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um die Würde der Frauen zu heben..... - Verband Wiener Volksbildung

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Feministisches Grundstudi<strong>um</strong> V<br />

Lehrgang universitären Charakters<br />

6. Diplomlehrgang<br />

Jänner 2006 bis Dezember 2007<br />

„.... <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong>...“<br />

Autorin, Politikerin und philosophische Feministin,<br />

Olympe de Gouges, <strong>die</strong> „Femme Auteur“<br />

Verfasserin : Gabriele Eisenriegler-Bunyai<br />

Erstbegutachtung: Dr.in Ursula Kubes-Hofmann<br />

Zweitbegutachtung: Dipl. Päd. Verena Bruchhagen<br />

Abgabetermin: 30. Mai 2008<br />

Rosa-Mayre<strong>der</strong>-College, Wien<br />

Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, Strobl/OÖ<br />

VHS-Ottakring, Wien<br />

0


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung .................................................................................................................................. 2<br />

Historischer Hintergrund <strong>der</strong> französischen Revolution ..................................................... 5<br />

1 Historische Lebensgeschichte............................................................................................... 9<br />

Olympe de Gouges (7.5.1748 – 3.11.1793).............................................................................. 9<br />

1.1 Kindheit und Jugend .........................................................................................................9<br />

1.2 Bildung und Beruf........................................................................................................... 11<br />

1.3 Soziale Kontakte und Umfeld......................................................................................... 14<br />

1.4 Anerkennung als Schriftstellerin und Autorin ................................................................ 16<br />

2 Philosophischer und politischer Hintergrund .................................................................. 22<br />

2.1 <strong>Frauen</strong>bild <strong>der</strong> Epoche .................................................................................................... 22<br />

2.2 Ablehnung des feministischen Ansatzes durch <strong>die</strong> Revolutionäre ................................. 25<br />

2.3 Die <strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration von Olympe de Gouges .................................................... 27<br />

3 Bedeutung Olympe de Gouges in <strong>der</strong> Gegenwart ........................................................... 31<br />

3.1 Aktualität ist immer noch gegeben ................................................................................. 31<br />

3.1.1 Terre des Femmes ........................................................................................................ 32<br />

3.2 Gesetzliche Grundlagen als Vorausset<strong>zu</strong>ng und Absicherung <strong>der</strong> Gleichberechtigung. 33<br />

4 Zusammenfassung...............................................................................................................39<br />

4.1 Jede Frau hat Geschichte ................................................................................................ 39<br />

4.2 <strong>Frauen</strong> als Heldinnen ...................................................................................................... 40<br />

4.3 „... <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong> ...“ und role models heute ................................ 42<br />

Literaturverzeichnis............................................................................................................... 45<br />

Anhang .................................................................................................................................... 47<br />

1


Einleitung<br />

Auf <strong>der</strong> Historienreise in <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>geschichte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts bis <strong>zu</strong>r Mo<strong>der</strong>ne lernte<br />

ich im Lehrgang des Feministischen Grundstudi<strong>um</strong>s, Lehrgang 5, im Basismodul I –<br />

Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I), bei Frau Dr.in Ursula Kubes-<br />

Hofmann, Lehrgangsleiterin, <strong>die</strong> mir bis dahin völlig unbekannte Olympe de Gouges kennen<br />

und machte mich mit ihrer Lebensgeschichte vertraut.<br />

Im Bemühen, <strong>die</strong> Geschichte Olympe de Gouges im Kontext philosophischer und politischer<br />

Hintergründe <strong>zu</strong> verstehen und <strong>zu</strong> begreifen, welchen Einfluss und welche Bedeutung <strong>die</strong><br />

Arbeit einer Feministin aus <strong>der</strong> Epoche <strong>der</strong> beginnenden Aufklärung heraus aus dem<br />

französischen Absolutismus für uns noch immer hat, veranlasste mich, <strong>die</strong> Lebensgeschichte<br />

<strong>die</strong>ser außergewöhnlichen Frau mittels einer Literaturrecherche so <strong>um</strong>fangreich wie möglich<br />

<strong>zu</strong> erforschen. Wichtig war für mich, das Zustandekommen und <strong>die</strong> Bedeutung ihrer Werke,<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und Bürgerinnenrechte, für unsere weibliche<br />

Gegenwart auch im Hinblick auf <strong>die</strong> aktuelle soziale und politische Arbeit von Feministinnen<br />

als weiteres Thema in meine Diplomarbeit auf<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Die Aufgabe bestand darin, aus ihrer Welt in unsere Gegenwart über<strong>zu</strong>leiten und <strong>der</strong> Frage<br />

nach<strong>zu</strong>gehen, welchen Wert ihr Engagement in Fragen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte, <strong>der</strong><br />

Gleichberechtigung und <strong>der</strong> Nichtdiskriminierung für uns heute darstellt. Was lernen wir<br />

mo<strong>der</strong>nen <strong>Frauen</strong> von Olympe de Gouges und wie können wir ihr Wissen positiv integrieren?<br />

Die Fragen, <strong>die</strong> sich aus <strong>die</strong>ser Bearbeitung ergaben, betrafen einerseits den Menschen<br />

Olympe de Gouges, <strong>die</strong> im Zeitalter des Ancien Regime geboren wurde. An<strong>der</strong>erseits betrafen<br />

meine Fragen <strong>die</strong> von Olympe de Gouges gehegten Hoffnungen auf große Verän<strong>der</strong>ungen<br />

durch <strong>die</strong> Französische Revolution: persönliche Freiheit und Unabhängigkeit, für <strong>die</strong><br />

Gleichberechtigung, <strong>die</strong> Égalite <strong>der</strong> Geschlechter und eine Beendigung <strong>der</strong> Sklaverei. Und sie<br />

kämpfte für <strong>die</strong>se Hoffnungen mit mo<strong>der</strong>nen Mitteln wie <strong>der</strong> Veröffentlichung von Schriften.<br />

Anhand ihrer Lebensgeschichte galt es auch heraus<strong>zu</strong>finden, mit welchen Schwierigkeiten<br />

und Hin<strong>der</strong>nissen Olympe de Gouges konfrontiert wurde:<br />

Z<strong>um</strong> Bespiel mit Migrationsproblemen. Denn in Paris, wo sie als junge verwitwete Migrantin<br />

mit ihrem Sohn und ohne entsprechende Sprachkenntnisse ankam, musste sie ihr Leben neu<br />

organisieren, ohne ihren Lebensunterhalt selbst ver<strong>die</strong>nen <strong>zu</strong> dürfen.<br />

2


O<strong>der</strong>, wie sie erfahren musste, dass ihr leiblicher Vater einer von jenen Aristokraten war, <strong>der</strong><br />

sich <strong>um</strong> seine außerehelichen Kin<strong>der</strong> nicht <strong>zu</strong> kümmern und sorgen brauchte. Folglich musste<br />

er sie auch nicht als Tochter anerkennen, wodurch Olympe de Gouges rechtlos blieb, vor<br />

allem in Zusammenhang mit dem Erbrecht.<br />

All <strong>die</strong>se Erfahrungen feilten <strong>die</strong> Persönlichkeit <strong>die</strong>ser faszinierenden Frau dahingehend, dass<br />

sie mit ihrer Lebensgeschichte als Heldin in <strong>die</strong> Geschichte einzieht, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mängel in ihrem<br />

Leben mit den vorgegebenen Möglichkeiten vergleicht und davon überzeugt ist, dass ihr<br />

Handeln eine entscheidende Wende auch im gesellschaftlichen Bereich bewirkt.<br />

Für mich ist Olympe de Gouges eine Heldin <strong>der</strong> französischen Revolution, da sie unangepasst<br />

und abweichend von gesellschaftliche Normen bereits Geschichte geschrieben hat. Denn sie<br />

erkannte als eine <strong>der</strong> ersten, dass <strong>die</strong> neue geschriebene Verfassung aller Franzosen für alle<br />

Franzosen nicht für alle gelten sollte, denn „<strong>die</strong> Hälfte“ <strong>der</strong> französischen Bevölkerung,<br />

nämlich <strong>der</strong> weibliche Anteil, sollte weiterhin in <strong>der</strong> Abhängigkeit aller Männer und somit<br />

rechtlos verhaftet bleiben.<br />

Wie wichtig es ist, Bedürfnisse einzelner und ganzer Gruppen als Gebot in Recht <strong>zu</strong><br />

formulieren, <strong>zu</strong> verankern und durch Recht Verbote gegen willkürlich Herrschende <strong>zu</strong><br />

vollziehen, wurde von Olympe de Gouges frühzeitig erkannt und in ihrer<br />

<strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration dok<strong>um</strong>entiert. Die <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> französischen Revolution befanden<br />

sich eine Zeit lang in einer gemeinsamen Bewegung wie ka<strong>um</strong> <strong>zu</strong>vor und sie erhofften sich<br />

Gehör und rechtlich abgesicherte Anerkennung <strong>zu</strong> verschaffen in <strong>der</strong> revolutionären<br />

Aufbruchsstimmung am Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Viele <strong>Frauen</strong> aus dem gehobenen Bürgert<strong>um</strong> und des liberalen Adels, aber auch <strong>Frauen</strong> aus<br />

dem sogenannten Dritten Stand veröffentlichten ihre Schriften, Briefe und Abhandlungen z<strong>um</strong><br />

Teil anonym o<strong>der</strong> unter einem männlichen Pseudonym, <strong>um</strong> dem Druck <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>zu</strong><br />

entgehen. Gleichberechtigung, das Recht auf Bildung, Beruf und Wahlrecht, auf freie<br />

Meinungsäußerung, auf Besitz, auf Scheidung, und <strong>Frauen</strong>rechte im Allgemeinen, <strong>die</strong> sich<br />

durch alle Bildungsschichten zogen, mussten gegen heftige Wi<strong>der</strong>stände erst erkämpft<br />

werden. Diesen Hin<strong>der</strong>nissen stellte sich Olympe de Gouges ihren Gegnern herausfor<strong>der</strong>nd<br />

und mutig, indem sie unter ihre Werke ihren eigenen Namen setzte.<br />

Gut, dass <strong>die</strong> französische Revolution weit hinter uns liegt und wir geraten dabei in<br />

Versuchung <strong>zu</strong> denken, dass uns all <strong>die</strong>se Ungerechtigkeit nie wie<strong>der</strong> passieren kann. Doch<br />

<strong>die</strong> Arbeit <strong>der</strong> deutschen Organisation Terre de Femmes zeigt uns, wie wichtig das Kämpfen<br />

<strong>um</strong> <strong>Frauen</strong>- und Menschenrechte auf <strong>der</strong> ganzen Welt weiterhin ist, unter ständiger Angst<br />

3


<strong>um</strong>´s Überleben. Denn <strong>die</strong> Gewaltakte an <strong>Frauen</strong> durch aktuelle Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen<br />

wie Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen, Genitalverstümmelungen und Vergewaltigung als<br />

strategische Maßnahme in Kriegsereignissen bedrohen weiterhin unsere Vorstellung von<br />

Zivilisation und erfor<strong>der</strong>n eine aktive Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng und politisches Engagement.<br />

Role Models in <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>geschichte sind <strong>Frauen</strong> wie Olympe de Gouges, Serap Cileli und<br />

Simone de Beauvoir, durch <strong>die</strong> wir den Zugang <strong>zu</strong>r <strong>Frauen</strong>geschichte, <strong>die</strong> sich nicht als<br />

Herrschaftsgeschichte definiert, finden. Es sind mutige und unabhängige <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong><br />

Geschichte haben, so wie wir selbst – jede Frau von uns – eine Geschichte hat. All jene<br />

<strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> anonym gegen jede Art von Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen gekämpft haben und<br />

kämpfen, zeigen uns, dass es immer möglich war und ist, mit motiviertem Wi<strong>der</strong>stand gegen<br />

bestehende Unterdrückung <strong>zu</strong> kämpfen.<br />

4


Historischer Hintergrund <strong>der</strong> französischen Revolution<br />

Im Geburtsjahr von Olympe de Gouges herrschte <strong>der</strong> Absolutismus des „Ancien Regime“<br />

unter dem Bourbonen Ludwig XV in Frankreich. 1770 vermählte Ludwig XV seinen Enkel<br />

den Herzog von Berry und <strong>zu</strong>künftigen Ludwig XVI (1754-1793) mit <strong>der</strong> Erzherzogin Marie<br />

Antoinette, einer Tochter von Kaiserin Maria Theresia.<br />

Er war ein im Zeitalter des Barocks Musterbeispiel für einen Herrscher des Absolutismus. Die<br />

Menschen waren alle Untertanen, den Adeligen blieben jedoch soziale Vorrechte, <strong>die</strong><br />

Privilegien. Der Adel war von Steuern befreit, bekleidete hohe Posten in <strong>der</strong> Armee und <strong>der</strong><br />

Kirche und vor Gericht wurden sie besser behandelt als Nichtadelige. Der Prototyp <strong>der</strong><br />

Ständegesellschaft, aus dem Stand in den man hinein geboren wurde, fiel man nicht mehr<br />

heraus. 1<br />

Doch <strong>die</strong> Freigeister <strong>der</strong> Aufklärung hinterfragten den für sie ungerechten feudalen<br />

Ständestaat. Die finanzielle Misswirtschaft mit dem ungleichen Steuersystem, <strong>die</strong> Korruption<br />

<strong>der</strong> Verwaltung, <strong>die</strong> Willkürjustiz, da<strong>zu</strong> <strong>die</strong> von den Kriegen ausgebrannte Bevölkerung sowie<br />

Frivolität und Intrigen bei Hof führten <strong>die</strong> Revolutionäre aller Lager <strong>zu</strong> den Grundsätzen ihrer<br />

Bewegung: <strong>der</strong> Freiheit, <strong>der</strong> Gleichheit, <strong>der</strong> Rationalität, <strong>der</strong> Transparenz und <strong>der</strong> Moral 2 .<br />

Die französische Revolution lässt sich nach Eberhard Schmitt in 5 Phasen einteilen:<br />

Die erste Phase als <strong>die</strong> Phase <strong>der</strong> Pre-Revolution von 1787 bis 1788. Im August 1787 erfolgte<br />

<strong>der</strong> Teilstaatsbankrott <strong>der</strong> Krone, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Krone aus dem politischen Machtkampf<br />

ausschaltete. Am 8. August 1788 fand <strong>die</strong> Einberufung <strong>der</strong> Generalstände statt. In <strong>die</strong>ser<br />

Zeitspanne wurden <strong>die</strong> späteren Programme und Zielset<strong>zu</strong>ngen ausgearbeitet. Und <strong>die</strong>se<br />

konnten anlässlich <strong>der</strong> Wahlen <strong>zu</strong> den Generalständen von 1789 (5. Mai 1789) 3 in Versailles,<br />

bei denen es <strong>zu</strong> heftigen Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen zwischen den Vertretern des 3. Standes und<br />

dem König und den Adeligen kam, bereits vorhanden sein. In Paris fanden erste<br />

Arbeiterproteste statt, <strong>die</strong> auf Befehl des Königs gewaltsam nie<strong>der</strong>geschlagen wurden. Eine<br />

bewaffnete Bürgerwehr wurde <strong>zu</strong>sammengestellt und <strong>die</strong> Pariser Commune bildete sich <strong>zu</strong><br />

einer Art Gegenregierung. In weiterer Folge erklärte sich <strong>der</strong> 3. Stand im Juni 1789 <strong>zu</strong>r<br />

Nationalversammlung.<br />

1 wikipedia.org/wiki/Ancien, Zugriff am 9.8.2007<br />

2 Schmitt, Eberhart, Einführung in <strong>die</strong> französische Revolution (1980) S 50 ff.<br />

3 www.historia-universalis.de/historia_universalis/franzRev, Zugriff am 23.5.2008<br />

5


Die zweite Phase <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> konstitutionellen Monarchie nennt sich auch <strong>die</strong><br />

Revolution Bourgoise o<strong>der</strong> Revolution de la Liberté. Diese Phase von 1789 bis 1792 war <strong>die</strong><br />

erste Phase <strong>der</strong> eigentlichen Revolution. Konflikte zwischen dem Adel und dem 3. Stand im<br />

Kampf <strong>um</strong> <strong>die</strong> Abschaffung <strong>der</strong> Privilegien des 1. Standes entflammten in ganz Frankreich,<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Bauern kämpften in Südfrankreich <strong>um</strong> <strong>die</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Feudalherrschaft,<br />

gegen <strong>die</strong> Leibeigenschaft und gegen <strong>die</strong> Armut <strong>der</strong> bäuerlichen Landbevölkerung (Grande<br />

Peur), <strong>die</strong> auch <strong>zu</strong> Unruhen zwischen den Bauern und den Bürgern führte.<br />

Dann am 26.8.1789 erfolgte endlich <strong>die</strong> Verkündung <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und<br />

Bürgerrechte. Trotz <strong>der</strong> bestehenden Armut und Hungersnöte in Paris zeigte <strong>der</strong> König, Louis<br />

XVI, massiven Wi<strong>der</strong>stand gegen <strong>die</strong> neue Verfassung, weswegen es Anfang Oktober 1789<br />

<strong>zu</strong> dem Marsch <strong>der</strong> Pariser Marktfrauen nach Versailles kam, bei dem <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> das Schloss<br />

Versailles besetzten und schlussendlich den König und seine königliche Familie nach Paris<br />

„entführen“ konnten. Auch im Oktober 1789 gab es weiterhin Unruhen in Paris, <strong>die</strong> mittels<br />

Kriegsrecht von <strong>der</strong> Nationalversammlung, <strong>die</strong> gleichfalls nach Paris <strong>um</strong>gezogen war,<br />

nie<strong>der</strong>geschlagen wurden.<br />

Das Jahr 1790 wurde genutzt <strong>um</strong> Reformen <strong>zu</strong> gestalten, denn viele Probleme plagten ganz<br />

Frankreich, so <strong>die</strong> Staatsschulden, eine Neuordnung des Wahlrechtes und <strong>die</strong><br />

Bauernaufstände in Südfrankreich, und waren <strong>zu</strong> lösen sowie Fragen in Sachen neuer<br />

Bürgerrechte. Bereits im Sommer 1790 formierte sich <strong>die</strong> revolutionäre Pariser<br />

Volksbewegung <strong>der</strong> Sansculotten, <strong>die</strong> später im Jahre 1791 durch ihre Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen<br />

mit <strong>der</strong> Nationalversammlung und <strong>der</strong> Regierung an Bedeutung für <strong>die</strong> französische<br />

Revolution gewannen. Auf <strong>die</strong>sen Zusammenschluss wurde seitens <strong>der</strong> Nationalversammlung<br />

sofort reagiert und es wurde ein Koalitionsverbot für berufsständische Vereinigungen<br />

ausgesprochen, das einem Verbot von Arbeiterversammlungen gleichkam.<br />

Die verhin<strong>der</strong>te Flucht des Königs nach Varennes im Juni 1791 brachte eine neuerliche<br />

Wende in den Verlauf <strong>der</strong> Revolution, denn <strong>die</strong> königliche Flucht ließ den Ruf nach <strong>der</strong><br />

Abschaffung <strong>der</strong> Monarchie laut werden und schaffte wie<strong>der</strong> kämpferische<br />

Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen bis endlich im August <strong>die</strong> neue Nationalversammlung gewählt wurde<br />

und am 3.9.1791 <strong>die</strong> erste geschriebene Verfassung Frankreichs unterzeichnet wurde, auf <strong>die</strong><br />

<strong>der</strong> König seinen Eid leistete. In all <strong>die</strong>sen Jahren erfolgte <strong>die</strong> Umstrukturierung Frankreichs<br />

vom Ständestaat einer Monarchie <strong>zu</strong>r konstitutionellen Monarchie bzw. z<strong>um</strong> konstitutionellen<br />

Einheitsstaat.<br />

6


Diese Phase wurde 1792 bis 1794 abgelöst durch <strong>die</strong> Konventsherrschaft <strong>der</strong> Girondisten und<br />

Jakobiner. Diese Phase wird auch <strong>die</strong> Revolution Democratique o<strong>der</strong> Revolution de l´Égalite<br />

genannt. Und <strong>um</strong>fasste auch <strong>die</strong> Diktatur des Wohlfahrtsausschusses. Mit dem Terreur vom<br />

September 1793 bis Mai 1794 und dem Grande Terreur im Juni/Juli 1794, <strong>der</strong> am 27.7.1794<br />

(= 9. Thermidor des Jahres II) unter Robespierre und Saint Just <strong>zu</strong>sammenbrach. In <strong>die</strong>ser<br />

Phase stand Frankreich ganz im Einfluss des Krieges (seit 1792 gegen Europa). In <strong>die</strong>ser<br />

Zeitspanne setzte sich <strong>die</strong> Sansculottenbewegung mit ihren wirtschaftlichen, sozialen und<br />

politischen Ansprüchen durch. Vorerst übernahmen im Winter 1791 bis z<strong>um</strong> Frühjahr 1792<br />

