Albvereinsblatt_2007-1.pdf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Schauplatz Prevorst<br />
13<br />
Nicht einmal volle 28 Lebensjahre waren ihr vergönnt – einer<br />
der bis in die heutigen Tage hinein bekanntesten Frauen<br />
des frühen 19. Jahrhunderts. Die Rede ist von Friederike<br />
Hauffe, der berühmten »Seherin von Prevorst«. Im September<br />
1801 wurde sie in Prevorst als Tochter des Revierförsters<br />
Wanner geboren, im August 1829 musste die junge<br />
Frau schon sterben. Zu dieser Zeit war sie bereits im ganzen<br />
Land ein Begriff als die »Seherin von Prevorst«, über die<br />
Justinus Kerner, der Oberamtsarzt aus Weinsberg, sein gleichnamiges<br />
Buch geschrieben hat, das zum Bestseller wurde<br />
und das es bis heute (nach unzähligen Auflagen) noch immer<br />
zu kaufen gibt.<br />
Wer aber war Friederike Hauffe? Und vor allem: Was genau<br />
war mit ihr geschehen? Das ist eine Frage, die nach wie vor<br />
in der Wissenschaft engagiert diskutiert wird. Fest steht,<br />
dass sie tatsächlich Visionen hatte und dass sie von übersinnlichen<br />
Wahrnehmungen heimgesucht und von dämonischen<br />
Erscheinungen regelrecht geplagt worden ist.<br />
Schon im Alter von vier Jahren hat sie den kleinen Ort in<br />
den Löwensteiner Bergen (ihr Geburtshaus unmittelbar neben<br />
der Kirche existiert noch) verlassen und durfte zu ihren<br />
Großeltern nach Löwenstein ziehen. In diesem wohlhabenden<br />
und gutbürgerlichen Haushalt gab es für das intelligente,<br />
lernbegierige Mädchen viel bessere Möglichkeiten,<br />
sich weiter zu bilden als im ländlich-einfachen Umfeld von<br />
Prevorst. Später dann, im Jahr 1818, zog sie mit ihren Eltern<br />
nach Oberstenfeld, wo sie sich mit dem Prediger des dortigen<br />
Damenstifts anfreundete. Dieser Mann hatte rasch erkannt,<br />
welch wissbegieriger Geist in dem jungen Mädchen<br />
steckte und hat ihr über die Jahre hinweg all seine theologischen,<br />
psychologischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
weitergegeben und mit ihr in stundenlangen Gesprächen<br />
darüber diskutiert. Es war deshalb eine furchtbare<br />
Tragödie für die 19-jährige Friederike Wanner, als der<br />
belesene Stiftsprediger im Juni 1821 starb. Am offenen Grab<br />
ihres Lehrmeisters stehend, hatte sie plötzlich ihre erste Vision:<br />
»sonderbar hell und leicht« sei ihr mit einemmal geworden.<br />
Das nächste Drama schloss sich an, denn im gleichen Jahr<br />
musste sie auf Geheiß ihrer Eltern einen weitläufigen Verwandten,<br />
Gottlieb Hauffe, heiraten. Von Zuneigung oder gar<br />
Liebe konnte nicht die Rede sein, dennoch fügte sie sich<br />
widerspruchslos dem Wunsch der Eltern. Mit ihrem Ehemann<br />
Hauffe ist sie ins badische Kürnbach (zwischen Eppingen<br />
und Bretten) gezogen. Engeren Kontakt mit Nachbarn<br />
und anderen Dorfbewohnern hat sie nicht gepflegt, mehr<br />
und mehr lebte sie isoliert in ihrer eigenen Welt. Einer gänzlich<br />
anderen Welt. Nervenanfälle, Alpträume, Depressionen<br />
und Fieberschübe wechselten sich in immer rascherer Folge<br />
ab. Im Spätjahr 1826 begab sie sich deshalb in stationäre<br />
Behandlung bei Justinus Kerner in Weinsberg. Kerner, der<br />
ja nicht nur Oberamtsarzt, sondern auch Schriftsteller und<br />
beständig experimentierender Naturbeobachter war, musste<br />
schnell erkennen,<br />
dass eine konventionelle<br />
Behandlung bei<br />
Friederike Hauffe fehl<br />
am Platze war. Und so<br />
wandte er schließlich<br />
eine Magnettherapie<br />
an, die immerhin zu<br />
einigen Linderungen<br />
führte, auf Dauer die<br />
mehr und mehr von<br />
Visionen und Dämonen<br />
geplagten Frau<br />
jedoch nicht heilen<br />
konnte. Seitdem hat<br />
Kerner aufgrund dieser<br />
mehrjährigen Beobachtungen,<br />
die er in<br />
einem Tagebuch festhielt,<br />
die Überzeugung<br />
vertreten, dass<br />
es zwischen dem<br />
Reich der Menschen<br />
und dem Reich der<br />
Geister Grenzberührungen<br />
gibt. Er hat es<br />
ja selbst erlebt, wie<br />
seine Patientin übersinnliche<br />
Phänomene<br />
Thomas Pfündel<br />
Prevorst liegt in den Löwensteiner<br />
Bergen im Naturpark Schwäbisch-<br />
Fränkischer Wald und gehört heute<br />
zu Oberstenfeld.<br />
wahrnahm, in die Zukunft sehen konnte, mit längst verstorbenen<br />
Menschen Zwiesprache hielt und sich in ihren unruhigen<br />
Träumen mit den Geistern in einer seltsam orientalisch<br />
anmutenden Sprache unterhielt. Nein, Friederike Hauffe<br />
schien ihm alles andere als eine Simulantin zu sein,<br />
sondern vielmehr eine »Erleuchtete«, eine »Seherin«. Sogar<br />
den Zeitpunkt ihres Todes hat sie auf die Stunde exakt vorausgesagt.<br />
Aus dieser Todesvorahnung heraus hat sich die<br />
schwerkranke Frau in ihren letzten Lebenstagen nach Löwenstein<br />
bringen lassen, dem Ort ihrer glücklichen Kindheit.<br />
Hier starb sie im Alter von 27 Jahren.<br />
Das Grab der »Seherin von Prevorst« befindet sich auf dem<br />
Waldfriedhof in Löwenstein und ist noch immer zu besichtigen.<br />
Nächstes Mal besuchen wir einen einstmals berühmten hängenden Garten<br />
an der Donau. Dort findet sich auch das Schloss des letzten Gundelfingers.<br />
Und ganz in der Nähe liegt eine bekannte Storchenstadt. Wenn<br />
Sie wissen, welcher Ort gemeint ist, dann schreiben Sie es bitte auf einer<br />
Postkarte an die Blätter des Schwäbischen Albvereins, Waldburgstrasse<br />
48, 70563 Stuttgart. Einsendeschluss ist der 22. Januar <strong>2007</strong>. Zu<br />
gewinnen gibt es Gunter Haugs neuen historischen Roman um die Heuneburg<br />
»Die letzte Keltenfürstin«. Die Rätselfrage aus dem letzten Heft<br />
hat Fritz Natter aus Heilbronn gewonnen.