26.11.2013 Aufrufe

Kurz mal einkaufen

Madame Hovestadt war eine angesehene Rechtsanwältin in ihrem Bezirk. Aber dieses Wochenende war sie absolut frei. Keine Termine, keine Besuche, nur einkaufen musste sie noch. Fast übermütig gute Laune hatte sie. Ein junger Mann sprach sie an und lud sie zum Kaffee ein. Er war verrückt, aber Elli Hovestadt heute nicht weniger. Ein kompletter Jux war es für sie, doch die Begegnung beim Tomaten kaufen sollte Folgen haben.

Madame Hovestadt war eine angesehene Rechtsanwältin
in ihrem Bezirk. Aber dieses Wochenende
war sie absolut frei. Keine Termine, keine Besuche,
nur einkaufen musste sie noch.
Fast übermütig gute Laune hatte sie.
Ein junger Mann sprach sie an und lud sie zum Kaffee ein.
Er war verrückt, aber Elli Hovestadt
heute nicht weniger. Ein kompletter Jux
war es für sie, doch die Begegnung
beim Tomaten kaufen sollte Folgen haben.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

zenfest der Bezug zum Stadtteil ist äußerlicher, eine identifikationsstiftende Basis<br />

bilden sie schon lange nicht mehr. Nur <strong>einkaufen</strong> müssen sie alle. Einige fahren natürlich<br />

raus und kaufen grundsätzlich alles nur beim Diskounter, die triffst du nicht,<br />

aber wer bestimmte Gewürze oder Gemüse für ein Rezept braucht, kann sicher<br />

sein, dass er die beim Diskounter nicht oder gerade nicht finden wird, und meine<br />

geliebten Roscoffzwiebeln gibt’s da sowieso nicht, während mein Kaufmann sie und<br />

noch vieles andere Leckere mehr ständig vorrätig hat. So denken sich's wohl die<br />

meisten, und die Chance, eine oder einen Bekannten hier zu treffen, ist nicht<br />

gering.<br />

In der Obst- und Gemüseabteilung standen wir nebeneinander bei den Tomaten. Im<br />

gleichen Moment drehten wir die Köpfe zur Seite, um <strong>mal</strong> einen kurzen Blick auf<br />

den Nachbarn zu werfen. Jetzt schauten wir uns beide direkt ins Gesicht. Der junge<br />

Mann lächelte, und ich lächelte zurück. Bestimmt kannte er mich, war wegen einer<br />

Bagatelle <strong>mal</strong> mein Mandant gewesen. Ich konnte mir ja nicht alle Gesichter merken.<br />

Später zwischen den Regalen wollte ich ihn mir noch<strong>mal</strong> genau ansehen, vielleicht<br />

fiel's mir dann wieder ein. Ob er meinen Blick verspürte, jedenfalls blickte er<br />

mich wieder lächelnd an. Kennen musste er mich wohl irgendwo her, aber mir viel<br />

nichts ein. Als wir zur Kasse kamen, hätten wir uns gut um den Platz in der Schlange<br />

streiten können. „Waren sie <strong>mal</strong> bei mir?“ fragte ich ihn. „Nein, wieso, sind sie<br />

Ärztin?“ antwortete er. Es war ja eine ganz nor<strong>mal</strong>e berechtigte Frage, trotzdem<br />

musste ich aus welchem Grunde auch immer lachen. „Ich habe sicher auch schon<br />

zur Heilung manch verletzter Seele beitragen können, aber nein, Rechtsanwältin bin<br />

ich.“ antwortete ich ihm. „Und warum lachen sie dann immer?“ wollte er wissen. Ich<br />

musste es mir verkneifen, loszuplatzen. Dieser junge Mann war absolut funny. „Na,<br />

bei Rechtsanwältinnen ist das eben so, alles verdammt lustige Weiber, sag ich ihnen.<br />

Nein, aber sie haben mich doch zuerst angelächelt, und ich habe daraus geschlossen,<br />

dass sie mich kennen müssten.“ antwortete ich ihm. Seine Sachen wurden<br />

gleich gescannt, vorher teilte er mir noch mit, dass er das gern vorne im Mini-<br />

Bistro bei einem Kaffee oder was auch immer mit mir klären würde und dass er<br />

auch sonst noch Fragen habe. Er lade mich ein, auch wenn er nicht mein Mandant<br />

sei. Natürlich, ich war schon gespannt darauf, was ich zu hören bekommen würde.<br />

Einladung<br />

„Wie hält man das bloß aus? Denn ganzen Tag nur Jura. Die Leute bei uns im Rechtsamt<br />

kann ich immer nur bedauern, wenn ich an die denke. Und dann sie als Frau.“<br />

erklärte er mir an der kleinen Platte, die man als Tisch bezeichnete, gegenübersitzend.<br />

Ich schaute ihn länger an, als ob ich ergründen wollte, was in seinen Denkprozessen<br />

wohl abliefe. „Und was hält frau besser aus als Jura, ihrer Meinung<br />

nach?“ wollte ich von ihm wissen. „Entschuldigung, das war blöde. Das hätte ich<br />

nicht sagen sollen und eigentlich auch gar nicht gewollt. Ist mir einfach so rausgeflutsch.<br />

Aber so etwas passiert schon <strong>mal</strong>. Geht ihnen das auch so? Wenn man etwas<br />

besser weiß, scheint das Alte dadurch nicht weg zu sein und kann einem einfach<br />

<strong>mal</strong>, meistens wenn es am schlechtesten passt, ganz unbedacht rausrutschen.“<br />

reagierte er. Ich lächelte ihn an. Er war süß. „Meistens nennt man das, was<br />

man ihm Unbewussten verborgen hält, aber dann doch <strong>mal</strong> unabsichtlich gesagt<br />

wird, Freudsche Versprecher. Sie haben vielleicht ein altes, von ihnen nicht mehr<br />

akzeptiertes Frauenbild in ihrem Unterbewusstsein abgelegt, und das meldet sich<br />

Schnell <strong>mal</strong> <strong>einkaufen</strong> – Seite 4 von 24

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!