<strong>die</strong> Girondisten <strong>die</strong> Herrschaft in <strong>der</strong> Nationalversammlung und in <strong>der</strong> Regierung. Am<br />

20.4.1792 erklärte <strong>die</strong> Nationalversammlung Österreich den Krieg. In ganz Frankreich gab es<br />

weiterhin Teuerungsunruhen und Bauernaufstände. Als <strong>der</strong> König einen Minister <strong>der</strong><br />

Girondisten entließ, kam es <strong>zu</strong> einem letzten Machtkampf zwischen ihm und den<br />

Revolutionären. Der Sturm auf <strong>die</strong> Tuilerien am 10.8.1792 führte <strong>zu</strong>r Inhaftierung <strong>der</strong><br />

königlichen Familie und <strong>zu</strong>r Abschaffung <strong>der</strong> Monarchie am 21.9.1792. Ludwig XVI wurde<br />

am 21.1.1793 auf dem Revolutionsplatz guillotiniert.<br />

Zwei Monate später errichteten <strong>die</strong> Revolutionäre das Revolutionstribunal und einen weiteren<br />

Monat später <strong>die</strong> Einset<strong>zu</strong>ng des Wohlfahrtsausschusses. In Paris gingen <strong>die</strong> bewaffneten<br />

Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen weiter und erstmals erzwangen <strong>die</strong> aufgebrachten Sansculotten den<br />

Ausschluss <strong>der</strong> Girondisten aus dem Konvent und erreichten damit, dass <strong>die</strong> Jakobiner <strong>die</strong><br />

Herrschaft im Konvent übernahmen. Mit dem Eintritt Robespierres als Mitglied des<br />

Wohlfahrtsausschusses spricht man vom Beginn des Terreurs. Die Sansculotten erzwangen<br />

eine weitere Radikalisierung <strong>der</strong> Revolutionäre, wie durch <strong>die</strong> Festset<strong>zu</strong>ng für Höchstpreise,<br />

<strong>der</strong> Guillotinierung <strong>der</strong> Girondisten und dem Verbot <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>clubs. Olympe de Gouges<br />

wurde ein Opfer <strong>die</strong>ser radikalen For<strong>der</strong>ungen.<br />

In <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Bürgerlichen Republik von 1794 bis 1799 wurde im Inneren <strong>der</strong> Rechtsstaat<br />

wie<strong>der</strong> hergestellt und nach außen <strong>die</strong> Hegemonialstellung Frankreichs.<br />

Neben den Hinrichtungen des Königs und <strong>der</strong> Königin, den Girondisten, <strong>der</strong> Revolutionäre,<br />

Generäle finden sich in den Listen <strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Guillotine Verstorbenen auch Namen, <strong>die</strong> mit<br />

dem Schicksal von Olympe de Gouges verbunden waren: da<strong>zu</strong> zählen Robespierre und <strong>der</strong><br />

ehemalige öffentliche Ankläger des Revolutionstribunals, Antoine-Quentin Fouquier-Tinville<br />

(1795).<br />

Die Ära Napoleons von 1799 bis 1815 zählen wenige Historiker <strong>zu</strong>r französischen<br />

Revolution, doch meint <strong>der</strong> Autor 4 , dass viele Gesichtspunkte vorhanden sind, <strong>die</strong>se Phase als<br />

4 vgl. Eberhard Schmitt, Einführung in <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong> französischen Revolution, (1980) S. 50 ff.<br />

7


<strong>die</strong> fünfte Phase <strong>der</strong> französischen Revolution <strong>zu</strong> benennen, <strong>um</strong> <strong>die</strong> gesamte Zeitspanne als<br />

Einheit sehen <strong>zu</strong> können.<br />

8


1 Historische Lebensgeschichte<br />

Olympe de Gouges (7.5.1748 – 3.11.1793)<br />

1.1 Kindheit und Jugend<br />

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre Olympe de Gouges in eine intakte Kleinfamilie<br />

geboren. Doch <strong>die</strong>se Struktur zerbricht für <strong>die</strong> Familie Gouze und das kleine Mädchen<br />

Olympe de Gouges bereits sehr bald nach seiner Geburt.<br />

Am 7. Mai 1748 wurde Olympe de Gouges als Marie Gouze, drittes Kind <strong>der</strong> Ehe des<br />

Ehepaares Pierre Gouze, Metzger, und Ann-Olympe Mouisset, Wäscherin, geboren und im<br />

Familienregister (=Taufregister) <strong>der</strong> Stadt Montauban (okzitanisch: Montalban) im Südwesten<br />

Frankreichs, ca. 50 km nördlich von Toulouse, <strong>der</strong> heutigen Region: Midi-Pyrenees, als<br />

legitimes, also eheliches Kind eingetragen. 5 Der im Familienregister als legitimer Vater<br />

verzeichnete Pierre Gouze stirbt zwei Jahre nach ihrer Geburt und ihre Mutter entschließt<br />

sich, ein zweites Mal <strong>zu</strong> heiraten, und zwar einen Polizeibeamten. Diese Entscheidung trifft<br />

sie vermutlich aus finanziellen Erwägungen, da sie für insgesamt drei Kin<strong>der</strong> <strong>zu</strong> sorgen hatte<br />

und den drei Kin<strong>der</strong>n und sich eine Existenz sichern musste. Das kleine Mädchen Marie<br />

musste früh eine weitere bittere Wahrheit erfahren und verkraften, nämlich <strong>die</strong>, dass sie nicht<br />

<strong>die</strong> Tochter ihres Vaters, des Metzgers Pierre Gouze, war, auch nicht <strong>die</strong> Tochter des<br />

Polizeibeamten, ihrem Stiefvater, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> außereheliche Tochter des reichen und adeligen<br />

Literaten, Jean-Jacques Lefranc, Marquis de Pompignan, und ihrer Mutter. Denn <strong>der</strong> als<br />

Literat tätige adelige Pate von Ann-Olympe Mouisset, hatte <strong>die</strong>se während ihrer aufrechten<br />

Ehe mit Pierre Gouze geschwängert. 6<br />

Werte wie <strong>die</strong> Religion und <strong>die</strong> Frömmigkeit bestimmten <strong>die</strong> Moral <strong>der</strong> Bevölkerung und<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> des feudalen Landadels nach außen hin. Gerade in Montauban<br />

befand man sich in einem theologischen Zentr<strong>um</strong>. Doch <strong>die</strong>ser moralische Heiligenschein<br />

glänzte schon lange nicht mehr. Beson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> Landbevölkerung machte sich Unmut breit<br />

wegen <strong>der</strong> feudalen Besitzverhältnisse und <strong>der</strong> feudalen Lebensweise des Landadels. Die<br />

Risiken <strong>der</strong> einfachen <strong>Frauen</strong> durch eine außereheliche Schwangerschaft waren im Lichte <strong>der</strong><br />

Doppelmoral besehen unvorstellbar groß und ohne Konsequenzen für den Täter. So ist es<br />

5 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S.62<br />

6 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung/mutter <strong>der</strong> Menschenrechte; Schrö<strong>der</strong>,<br />

Hannelore, 1995, Olympe de Gouges. Mensch und Bürgerin, Zugriff am 26.4.2007<br />

9


nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich, son<strong>der</strong>n höchstwahrscheinlich <strong>zu</strong>treffend, dass Marie Gouze <strong>die</strong><br />

natürliche Tochter und theoretisch <strong>die</strong> einzige Nachfahrin des adeligen Literaten, Jean-<br />

Jacques Lefranc, Marquis de Pompignan, war, ohne <strong>die</strong> offizielle Anerkennung ihrer adeligen<br />

Abstammung erfahren <strong>zu</strong> haben, obwohl eine solche Anerkennung rein rechtlich durchaus<br />

möglich gewesen wäre. (Als Beispiel für <strong>die</strong> Geisteshaltung am französischen Hof erwähne<br />

ich an <strong>die</strong>ser Stelle den damaligen französischen König , Ludwig XV, <strong>der</strong> von seinen sieben<br />

außerehelichen Kin<strong>der</strong>n lediglich einen Sohn anerkannt hatte 7 ).<br />

Für den Vater von Olympe de Gouges, dem damaligen Weltbild nach ein frommer Katholik,<br />

und dessen Familie, gab es keinen Grund und keine Veranlassung, kein Gesetz und keinen<br />

Vaterschaftstest und somit erst recht keine Moral, <strong>die</strong> ihn veranlassen konnte, seine leibliche<br />

Tochter an<strong>zu</strong>erkennen und für ihren Unterhalt seinem Stand entsprechend einen Beitrag <strong>zu</strong><br />

leisten o<strong>der</strong> gar für sie <strong>zu</strong> sorgen. Nach dem Tode des Pierre Gouzes im Jahre 1750 wollte er<br />

zwar für eine standesgemäße Erziehung und Bildung von Marie sorgen, <strong>die</strong>s hatte jedoch <strong>die</strong><br />

Mutter Marie`s, <strong>die</strong> sich abermals verehelicht hatte, abgelehnt und somit verhin<strong>der</strong>t.<br />

Diese Wahrheit, ein illegitimes Kind mit adeliger Abstammung <strong>zu</strong> sein, prägte Marie Gouze<br />

bzw. Olympe de Gouges ihr Leben lang. Formte ihren Wi<strong>der</strong>stand gegen jede Art von<br />

Unmoral im Sinne einer ganzheitlichen Gesellschaftskritik. Bereits ihr erster Briefroman<br />

handelte von ihrer illegitimen Herkunft und in ihrem Nachwort <strong>zu</strong> ihrer Erklärung <strong>der</strong><br />

<strong>Frauen</strong>rechte, ca. zehn Jahre später, griff sie <strong>die</strong>se Doppelmoral auf und an und schrieb: „Der<br />

reiche kin<strong>der</strong>lose Epikureer findet nichts dabei, wenn er <strong>zu</strong> seinem armen Nachbarn geht und<br />

dessen Familie vermehrt“ 8 .<br />

Marie Gouze verbrachte ihre Kindheit und Jugend gemeinsam mit <strong>der</strong> Mutter und ihren<br />

Geschwistern (<strong>die</strong> ersten beiden Jahre ihres Lebens mit dem Vater Pierre Gouze, dann <strong>die</strong><br />

weiteren Jahre mit dem Stiefvater), in <strong>der</strong> Stadt Montauban. Die kleine provenzalische Stadt<br />

erlangte Bedeutung durch ihre weithin bekannten theologischen Akademien und <strong>die</strong><br />

theologische Fakultät.<br />

Marie Gouze konnte als Mädchen keine <strong>die</strong>ser Schulen o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Fakultät besuchen, denn es<br />

gab in ganz Frankreich und in ganz Europa keine Schulpflicht. Schon gar nicht für Mädchen<br />

und speziell für arme Mädchen war <strong>der</strong> Zugang <strong>zu</strong> den Schulen nicht möglich und nicht<br />

7 www.de.wikipedia.org/wiki/bourbonen, Zugriff am 29.5.2008<br />

8 De Gouges, Olympe Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin (1791), Nachwort<br />

10


erlaubt. Da ist es bereits als kleiner Fortschritt <strong>zu</strong> sehen, dass Olympe de Gouges trotz <strong>der</strong><br />

kleinen und bescheidenen Verhältnisse, in denen sie aufwuchs, bei den Ursulinen in den<br />

Grundkenntnissen des Lesens und Schreibens unterrichtet worden war. Nicht in Französisch,<br />

son<strong>der</strong>n in ihrer provenzalischen Muttersprache, dem Okzitanischen. Sie war somit nicht <strong>zu</strong>r<br />

Gänze Analphabetin, ein Schicksal, wie es <strong>zu</strong>r damaligen Zeit armen <strong>Frauen</strong> und Mädchen<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger gesetzlich bestimmt war. Lediglich Wohlhabende und Besitzende konnten<br />

<strong>die</strong> Bildung ihrer Töchter för<strong>der</strong>n. Französisch galt als <strong>die</strong> Landessprache des Nordens und<br />

wurde daher in Paris gesprochen. Erst als Olympe de Gouges in Paris ankam lernte sie<br />

französisch als Zweitsprache.<br />

Mit siebzehn Jahren wurde Marie auf Grund <strong>der</strong> finanziellen Abhängigkeiten und Nöte ihrer<br />

Familie gezwungen, <strong>die</strong>se <strong>zu</strong> verlassen und eine ihr existenzsichernde, aufgezwungene<br />

Vernunftehe ein<strong>zu</strong>gehen. Somit fand ihre Jugend durch eine Zwangsverheiratung ein abruptes<br />

Ende. Sie musste dem familiären und gesellschaftlichen Zwang nachgeben und wurde mit<br />

dem reichen Louis-Yves Aubry, einem traiteur (Verwalter, Koch, Wirt) verheiratet, den sie<br />

überhaupt nicht liebte und den sie später als „den verhassten Mann“ 9 bezeichnen wird. Doch<br />

<strong>zu</strong>nächst eröffnete sie mit ihm eine Gastwirtschaft. Bereits im ersten Jahr nach <strong>der</strong> Hochzeit<br />

wird ihr Sohn Pierre geboren. Der Ehemann Aubry stirbt zwei Jahre nach <strong>der</strong> Hochzeit bei<br />

einem Unfall während eines Hochwassers. Marie Gouze ist <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem Zeitpunkt im Jahr 1767<br />

neunzehn Jahre und ihr Sohn Pierre ist gerade ein Jahr alt.<br />

1.2 Bildung und Beruf<br />

Marie zieht nach dem Tod ihres Mannes mit Pierre etwa im Jahr 1768 nach Paris, wo bereits<br />

ihre ältere Schwester Jeanne und <strong>der</strong>en Mann lebten. Zu erwähnen ist, dass Olympe de<br />

Gouges in Begleitung des Transportunternehmers Jacques Bietrix de Rozieres nach Paris<br />

gezogen war, mit dem sie eine freie und langjährige Verbindung eingegangen war, ohne sich<br />

mit ihm gesetzlich <strong>zu</strong> verheiraten, denn sie weigerte sich eine zweite Ehe ein<strong>zu</strong>gehen. Er<br />

unterstützte Marie finanziell, musste <strong>die</strong>se Zahlungen jedoch als Kreditrückzahlungen tarnen,<br />

da jede Art von Schenkungen an Konkubinen verboten waren. 10<br />

9 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S. 7 (aus De Gouges, Olympe: Mensch und Bürgerin „Die<br />

Rechte <strong>der</strong> Frau“ (1791); Schrö<strong>der</strong>, Hannelore (1995))<br />

10 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung/mutter <strong>der</strong> Menschenrechte, Schrö<strong>der</strong>,<br />

Hannelore, 1995, Olympe de Gouges. Mensch und Bürgerin, Zugriff am 26.4.2007<br />

11


Die Frage scheint berechtigt, welche Hoffnungen sich in <strong>der</strong> jungen Olympe de Gouges<br />

fanden, als sie von ihrer Familie fortzog, allein mit ihrem kleinen Sohn, weg aus <strong>der</strong><br />

ländlichen Enge, hinein in eine neue Zukunft des vorrevolutionären Paris, den literarischen<br />

Spuren ihres inoffiziellen Vaters folgend: Dort legte sie ihren alten Namen ab und än<strong>der</strong>te den<br />

Familiennamen von Gouze auf de Gouges. Ihren Vornamen än<strong>der</strong>te sie von Marie auf den<br />

Vornamen ihrer Mutter, Olympe. Es entstand ihr neuer Name, <strong>der</strong> ihr offenkundig auch <strong>zu</strong><br />

einer neuen Identität als Künstlerin und Schriftstellerin verhalf. Mit dem Namen entwarf sie<br />

sich selbst als Kunstfigur. Ihr neuer aristokratisch klingen<strong>der</strong> Künstlername, mit dem sie ihre<br />

Werke unterschrieb, lautete Olympe de Gouges. Auch ihre ältere Schwester Jeanne übernahm<br />

den neuen Künstlernamen.<br />

Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt war sich Olympe de Gouges dessen ganz genau bewusst, dass sie<br />

Nachfahrin des Adeligen und Literaten, Jean-Jaques Lefranc Marquis de Pompignan, war.<br />

Das veranlasste sie, wie ihr leiblicher Vater <strong>zu</strong> schreiben. Olympe de Gouges leitete<br />

selbstbewusst nicht aus ihrer Herkunft ihr Talent z<strong>um</strong> Schreiben ab, son<strong>der</strong>n aus ihrer<br />

biologischen Abstammung. Da sie jedoch ihre Kindheit und Jugend in kleinbürgerlichen<br />

Verhältnissen <strong>zu</strong>gebracht hatte und <strong>um</strong> <strong>die</strong> Not und Ausbeutung <strong>der</strong> einfachen Menschen<br />

Bescheid wusste, konnte sie aus sich selbst heraus reflektierend <strong>die</strong> Wi<strong>der</strong>sprüche aus den<br />

bestehenden Machtverhältnissen erkennen und <strong>die</strong> möglichen Wege aus <strong>der</strong> ständigen<br />

Unterdrückung durch eine feudale Herrschaft nie<strong>der</strong>schreiben. Mit Hilfe ihres Talents, ihrer<br />

Begabung, ihres Intellekts und <strong>der</strong> Gewissheit und Sicherheit, das Talent z<strong>um</strong> Schreiben auf<br />

Grund ihres biologischen Erbes <strong>zu</strong> besitzen, richtete sie ihr schriftstellerisches Potential auf<br />

den Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit durch ihre Benachteiligung als Frau.<br />

Doch <strong>um</strong> gleichzeitig <strong>zu</strong> literarischer Anerkennung <strong>zu</strong> gelangen, musste sie als<br />

alleinerziehende Mutter einen ungewöhnlichen Weg für sich selbst und ihr Kind wählen. Ihr<br />

sozialer Status als Witwe und außereheliche Tochter eines Aristokraten verschafften ihr<br />

einerseits in Paris <strong>die</strong> Möglichkeit berühmte und einflussreiche Pariser kennen <strong>zu</strong> lernen.<br />

An<strong>der</strong>erseits gab es keine an<strong>der</strong>e Möglichkeit Geld <strong>zu</strong> ver<strong>die</strong>nen außer von<br />

Unterhaltszahlungen ihrer Verehrer <strong>zu</strong> leben. Und so lebte sie <strong>die</strong> ersten zehn Jahre nach ihrer<br />

Ankunft in Paris als Femme Galante. Die ihr <strong>zu</strong>r Verfügung stehende freie Zeit verbrachte<br />

Olympe de Gouges damit, sich autodidaktisch <strong>zu</strong> bilden und sich <strong>die</strong> Fähigkeit des Schreibens<br />

an<strong>zu</strong>eignen, wobei für sie sehr bald feststand, dass sie als Schriftstellerin arbeiten wollte. Die<br />

12


einengenden Fesseln und Rollen<strong>zu</strong>schreibungen einer Ehe und <strong>der</strong> gesellschaftlichen Normen<br />

standen ihr bei <strong>die</strong>ser Entscheidung nicht im Weg.<br />

Olympe de Gouges war unvermögend, jedoch noch jung, beson<strong>der</strong>s schön, begabt, klug und<br />

selbstbewusst als sie in den Pariser Salons Prominente und Aristokraten traf, <strong>die</strong> sie verehrten<br />

und schätzten. Diese unterstützten sie, in <strong>die</strong> Pariser Theaterszene und in <strong>die</strong> Pariser Salons<br />

<strong>der</strong> Intellektuellen ein<strong>zu</strong>treten und ermöglichten ihr dort Fuß <strong>zu</strong> fassen. Als außereheliche<br />

Tochter eines bekannten adeligen Literaten hatte sie endlich einen leichten Vorteil bei dem<br />

Zugang in <strong>die</strong> Welt des Theaters und <strong>der</strong> Schriftstellerei. Aber dennoch war es bis dahin ein<br />

weiter Weg, denn den Beruf <strong>der</strong> weiblichen Autorin gab es offiziell nicht.<br />

Olympe de Gouges nutzte ihre neuen Kontakte mit Künstlern, Schauspielern und Literaten <strong>um</strong><br />

sich in Französisch durch Konversation <strong>zu</strong> bilden, sie las <strong>die</strong> Texte politischer und<br />

philosophischer Schriften, bildete sich in Sprache und Kultur durch Theaterbesuche und übte<br />

ihre literarischen Gehversuche. Trotz ihres sehr ambitionierten Vorgehens und ihrer<br />

intellektuellen Entwicklung vermisste sie für ihre Werke und ihr Wirken <strong>die</strong> nötige<br />

Schulbildung und sie bemerkte immer wie<strong>der</strong>, dass <strong>der</strong> Bildungsmangel ihrer Jugend eine<br />

grundlegende Benachteiligung für sie bedeutete. Sie beklagte <strong>die</strong>sen Umstand als etwas sehr<br />

