br />
45
Code of Honour:<br />
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich <strong>die</strong> vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe<br />
verfasst, an<strong>der</strong>e als <strong>die</strong> angegebenen Quellen nicht benutzt und <strong>die</strong> den benutzten Quellen<br />
wörtlich o<strong>der</strong> inhaltlich entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe.<br />
Purkersdorf, 8. Juni 2008<br />
Gabriele Eisenriegler- Bunyai<br />
46
Anhang<br />
<strong>Frauen</strong>rechte 1791<br />
Artikel 1: Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten. Die<br />
sozialen Unterschiede können nur im allgemeinen Nutzen begründet sein.<br />
Artikel 2: Ziel und Zweck jedes politischen Zusammenschlusses ist <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> natürlichen<br />
und unveräußerlichen Rechte sowohl <strong>der</strong> Frau als auch des Mannes. Diese Rechte sind:<br />
Freiheit, Sicherheit, das Recht auf Eigent<strong>um</strong> und beson<strong>der</strong>s das Recht auf Wi<strong>der</strong>stand gegen<br />
Unterdrückung.<br />
Artikel 3: Das Prinzip je<strong>der</strong> Herrschaft ruht wesentlich in <strong>der</strong> Nation, <strong>die</strong> nichts an<strong>der</strong>es<br />
darstellt als eine Vereinigung von <strong>Frauen</strong> und Männern. Keine Körperschaft und keine<br />
einzelne Person kann Macht ausüben, <strong>die</strong> nicht ausdrücklich daraus hervorgeht.<br />
Artikel 4: Freiheit und Gerechtigkeit bestehen darin, den an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>geben, was ihnen<br />
<strong>zu</strong>steht. So wird <strong>die</strong> Frau an <strong>der</strong> Ausübung ihrer natürlichen Rechte nur durch <strong>die</strong><br />
fortdauernde Tyrannei, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Mann ihr entgegensetzt, gehin<strong>der</strong>t. Diese Schranken müssen<br />
durch Gesetze <strong>der</strong> Natur und Vernunft revi<strong>die</strong>rt werden.<br />
Artikel 5: Die Gesetze <strong>der</strong> Natur und Freiheit wehren alle Handlungen von <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
ab, <strong>die</strong> ihr schaden könnten. Alles, was durch <strong>die</strong>se weisen und göttlichen Gesetze nicht<br />
verboten ist, darf nicht behin<strong>der</strong>t werden, und niemand darf gezwungen werden, etwas <strong>zu</strong> tun,<br />
was <strong>die</strong>se Gesetze nicht ausdrücklich vorschreiben.<br />
Artikel 6: Das Gesetz sollte Ausdruck des allgemeinen Willens sein. Alle Bürgerinnen und<br />
Bürger sollen persönlich o<strong>der</strong> durch ihre Vertreter an seiner Gestaltung mitwirken. Es muss<br />
für alle das gleiche sein. Alle Bürgerinnen und Bürger, <strong>die</strong> gleich sind vor den Augen des<br />
Gesetzes, müssen gleichermaßen nach ihren Fähigkeiten, ohne an<strong>der</strong>e Unterschiede als <strong>die</strong><br />
ihrer Tugenden und Talente, <strong>zu</strong> allen <strong>Würde</strong>n, Ämtern und Stellungen im öffentlichen Leben<br />
<strong>zu</strong>gelassen werden.<br />
47
Artikel 7: Für <strong>Frauen</strong> gibt es keine Son<strong>der</strong>rechte: sie werden verklagt, in Haft genommen und<br />
gefangengehalten, in den durch das Gesetz bestimmten Fällen. <strong>Frauen</strong> unterstehen wie<br />
Männer den gleichen Strafgesetzen.<br />
Artikel 8: Das Gesetz soll nur Strafen verhängen, <strong>die</strong> un<strong>um</strong>gänglich und offensichtlich<br />
notwendig sind, und niemand darf bestraft werden, es sei denn kraft eines rechtsgültigen<br />
Gesetzes, das bereits vor <strong>der</strong> Tat in Kraft war, und das legal auf <strong>Frauen</strong> angewandt wird.<br />
Artikel 9: Gegenüber je<strong>der</strong> Frau, <strong>die</strong> für schuldig befunden wurde, muss das Gesetz mit<br />