Persönliches in ihrem Leben, doch konnte sie unter an<strong>der</strong>em durch den Begriff <strong>der</strong> Natur des<br />

Philosophen Rousseau einen Weg für sich selbst finden, <strong>um</strong> <strong>die</strong>sen Ausbildungsmangel, <strong>zu</strong><br />

kompensieren. Durch <strong>die</strong> „Natur“ ihres Vaters fand Olympe de Gouges ihre schriftstellerische<br />

Begabung. Und immer wie<strong>der</strong> betonte sie gerne, dass sie ein „Werk <strong>der</strong> Natur“ sei. 11<br />

„Ich kann von mir behaupten, daß ich eine ihrer raren Schöpfungen bin. Alles habe ich ihr <strong>zu</strong><br />

verdanken, nie einen an<strong>der</strong>en Lehrmeister gekannt; selbst meine philosophischen<br />

Betrachtungen können <strong>die</strong> bei mir nur all<strong>zu</strong> tief verwurzelten Unvollkommenheiten ihrer<br />

Erziehung nicht ausrotten. So hat man mir vorgeworfen, ich wisse mich in Gesellschaft nicht<br />

<strong>zu</strong> bewegen; obzwar mich <strong>die</strong>se Charakterschwäche in einem ungünstigen Licht erscheinen<br />

lasse, könnte ich dennoch eine <strong>die</strong>se anbetungswürdigen <strong>Frauen</strong> sein, wenn ich mich weniger<br />

vernachlässigte“ 12 .<br />

Niemals verschwieg Olympe de Gouges, dass ihr Bildungswille und ihre Arbeit unter den<br />

vielen Bildungsdefiziten ihrer Kindheit litt und sie überzeugte trotzdem kompensierend durch<br />

Fleiß und Intelligenz, durch selbständiges Denken und Handeln - letztendlich durch<br />

zahlreiche Veröffentlichungen.<br />

11 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, (Textsammlung I), S. 63<br />

12 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, (Textsammlung I), S. 63<br />

13


Das Recht auf freie Berufswahl <strong>zu</strong> erhalten, war auf Grund ihrer unsicheren<br />

Einkommenssituation eine ihrer wichtigsten For<strong>der</strong>ungen. Daher schrieb sie: „Ich biete ein<br />

untrügliches Mittel an, <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong>, nämlich, sie mit den Männern<br />

<strong>zu</strong>sammen an allen Erwerbszweigen teilhaben <strong>zu</strong> lassen“. 13<br />

1.3 Soziale Kontakte und Umfeld<br />

Olympe de Gouges war nach unseren heutigen Begriffen eine alleinerziehende Mutter, <strong>die</strong> es<br />

aus ihren Lebens<strong>um</strong>ständen für selbstverständlich erachtete ihr Geld selbst <strong>zu</strong> ver<strong>die</strong>nen, <strong>um</strong><br />

ihre Existenz und <strong>die</strong> ihres Sohnes <strong>zu</strong> sichern und <strong>um</strong> unabhängig ein eigenständiges Leben<br />

<strong>zu</strong> führen. Und sie war selbstbewusst genug, <strong>um</strong> ihren eigenen Weg <strong>zu</strong> gehen und ihre<br />

Interessen <strong>zu</strong> wahren. Somit stand für sie fest, dass sie mit ihrem vom Vater geerbten Talent<br />

ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin ver<strong>die</strong>nen wollte. Sie bewegte sich in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong><br />

Schauspieler, <strong>der</strong> Literaten und <strong>der</strong> Gebildeten, <strong>die</strong> sie in den Pariser Salons und Lesezirkeln<br />

traf und mit denen sie in Kontakt kam. Und trotz ihres Talents lebte sie vorerst in einer Welt,<br />

<strong>die</strong> für <strong>Frauen</strong> nicht vorsah, öffentlich <strong>zu</strong> wirken.<br />

Die Mehrheit <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> musste als Tagelöhnerinnen wie z<strong>um</strong> Beispiel als Wäscherinnen<br />

o<strong>der</strong> Näherinnen arbeiten, <strong>um</strong> ihren Familien, ihren Kin<strong>der</strong>n, Brot kaufen <strong>zu</strong> können; doch<br />

von den wohlhabenden und gebildeten <strong>Frauen</strong> wurde erwartet und gefor<strong>der</strong>t und somit über<br />

sie bestimmt, dass sie ihre „weibliche Natur“ nach dem Ehemann und den Kin<strong>der</strong>n<br />

ausrichteten und über keine den Männern vorbehaltenen Tätigkeiten Ambitionen verfügten<br />

o<strong>der</strong> auch nur Gedanken einer solchen Ambition hegten.<br />

Zehn Jahre musste Olympe de Gouges als Femme Galante ihren Lebensunterhalt ihren<br />

Lebensunterhalt ver<strong>die</strong>nen. Auf Grund ihrer Schönheit und ihrer Beliebtheit bekam sie den<br />

Namen Babichon (Rehlein) verliehen mit dem sie in den Petit Almanach eingegangen ist.<br />

Die Salons <strong>der</strong> Femmes Galantes waren Salons des Vergnügens und <strong>der</strong> Zerstreuung als<br />

„höchstes Ziel und letzter Zweck <strong>die</strong>ser Gesellschaft, <strong>die</strong> dabei ist, sich <strong>zu</strong> Tode <strong>zu</strong><br />

amüsieren“ 14 . Sie selbst äußerte sich ka<strong>um</strong> <strong>zu</strong> ihren galanten Jahren. Dass <strong>die</strong>se nicht<br />

beson<strong>der</strong>s einfach für sie waren, kann aus einem Satz ihrer <strong>Frauen</strong>rechtserklärung geschlossen<br />

13 Olympe-Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1 (Juni 1994), S. 19<br />

14 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S. 8 (vgl. Noack, Paul, Olympe de Gouges 1748 – 1793<br />

Kurtisane und Kämpferin für <strong>die</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau (1992) S. 35)<br />

14


werden: „Doch müssen wir nicht <strong>zu</strong>geben, dass in einer Gesellschaft, wo <strong>der</strong> Mann <strong>die</strong> Frau<br />

gleich einem Sklaven von <strong>der</strong> afrikanischen Küste kauft, ihr je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Weg, Wohlstand <strong>zu</strong><br />

erwerben, verwehrt ist?“ 15<br />

In <strong>die</strong>sen Salons des brodelnden Paris lernte sie Aristokraten und <strong>die</strong> Pariser Prominenz<br />

kennen wie auch Louis-Philippe-Joseph, duc d´Orleans, den späteren Philippe Égalite bzw.<br />

Citoyen Égalite, kennen, <strong>der</strong> sich bewusst von seinem adeligen Stand und dem Hof abspaltete<br />

und auf Grund seiner sozialen und liberalen Haltung eine wichtige Rolle während <strong>der</strong><br />

Revolution eingenommen hatte.<br />

Als junge Mutter brach sie mit <strong>der</strong> Konvention und verweigerte eine weitere Heirat <strong>zu</strong><br />

Gunsten ihrer persönlichen Freiheit. In Paris begann sie ein offenes, engagiertes und<br />

avantgardistisches Leben <strong>zu</strong> führen. Olympe de Gouges nutzte ihre Fähigkeiten <strong>um</strong> kritisch<br />

mit oppositionellen <strong>Frauen</strong> und Männern <strong>die</strong> gesellschaftlichen Missstände <strong>zu</strong> erkunden und<br />

literarisch <strong>zu</strong> verarbeiten. Sie gewann unter an<strong>der</strong>em <strong>die</strong> langjährige Freundschaft des<br />

Literaten, Louis-Sebastian Mercier mit dem sie ein gemeinsames Interesse an Literatur und<br />

Politik verband. 16 Mercier för<strong>der</strong>te ihren Intellekt und unterstützte ihren Freiheitsdrang und<br />

führte sie in <strong>die</strong> Kreise <strong>der</strong> Journalisten und Philosophen ein. Er schriebt über sie: „Die<br />

Freundschaft <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> hat einen viel sanfteren Reiz als <strong>die</strong> <strong>der</strong> Männer, sie ist aktiv,<br />

wachsam, sie ist zärtlich; sie ist tugendhaft, und vor allem sie ist dauerhaft.“ 17<br />

Im Laufe ihres literarischen und politisch engagierten Schaffens hatte sie Freunde in den<br />

bürgerlichen Salons und somit im bürgerlichen Lager gewonnen und natürlich wichtige<br />

politische Gegner auf Grund ihrer zahllosen politisch motivierten Veröffentlichungen, <strong>die</strong><br />

oppositionell <strong>zu</strong>r Gesellschaft und den Revolutionären standen.<br />

Sie war Mitglied des von wahrscheinlich Sophie de Condorcet 1791 gegründeten Vereins<br />

Cercle Social 18 , dessen deklariertes Ziel <strong>die</strong> politische und rechtliche Gleichberechtigung <strong>der</strong><br />

<strong>Frauen</strong> war und sie war aktiv im Club <strong>der</strong> Republikanerinnen. Und auf Grund ihres intensiven<br />

Schaffens in <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechtsbewegung war sie wahrscheinlich gut mit den an<strong>der</strong>en <strong>Frauen</strong><br />

<strong>der</strong> Bewegung vernetzt. Dass ihre Werke eine geringe Verbreitung fanden, lag eher an <strong>der</strong><br />

Tatsache, dass <strong>Frauen</strong> nicht lesen konnten.<br />

15 Olympe-Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1, (Juni 1994) S. 19<br />

16 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung Zugriff vom 26.4.2007 (S. 3 von 5)<br />

17 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S. 8 (vgl. Noack, Paul, Olympe de Gouges 1748 – 1793<br />

18 de.wikipedia.org/wiki/Olympe_de_Gouges, Zugriff am 26.4.2007, S. 2 von 5<br />

15


Ihre Nähe <strong>zu</strong> <strong>der</strong> revolutionären Bewegung drückte sie folgen<strong>der</strong>maßen aus:<br />

„Abhold je<strong>der</strong> Intrige, jenseits aller Parteien, <strong>der</strong>en leidenschaftliche Kämpfe Frankreich<br />

gespalten haben, bahnte ich mir einen neuen Weg; mich nur auf meine eigenen Augen<br />

verlassend, nur meiner eigenen inneren Stimme gehorchend bin ich den Törichten<br />

entgegengetreten.“ 19<br />

Da sie politisch überparteilich agiert hatte, konnten ihre Schriften und Werke auch nicht von<br />

einer Partei einseitig vereinnahmt werden.<br />

Durch ihre Kontakte <strong>zu</strong> den politischen Klubs und den Salons war sie lange Zeit sicher vor<br />

den Übergriffen <strong>der</strong> Machthaber, doch bei <strong>der</strong> allerletzten Entscheidung <strong>der</strong> Revolutionäre<br />

konnte auch sie sich nicht mehr helfen.<br />

1.4 Anerkennung als Schriftstellerin und Autorin<br />

Anerkennung konnte Olympe de Gouges durchaus aus verschiedensten Quellen schöpfen:<br />

den Bürgerlichen und Intellektuellen und den Revolutionären, aus allen jenen Mitkämpfern<br />

und Mitkämpferinnen, denen es <strong>um</strong> Gerechtigkeit des Individu<strong>um</strong>s und <strong>um</strong> Gerechtigkeit von<br />

ausgegrenzten Gruppen, wie den afrikanischen Sklaven, und <strong>um</strong> politische Verän<strong>der</strong>ungen<br />

ging.<br />

Für <strong>um</strong>jubelte Theaterstücke und faszinierende Prämieren blieb jedoch keine Zeit in ihrem<br />

Leben. Die Stücke waren durch eine Fülle von rebellischen For<strong>der</strong>ungen wie <strong>der</strong> nach<br />

Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und <strong>der</strong> nach Gerechtigkeit hinsichtlich<br />

gesellschaftspolitisch brisanter Themen wie <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Sklaverei, von hoher<br />

sozialpolitischer Relevanz und galten somit als eindeutig skandalös. Sie verarbeitete Themen<br />

in ihren Stücken mit aktuellem Be<strong>zu</strong>g, denen jedoch <strong>die</strong> Dringlichkeit und Wichtigkeit nicht<br />

eingerä<strong>um</strong>t wurde, da es ja vorrangig galt <strong>die</strong> Freiheit, <strong>die</strong> Gleichheit und <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit<br />

unter allen Franzosen her<strong>zu</strong>stellen und <strong>die</strong> Feudalherrschaft zwischen Knechten und Herren<br />

auf<strong>zu</strong>lösen.<br />

19 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 64<br />

16


Unterstüt<strong>zu</strong>ng in ihrer kritischen Haltung und Gleichgesinnte fand Olympe de Gouges in den<br />

Jahren vor <strong>der</strong> Revolution, als <strong>die</strong> Erwartungen nach einer grundlegenden, positiven<br />

Verän<strong>der</strong>ung durch <strong>die</strong> Gleichheitswerte, <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit und <strong>die</strong> Freiheit, <strong>Frauen</strong> und<br />

Männer Seite an Seite, Schulter an Schulter, stehen ließen und <strong>Frauen</strong> hoch motiviert<br />

gemeinsam für <strong>die</strong> Grundrechte aller Menschen kämpften.<br />

Motivation fand sie in den ersten Jahren <strong>der</strong> Revolution in den <strong>Frauen</strong>clubs und in den<br />

<strong>Frauen</strong>vereinen, <strong>die</strong> politisch aktiv <strong>die</strong> konstitutionelle Monarchie und späterhin <strong>die</strong><br />

Bürgerregierung hinsichtlich <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> am öffentlichen Geschehen und an<br />

den öffentlichen Entscheidungen gestalten wollten.<br />

1789 war sie <strong>die</strong> einzigartige Frau Autorin, <strong>die</strong> „femme auteur“, <strong>der</strong>en Stück Zamore und<br />

Mirza o<strong>der</strong> glückliche Schiffbruch mit Schauspielern <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise als politisches<br />

Stück uraufgeführt wurde.<br />

Olympe de Gouges traf im Alter von 30 Jahren (ca. im Jahr 1778) <strong>die</strong> Entscheidung ihr Leben<br />

mit etwas Sinnvollem selbst <strong>zu</strong> erfüllen und entschied sich als außereheliche Tochter eines<br />

Literaten unter diskreter Berufung auf ihren Vater selbst als Literatin in <strong>der</strong> Öffentlichkeit in<br />

Erscheinung <strong>zu</strong> treten 20 , mit dem Selbstbewusstsein das Talent ihres Vaters geerbt <strong>zu</strong> haben.<br />

In den literarischen Kreisen von Paris kannte man den leiblichen Vater von Olympe de<br />

Gouges als Literaten, da er im Jahr 1759 den Fauteuil 8 an <strong>der</strong> Academie Francaise inne hatte.<br />

Er scheiterte jedoch an <strong>der</strong> zynischen Kritik Voltaires an seinem Stück. Nach <strong>die</strong>ser<br />

Nie<strong>der</strong>lage verließ er Paris schwer gekränkt, <strong>um</strong> sich wie<strong>der</strong> in seiner provenzalischen Heimat<br />

Montauban nie<strong>der</strong><strong>zu</strong>lassen. 21<br />

Schon 1774, im Alter von etwa 26 Jahren, begann Olympe de Gouges unter ihrem neuen<br />

Künstlernamen – mutig als Frau erkennbar ! – ihre ersten politischen Denkschriften <strong>zu</strong><br />

verfassen, <strong>die</strong> jedoch erst im Revolutionsjahr 1789 veröffentlicht werden konnten.<br />

Ihr allererstes Werk war ein autobiografischer Briefroman, Memoires de Madame Valmont,<br />

<strong>der</strong> 1784 erschien und in dem sie ihre illegitime Herkunft als natürliche Tochter beschrieb. 22<br />

Für <strong>die</strong>sen Roman wählte Sie den Briefroman als mo<strong>der</strong>nes Stilmittel ganz bewusst aus. Denn<br />

<strong>die</strong> Renaissance des Briefromans Mitte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts ermöglichte ihr einerseits eine<br />

20 Hassauer, Frie<strong>der</strong>ike, Tribüne und Schafott, Iris Bubenik, Ute Schalz-Laurenze, „...ihr werten<br />

<strong>Frauen</strong>zimmer!“, S. 28<br />

21 www.1911encyclopedia.org/Jean_Jaques Zugriff am 23.5.2008<br />

22 www.uni-ulm.de/frauen/biographien Zugriff am 26.4.2007<br />

17


persönliche und gleichzeitig eine gesellschaftskritische Haltung ein<strong>zu</strong>nehmen und<br />

an<strong>der</strong>erseits <strong>die</strong> weibliche Tradition ihrer Vorbil<strong>der</strong>, <strong>der</strong> „Femmes de Lettres“ fort<strong>zu</strong>setzen. 23,<br />

24<br />

Auch <strong>der</strong> von ihr sehr geschätzte Jean-Jacques Rousseau schrieb La Nouvelle Heloise in <strong>der</strong><br />

Form eines Briefromanes. Briefromane lagen bei <strong>der</strong> literarischen aufgeklärten Avantgarde<br />

ganz im Trend <strong>der</strong> Zeit. Bereits nach <strong>der</strong> ersten Veröffentlichung begannen <strong>die</strong><br />

Diffamierungen gegenüber <strong>der</strong> Schriftstellerin, <strong>die</strong> als Frau in eine Männerdomäne einbrach<br />

und mutig unter eigenem Namen an <strong>die</strong> Öffentlichkeit tritt. 25<br />

Die Come<strong>die</strong> Francaise als Staatstheater, welches ab 1786 im Palais Royal ihren Sitz hatte,<br />

war natürlich ein männlich dominiertes Genre. Die Schauspieler <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise<br />

besaßen gemeinsam mit den Schauspielern <strong>der</strong> Come<strong>die</strong>nne-Italienne das<br />

Aufführungsmonopol für alle neuen Stücke <strong>die</strong> <strong>zu</strong>r Aufführung kamen, woraus sich ein<br />

Vorrecht gegenüber den Schriftstellern ableiten ließ, welches erst im Jahr 1790 gebrochen<br />

wurde. 26 Olympe de Gouges musste jahrelange Kämpfe mit den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Come<strong>die</strong><br />

Francaise ausfechten, <strong>um</strong> als Frau und als Autorin, als <strong>die</strong> „femme auteur“, <strong>zu</strong>r Aufführung<br />

eines Dramas mit gesellschaftspolitischem Anspruch in <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise <strong>zu</strong>gelassen <strong>zu</strong><br />

werden.<br />

Im Jahr 1774 schrieb <strong>die</strong> junge Schriftstellerin das Theaterstück L´Esclavage de Negres, doch<br />

wie<strong>der</strong> fand sich für <strong>die</strong> engagierte und junge Autorin kein Verleger, <strong>der</strong> sich für <strong>die</strong>ses erste<br />

gesellschaftskritische Theaterstück einer Frau interessierte und sich für sie als revolutionäre<br />

und kritische Autorin einsetzte. Viele Jahre später nach heftigen Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen,<br />

Verle<strong>um</strong>dungen und öffentlichen Diffamierungen als Frau sowie einer Verhaftung konnte<br />

Olympe de Gouges ihr Drama - unter dem neuen Titel - Zamora und Mirza o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

glückliche Schiffbruch, ebenfalls im Jahr 1784 bzw. 1785 <strong>zu</strong>r Veröffentlichung im Theater<br />

<strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise einreichen. Das Theaterstück handelt von <strong>der</strong> damals in den Kolonien<br />

Frankreichs existierenden Sklaverei. Es zeigte <strong>die</strong> Sklaverei als eine<br />

Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ng durch Frankreich in <strong>der</strong> Öffentlichkeit auf und for<strong>der</strong>te<br />

gleichzeitig <strong>die</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Sklaverei durch neue und gerechtere gesetzliche Regelungen.<br />

Dieses politische Stück wurde erst im Jahr 1789 an <strong>der</strong> Come<strong>die</strong> Francaise aufgeführt, also<br />

23 www.anabell.de vom 4.12.2007<br />

24 www.wikipedia vom 4.12.2007<br />

25 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela, Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S. 9 (aus De Gouges, Olympe: Mensch und Bürgerin „Die Rechte<br />

<strong>der</strong> Frau“ (1791); Schrö<strong>der</strong>, Hannelore (1995) S. 82)<br />

26 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, (Textsammlung I) S. 63<br />

18


während <strong>der</strong> eigentlichen Revolutionsphase, doch davor lagen insgesamt fünf lange Jahre<br />

(1784 –1789) mit vielen ernsthaften Streitigkeiten und politischen Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen<br />

zwischen Olympe de Gouges und den Hofschauspielern des Königs und dem Versuch im Jahr<br />

1785, sie auf Grund ihrer revolutionären Gesinnung ins Gefängnis <strong>zu</strong> bringen. Dem<br />

damaligen Verhaftungsbefehl 1785 entging Olympe de Gouges nur durch persönliche<br />

Beziehungen. 27<br />

Die Come<strong>die</strong> Francaise verfügte einerseits über eine Art Monopol, das erst im Jahre 1791 von<br />

<strong>der</strong> revolutionären Nationalversammlung aufgehoben wurde. Die „königliche Akademie“ war<br />

natürlich auch an<strong>der</strong>erseits von seinen adeligen und monarchistischen Unterstützern abhängig.<br />

Fünf Jahre später im Jahr 1789 war das Theaterstück über <strong>die</strong> Sklaverei politisch noch<br />

brisanter und aktueller, denn <strong>die</strong> Stadt Paris stöhnte unter den Hungersnöten und Unruhen.<br />

Alle For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Revolutionäre nach Gleichheit und Freiheit k<strong>um</strong>ulierten in <strong>der</strong><br />

Hoffnung auf <strong>die</strong> Menschen- und Bürgerrechtserklärung sowie <strong>die</strong> erste Verfassung<br />

Frankreichs. Ihr eben erst aufgeführtes Stück musste bereits nach <strong>der</strong> Premiere wegen des<br />

Verursachens von Unruhen und Krawallen sofort – und für immer – vom Spielplan des<br />

Theaters abgesetzt werden. 28 Ihr Stück wurde in den Zeitungen verhöhnt, worauf sie schrieb:<br />

„War<strong>um</strong> <strong>die</strong>se unerschütterliche Voreingenommenheit gegen mein Geschlecht? Und war<strong>um</strong><br />

sagt man, wie ich es habe laut sagen hören, dass <strong>die</strong> Come<strong>die</strong> Francaise keine Stücke von<br />

<strong>Frauen</strong> spielen sollte? Ich bin eine Frau, wenig reich... Wird es denn den <strong>Frauen</strong> niemals<br />

erlaubt sein, den Schrecken <strong>der</strong> Armut an<strong>der</strong>s <strong>zu</strong> entkommen als mit nie<strong>der</strong>trächtigen<br />

Mitteln?“ 29 .<br />

Auch <strong>die</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Sklaverei erhielt nach 1789 keine weitere Chance und wurde als<br />

Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ng in Frankreich viele weitere Jahre beibehalten.<br />

Doch <strong>der</strong> Wille von Olympe de Gouges nach Unabhängigkeit und künstlerischer, literarischer<br />

Freiheit und ihre Vorstellung von einem Recht auf ein eigenes Leben ohne jeglicher<br />

Fremdbestimmung sowohl in Be<strong>zu</strong>g auf <strong>die</strong> Wahl ihrer sexuellen Partner als auch in Be<strong>zu</strong>g<br />

auf <strong>die</strong> Berufswahl brachten ihr üble Verfemungen ein, <strong>die</strong> sie als Frau diskriminierten und<br />

diskreditierten. Olympe de Gouges behielt jedoch ihren Idealismus und gebrauchte ihren<br />

Verstand und ließ sich von ihrer Entscheidung als Schriftstellerin <strong>zu</strong> arbeiten, auch nicht<br />

durch <strong>die</strong> vehementesten Anfeindungen, abhalten.<br />

27 www.hannelore-schroe<strong>der</strong>.nl/olympe-de-gouges-stiftung, S. 4 von 5, Zugriff am 26.4.2007<br />

28 ebenda<br />

29 www.dadalos.org/Menschenrechte/<strong>Frauen</strong>rechte, Zugriff am 26.4.2007<br />

19


Für ihr Theaterstück Le Mariage inattendu de Cherubin bekam sie jedoch bereits 1786 im<br />

tonangebenden Mercure de France eine positive Rezension des gefürchteten Dramatikers Le<br />

Harpe.<br />

Parallel da<strong>zu</strong> – verstärkt ab 1789 – veröffentlichte sie in all den Jahren ungebrochen in ihrem<br />

Recht auf freie Meinungsäußerung und mit ihrer literarischen Begeisterung politische<br />

Schriften, Zeitungsartikel sowie unzählige Briefe an das Volk und kommentiert und gestaltet<br />

auf <strong>die</strong>se Weise <strong>die</strong> politischen Vorgänge; sie setzte sich für Min<strong>der</strong>heitenrechte und <strong>die</strong><br />

Gleichheit zwischen den Geschlechtern ein, weswegen sie immer wie<strong>der</strong> öffentlich verhöhnt<br />

wurde. Ihre zentralen Themen <strong>zu</strong>r Gleichberechtigung sind Bildung, Berufe und Ämter,<br />

Eigent<strong>um</strong>srechte für <strong>Frauen</strong> und <strong>der</strong> Priviliegienabbau, Kampf gegen Vaterschaftsleugnungen<br />

sowie Abschaffung <strong>der</strong> Patriarchenrechte <strong>der</strong> Männer und <strong>die</strong> freie Wahl <strong>der</strong> sexuellen<br />

Partner. Der Nationalkonvent äußerte sich bereits damals mit den Worten: „Die Ehre <strong>der</strong><br />

<strong>Frauen</strong> besteht darin, in aller Stille <strong>die</strong> guten Eigenschaften ihres Geschlechts <strong>zu</strong> kultivieren,<br />

im Schutzmantel ihrer Bescheidenheit und im Schatten ihres <strong>zu</strong>rückgezogenen Lebens. Es<br />

steht den <strong>Frauen</strong> weiterhin nicht an, den Männern den Weg <strong>zu</strong> weisen...“ 30 .<br />

Ein Jahr vor <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und Bürgerrechte, im Jahr 1788, veröffentlichte sie<br />

ihre erste patriotische Propagandaschrift im Journal General de France versehen mit dem<br />

Titel Brief einer Bürgerin an das Volk o<strong>der</strong> Projekt einer Vaterlandskasse, in <strong>der</strong> sie auf den<br />

Teilbankrott <strong>der</strong> Krone hinwies und for<strong>der</strong>te, dass alle Stände, ausgenommen den König,<br />

Steuer zahlen sollen. 31 Sie veröffentlichte daraufhin weitere insgesamt mehr als fünfzig<br />

politische Schriften, wovon <strong>die</strong> meisten vermutlich in Paris plakatiert wurden. Ein Jahr später,<br />

1789, veröffentlichte sie <strong>die</strong> Heroischen Taten einer Französin o<strong>der</strong> wie Frankreich von den<br />

<strong>Frauen</strong> gerettet wird, worin sie an den Patriotismus <strong>der</strong> französischen <strong>Frauen</strong> appellierte, sie<br />

mögen nach dem Vorbild <strong>der</strong> antiken Römerinnen ihren Schmuck <strong>zu</strong>r Rettung <strong>der</strong> Nation <strong>der</strong><br />

Nationalversammlung opfern. 32<br />

Nach <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> ersten geschriebenen Verfassung Frankreichs am<br />

3. September 1791, wonach Frankreich eine konstitutionelle Monarchie wurde und <strong>die</strong><br />

Umstrukturierung von einer ständischen Monarchie in einen Einheitsstaat erfolgte, publizierte<br />

30 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela, Menschenrechte:<strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S.10 (vgl. Noack, Paul, Olympe de Gouges 1748 – 1793<br />

Kurtisane und Kämpferin für <strong>die</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau (1992) S.44)<br />

31 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 63<br />

32 www.anabell.de (Zugriff am 10.10.2007)<br />

20


Olympe de Gouges, nunmehr 43 Jahre alt, ihre für uns so bedeutsame Declaration des droits<br />

de la femme et de la citoyenne, <strong>die</strong> sie <strong>der</strong> Nationalversammlung übermittelte.<br />

„Mit dem Mut <strong>der</strong> Schönen“ schrieb sie für alle <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sie als das an Schönheit und Mut<br />

im Ertragen <strong>der</strong> Mutterschaft überlegene Geschlecht bezeichnete, selbstbewusst für alle<br />

<strong>Frauen</strong>, ein ich z<strong>um</strong> wir entwickelte und ein sozialpolitisches Werk schuf, das unserer<br />

heutigen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte nicht nur <strong>um</strong> nichts nachsteht, son<strong>der</strong>n aus<br />

feministischer Sicht überlegen bzw. gleichwertig ist. Selbstbewusst schrieb sie daher:<br />

„Nur <strong>der</strong> Mann hat sich aus <strong>der</strong> Ausnahme ein Prinzip <strong>zu</strong>rechtgeschnei<strong>der</strong>t. Extravagant,<br />

blind, von den Wissenschaften aufgeblasen und degeneriert, will er <strong>die</strong>sem Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong><br />

Aufklärung und Scharfsichtigkeit, doch in krassester Unwissenheit, despotisch über ein<br />

Geschlecht befehlen, das alle intellektuellen Fähigkeiten besitzt. Er möchte von <strong>der</strong><br />

Revolution profitieren, er verlangt sein Anrecht auf Gleichheit“. 33<br />

Gleichfalls 1791 entstand ihr Contract Social (in Anlehnung an Jean-Jaques Rousseau´s<br />

Contract), <strong>der</strong> Entwurf eines Gesellschaftsvertrages für Ehepartner, <strong>der</strong> Teil ihrer<br />

<strong>Frauen</strong>rechtserklärung war.<br />

Nach <strong>der</strong> Abset<strong>zu</strong>ng des Königs Louis XVI am 10.8.1792 infolge seiner Flucht nach Varenne<br />

und seiner Anklage wegen Hochverrats bis hin <strong>zu</strong> seiner Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren<br />

am 21.1.1793 setzte sich Olympe de Gouges als Republikanerin vehement für den König ein,<br />

da sie <strong>um</strong> Ausgleich bemüht war:<br />

„Es genügt nicht den Kopf eines Königs rollen <strong>zu</strong> lassen, <strong>um</strong> ihn <strong>zu</strong> töten, er lebt noch lange<br />

nach seinem Tod. Wirklich tod ist er, wenn er seinen Sturz überlebt.“ 34<br />

Sie kritisierte öffentlich auf Schärfste das Vorgehen <strong>der</strong> Revolutionäre.<br />

Ihre politischen Äußerungen und Schriften in <strong>die</strong>sen Jahren, 1792 und 1793, somit in <strong>der</strong><br />

Phase <strong>der</strong> Konventsherrschaft <strong>der</strong> Girondisten und Jakobiner, <strong>die</strong> Veröffentlichung ihres<br />

Dramas Der Ein<strong>zu</strong>g von D<strong>um</strong>ouriez in Brüssel, (das ihr insofern z<strong>um</strong> Verhängnis wurde, als<br />

<strong>der</strong> von ihr angegriffene französische General D<strong>um</strong>ouriez wenige Tage nach <strong>der</strong><br />

Uraufführung <strong>zu</strong> den Revolutionären überlief), ihre Schmähschriften gegen <strong>die</strong> mächtigen<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Revolutionsregierung, Robespierre und Marat, <strong>die</strong> sie darin als „Usurpator <strong>der</strong><br />

Macht“ und „willenloser Handlanger“ bezeichnete, sowie letzten Endes ihre Wandzeitung <strong>die</strong><br />

Drei Urnen, in <strong>der</strong> sie <strong>zu</strong> einer direkten Volkswahl mit drei Wahlmöglichkeiten – Republik,<br />

33 Annette Kuhn, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, HG Andrea<br />

Graf Zur Politik des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 8<br />

34 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 64<br />

21


Fö<strong>der</strong>ative Republik o<strong>der</strong> Monarchie – für eine bestimmte Regierungsform aufrief 35 , führten<br />

<strong>zu</strong> ihrer Verhaftung als Girondistin wegen Verrats.<br />

Wenige Monate vor ihrem Tod, den sie vorausgesehen hatte, veröffentlichte sie ein<br />

politisches Testament, in dem es heißt: „Bürger ihr könnt mir den Tod geben, meine<br />

Prophezeiungen indes und meinen Einsatz für das Gemeinwohl könnt ihr mir nicht<br />

ungeschehen machen.“ 36<br />

Das letzte Schriftstück von Olympe de Gouges ist ein trauriger Bestandteil Ihres Erbes an<br />

ihren Sohn, ein letzter Brief an ihren Sohn Pierre, den sie im Gefängnis verfasste. Sie teilte<br />

ihm darin mit, dass ihr kein Anwalt ihrer Wahl <strong>zu</strong> ihrer Verteidigung <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt<br />

werde. Und, dass <strong>die</strong> Antwort seitens des öffentlichen Anklägers des Revolutionstribunals<br />

Antaine-Quentin Fouquier-Tinville auf ihren Wunsch lautete: „Sie habe genug Hirn, <strong>um</strong> sich<br />

selbst <strong>zu</strong> verteidigen“. 37 Ihre Bitte wurde abgewiesen. Das Gerichtsurteil wurde am 3.<br />

November 1793 an Olympe de Gouges vollstreckt.<br />

In ihrem Vermächtnis ist unter an<strong>der</strong>em Folgendes <strong>zu</strong> lesen: „Mein Herz vermache ich dem<br />

Vaterland, meine Ehrbarkeit den Männern, meine Seele den <strong>Frauen</strong>.“ 38<br />

Olympe de Gouges nahm stets einen übergeordneten Standpunkt ein. Denn jede Form von<br />

Fanatismus und moralischer Abweichung führe <strong>zu</strong> “Menschen ohne Charakter“, also ohne<br />

moralisches Empfinden. 39<br />

2 Philosophischer und politischer Hintergrund<br />

2.1 <strong>Frauen</strong>bild <strong>der</strong> Epoche<br />

Der Gleichheitsgedanke <strong>der</strong> Revolution machte es möglich, dass sich einzelne <strong>Frauen</strong> nicht<br />

länger als unterdrückte Min<strong>der</strong>heit begreifen konnten. Wie Olympe de Gouges strebten<br />

<strong>Frauen</strong> nach Berufen, <strong>die</strong> ausschließlich von Männern ausgeübt wurden. Die gebildeten<br />

<strong>Frauen</strong> for<strong>der</strong>ten ihre Zulassung an den Universitäten und <strong>die</strong> politisch engagierten <strong>Frauen</strong><br />

wollten politische Ämter bekleiden. Unverständnis und Missachtung durch <strong>die</strong> Männer war<br />

35 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela: Menschenrechte:<strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich, (2001), Univ. Wien, S. 10<br />

36 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I), S. 65<br />

37 Zitat aus dem Brief an Pierre (1793) In: Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte:<br />

<strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S.11 (aus De Gouges,<br />

Olympe: Mensch und Bürgerin „Die Rechte <strong>der</strong> Frau“ (1791); Schrö<strong>der</strong>, Hannelore (1995), S. 93)<br />

38 www.uni-ulm.de/frauen/biographien Zugriff am 26.4.2007<br />

39 FGS (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I)S. 64<br />

22


<strong>der</strong> Lohn ihrer Gleichheitsbestrebungen. Die Revolution bewirkte auch, dass <strong>Frauen</strong> den Mut<br />

aufbrachten, gemeinsam für ihre Anliegen – <strong>die</strong> spezifischen <strong>Frauen</strong>rechte – auf<strong>zu</strong>treten. Der<br />

kollektive weibliche Wi<strong>der</strong>stand hatte begonnen. 40<br />

Es wurden politische <strong>Frauen</strong>clubs<br />

gegründet, Flugblätter und feministische Journale herausgegeben. Politische Führerinnen wie<br />

Olympe de Gouges, Edda Palm, Theroigne de Mericourt, Rose Lacombe und Paulie Leon<br />

verschafften sich Gehör in Massenversammlungen, durch Volksreden und durch<br />

Zeitungsartikel. An<strong>der</strong>e <strong>Frauen</strong> wie Madame Roland und Manon de Condorcet beeinflussten<br />

offen ihnen bekannte und verwandte männliche Politiker. 41<br />

Die erste Form einer<br />

<strong>Frauen</strong>bewegung war entstanden. 42 Es galt den öffentlichen Ra<strong>um</strong> als Frau und Bürgerin <strong>zu</strong><br />

erobern. Die <strong>Frauen</strong>rechtsbewegung wurde somit auch durch namhafte Männer wie Jean<br />

Antoine de Condorcet unterstützt, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Nationalversammlung <strong>zu</strong> Beginn <strong>der</strong> Revolution<br />

1789 ein Plädoyer Für <strong>die</strong> Zulassung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> z<strong>um</strong> Bürgerrecht hielt. 43 Es wurde <strong>die</strong><br />

These Descartes ̀ über <strong>die</strong> Geschlechtslosigkeit <strong>der</strong> Vernunft diskutiert und über <strong>die</strong><br />

„Gleichheit <strong>der</strong> Geschlechter“ nach Francois Poulain de la Barres von 1673. 44<br />

Erwartungen und For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> wurden jedoch an<strong>der</strong>e männliche Definitionen von<br />

Weiblichkeit entgegengesetzt, <strong>die</strong> sich im Verlauf <strong>der</strong> Revolution letztendlich in den<br />

Entscheidungen durchsetzten. <strong>Frauen</strong>, so wurde arg<strong>um</strong>entiert, hätten eine „beson<strong>der</strong>e Natur“,<br />

weswegen <strong>die</strong> Teilnahme am politischen Geschehen und das Ausüben von Macht <strong>der</strong><br />

„beson<strong>der</strong>en Natur“ <strong>der</strong> Frau wi<strong>der</strong>sprach. <strong>Frauen</strong> wurden letzten Endes wegen ihrer<br />

45, 46<br />

sogenannten „Naturwidrigkeit“ von <strong>der</strong> Öffentlichkeit und <strong>der</strong> Gleichheit ausgeschlossen.<br />

Den<br />

Die Naturlehre des Jean Jaques Rousseau über das Wesen <strong>der</strong> Frau, <strong>die</strong> auf Grund ihrer<br />

natürlichen Neigung geduldig <strong>die</strong> Knechtschaft des Mannes erträgt, mit <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong><br />

Ungleichheit zwischen Mann und Frau, bestätigte den Mann als rechtmäßigen Eigentümer <strong>der</strong><br />

Frau. Die Frau wurde aus dem politischen Ra<strong>um</strong> <strong>zu</strong>rückgedrängt und durch ihre Fähigkeit <strong>der</strong><br />

40 Kubes-Hofmann, Ursula Das unbewusste Erbe (1993) S. 86<br />

41 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />

Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht (1990) S. 16<br />

42 FGS (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I) S. 61<br />

43 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />

Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht (1990) S.17<br />

44 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />

Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht (1990), S.17<br />

45 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott S. 29<br />

46 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft Zur Politk des Weiblichen<br />

<strong>Frauen</strong> Macht Ohnmacht, (1990) S. 28<br />

23


„weiblichen Natur“ in <strong>die</strong> Familie hinein. Eine bürgerliche Liebesideologie bildete sich<br />

47, 48<br />

heraus, <strong>die</strong> an den weiblichen Geschlechtscharakter gebunden war und noch immer ist.<br />

Und es gelang <strong>die</strong> Arg<strong>um</strong>entation, dass es aus Gründen <strong>der</strong> Vernunft und <strong>der</strong> Natur besser<br />

wäre, wenn <strong>Frauen</strong> mit politischen und öffentlichen Angelegenheiten nichts <strong>zu</strong> schaffen<br />

hätten. Fichte beweist in seiner Abhandlung „Deduktion <strong>der</strong> Ehe“, dass sich alle Menschen<br />

durch Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung auszeichnen. Der Naturzweck <strong>der</strong><br />

Geschlechterwesen, Mann und Frau, läge in <strong>der</strong> Produktion von Nachkommen. Der<br />

spezifische Naturzweck würde sich im Geschlechtsakt vollziehen, in dem <strong>der</strong> Mann aktiv<br />

seine Selbstverwirklichung findet; hingegen <strong>die</strong> Frau – ohne eigenen Trieb – nur Mittel z<strong>um</strong><br />

Zweck <strong>der</strong> Befriedigung ihres Mannes ist. Da jedoch <strong>Frauen</strong> auch Menschen sind, müssten sie<br />

einen Trieb besitzen, <strong>der</strong> sie aus <strong>der</strong> passiven in eine aktive Position bringt. Diesen Trieb<br />

erkennt Fichte als den Naturtrieb <strong>der</strong> Frau, welcher ihr <strong>die</strong> Fähigkeit verleiht, sich dem Mann<br />

als Mittel <strong>zu</strong> dessen Befriedigung hin<strong>zu</strong>geben. Dieser Naturtrieb war nach Fichte <strong>der</strong><br />

Liebestrieb <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>.<br />

Die Rolle <strong>der</strong> bürgerlichen Frau entwickelte sich in <strong>der</strong> Folge <strong>zu</strong>nehmend dahin, als Gattin,<br />