großer Strenge angewendet werden.<br />
Artikel 10: Niemand darf wegen seiner Meinung, auch wenn sie grundsätzlicher Art ist,<br />
verfolgt werden. Die Frau hat das Recht, das Schafott <strong>zu</strong> besteigen. Sie muss gleichermaßen<br />
das Recht haben, <strong>die</strong> Tribüne <strong>zu</strong> besteigen, vorausgesetzt, dass ihre Handlungen und<br />
Äußerungen <strong>die</strong> vom Gesetz gewahrte öffentliche Ordnung nicht stören.<br />
Artikel 11: Die freie Gedanken- und Meinungsäußerung ist eines <strong>der</strong> kostbarsten Rechte <strong>der</strong><br />
Frau, denn <strong>die</strong>se Freiheit garantiert <strong>die</strong> Vaterschaft <strong>der</strong> Väter an ihren Kin<strong>der</strong>n. Jede Bürgerin<br />
kann folglich in aller Freiheit sagen: “Ich bin <strong>die</strong> Mutter eines Kindes, das du gezeugt hast“,<br />
ohne dass ein barbarisches Vorurteil sie zwingt, <strong>die</strong> Wahrheit <strong>zu</strong> verschleiern. Dadurch soll<br />
ihr nicht <strong>die</strong> Verantwortung für den Missbrauch <strong>die</strong>ser Freiheit in den durch Gesetz<br />
bestimmten Fällen abgenommen werden.<br />
Artikel 12: Ein höherer Nutzen erfor<strong>der</strong>t <strong>die</strong> Garantie <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin.<br />
Diese Garantie soll z<strong>um</strong> Vorteil aller, und nicht z<strong>um</strong> persönlichen Vorteil <strong>der</strong>jenigen <strong>die</strong>nen,<br />
denen <strong>die</strong>se Rechte anvertraut sind.<br />
Artikel 13: Für den Unterhalt <strong>der</strong> Polizei und für <strong>die</strong> Verwaltungskosten werden von <strong>der</strong> Frau<br />
wie vom Manne gleiche Beträge gefor<strong>der</strong>t. Hat <strong>die</strong> Frau teil an allen Pflichten und Lasten,<br />
dann muss sie ebenso teilhaben an <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Posten und Arbeiten, in nie<strong>der</strong>en und<br />
hohen Ämtern und im Gewerbe.<br />
Artikel 14: Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, selbst o<strong>der</strong> durch ihre<br />
Repräsentanten über <strong>die</strong> jeweilige Notwendigkeit <strong>der</strong> öffentlichen Beiträge <strong>zu</strong> befinden. Die<br />
48
Bürgerinnen können dem Prinzip, Steuern in gleicher Höhe aus ihrem Vermögen <strong>zu</strong> zahlen,<br />
nur dann beipflichten, wenn sie an <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung teilhaben und <strong>die</strong> Steuern,<br />
ihre Verwendung, ihre Einziehung und Zeitdauer mit festsetzen.<br />
Artikel 15: <strong>die</strong> weibliche Bevölkerung, <strong>die</strong> gleich <strong>der</strong> männlichen Beiträge leistet, hat das<br />
Recht, von je<strong>der</strong> öffentlichen Instanz einen Rechenschaftsbericht <strong>zu</strong> verlangen.<br />
Artikel 16: Eine Gesellschaft, in <strong>der</strong> <strong>die</strong> Garantie <strong>der</strong> Rechte nicht gesichert und <strong>die</strong> Trennung<br />
<strong>der</strong> Gewalten nicht festgelegt ist, hat keine Verfassung. Die Verfassung ist null und nichtig,<br />
wenn <strong>die</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Individuen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Nation darstellen, an ihrem Zustandekommen nicht<br />
mitgewirkt hat.<br />
Artikel 17: Das Eigent<strong>um</strong> gehört beiden Geschlechtern vereint o<strong>der</strong> einzeln. Jede Person hat<br />
darauf ein unverletzliches und heiliges Anrecht. Niemandem darf es als wahres Erbteil <strong>der</strong><br />
Nation vorenthalten werden, es sei denn, eine öffentliche Notwendigkeit, <strong>die</strong> gesetzlich<br />
festgelegt ist, mache es augenscheinlich erfor<strong>der</strong>lich, jedoch unter <strong>der</strong> Vorausset<strong>zu</strong>ng einer<br />
gerechten und vorher festgesetzten Entschädigung.<br />
49