Hausfrau und Mutter für eine gesittete Familie innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft verantwortlich <strong>zu</strong><br />

sein und für <strong>der</strong>en Wohlergehen <strong>zu</strong> sorgen. 49 Dieses <strong>Frauen</strong>bild wurde vom mo<strong>der</strong>nen und<br />

aufgeklärten Mann entworfen und richtete sich auch an <strong>die</strong>sen. <strong>Frauen</strong> fanden sich nun wie<strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> ökonomischen Abhängigkeit von ihren Ehemännern.<br />

Als Frau <strong>der</strong> Aufklärung wurde sie z<strong>um</strong> „Schönen Eigent<strong>um</strong>“ 50 des Mannes, <strong>zu</strong> <strong>der</strong> für den<br />

Mann idealen Frau, <strong>die</strong> ihn und ihre Kin<strong>der</strong> selbstlos liebt. Ein natürliches Wesen ohne<br />

jegliche Bestimmung außerhalb <strong>der</strong> Familie und somit angebunden in einem rechtsfreien<br />

Ra<strong>um</strong>.<br />

Die tatkräftigen <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> Revolution wandten sich <strong>zu</strong>nächst gegen <strong>die</strong>se neue, ihnen<br />

<strong>zu</strong>geschriebene Rolle und wehrten sich. Doch unter dem Druck <strong>der</strong> angedrohten<br />

Konsequenzen, <strong>die</strong> sie einschüchterten und in Angst versetzten, mussten sich <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> aus<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>zu</strong>rückziehen, <strong>die</strong> sie mitbestimmt hatten. 51<br />

47 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S 5<br />

48 Kubes-Hofmann, Ursula, Das unbewusste Erbe (1993) S. 21, S. 49<br />

49 ebenda S 50<br />

50 ebenda S 48<br />

51 Barbara Schaefer-Hegel, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des Weiblichen,<br />

<strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 16<br />

24


2.2 Ablehnung des feministischen Ansatzes durch <strong>die</strong> Revolutionäre<br />

Die <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> Revolution kämpften aus Idealismus <strong>um</strong> <strong>die</strong> Verbesserung ihrer<br />

Lebensverhältnisse und hofften auf das Ende <strong>der</strong> sie in Sanftmut zwingende Abhängigkeiten.<br />

Sie kämpften auf unterschiedlichste Art und Weise wie z<strong>um</strong> Beispiel <strong>die</strong> legions d´amazones<br />

in <strong>der</strong> Armee o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Mütter <strong>der</strong> Revolution , <strong>die</strong> Brot und Nahrung für ihre Familien<br />

besorgen mussten .<br />

Für <strong>die</strong> meisten <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> Revolutionsjahre entstand eine Art <strong>der</strong> Identifikation mit den<br />

Werten <strong>der</strong> Revolutionsbewegung, <strong>die</strong> Opitz 1991 als „unauflöslichen<br />

Interdependenz<strong>zu</strong>sammenhang“ <strong>der</strong> Sphären zwischen Öffentlichkeit und Privatem, Familie<br />

und Gesellschaft, bezeichnet hat. 52 In allen Lebensbereichen übernahmen <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong><br />

<strong>die</strong>selben Aufgaben wie <strong>die</strong> Männer. Es gab <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sich <strong>zu</strong> einer eigenen Armee<br />

<strong>zu</strong>sammenschlossen, es gab <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> gemeinsam Seite an Seite mit ihren Männern durch<br />

<strong>die</strong> Straße zogen und in den zahlreichen Schlachten kämpften, es gab <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong><br />

Protestmärsche organisierten und politisch-militante Aktionen planten und es gab <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> traditionelle Versorgungsfrage übernommen hatten. Im Zug <strong>der</strong> Pariser Marktfrauen<br />

nach Versailles im Oktober 1789 erlangte <strong>die</strong>se ihren Höhepunkt. All <strong>die</strong>se öffentlichen<br />

Aktivitäten zogen <strong>die</strong> daraus resultierende Anerkennung <strong>der</strong> Deklaration <strong>der</strong> Menschen- und<br />

Bürgerrechte durch den König nach sich. Und es gab <strong>Frauen</strong> wie Olympe de Gouges, <strong>die</strong><br />

<strong>Frauen</strong>vereinigungen und politische <strong>Frauen</strong>clubs, den Club des Citoyennes Republicaines<br />

Revolutionnaires gründeten, Flugblätter und Journale verfassten, wie z.B. Claire Lacombe<br />

o<strong>der</strong> Pauline Leon. 1789 trä<strong>um</strong>ten <strong>Frauen</strong> von <strong>der</strong> Gleichheit zwischen Männern und <strong>Frauen</strong>.<br />

Die Gleichheit, <strong>die</strong> Égalite <strong>der</strong> Geschlechter, zwischen Mann und Frau, <strong>die</strong> Arbeit an den<br />

<strong>Frauen</strong>rechten und <strong>der</strong> Patriotismus standen im Zentr<strong>um</strong> von Olympe de Gouges Werken, <strong>die</strong><br />

sie grundsätzlich philosophisch und politisch durchdacht hatte. Sie sprach in den politischen<br />

Fragen von dem Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> „Vereinigung von Frau <strong>zu</strong> Mann“ für <strong>die</strong><br />

Beschließung, <strong>die</strong> Ausführung und Beurteilung <strong>der</strong> Gesetze. 53 Für sie bedeutete „Gleichheit“<br />

nicht nur <strong>die</strong> Angleichung an <strong>die</strong> Rechte des Mannes, son<strong>der</strong>n sie verlangte auch <strong>die</strong><br />

Unterschiedlichkeit zwischen Mann und Frau auf Grund ihres anatomischen Geschlechts an<br />

einem ihnen möglichen Maß an Freiheit <strong>zu</strong> orientieren.<br />

52 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I)<br />

(Gerhard 1989, S. 133) (Textsammlung I), S. 61<br />

53 ebenda<br />

25


Bis <strong>zu</strong>r Konventsherrschaft im Herbst 1792 verlief <strong>die</strong> Entwicklung für <strong>die</strong> aufgeklärten<br />

Bürgerlichen – Bourgeoisie contra Feudaladel – nach Plan. Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt schien für<br />

<strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>bewegung mit ihren For<strong>der</strong>ungen nach Recht auf Ausbildung, freier Berufswahl,<br />

<strong>der</strong> Anerkennung, dem Schutz sowie <strong>der</strong> Familienbildung, dem aktiven Wahlrecht, alles<br />

möglich. Denn auch <strong>Frauen</strong> wollten gleich und frei sein und am öffentlichen Leben<br />

gleichberechtigt teilnehmen. Doch bereits im April 1793 erklärte <strong>der</strong> Konvent, dass Kin<strong>der</strong>,<br />

Irre, Min<strong>der</strong>jährige, <strong>Frauen</strong> und Kriminelle kein Bürgerrecht genießen. In weiterer<br />

Konsequenz wurden im Oktober 1793 <strong>die</strong> politischen <strong>Frauen</strong>clubs verboten und geschlossen.<br />

Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t wird <strong>die</strong> „Aufklärung <strong>der</strong> Männer dominant“. Die „feministische<br />

Aufklärung“ wird bekämpft und in <strong>der</strong> Revolution vollständig „vernichtet“. 54<br />

Der Klassenkampf des linken Flügels <strong>der</strong> französischen Linken unter Robespierre ging noch<br />

viel weiter. Mit dem Ziel <strong>der</strong> Errichtung einer sozialen Demokratie in Frankreich, strebte er<br />

eine grundlegende Umformung <strong>der</strong> Gesellschaft an, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Fraternité im Zukunftsstaat <strong>der</strong><br />

Linken. 55 In <strong>die</strong>sem großen intellektuellen Programm waren <strong>die</strong> Befreiung und <strong>die</strong><br />

Emanzipation <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> nicht vorgesehen. Unter dem Anspruch auf epochale Befreiung <strong>der</strong><br />

Menschheit redupliziert <strong>die</strong> Revolution <strong>die</strong> Ständeordnung <strong>der</strong> Geschlechter: Libertät und<br />

Egalität existieren nur für <strong>die</strong> männerbündlerische Fraternität, für <strong>die</strong> Gemeinschaft <strong>der</strong><br />

„patriarchalisch vereindeutigten“ Bürger. 56 „Erinnert Euch <strong>die</strong>ser Virago“, rief Pierre Gaspard<br />

Cha<strong>um</strong>ette zwei Wochen nach dem Tod von Olympe de Gouges einer Gruppe von Jakobinern<br />

<strong>zu</strong>, <strong>die</strong> ihre <strong>Frauen</strong> mitgebracht hatten, „erinnert Euch <strong>die</strong>ses Mannweibs (femme-homme) <strong>der</strong><br />

schamlosen Olympe de Gouges, <strong>die</strong> als erste <strong>Frauen</strong>vereinigungen einrichtete, <strong>die</strong> aufhörte,<br />

ihr Hauswesen <strong>zu</strong> besorgen, <strong>die</strong> politisieren wollte und Verbrechen beging. Alle solchen<br />

unmoralischen Wesen wurden vom Rachefeuer <strong>der</strong> Gesetze vernichtet; und“, sagte er<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>zu</strong> den Republikanerinnen, „ihr wolltet ihr nacheifern? Nein, ihr spürt wohl,<br />

dass ihr nur dann interessant und wahrhaft <strong>der</strong> Wertschät<strong>zu</strong>ng würdig seid, wenn ihr das seid,<br />

was <strong>die</strong> Natur wollte, dass ihr seid. Wir wollen, dass <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> respektiert werden; dar<strong>um</strong><br />

werden wir sie zwingen, sich selbst <strong>zu</strong> respektieren“. 57 Mit <strong>die</strong>ser Rede am 15.11.1793 vor<br />

<strong>der</strong> Pariser Commune erreichte <strong>der</strong> jakobinische Abgeordnete Cha<strong>um</strong>ette den Ausschluss <strong>der</strong><br />

54 Frysak, Viktoria; Kersuc, Daniela Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? Menschenrechte im<br />

Kulturvergleich (2001), Univ. Wien, S. 6<br />

55 Eberhard Schmitt: Einführung in <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong> französischen Revolution (1980) S. 50 ff.<br />

56 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, HG. Iris Bubenik-Bauer; Ute Schalz-Laurenze, „...ihr<br />

werten <strong>Frauen</strong>zimmer, auf!“ S.29<br />

57 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, Iris Bubenik, Ute Schalz-Laurenze, „...ihr werten<br />

<strong>Frauen</strong>zimmer, auf!“, S. 27<br />

26


<strong>Frauen</strong> aus den Ratssit<strong>zu</strong>ngen. Das bedeutete für <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>abordnungen, dass sie ihre<br />

For<strong>der</strong>ungen nicht mehr selbst, son<strong>der</strong>n nur durch männliche Volksvertreter dem Rat<br />

vorbringen konnten. Der konsequente Ausschluss <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> aus <strong>der</strong> politischen<br />

Öffentlichkeit begann. In den Monaten davor zeichnete sich bereits <strong>die</strong> antifeministische<br />

Haltung <strong>der</strong> Jakobiner ab. Nach dem Sturz <strong>der</strong> Girondisten – auch durch <strong>die</strong> Revolutionären<br />

Republikanerinnen – nahmen frauenfeindliche Äußerungen seitens <strong>der</strong> Jakobiner immer<br />

weiter <strong>zu</strong>. 58 Die politische Öffentlichkeit fand ab dem Jahr 1793 immer mehr ohne <strong>Frauen</strong><br />

statt. 1795 wurde den <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong> Teilnahme an jeglichen politischen Versammlungen<br />

verboten und 1800 wurde ihnen das Tragen <strong>der</strong> Kokarde untersagt. 59<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang sind <strong>der</strong> Mut und <strong>der</strong> Einsatz von Olympe de Gouges <strong>zu</strong> verstehen,<br />

nämlich <strong>die</strong> aufgeklärte Befreiung <strong>der</strong> gleichberechtigten Frau aus philosophischen Ansätzen<br />

abgeleitet mit dem Anspruch auf politische Umset<strong>zu</strong>ng.<br />

In <strong>der</strong> nach ihrer Hinrichtung veröffentlichen Urteilsbegründung hieß es:<br />

„Olympe de Gouges, <strong>die</strong> mit ihrer exaltierten Vorstellungskraft geboren war, hielt ihr<br />

Deliri<strong>um</strong> für eine Inspiration <strong>der</strong> Natur. Ein Staatsmann wollte sie sein, und das Gesetz hat <strong>die</strong><br />

Verschwörerin dafür bestraft, dass sie <strong>die</strong> Tugenden vergaß, <strong>die</strong> ihrem Geschlecht<br />

geziemen“. 60<br />

2.3 Die <strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration von Olympe de Gouges<br />

Olympe de Gouges verfasste im Jahr 1791 ihre Erklärung <strong>der</strong> Frau und Bürgerin, nachdem<br />

sie erkennen musste, dass alle <strong>Frauen</strong> auf Grund <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen und<br />

Bürgerrechte von 1789 weiterhin recht- und somit im politischen Sinne machtlos blieben.<br />

Ihrer aufklärerischen Überzeugung entsprechend, vermeinte sie mit Mitteln des Protests, <strong>der</strong><br />

freien Rede auf <strong>der</strong> Rednertribüne o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Pressefreiheit eine grundlegende, gesetzliche<br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Situation herbeiführen <strong>zu</strong> können. Sie kämpfte für <strong>die</strong> Gleichheit <strong>der</strong><br />

Geschlechter, gegen den Ausschluss <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> von <strong>der</strong> allgemeinen Rechtsgleichheit und<br />

58 Kuhn, Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />

des Weiblichen, <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht S 88<br />

59 Schaefer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />

Weiblichen, <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht S. 17<br />

60 FGS 2004-2005 Modul Geschichte des politischen Feminismus<br />

27


gegen <strong>die</strong> Unterwerfung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> unter <strong>die</strong> Gewalt <strong>der</strong> Männer im rechtsfreien Bereich <strong>der</strong><br />

privaten Intimität. 61<br />

Die erste vom Volk ausgehende geschriebene Verfassung Frankreichs sollte im September<br />

1791 verabschiedet werden. Grundlage <strong>der</strong> Verfassung war <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und<br />

Bürgerrechte von 1789, <strong>die</strong> – ohne Einbindung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte – <strong>die</strong> Gleichheit zwischen<br />

allen Männern herstellen sollte. Olympe de Gouges erkannte den Handlungsbedarf für <strong>die</strong><br />

<strong>Frauen</strong>bewegung und verfolgte daher das Ziel, <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechte als Gesetzesantrag so <strong>zu</strong><br />

formulieren, dass <strong>die</strong>se von <strong>der</strong> Nationalversammlung verabschiedet und als eigener Katalog<br />

rechtzeitig in <strong>die</strong> neue Verfassung aufgenommen werden konnten. 62<br />

„Wir, Mütter, Töchter, Schwestern, Vertreterinnen <strong>der</strong> Nation verlangen, in <strong>die</strong><br />

Nationalversammlung aufgenommen <strong>zu</strong> werden. In Anbetracht dessen, dass Unkenntnis,<br />

Vergessen o<strong>der</strong> Missachtung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong> alleinigen Ursachen öffentlichen<br />

Elends und <strong>der</strong> Korruption <strong>der</strong> Regierungen sind, haben wir uns entschlossen, in einer<br />

feierlichen Erklärung gestützt auf einfache und unangreifbare Grundsätze, sich immer <strong>zu</strong><br />

Erhaltung <strong>der</strong> Verfassung, <strong>der</strong> guten Sitten und z<strong>um</strong> Wohle aller auswirken mögen; <strong>die</strong><br />

unveräußerlichen und heiligen Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin dar<strong>zu</strong>legen, damit <strong>die</strong>se<br />

Erklärung allen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gesellschaft ständig vor Augen ist und sie unablässig an ihre<br />

Rechte und Pflichten erinnert; damit <strong>die</strong> Machtausübung von <strong>Frauen</strong> ebenso wie jene von<br />

Männern je<strong>der</strong>zeit am Zweck <strong>der</strong> politischen Einrichtung gemessen und somit auch mehr<br />

geachtet werden kann; damit <strong>die</strong> Beschwerden von Bürgerinnen, nunmehr gestützt auf<br />

einfache und unangreifbare Grundsätze, sich immer <strong>zu</strong> Erhaltung <strong>der</strong> Verfassung, <strong>der</strong> guten<br />

Sitten und z<strong>um</strong> Wohl aller auswirken mögen.<br />

Das an Schönheit wie Mut im Ertragen <strong>der</strong> Mutterschaft überlegene Geschlecht anerkennt und<br />

erklärt <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechte 1791 und for<strong>der</strong>t <strong>der</strong>en Verabschiedung von <strong>der</strong><br />

Nationalversammlung.“ 63 Angeblich verunmöglichte das frühe Inkrafttreten <strong>der</strong> Verfassung<br />

jedoch <strong>die</strong>ses politische Vorgehen Olympe de Gouges .̉ Einer These nach, befand sich das<br />

gesamte Werk <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Frau und Bürgerin gerade in Druck, als <strong>die</strong> Verfassung in<br />

Kraft trat. 64<br />

61 Olympe - Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1, (Juni 1994), S. 10<br />

62 Frysak, Viktoria; Kersic, Daniele; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? (2001) Univ.Wien S 19<br />

63 Olympe-Feministische Arbeitshefte <strong>zu</strong>r Politik, Heft 1 (Juni 1994) S. 11; Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong><br />

Frau, Präambel (1791)<br />

64 Frysak, Viktoria; Kersic, Daniele; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? (2001) Univ.Wien S. 19<br />

28


Olympe de Gouges widmete <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechtserklärung <strong>der</strong> Königin Marie Antoinette. In<br />

einem Brief an <strong>die</strong> Königin suchte sie <strong>der</strong>en Unterstüt<strong>zu</strong>ng in <strong>der</strong> Hoffnung, sie würde sich<br />

<strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechtsbewegung anschließen:<br />

„Madame,<br />

Für <strong>die</strong> Sprache, <strong>die</strong> man <strong>zu</strong> Königen spricht, bin ich wenig geschaffen; dar<strong>um</strong> greife ich nicht<br />

<strong>zu</strong>r Schmeichelei <strong>der</strong> Höflinge, <strong>um</strong> Euch mit <strong>die</strong>sem ungewöhnlichen Werk <strong>zu</strong> huldigen.<br />

Mein Ziel, Madame, besteht darin, rückhaltlos <strong>zu</strong> Euch <strong>zu</strong> sprechen ... Nur <strong>der</strong>jenigen, <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />

Zufall auf einen so herausragenden Rang erhob, steht es <strong>zu</strong>, dem Aufschwung <strong>der</strong><br />

<strong>Frauen</strong>rechte (Droits de la Femme) Nachdruck <strong>zu</strong> verleihen. (...) Niemals wird man es Euch<br />

als Verbrechen anrechnen, wenn Ihr an <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Sitten arbeitet<br />

(Restauration des moeurs), <strong>um</strong> Eurem Geschlecht alle Festigkeit (consistence) <strong>zu</strong> geben, <strong>der</strong>er<br />

es nur fähig ist. Z<strong>um</strong> Unglück für das neue Regime ist <strong>die</strong>s lei<strong>der</strong> nicht das Werk eines Tages.<br />

Diese Revolution kann sich nur dann vollziehen, wenn alle <strong>Frauen</strong> durchdrungen sind von<br />

ihrem beweinenswerten Geschick und den Rechten, <strong>die</strong> sie in <strong>der</strong> Gesellschaft verloren haben<br />

(...) Madame, unterstützt eine so schöne Sache! Verteidigt <strong>die</strong>s unglückliche Geschlecht (...)“<br />

Angeschlossen an <strong>die</strong>sen Brief waren eine Präambel („hommes, es-tu capable d´etre juste<br />

....Mann, bist du fähig, gerecht <strong>zu</strong> sein?“), <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin<br />

(Artikel I-XVII), eine Postambel („Frau, erwache...“), <strong>der</strong> Contract Social und zwei<br />

Postskripte.<br />

Dieses <strong>um</strong>fassende Werk legte sie <strong>der</strong> Nationalversammlung vor und for<strong>der</strong>te dessen<br />

Verabschiedung in ihrer letzten Sit<strong>zu</strong>ng o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> folgenden Legislaturperiode. Sie „sehe<br />

jetzt schon, wie <strong>der</strong> ganze höllische Rattenschwanz sich gegen sie er<strong>heben</strong> werde“, hatte<br />

Olympe de Gouges angenommen. 65 Da<strong>zu</strong> kam es jedoch nicht. Die Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong><br />

Frau und Bürgerin wurde von <strong>der</strong> Nationalversammlung <strong>zu</strong>rückgewiesen. Olympe de Gouges<br />

wurde z<strong>um</strong> Skandalon, nicht weil sie <strong>die</strong> Egalität for<strong>der</strong>te, son<strong>der</strong>n auf Grund des<br />

Dominanzanspruchs mit dem sie ihre Erklärung über <strong>die</strong> <strong>der</strong> Menschenrechtserklärung<br />

setzte. 66<br />

Aus Reflexion und Überzeugung lehnte sie <strong>die</strong> neutrale Formulierung <strong>der</strong> Artikel <strong>der</strong><br />

Menschenrechtsdeklaration ab und begründete damit <strong>die</strong> Erkenntnis, dass mit<br />

geschlechtsneutralen Begriffen eine Hierarchie <strong>der</strong> Geschlechterordnung verbunden ist. Da<br />

sie in ihren Überlegungen auf <strong>die</strong> Vereinigung von Mann und Frau abzielte, stellte sie nicht<br />

65 Frysak, Viktoria; Kersic, Daniele; Menschenrechte: <strong>Frauen</strong>rechte? (2001) Univ.Wien S. 18<br />

66 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, HG. Iris Bubernik-Bauer, Ute Schalz-Laurenze,<br />

“... werten <strong>Frauen</strong>zimmer,, auf!“, S. 37<br />

29


einfach <strong>die</strong> Schwesterlichkeit neben <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit, son<strong>der</strong>n formulierte <strong>die</strong> gesamte<br />

Menschenrechtserklärung von 1789 neu. Sie ersetzte explizit das Wort Homme (=Mensch,<br />

Mann) durch Femme (=Frau) und stellte somit ihre <strong>Frauen</strong>rechtserklärung <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Menschenrechtserklärung gegenüber. 67 Durch <strong>die</strong>ses Verfahren machte sie <strong>die</strong> Lücken <strong>der</strong><br />

Menschenrechtserklärung sichtbar. Und bei <strong>die</strong>sen Lücken handelte es sich ausnahmslos <strong>um</strong><br />

<strong>Frauen</strong>rechte. Dies war <strong>der</strong> eigentliche Skandalon <strong>der</strong> französischen Revolution von 1789:<br />

nicht <strong>die</strong> Reduzierung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> auf ihr Geschlecht, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Reduzierung „angeblicher“<br />

Menschenrechte auf das Geschlecht <strong>der</strong> Männer – und <strong>der</strong> mit <strong>die</strong>ser Reduzierung<br />

einhergehende Etikettenschwindel. 68<br />

Für Olympe de Gouges bedeutete Gleichheit zwischen den Geschlechtern jedoch nicht eine<br />

bloße Angleichung an <strong>die</strong> Rechte des Mannes, son<strong>der</strong>n dass <strong>die</strong>se einen übergeordneten<br />

Maßstab in Be<strong>zu</strong>g auf Freiheit verlangt. 69<br />

Die endgültige Ablehnung des Feministischen Ansatzes durch <strong>die</strong> Revolutionäre <strong>der</strong><br />

Konventsherrschaft erfolgte tiefgehend. Der Einfluss von <strong>Frauen</strong> im politischen Leben war<br />

nicht erwünscht und durfte somit nicht Platz greifen. Erwünscht waren hingegen <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong><br />

in ihrer Rolle weiterhin das traditionelle, apolitische Verhalten zeigten, das sie angeblich von<br />

Natur aus mitbrächten. Folglich wurden <strong>Frauen</strong> weiter aus allen Bereichen <strong>der</strong> Macht<br />

ausgeschlossen und blieben rechtlos - ohne jeglichen Anspruch auf Recht, außer <strong>der</strong> Rechtsund<br />

Schuldfähigkeit vor Gericht. Somit reduziert sich <strong>die</strong> soziale Rolle <strong>der</strong> Frau wie<strong>der</strong> auf<br />

ihre Geschlechternatur. 70<br />

Den härtesten und gewaltvollsten Ausschluss aus <strong>der</strong> Gesellschaft, nämlich <strong>der</strong><br />

fremdbestimmte Tod durch <strong>die</strong> Hinrichtung, musste auch Olympe de Gouges erfahren. Ihre<br />

For<strong>der</strong>ungen für alle <strong>Frauen</strong> wurden abgelehnt und durch den Voll<strong>zu</strong>g <strong>der</strong> Exekution an ihr<br />

wurden <strong>Frauen</strong> über viele Jahre hindurch in Angst und Schrecken versetzt.<br />

67<br />

ebenda S. 33<br />

68 Schaeffer-Hegel, Barbara, Perversion <strong>der</strong> Liebe und Politik <strong>der</strong> Vernunft, Zur Politik des<br />

Weibllichen, <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 29<br />

69 De Gouges, Olympe,<br />

70 Frie<strong>der</strong>ike Hassauer, Tribüne und Schafott, HG.Iris Bubernik-Bauer, Ute Schalz-Laurenze,<br />

“... werten <strong>Frauen</strong>zimmer,, auf!“, S. 29<br />

30


3 Bedeutung Olympe de Gouges in <strong>der</strong> Gegenwart<br />

3.1 Aktualität ist immer noch gegeben<br />

Olympe de Gouges war eine feministische Revolutionärin im ständigen Diskurs <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />

Wahrung bzw. <strong>die</strong> Berücksichtung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und Menschenrechte vor und während <strong>der</strong><br />

französischen Revolution. Sie war eine avantgardistische, intellektuelle Frau, <strong>die</strong> ihre<br />

Vorstellungen und Ideen über Gerechtigkeit und Emanzipation in ein geschriebenes Recht für<br />

<strong>Frauen</strong> fasste; und <strong>die</strong> ihr Leben dadurch riskierte, förmlich aufs Spiel setzte, weil sie <strong>die</strong><br />

politischen Entscheidungen des Konvents für unmoralisch hielt und sie sich darüber öffentlich<br />

äußerte und in weiterer Folge gegen <strong>die</strong> damaligen Machtstrukturen verlor.<br />

In <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng mit dem Thema, dass <strong>Frauen</strong>rechte Menschenrechte sind, ist <strong>die</strong><br />

Begegnung mit Olympe de Gouges dankenswerterweise bereits programmiert. Im Bereich <strong>der</strong><br />

Menschenrechts- und <strong>Frauen</strong>bewegung ist sie vielfach zitiert und eine Vielzahl von ihren<br />

For<strong>der</strong>ungen, Aussprüchen und nicht <strong>zu</strong>letzt ihre <strong>Frauen</strong>rechtsdeklaration beeindrucken uns<br />

auf Grund ihrer klaren Sichtweise und ihres Mutes, sich nicht nur über das politische<br />

Geschehen <strong>zu</strong> informieren, son<strong>der</strong>n mittels Publikationen an<strong>der</strong>e <strong>zu</strong> informieren und<br />

öffentlich Kritik als Frau an den Machthabern <strong>zu</strong> üben und eigenständige Positionen mit <strong>der</strong><br />

damit verbundenen For<strong>der</strong>ung nach freier Meinungsäußerung <strong>zu</strong> vertreten.<br />

Die weltweit aktive Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes stellte im For<strong>um</strong> für<br />

Geschichte <strong>die</strong> Biografie von Olympe de Gouges vor und <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und<br />

Bürgerinnenrechte. Terre des Femmes schreibt da<strong>zu</strong>, dass mehr als 200 Jahre nach ihrem Tod<br />

<strong>die</strong> weiblichen Nachfahren von Olympe de Gouges im Kampf für Gleichberechtigung,<br />

Schulbildung, Berufsausbildung und Studi<strong>um</strong> profitiert haben, denn <strong>die</strong>se gehören <strong>zu</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Errungenschaften mo<strong>der</strong>ner Demokratien. 71<br />

So hat nun auch Olympe de Gouges einen wichtigen Platz bei Terre des Femmes gefunden, an<br />

dem sie sich würdig und endlich verstanden gefühlt hätte und vor allem könnte sie von <strong>die</strong>sem<br />

Ort aus mitverfolgen, was sich weltweit weiterhin an Unterdrückung von <strong>Frauen</strong> und Kin<strong>der</strong>n<br />

abspielt, insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Dritten Welt. Bei einem Vergleich zwischen den beiden<br />

Epochen, <strong>der</strong> französischen Revolution und <strong>der</strong> gegenwärtigen globalen Epoche, vermeint<br />

71 http://literaturkritik.de/public/rezension Zugriff vom 19.2.2008<br />

31


man beinahe, dass sich hier keine zwei Jahrhun<strong>der</strong>te dazwischen befinden können. Doch all<br />

unser Wissen über <strong>die</strong> bestehenden Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen bringt unsere nachhaltige<br />

Verantwortung für unsere Welt an <strong>die</strong> Oberfläche und for<strong>der</strong>t uns da<strong>zu</strong> auf, nach unseren<br />

besten Möglichkeiten <strong>zu</strong> handeln und Unrecht wirkungsvoll und vor allem engagiert <strong>zu</strong><br />

bekämpfen. Eine Gruppe von solchen wi<strong>der</strong>ständigen <strong>Frauen</strong> hat den Verein Terre des<br />

Femmes ins Leben gerufen und kämpft seit wahrlich vielen Jahren in den Bereichen <strong>der</strong><br />

wirkungsvollen Gegensteuerung <strong>zu</strong> den Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen an <strong>Frauen</strong> und Kin<strong>der</strong>n<br />

in Europa und auf <strong>der</strong> ganzen Welt.<br />

3.1.1 Terre des Femmes<br />

Bei <strong>der</strong> Organisation Terre des Femmes 72,73 handelt es sich <strong>um</strong> eine im Jahr 1981 in<br />

Tübingen, Deutschland, gegründete gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für <strong>Frauen</strong><br />

und Mädchen, <strong>die</strong> durch internationale Vernet<strong>zu</strong>ng, Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen,<br />

Einzelfallhilfe und För<strong>der</strong>ung von einzelnen Projekten <strong>Frauen</strong> und Mädchen unterstützt und<br />

<strong>die</strong> sich <strong>zu</strong>r Aufgabe gemacht hat, <strong>die</strong> Rechte von <strong>Frauen</strong>, ungeachtet ihrer konfessionellen,<br />

politischen, ethnischen und nationalen Identität <strong>zu</strong> verteidigen. Die Schwerpunktthemen <strong>der</strong><br />

Arbeit von Terre des Femmes sind seit Jahren <strong>der</strong> Kampf gegen <strong>Frauen</strong>handel,<br />

Genitalverstümmelungen, häusliche Gewalt, Ehrverbrechen, Sextourismus und <strong>die</strong><br />

Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen in z.B. Mittelamerika und In<strong>die</strong>n u.v.m..<br />

Seit 1981 hat sich <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des Vereines auf ca. 2700 Mitfrauen und<br />

För<strong>der</strong>mitglie<strong>der</strong> erhöht. 1990 wurde in Tübingen eine Bundesgeschäftsstelle mit<br />

hauptamtlichen Mitglie<strong>der</strong>n eingerichtet, wodurch <strong>die</strong> Vereinstätigkeit erheblich<br />

professionalisiert werden konnte. Terre des Femmes finanziert sich ausschließlich über<br />

Spenden. Sonst teilt sich Terre de Femmes in Städtegruppen auf, <strong>die</strong> ehrenamtlich<br />

mitarbeiten.<br />

Durch Publikationen, Mitteilungen an <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n, Unterschriftenkampagnen,<br />

Informationsstände, Rundschreiben und Veranstaltungen will Terre des Femmes <strong>die</strong> breite<br />

Öffentlichkeit sensibilisieren, aufklären und über Diskriminierung, Ausbeutung,<br />

Misshandlung und Verfolgung von <strong>Frauen</strong> informieren und <strong>zu</strong> Aktionen anregen.<br />

72 FGS (2004-2005) Geschichte des politischen Feminismus (Textsammlung I)<br />

73 www.literaturkritik.de/public Zugriff vom 19.2.2008<br />

32


Terre des Femmes ruft auch immer wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> Postkartenaktionen auf. Bei <strong>die</strong>sen Aktionen<br />

werden Protestkarten an jene Firmen geschickt, <strong>die</strong> unter ausbeuterischen<br />

Arbeitsbedingungen ihre Produkte in „Dritte Welt Län<strong>der</strong>n“ produzieren lassen. Immer am<br />

25. November am Internationalen Tag: Nein <strong>zu</strong>r Gewalt an <strong>Frauen</strong>! bereitet Terre des<br />

Femmes solche Aktionen vor wie z<strong>um</strong> Beispiel eine Demonstration vor einem Reisebüro<br />

gegen Billigurlaubssangebote in Sextourismuslän<strong>der</strong>. Jährlich seit 2001 findet das einwöchige<br />

Filmfest <strong>Frauen</strong>Welten von Terre des Femmes im November statt, bei dem über 30 Spielfilme<br />

und Dok<strong>um</strong>entationen aus über 20 Län<strong>der</strong>n mit den inhaltlichen Schwerpunkten von<br />

<strong>Frauen</strong>rechten in verschiedenen Kulturen, wie <strong>der</strong> Situation von arabischen <strong>Frauen</strong>,<br />

„<strong>Frauen</strong>rechte und globale Wirtschaft“ und z<strong>um</strong> Thema betreffend „Häusliche Gewalt“<br />

gezeigt werden. Gleichzeitig wird ein Rahmenprogramm mit Diskussionsrunden z<strong>um</strong> Thema,<br />

wie <strong>Frauen</strong>rechte weltweit mit Mitteln des Films verteidigt werden können, angeboten. Auch<br />

mit dem <strong>Frauen</strong> Filmfest kooperiert Terre des Femmes mit Wien. Wan<strong>der</strong>ausstellungen z<strong>um</strong><br />

Thema <strong>Frauen</strong>handel und Zwangsprostitution, „Tatmotiv Ehe“ und Genitalverstümmelung<br />

werden so angeboten, dass sie von jedem Wohnort aus gebucht werden können. In<br />

Deutschland wurde <strong>die</strong> Kampagne Stoppt Zwangsheirat mit dem Preis für Demokratie und<br />

Toleranz ausgezeichnet.<br />

3.2 Gesetzliche Grundlagen als Vorausset<strong>zu</strong>ng und Absicherung <strong>der</strong> Gleichberechtigung<br />

Olympe de Gouges hatte bereits 1791 erkannt, dass Menschenrechte auch <strong>Frauen</strong>rechte<br />

beinhalten müssen. Sie stellte daher <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und Bürgerrechte von 1789<br />

mit einem klaren feministischen Ansatz <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und Bürgerin<br />

entgegen, <strong>um</strong> <strong>die</strong> den <strong>Frauen</strong> vorenthaltenen Rechte, mit einer vollständig ausgearbeiteten<br />

Erklärung als Rechtsgrundlage ein<strong>zu</strong>for<strong>der</strong>n. 74<br />

Die Ausgangslage war ja <strong>die</strong>, dass vermutlich alle <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> französischen Revolution auf<br />

<strong>die</strong> Einführung <strong>der</strong> gesetzlichen Grundlagen <strong>zu</strong>r Absicherung ihrer Rechte und <strong>der</strong><br />

Gleichberechtigung in ihrem neuen nach Freiheit und Gleichheit strebenden Frankreich,<br />

gehofft haben und 1789 von <strong>der</strong> Erreichung ihrer Vorstellungen überzeugt waren.<br />

Die Gleichheitsfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> von 1789 schlossen den Wunsch nach einer<br />

Beachtung <strong>der</strong> Geschlechterdifferenz mit ein. 75<br />

74 Kuhn, Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />

des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 83<br />

75 Annette Kuhn, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />

des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht (1990) S. 82<br />

33


In einer Petition <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> des Dritten Standes an den König vom 1.1.1789 ist <strong>zu</strong> erkennen,<br />

wie dringlich den <strong>Frauen</strong> <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ung nach einem rechtssicheren Ra<strong>um</strong> war:<br />

„Befreiung von den „letzten Ketten, <strong>die</strong> sie noch an einen herrischen Rest von Feudalität<br />

binden...“ und „Könnten <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> dauernd Gegenstand <strong>der</strong> Bewun<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong><br />

Verachtung <strong>der</strong> Männer sind, könnten <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> in <strong>die</strong>ser allgemeinen Aufregung nicht auch<br />

ihre Stimme tönen lassen?“. 76<br />

Es ging den <strong>Frauen</strong> <strong>um</strong> Bildung, politische Ämter, Bekämpfung <strong>der</strong> Armut und <strong>der</strong>en Folgen<br />

für <strong>Frauen</strong> und <strong>der</strong> Gleichberechtigung innerhalb <strong>der</strong> Ehe und innerhalb <strong>der</strong> Familie durch<br />

Abschaffung aller Privilegien des männlichen Geschlechts, denn ohne gesetzliche Grundlagen<br />

waren sie lediglich Besitz ihrer Väter, Ehemänner und des Staates. Bei den <strong>Frauen</strong> des Dritten<br />

Standes handelte es sich <strong>um</strong> selbständige und erwerbstätige Bürgerinnen, <strong>die</strong> ka<strong>um</strong> mehr als<br />

das Existenzminim<strong>um</strong> ver<strong>die</strong>nten und somit nie ökonomisch unabhängig leben konnten. Um<br />

sich als den Männern gleichwertig sehen <strong>zu</strong> können, for<strong>der</strong>ten sie logischerweise ihre<br />

ökonomische Selbständigkeit, Bildung und <strong>die</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> freien Partnerwahl. 77<br />

Zur Absicherung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> und Kin<strong>der</strong> in den Ehen und Familien wurde von Olympe de<br />

Gouges <strong>der</strong> Entwurf eines Gesellschaftsvertrags für Ehepartner ausgearbeitet. Olympe de<br />

Gouges wusste, dass <strong>die</strong> Gleichheitsbestrebungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> nur durch <strong>die</strong> Erreichung einer<br />

gesetzlichen Verankerung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte erfüllt werden konnten. Jedes Zugeständnis an<br />

Entscheidungsfreiheit bedeutete lediglich weiterhin <strong>der</strong> Abhängigkeit eines Mannes<br />

ausgeliefert <strong>zu</strong> sein und konnte natürlich je<strong>der</strong>zeit wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>rückgenommen werden. Nur das<br />

Gesetz konnte als ordnungspolitische Größe für eine stabile Rechtssicherheit sorgen.<br />

In <strong>die</strong>sem Sinne findet auch <strong>die</strong> gegenwärtige <strong>Frauen</strong>arbeit bei Terre des Femmes statt, <strong>die</strong><br />

weltweit <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sich aus den unterschiedlichsten Formen <strong>der</strong> Unterdrückung und<br />

Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen in Not befinden, helfend unterstützt. Denn neben den<br />

Maßnahmen <strong>zu</strong>r Sensibilisierung <strong>der</strong> Öffentlichkeit hinsichtlich <strong>der</strong> Verlet<strong>zu</strong>ng von<br />

Menschenrechten an <strong>Frauen</strong>, vermittelt Terre des Femmes <strong>Frauen</strong> in Not an<br />

Kriseneinrichtungen und startet Briefaktionen an <strong>die</strong> Regierungen weltweit. Da<strong>zu</strong> arbeitet <strong>die</strong><br />

Menschenrechtsorganisation eng mit an<strong>der</strong>en <strong>Frauen</strong>- und Menschenrechtsorganisationen<br />

<strong>zu</strong>sammen.<br />

76 ebenda<br />

77 Kuhn, Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution Zur Politik<br />

des Weiblichen <strong>Frauen</strong>, Macht und Ohnmacht (1990), S. 84<br />

34


Derzeit (Februar 2008) unterstützt Terre des Femmes acht Selbsthilfeprojekte und Initiativen<br />

von <strong>Frauen</strong> für <strong>Frauen</strong> in Län<strong>der</strong>n außerhalb Deutschlands, unter an<strong>der</strong>em drei<br />

Aufklärungsprojekte gegen Genitalverstümmelung in Afrika.<br />

In Zahlen ausgedrückt handelt es sich dabei <strong>um</strong> eine Größenordnung von weltweit zwischen<br />

130 bis 150 Millionen Mädchen und <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> sich jährlich <strong>um</strong> etwa 2 Millionen vergrößert.<br />

In Europa, so schätzt das Kin<strong>der</strong>hilfswerk <strong>der</strong> Vereinten Nationen (UNICEF), werden jährlich<br />

drei Millionen <strong>Frauen</strong> und Mädchen Opfer von Genitalverstümmelungen. 78<br />

Das erklärte Ziel des Projektes von Terre des Femmes ist es einen Beitrag <strong>zu</strong>r<br />

Gesundheitsför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> afrikanischen <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> leisten. Gleichzeitig wird eine größere<br />

Eigenständigkeit und Selbstbestimmung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> geför<strong>der</strong>t. Denn <strong>die</strong> Erfahrung zeigt, dass<br />

<strong>Frauen</strong> mit entsprechen<strong>der</strong> Information <strong>die</strong> schädliche und frauenfeindliche<br />

Genitalverstümmelung (Infibulation: Entfernen <strong>der</strong> Klitoris, <strong>der</strong> inneren und äußeren<br />

Schamlippen, Zunähen <strong>der</strong> Vagina bis auf eine minimale Größe 79 ablehnen und aktiv gegen<br />

<strong>die</strong>se tra<strong>die</strong>rte Beschneidung, vorgehen. Auch zeigt <strong>die</strong> Praxis, dass in Dörfern in denen <strong>die</strong><br />

<strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> Männer, <strong>die</strong> Dorfchefs und <strong>die</strong> Beschnei<strong>der</strong>innen selbst in <strong>die</strong> Aufklärungsarbeit<br />

miteinbezogen werden, nicht mehr beschnitten wird. (Projektleiterin in Burkina Faso, Rakieta<br />

Poyga-Sawadogo). 80 Diese Hilfeleistung <strong>der</strong> intensiven Aufklärungsarbeit <strong>zu</strong>r<br />

Bewusstseinsverän<strong>der</strong>ung ist, <strong>um</strong> tra<strong>die</strong>rte und frauenfeindliche Rollenbil<strong>der</strong> bei <strong>Frauen</strong> und<br />

Männern durch neue Bil<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gesellschaft bei <strong>Frauen</strong> und Männern entstehen <strong>zu</strong>lassen,<br />

als Instr<strong>um</strong>ent <strong>zu</strong>r Verän<strong>der</strong>ung bestehen<strong>der</strong> struktureller Gewalt immens wichtig. Auch <strong>die</strong><br />

gezielte Aufklärung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> über ihre Rechte, vor allem in traditionellen Regionen, schafft<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit <strong>zu</strong>r Anpassung regionaler und nationaler Rechtsvorschriften an <strong>die</strong><br />

internationalen Richtlinien und Bestimmungen hinsichtlich <strong>der</strong> Wahrung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>rechte,<br />

<strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> vor Armut, Gewalt und jeglicher Diskriminierung schützen sollen. 81<br />

Neben <strong>der</strong> Menschenrechtsorganisation Terre de Femmes wenden sich mehrere nationale,<br />

regierungsunabhängige und internationale Organisationen, wie <strong>die</strong> UNO, UNICEF, UNIFEM,<br />

<strong>die</strong> Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, Menschen für Menschen Intact<br />

und TARGET gegen <strong>die</strong> Praxis <strong>der</strong> Beschneidung weiblicher Genitalien und for<strong>der</strong>n<br />

78 de.wikipedia.org/wiki/Beschneidung (Zugriff vom 26.3.2007)<br />

79 FGS V (2006-2007), Modul Gesellschaftspolitik und feministische Kritik II, Cross Impact Stu<strong>die</strong>,<br />

Genitalverstümmelung<br />

80 www.literaturkritik.de/public/rezension, Menschenrechte sind <strong>Frauen</strong>rechte-Über <strong>die</strong> Arbeit von<br />

Terre des Femmes Zugriff am 19.2.2008<br />

81 <strong>Frauen</strong>rechte-Menschenrechte: Vom Tra<strong>um</strong> <strong>zu</strong>r Wirklichkeit, Horizont 3000 (2002), S. 63<br />

35


offensivere Maßnahmen <strong>zu</strong>r Respektierung elementarer Menschenrechte wie das Recht auf<br />

körperliche Unversehrtheit. 82<br />

Ausbeutung <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> durch kulturelle Praktiken wurde erstmals anlässlich <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong><br />

Abschlusserklärung bei <strong>der</strong> Menschenrechtsweltkonferenz 1993 in Wien als unvereinbar mit<br />

<strong>der</strong> <strong>Würde</strong> und dem Wert <strong>der</strong> menschlichen Person gesehen. 83<br />

3.3 Menschenrechte – <strong>Frauen</strong>rechte damals, Menschenrechte heute<br />

Die in <strong>der</strong> Aufklärung begründeten Menschenrechte zielten auf <strong>die</strong> Verankerung <strong>der</strong><br />

unveräußerliche Grundrechte und Grundfreiheiten aller Menschen und, dass <strong>die</strong>se berechtigt<br />

sind, ihre Rechte auch <strong>zu</strong> verteidigen und dafür ein<strong>zu</strong>treten. Nach den Philosophen John<br />

Locke, Thomas Paine und Jean Jaques Rousseau sind alle Menschen gleich und übernehmen<br />

<strong>die</strong> gleichen Rechte und Pflichten. Der Staat hat <strong>die</strong> Sicherung <strong>der</strong> natürlichen Rechte des<br />

Menschen z<strong>um</strong> Ziel. Rechte und Pflichten, <strong>die</strong> für jeden Einzelnen gleich sind, bieten auch<br />

ein Recht auf Sicherheit und auf Schutz vor Willkür. 84 <strong>Frauen</strong> wurden aus <strong>die</strong>sem Vertrag<br />

jedoch ausgeschlossen und erhielten kein Bürgerinnenrecht.<br />

Das Europa des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts zeigt sich uns bereits in einem an<strong>der</strong>en Licht.<br />

Seit dem Jahr 1957 als in den römischen Verträgen, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> damaligen<br />

Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft <strong>die</strong>nten, das Prinzip <strong>der</strong> Lohngleichheit für Männer<br />

und <strong>Frauen</strong> verankert wurde, spielt <strong>die</strong> Gleichstellung <strong>der</strong> Geschlechter eine immer<br />

wesentlichere Rolle für <strong>die</strong> europäischen und nationalen PolitikerInnen. <strong>Frauen</strong>rechte,<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, sind<br />

mittlerweile integraler Bestandteil <strong>der</strong> Menschenrechte und zählen <strong>zu</strong> den menschlichen<br />

Grundrechten. Die europäische Union hat seit den 1970er Jahren im Zuge ihrer<br />

Gleichstellungspolitik dreizehn Richtlinien <strong>zu</strong>r Gleichstellung erlassen.<br />

Eine, sehr dringend erwartete Richtlinie war <strong>die</strong> betreffend (Sexuelle) Belästigung, <strong>die</strong> erst<br />

mit <strong>der</strong> Novelle <strong>der</strong> Gleichbehandlungsrichtlinie im Jahr 2002 als Diskriminierung<br />

sexistischer und geschlechtsspezifischer Art auf EU-Ebene ausdrücklich verboten wurden.<br />

82 de.wikipedia.org/wiki/Beschneidung, Zugriff am 26.3.2007<br />

83 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus<br />

84 NEUHOLD, Brita, Internationale Dimensionen aus Menschenrechte – <strong>Frauen</strong>rechte,<br />

Internationale, europarechtliche und innerstaatliche Dimensionen, 2003, Stu<strong>die</strong>nverlag<br />

(Hsgb.), 2003, S. 22<br />

36


Die Gleichbehandlungsrichtlinie unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer<br />

Diskriminierung, <strong>die</strong> beide verboten sind:<br />

Als Beispiel für <strong>die</strong> unmittelbare Diskriminierung führe ich folgendes Beispiel an:<br />

Ein Arbeitgeber verhält sich unmittelbar diskriminierend, wenn er eine schwangere Frau<br />

wegen <strong>der</strong> finanziellen Kosten, <strong>die</strong> ihre schwangerschaftsbedingte Abwesenheit auslösen,<br />

nicht anstellt.<br />

Als Beispiel für eine mittelbare Diskriminierung kann <strong>die</strong> Schlechterstellung von<br />

Teilzeitkräften genannt werden, da sich <strong>die</strong>se nicht unmittelbar gegen <strong>Frauen</strong> richtet, jedoch<br />

<strong>Frauen</strong> im Regelfall davon betroffen sind.<br />

Doch <strong>um</strong> <strong>Frauen</strong>rechte durch<strong>zu</strong>setzen bedarf einer ständigen prozesshaften Überprüfung.<br />

Diese erfolgt durch den Europäischen Gerichtshof, dessen Entscheidungen immer mit<br />

Spannung erwartet werden, da <strong>die</strong>se für <strong>die</strong> europäische und nationale Gleichstellungspolitik<br />

85, 86<br />

von Bedeutung und somit richtungweisend sind.<br />

In Wien wurde mit dem <strong>Wiener</strong> Gleichbehandlungsgesetz von 1996 <strong>der</strong> EU-Richtlinie<br />

aus dem Jahr 1976 <strong>zu</strong>r Verwirklichung des Grundsatzes <strong>der</strong> Gleichbehandlung von Männern<br />

und <strong>Frauen</strong> hinsichtlich des Zuganges <strong>zu</strong>r Beschäftigung, <strong>zu</strong>r Berufsausbildung und z<strong>um</strong><br />

beruflichen Aufstieg sowie in Be<strong>zu</strong>g auf <strong>die</strong> Arbeitsbedingungen entsprochen. Zwei weitere<br />

EG-Richtlinien wurden eingearbeitet und das Gesetz entsprechend novelliert: Im Jahr 1997<br />

betreffend <strong>die</strong> Beweislast bei Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und im Jahr 2002<br />

<strong>die</strong> weitere europäische Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Richtlinie <strong>zu</strong>r Verwirklichung des Grundsatzes <strong>der</strong><br />

Gleichbehandlung von Männern und <strong>Frauen</strong>.<br />

Im September 2004 sind hinsichtlich <strong>der</strong> Dienstordnung und <strong>der</strong> Vertragsbe<strong>die</strong>nstetenordnung<br />

weitere entsprechende Gesetzesän<strong>der</strong>ung für <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nsteten <strong>der</strong> Stadt Wien in Kraft<br />

getreten. Diese Gesetzesän<strong>der</strong>ungen waren durch <strong>die</strong> Verpflichtung Österreichs, drei EU-<br />

Richtlinien <strong>um</strong><strong>zu</strong>setzen, und zwar <strong>die</strong> Antirassismus-Richtlinie (2000/43/EG), <strong>die</strong><br />

Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG) und <strong>die</strong><br />

Än<strong>der</strong>ungs-Richtlinie <strong>zu</strong>r Verwirklichung <strong>der</strong> Gleichbehandlung von <strong>Frauen</strong> und Männern im<br />

Arbeitsleben notwendig geworden (2002/73/EG).<br />

Das aus 7 Teilen bestehende Gesetz gilt für <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nsteten <strong>der</strong> Stadt Wien (BeamtInnen und<br />

Vertragsbe<strong>die</strong>nstete) und <strong>die</strong>, <strong>die</strong> sich dar<strong>um</strong> bewerben und - mit Son<strong>der</strong>bestimmungen - für<br />

LandeslehrerInnen.<br />

85 FGS V (2006-2007), Modul 2 Recht.Macht.Geschlecht, Gleichstellungspolitik in <strong>der</strong> EU<br />

86 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus<br />

37


Der zweite Teil des Gesetzes <strong>um</strong>fasst <strong>die</strong> Gleichbehandlung mit dem Gleichbehandlungsgebot<br />

sowie <strong>die</strong> Rechtsfolgen <strong>der</strong> Verlet<strong>zu</strong>ng des Gleichbehandlungsgebotes. Diskriminierungen auf<br />

Grund des Geschlechts als auch Diskriminierungen auf Grund <strong>der</strong> Rasse o<strong>der</strong> ethnischen<br />

Herkunft, <strong>der</strong> Religion o<strong>der</strong> Weltanschauung, des Alters, <strong>der</strong> sexuellen Orientierung sowie<br />

sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind durch gesetzlich Bestimmungen verboten. Die mit<br />

<strong>der</strong> Gleichbehandlung und <strong>Frauen</strong>för<strong>der</strong>ung befassten Einrichtungen und Personen<br />

(Gleichbehandlungskommission, Gleichbehandlungsbeauftragte) und <strong>der</strong>en Aufgaben sind im<br />

3. Teil des Gesetzes angeführt. Die beson<strong>der</strong>en För<strong>der</strong>ungsmaßnahmen für <strong>Frauen</strong> sind im<br />

vierten Teil des Gesetzes geregelt; <strong>der</strong> 5. Teil ist dem Berichtswesen gewidmet und im<br />

sechsten Teil finden sich <strong>die</strong> entsprechenden Son<strong>der</strong>bestimmungen für <strong>die</strong> LandeslehrerInnen.<br />

Im Teil 7 sind <strong>die</strong> Übergangs- und Schlussbestimmungen zitiert. 87<br />

Seitens <strong>der</strong> Stadt Wien gibt es jedenfalls ein klares öffentliches Bekenntnis da<strong>zu</strong>, dass <strong>Frauen</strong>und<br />

Gleichstellungspolitik querschnittorientiert <strong>zu</strong> sein hat. Die Stadt Wien hat als einziges<br />

Bundesland im Jahr 2005 eine eigene Projektstelle für Gen<strong>der</strong> Mainstreaming in <strong>der</strong><br />

Konzernspitze eingerichtet. Diese Positionierung von Gen<strong>der</strong> Mainstreaming direkt in <strong>der</strong><br />

Magistratsdirektion hat sich für Wien als sehr positiv erwiesen, da Gen<strong>der</strong> Mainstreaming<br />

beson<strong>der</strong>s in den Bereichen Planung, Wohnbau, Gesundheit, Jugend und Kultur sowie in den<br />

von <strong>der</strong> Stadt Wien dotierten Fonds (z.B. <strong>Wiener</strong> ArbeitnehmerInnenfonds) berücksichtigt<br />

wurde. 88 Das Know-how Wiens bei <strong>der</strong> Implementierung von Gen<strong>der</strong> Mainstreaming ist<br />

mittlerweile international gefragt und viele Expertinnen <strong>der</strong> Stadt Wien haben ihre Erfahrung<br />

in viele europäische und amerikanische Städte exportiert. Wirkungsvolle Kampagnen wurden<br />

gestartet, Hinweisschil<strong>der</strong> wurden unter dem Titel „Wien sieht an<strong>der</strong>s“ so verän<strong>der</strong>t, dass das<br />

Bewusstsein für Gen<strong>der</strong> Mainstreaming geschärft wurde durch allgemein bekannte<br />

Piktogramme und Schil<strong>der</strong> mit getauschtem Geschlecht. 89<br />

Gen<strong>der</strong> Mainstreaming versteht in <strong>der</strong> (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und<br />

Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle<br />

politischen Konzepte auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an politischen<br />

Entscheidungen beteiligte Akteure und Akteurinnen ein<strong>zu</strong>beziehen (1998). 90<br />

87 <strong>Wiener</strong> Gleichbehandlungsgesetz 1996 i.d.g.F.,<br />

88 <strong>Frauen</strong> in Wien, Informationen von A-Z, HG.MA 57-<strong>Frauen</strong>abteilung <strong>der</strong> Stadt Wien (2005), S. 155<br />

89 www.wien.gv.at/nachrichten Zugriff vom 28.12.2006<br />

90 FGS V (2006-2007) Modul 4 Gesellschaftspolitik und feministische Kritik I<br />

38


4 Zusammenfassung<br />

4.1 Jede Frau hat Geschichte<br />

„Jede Frau sollte mindestens ein Jahr <strong>Frauen</strong>geschichte stu<strong>die</strong>ren, egal was sie sonst macht.<br />

Jede Frau än<strong>der</strong>t sich, wenn sie weiß, dass sie eine Geschichte hat.“ (Zitat Gerda Lerner) 91 .<br />

„Jede von uns hat ihre Geschichte und wir bringen sie in jedem Augenblick des Lebens in<br />

vielfältiger Weise z<strong>um</strong> Ausdruck. Z<strong>um</strong> Beispiel durch unsere unterschiedlichen<br />

Lebenswelten, <strong>die</strong> sich in einem Wechselspiel komplexer struktureller gesellschaftlicher und<br />

kultureller Beziehungsgeflechte gestalten. Wir machen daher „unsere Geschichte zwar nicht<br />

(nur) aus freien Stücken, aber wir machen sie selbst“ (Rosa Luxemburg). 92<br />

Die Motivierung für meine Diplomarbeit ein geschichtliches Thema auf<strong>zu</strong>greifen, ergab sich<br />

aus meinem Wunsch mein Wissen in möglichst vielen Disziplinen <strong>zu</strong> erweitern. Und mit <strong>der</strong><br />

Lebensgeschichte von Olympe de Gouges stand plötzlich eine Frau vor mir, <strong>der</strong>en Leben in so<br />

vielen Facetten schimmerte, so dass ich an meine eigene Begeisterungsfähigkeit erinnert<br />

wurde. Gleichzeitig wurde mir durch das Studi<strong>um</strong> ermöglicht, vieles über <strong>die</strong>se Frau und <strong>die</strong><br />

da<strong>zu</strong>gehörigen historischen Zusammenhänge aus feministischer Sichtweise <strong>zu</strong> erfahren. Mich<br />

interessierte ihre Lebensgeschichte im Zusammenhang mit all den politischen und<br />

philosophischen Strömungen <strong>die</strong>ser Zeit und <strong>die</strong> Frage, war<strong>um</strong> wird letztendlich <strong>die</strong><br />

Todesstrafe gegen eine Frau verhängt, <strong>die</strong> jahrelang für <strong>die</strong>se Gemeinschaft Frankreich und<br />

<strong>die</strong> Revolution gekämpft hat. Inwiefern hat sie durch ihre Positionierung, <strong>die</strong> biologische<br />

Geschlechterdifferenz in ein Recht <strong>zu</strong> fassen und <strong>die</strong>ses Recht ein<strong>zu</strong>for<strong>der</strong>n, gegen <strong>die</strong> Inhalte<br />

<strong>der</strong> Revolution verstoßen, wer wollte sie und jede Frau so gering sehen, dass man(n) sie<br />

entmachtete? Und war<strong>um</strong> durften <strong>die</strong> neu geschaffenen Menschenrechte nicht auch für <strong>Frauen</strong><br />

gelten ? Was sagt Olympe de Gouges uns <strong>Frauen</strong> heute, was sie durch ihre Schriften<br />

hinterlassen hat, was ich an<strong>der</strong>e <strong>Frauen</strong> wissen lassen muss? Nachdem sie so lange<br />

91 FGS V (2006-2007) Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, Textsammlung I, Vorwort<br />

92 ebenda<br />

39


totgeschwiegen wurde, so wie viele an<strong>der</strong>e <strong>Frauen</strong> in Angst versetzt und belassen wurden, ist<br />

es auch mir wichtig geworden, meinen Teil <strong>zu</strong> ihrem Bekanntwerden bei<strong>zu</strong>tragen.<br />

Es war mir wichtig heraus<strong>zu</strong>finden, dass Olympe de Gouges sich nicht in eine Opferrolle<br />

begeben hat, son<strong>der</strong>n aktiv am politischen Leben teilgenommen hat, <strong>um</strong> mit ihren Fähigkeiten<br />

ein Gleichgewicht in den so aufgewühlten Jahren <strong>der</strong> Revolution <strong>zu</strong> schaffen. Dass sie sich<br />

während <strong>der</strong> Vorbereitungsarbeit für ihre Deklaration <strong>der</strong> Frau und Bürgerin <strong>der</strong><br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch ein soziales Gefüge und Netz sicher sein konnte. Und, dass sie den Mut<br />

hatte, <strong>die</strong> herrschende, politische Mehrheit <strong>zu</strong> reizen und ihr entgegen <strong>zu</strong> treten bzw. entgegen<br />

<strong>zu</strong> schreiben im Sinne ihres Idealismus. Denn <strong>die</strong> großen zentralen Themen ihrer Werke<br />

galten dem Patriotismus, <strong>der</strong> Gleichheit und Gleichberechtigung und den<br />

Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen.<br />

Sie erkannte als eine <strong>der</strong> ersten, dass <strong>die</strong> neue geschriebene Verfassung nicht für alle gelten<br />

sollte, denn „<strong>die</strong> Hälfte“ <strong>der</strong> französischen Bevölkerung, nämlich <strong>der</strong> weibliche Anteil,<br />

verblieb weiterhin in <strong>der</strong> Abhängigkeit aller Männer und somit rechtlos in <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Wie wichtig es ist, Bedürfnisse einzelner und ganzer Gruppen als Gebot in Recht <strong>zu</strong><br />

formulieren <strong>zu</strong> verankern und durch Recht Verbote gegen willkürlich Herrschende <strong>zu</strong><br />

vollziehen, wurde von Olympe de Gouges frühzeitig erkannt. Und ich glaube, dass wir von<br />

<strong>die</strong>ser Frau jede Menge lernen können: vor allem politisches Selbstbewusstsein, Zivilcourage,<br />

Leidenschaft für den Gegenstrom und Sehnsucht nach Identität. Ihr kulturelles Erbe, das sie<br />

uns hinterlassen hat, ist weiterhin von immenser Bedeutung, denn ihr persönlicher Lebensweg<br />

zeigt uns wie wichtig es ist, ungeachtet patriarchal-dominanter Strukturen aktiv und somit<br />

„heldinnenhaft“ das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit ein<strong>zu</strong>for<strong>der</strong>n.<br />

4.2 <strong>Frauen</strong> als Heldinnen<br />

In Deutschland gibt es seit dem Jahr 2001 <strong>die</strong> Vergabe des Olympe-de-Gouges-Preises durch<br />

<strong>die</strong> Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer <strong>Frauen</strong> an <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> nach Meinung <strong>der</strong><br />

Preisverleiherinnen durch ihren Mut und ihre Unerschrockenheit im Kampf <strong>um</strong> <strong>Frauen</strong>- und<br />

Menschenrechte <strong>zu</strong> Heldinnen geworden sind.<br />

40


Am 9.3.2008 wurde <strong>die</strong>ser Preis an <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong>rechtlerin und Autorin Serap Cileli vergeben, in<br />

Würdigung und Danksagung an ihren Einsatz gegen <strong>die</strong> Zwangsverheiratung und gegen<br />

Ehrenmorde, weswegen ich an <strong>die</strong>ser Stelle ein Gedicht <strong>der</strong> Autorin einfüge. 93<br />

Frei sein<br />

Leben möchte ich ohne Angst,<br />

frei ohne Gewalt.<br />

Frei sein ohne Ketten,<br />

frei, <strong>um</strong> ja o<strong>der</strong> nein <strong>zu</strong> sagen.<br />

Frei, <strong>um</strong> meine Schwächen <strong>zu</strong> zeigen,<br />

weil auch du nicht fehlerfrei bist,<br />

so frei, <strong>um</strong> Gefühle geben <strong>zu</strong> können, ohne Zwang ohne Scham.<br />

Frei sein von Tränen aus Trauer,<br />

möchte ich lachen, wie so manches Kind aus <strong>der</strong> Seele.<br />

Trä<strong>um</strong>e trä<strong>um</strong>en und kein Albtra<strong>um</strong> mehr.<br />

Leben möchte ich in unbegrenzter Freiheit,<br />

frei <strong>um</strong> Wege <strong>zu</strong> gehen, ohne gebunden <strong>zu</strong> sein.<br />

Frei leben und nicht gelebt werden,<br />

frei und<br />

ohne Gewalt, dass es an<strong>der</strong>en Mut macht.<br />

Serap Cileli, 18.10.2002 94<br />

Die Autorin und Feministin Serap Cileli kam mit ihrer Familie 1974 aus dem türkischen<br />

Ardana nach Deutschland und wurde mit 15 Jahren in <strong>die</strong> Türkei zwangsverheiratet. Nach 7<br />

Jahren Zwangsehe konnte sie nach Deutschland fliehen. Seit damals widmet sie ihre<br />

politische Arbeit <strong>der</strong> Betreuung von muslimischen und türkischen <strong>Frauen</strong> und Mädchen in<br />

ganz Europa und veröffentlichte <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem Thema bereits zahlreiche Gedichte und Romane.<br />

Ihr neuestes Buch wird im Oktober 2008 erscheinen und trägt den Titel: „Eure Ehre – unser<br />

Leid, „Zwangsverheiratung ist Vergewaltigung auf Lebensdauer“.<br />

93 www.spiegel.de/politik Zugriff am 26.5.2008<br />

94 www.serap-cileli.de Zugriff am 26.5.2008<br />

41


Beiden <strong>Frauen</strong> waren und sind sich mit Sicherheit <strong>der</strong> Gefahren und <strong>der</strong> möglichen<br />

Konsequenzen für ihr wi<strong>der</strong>ständiges Verhaltens bewusst und ließen sich trotz ihrer<br />

Rechtlosigkeit nicht einschüchtern. Ihre innere Überzeugung hinsichtlich ihres Anliegens,<br />

auch ihr Glaube, sowie ihr politisches Bewusstsein und ihre persönliche Betroffenheit, <strong>die</strong><br />

Solidarität und <strong>die</strong> Freundschaft <strong>zu</strong> Gleichgesinnten ließen sie <strong>die</strong> Angst überwinden und<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen <strong>die</strong> politischen und privaten Gewaltstrukturen leisten.<br />

Heldinnen sind <strong>Frauen</strong> wie Olympe de Gouges und Serap Cileli, durch <strong>die</strong> wir auch den<br />

Zugang <strong>zu</strong>r <strong>Frauen</strong>geschichte, <strong>die</strong> sich nicht als Herrschaftsgeschichte definiert, finden.<br />

Heldinnen sind mutige und unabhängige <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> Geschichte haben, so wie wir selbst –<br />

jede Frau von uns – eine Geschichte hat. Die Leistungen aller berühmten Rebellinnen, aller<br />

<strong>die</strong> in Vereinigungen Wi<strong>der</strong>stand leisten und leisteten und all jene <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> anonym aktiv<br />

gegen jede Art von Menschenrechtsverlet<strong>zu</strong>ngen gekämpft haben, zeigen uns, dass es immer<br />

möglich war und ist, mit motiviertem Wi<strong>der</strong>stand gegen bestehende Unterdrückung <strong>zu</strong><br />

kämpfen.<br />

Doch sind nicht auch jene Alltagsfrauen Heldinnen, wie <strong>die</strong> tausenden Versorgungsfrauen,<br />

Mütter, Ehefrauen, Marktfrauen, <strong>die</strong> am 5.und 6. Oktober 1789 von dem Arbeiterdorf St.<br />

Antoine bei Paris über das Rathaus von Paris nach Versailles marschierten, <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />

Versorgung mit Nahrungsmitteln für ihre Familien beim König <strong>zu</strong> erkämpfen und <strong>zu</strong> sichern.<br />

Bewaffnet mit Waffen aus dem Rathaus wurden sie auf ihrem Weg - nach und nach - von<br />

Männern und <strong>Frauen</strong> aus allen Ständen begleitet <strong>um</strong> <strong>der</strong> Nationalversammlung <strong>die</strong><br />

For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> überbringen. Und <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> waren erfolgreich, denn <strong>der</strong><br />

französische König unterzeichnete noch am Abend des 5. Oktober 1789 zwei entscheidende<br />

Dekrete betreffend <strong>die</strong> Sicherung <strong>der</strong> Getreideversorgung für Paris und <strong>die</strong> Zusicherung, <strong>die</strong><br />

Erklärung <strong>der</strong> Menschen- und Bürgerrechte ohne Bedingungen <strong>zu</strong> unterschreiben. 95<br />

4.3 „... <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>zu</strong> <strong>heben</strong> ...“ und role models heute<br />

Olympe de Gouges verankerte in ihrer Erklärung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin <strong>die</strong><br />

unveräußerlichen Ansprüche <strong>der</strong> Frau auf Anerkennung als würdevolles, eigenständiges<br />

95 Kuhn Annette, Die Macht <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>, <strong>der</strong> Avantgarde <strong>der</strong> Französischen Revolution, Zur Politik<br />

des Weiblichen <strong>Frauen</strong> Macht und Ohnmacht, S. 86, 87<br />

42


menschliches Wesen, das dem Mann auf allen Ebenen ebenbürtig ist. 96 Ihre Eigenständigkeit<br />

konnte Olympe de Gouges unter Beweis stellen, denn ihr temperamentvoller und rebellischer<br />

Charakter ließ sie ohne jeden Zweifel ein durchaus emanzipiertes Leben führen. Sie<br />

verweigerte nach ihrer leidvollen Ehe eine weitere eheliche Bindung und begab sich bewusst<br />

nicht mehr in <strong>die</strong> Hand eines Mannes von dem sie geistig, körperlich und ökonomisch<br />

abhängig war. 97 Der dadurch erhaltene persönliche Freira<strong>um</strong> half ihre Zielset<strong>zu</strong>ngen klar und<br />

eindeutig <strong>zu</strong> formulieren. Im Laufe ihres Lebens entschied sie selbst, was für sie richtig war<br />

und sie äußerte sich angriffslustig und aufgeklärt <strong>zu</strong> allen großen Themen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>- und<br />

Menschenrechte wie Bildung, Beruf, Gleichberechtigung und Wi<strong>der</strong>stand für <strong>Frauen</strong> und<br />

Sklaverei. Als gleichberechtigten Teil einer Gesellschaft verstand sie sich, in <strong>der</strong> sie <strong>zu</strong>r<br />

Unabhängigkeit von eingrenzenden Rollenmustern aufrief.<br />

Olympe de Gouges ist eine von jenen <strong>Frauen</strong>, <strong>die</strong> eine für uns unvergessliche<br />

Lebensgeschichte hat, da sie bereit war, ihre Erkenntnisse und For<strong>der</strong>ungen <strong>zu</strong> veröffentlichen<br />

und in eine Rolle geschlüpft war, <strong>die</strong> es uns heute ermöglicht, sie selbst als role model in eine<br />

Reihe mit unseren mo<strong>der</strong>nen Philosophinnen wie etwa Simone de Beauvoir, <strong>zu</strong> stellen.<br />

Zwischen <strong>die</strong>sen beiden <strong>Frauen</strong> liegen etwa 150 Jahre, in denen zwar grundlegende<br />

Verän<strong>der</strong>ungen wie das Wahlrecht für <strong>Frauen</strong> verfassungsmäßig verankert wurde, doch <strong>die</strong><br />

Abwehr <strong>der</strong> bürgerlichen Werte, <strong>die</strong> <strong>Frauen</strong> in ihrer Denk- und Handlungsfähigkeit<br />

einschränken und unterdrücken, ist <strong>die</strong>sen beiden Feministinnen noch immer gemeinsames<br />

Thema.<br />

Auch Simone de Beauvoir führte ein Leben, das sich für uns als Modell angeboten hat und<br />

weiterhin anbietet. Als Schriftstellerin, Philosophin und Feministin des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

kämpfte sie ihr ganzes Leben lang gegen Unterdrückung und Gewalt. Sie gilt als eine <strong>der</strong><br />

Begrün<strong>der</strong>innen des Feminismus nach 1968.<br />

In ihrem 1949 erschienenen Buch Das an<strong>der</strong>e Geschlecht vertritt sie <strong>die</strong> These, dass <strong>die</strong><br />

Unterdrückung <strong>der</strong> Frau im Patriarchat gesellschaftlich bedingt sei: „Man wird nicht als Frau<br />

geboren, man wird es“. <strong>Frauen</strong> sind von den Männern z<strong>um</strong> „An<strong>der</strong>en Geschlecht“ gemacht<br />

worden. Das bedeutet nach Simone de Beauvoir, dass sich <strong>der</strong> Mann als das Absolute, das<br />

Essentielle, das Subjekt setzt, während <strong>der</strong> Frau <strong>die</strong> Rolle <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en, des Objekts<br />

<strong>zu</strong>gewiesen wird. Sie wird immer in Abhängigkeit vom Mann definiert. Deshalb hat sie mit<br />

96 <strong>Frauen</strong>rechte-Menschenrechte: Vom Tra<strong>um</strong> <strong>zu</strong>r Wirklichkeit (2002), Horizont 3000, S. 17<br />

97 FGS V (2006-2007), Basismodul Geschichte des politischen Feminismus, Textsammlung I,<br />

Vorwort,<br />

43


stärkeren Konflikten <strong>zu</strong> kämpfen als <strong>der</strong> Mann. Wenn sie ihrer „Weiblichkeit gerecht werden<br />

will, muss sie sich mit einer passiven Rolle begnügen, <strong>die</strong>s steht aber ihrem Wunsch<br />

entgegen, sich als freies Subjekt durch Aktivität selbst <strong>zu</strong> entwerfen“. 98<br />

Simone de Beauvoir engagierte sich gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Jean-Paul Satre<br />

gegen den Vietnam- und Algerienkrieg, stellte sich ab den 1970er Jahren <strong>der</strong> internationalen<br />

<strong>Frauen</strong>bewegung <strong>zu</strong>r Verfügung und trat als eine <strong>der</strong> Ersten für <strong>die</strong> Straffreiheit <strong>der</strong><br />

Abtreibung ein. 99<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong> Olympe de Gouges konnte Simone de Beauvoir Anerkennung und Ruhm<br />

erlangen, solange sie noch lebte. Doch auch sie blieb nicht verschont von Kritik und<br />

Anfeindungen aus allen politischen Lagern.<br />

98 http://de.wikipedia.org/wiki/Simone_de_Beauvoir, Zugriff am 21.5.2008<br />

99 www.literaturkritik.de/public Zugriff vom 19.2.2008<br />

44


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http://www.literaturkritik.de/public/rezension (19.2.2008)<br />

http://www.uni-ulm.de/frauen/biographien (26.4.2007)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Das_an<strong>der</strong>e_Geschlecht (21.5.2008)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Olympe- de_ Gouges (26.4.2007)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Simone_de_Beauvoir (21.5.2008)<br />

45


Code of Honour:<br />

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich <strong>die</strong> vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe<br />

verfasst, an<strong>der</strong>e als <strong>die</strong> angegebenen Quellen nicht benutzt und <strong>die</strong> den benutzten Quellen<br />

wörtlich o<strong>der</strong> inhaltlich entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe.<br />

Purkersdorf, 8. Juni 2008<br />

Gabriele Eisenriegler- Bunyai<br />

46


Anhang<br />

<strong>Frauen</strong>rechte 1791<br />

Artikel 1: Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten. Die<br />

sozialen Unterschiede können nur im allgemeinen Nutzen begründet sein.<br />

Artikel 2: Ziel und Zweck jedes politischen Zusammenschlusses ist <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> natürlichen<br />

und unveräußerlichen Rechte sowohl <strong>der</strong> Frau als auch des Mannes. Diese Rechte sind:<br />

Freiheit, Sicherheit, das Recht auf Eigent<strong>um</strong> und beson<strong>der</strong>s das Recht auf Wi<strong>der</strong>stand gegen<br />

Unterdrückung.<br />

Artikel 3: Das Prinzip je<strong>der</strong> Herrschaft ruht wesentlich in <strong>der</strong> Nation, <strong>die</strong> nichts an<strong>der</strong>es<br />

darstellt als eine Vereinigung von <strong>Frauen</strong> und Männern. Keine Körperschaft und keine<br />

einzelne Person kann Macht ausüben, <strong>die</strong> nicht ausdrücklich daraus hervorgeht.<br />

Artikel 4: Freiheit und Gerechtigkeit bestehen darin, den an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>geben, was ihnen<br />

<strong>zu</strong>steht. So wird <strong>die</strong> Frau an <strong>der</strong> Ausübung ihrer natürlichen Rechte nur durch <strong>die</strong><br />

fortdauernde Tyrannei, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Mann ihr entgegensetzt, gehin<strong>der</strong>t. Diese Schranken müssen<br />

durch Gesetze <strong>der</strong> Natur und Vernunft revi<strong>die</strong>rt werden.<br />

Artikel 5: Die Gesetze <strong>der</strong> Natur und Freiheit wehren alle Handlungen von <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

ab, <strong>die</strong> ihr schaden könnten. Alles, was durch <strong>die</strong>se weisen und göttlichen Gesetze nicht<br />

verboten ist, darf nicht behin<strong>der</strong>t werden, und niemand darf gezwungen werden, etwas <strong>zu</strong> tun,<br />

was <strong>die</strong>se Gesetze nicht ausdrücklich vorschreiben.<br />

Artikel 6: Das Gesetz sollte Ausdruck des allgemeinen Willens sein. Alle Bürgerinnen und<br />

Bürger sollen persönlich o<strong>der</strong> durch ihre Vertreter an seiner Gestaltung mitwirken. Es muss<br />

für alle das gleiche sein. Alle Bürgerinnen und Bürger, <strong>die</strong> gleich sind vor den Augen des<br />

Gesetzes, müssen gleichermaßen nach ihren Fähigkeiten, ohne an<strong>der</strong>e Unterschiede als <strong>die</strong><br />

ihrer Tugenden und Talente, <strong>zu</strong> allen <strong>Würde</strong>n, Ämtern und Stellungen im öffentlichen Leben<br />

<strong>zu</strong>gelassen werden.<br />

47


Artikel 7: Für <strong>Frauen</strong> gibt es keine Son<strong>der</strong>rechte: sie werden verklagt, in Haft genommen und<br />

gefangengehalten, in den durch das Gesetz bestimmten Fällen. <strong>Frauen</strong> unterstehen wie<br />

Männer den gleichen Strafgesetzen.<br />

Artikel 8: Das Gesetz soll nur Strafen verhängen, <strong>die</strong> un<strong>um</strong>gänglich und offensichtlich<br />

notwendig sind, und niemand darf bestraft werden, es sei denn kraft eines rechtsgültigen<br />

Gesetzes, das bereits vor <strong>der</strong> Tat in Kraft war, und das legal auf <strong>Frauen</strong> angewandt wird.<br />

Artikel 9: Gegenüber je<strong>der</strong> Frau, <strong>die</strong> für schuldig befunden wurde, muss das Gesetz mit<br />

großer Strenge angewendet werden.<br />

Artikel 10: Niemand darf wegen seiner Meinung, auch wenn sie grundsätzlicher Art ist,<br />

verfolgt werden. Die Frau hat das Recht, das Schafott <strong>zu</strong> besteigen. Sie muss gleichermaßen<br />

das Recht haben, <strong>die</strong> Tribüne <strong>zu</strong> besteigen, vorausgesetzt, dass ihre Handlungen und<br />

Äußerungen <strong>die</strong> vom Gesetz gewahrte öffentliche Ordnung nicht stören.<br />

Artikel 11: Die freie Gedanken- und Meinungsäußerung ist eines <strong>der</strong> kostbarsten Rechte <strong>der</strong><br />

Frau, denn <strong>die</strong>se Freiheit garantiert <strong>die</strong> Vaterschaft <strong>der</strong> Väter an ihren Kin<strong>der</strong>n. Jede Bürgerin<br />

kann folglich in aller Freiheit sagen: “Ich bin <strong>die</strong> Mutter eines Kindes, das du gezeugt hast“,<br />

ohne dass ein barbarisches Vorurteil sie zwingt, <strong>die</strong> Wahrheit <strong>zu</strong> verschleiern. Dadurch soll<br />

ihr nicht <strong>die</strong> Verantwortung für den Missbrauch <strong>die</strong>ser Freiheit in den durch Gesetz<br />

bestimmten Fällen abgenommen werden.<br />

Artikel 12: Ein höherer Nutzen erfor<strong>der</strong>t <strong>die</strong> Garantie <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Frau und Bürgerin.<br />

Diese Garantie soll z<strong>um</strong> Vorteil aller, und nicht z<strong>um</strong> persönlichen Vorteil <strong>der</strong>jenigen <strong>die</strong>nen,<br />

denen <strong>die</strong>se Rechte anvertraut sind.<br />

Artikel 13: Für den Unterhalt <strong>der</strong> Polizei und für <strong>die</strong> Verwaltungskosten werden von <strong>der</strong> Frau<br />

wie vom Manne gleiche Beträge gefor<strong>der</strong>t. Hat <strong>die</strong> Frau teil an allen Pflichten und Lasten,<br />

dann muss sie ebenso teilhaben an <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Posten und Arbeiten, in nie<strong>der</strong>en und<br />

hohen Ämtern und im Gewerbe.<br />

Artikel 14: Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, selbst o<strong>der</strong> durch ihre<br />

Repräsentanten über <strong>die</strong> jeweilige Notwendigkeit <strong>der</strong> öffentlichen Beiträge <strong>zu</strong> befinden. Die<br />

48


Bürgerinnen können dem Prinzip, Steuern in gleicher Höhe aus ihrem Vermögen <strong>zu</strong> zahlen,<br />

nur dann beipflichten, wenn sie an <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung teilhaben und <strong>die</strong> Steuern,<br />

ihre Verwendung, ihre Einziehung und Zeitdauer mit festsetzen.<br />

Artikel 15: <strong>die</strong> weibliche Bevölkerung, <strong>die</strong> gleich <strong>der</strong> männlichen Beiträge leistet, hat das<br />

Recht, von je<strong>der</strong> öffentlichen Instanz einen Rechenschaftsbericht <strong>zu</strong> verlangen.<br />

Artikel 16: Eine Gesellschaft, in <strong>der</strong> <strong>die</strong> Garantie <strong>der</strong> Rechte nicht gesichert und <strong>die</strong> Trennung<br />

<strong>der</strong> Gewalten nicht festgelegt ist, hat keine Verfassung. Die Verfassung ist null und nichtig,<br />

wenn <strong>die</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Individuen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Nation darstellen, an ihrem Zustandekommen nicht<br />

mitgewirkt hat.<br />

Artikel 17: Das Eigent<strong>um</strong> gehört beiden Geschlechtern vereint o<strong>der</strong> einzeln. Jede Person hat<br />

darauf ein unverletzliches und heiliges Anrecht. Niemandem darf es als wahres Erbteil <strong>der</strong><br />

Nation vorenthalten werden, es sei denn, eine öffentliche Notwendigkeit, <strong>die</strong> gesetzlich<br />

festgelegt ist, mache es augenscheinlich erfor<strong>der</strong>lich, jedoch unter <strong>der</strong> Vorausset<strong>zu</strong>ng einer<br />

gerechten und vorher festgesetzten Entschädigung.<br />

49

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