Ausgabe
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Titelthema<br />
ob Werkstattleistungen als Persönliche<br />
Budgets auch von anderen als Werkstatt-Trägern<br />
umgesetzt und durchgeführt<br />
werden können.<br />
Der Kläger begehrt von der beklagten<br />
Bundesagentur für Arbeit (BA)<br />
Kos tenerstattung bzw. Neubescheidung<br />
wegen einer von ihm bei der<br />
Lebenshilfe für Behinderte S. gGmbH<br />
(Lebenshilfe) vom 1.09.2004 bis<br />
31.08.2006 absolvierten Maßnahme.<br />
Der 1986 geborene Kläger leidet<br />
an einer geistigen und psychomotorischen<br />
Behinderung und ist anerkannter<br />
schwerbehinderter Mensch mit<br />
einem Grad der Behinderung (GdB)<br />
von 100 sowie Zuerkennung der Merkzeichen<br />
„G“ und „H“. Nachdem die Beklagte<br />
einen Antrag des Klägers vom<br />
23.04.2004 auf Förderung einer Ausbildung<br />
in der Gärtnerei der Lebenshilfe<br />
mit Bescheid vom 8.06.2004 und<br />
Widerspruchsbescheid vom 15.07.2004<br />
abgelehnt hatte, beantragte der Kläger<br />
am 7.10.2004 trägerübergreifend ein<br />
Persönliches Budget für die Bereiche<br />
Wohnen, Arbeiten sowie Pflege und<br />
Förderung. Am 15.11.2004 wurde eine<br />
Hilfeplankonferenz durchgeführt, an<br />
der neben dem Kläger und seinen Eltern<br />
u. a. Vertreter der Beklagten, der<br />
Lebenshilfe und des beigeladenen Sozialhilfeträgers<br />
teilnahmen. Hier äußerte<br />
der Kläger den Beruf des Gärtners<br />
als berufliche Perspektive. Die<br />
Rehaträger kamen überein, jeweils in<br />
eigener Zuständigkeit zu entscheiden.<br />
Die Beklagte lehnte mit Bescheid<br />
vom 8.12.2004 ein Persönliches Budget<br />
betreffend den Arbeitsbereich ab.<br />
Sie begründete dies im Wesentlichen<br />
damit, dass die Beschäftigung des Klägers<br />
in der Gärtnerei der Lebenshilfe<br />
entsprechend einer Tätigkeit in einer<br />
Werkstatt für behinderte Menschen<br />
(WfbM) erfolge. Die Maßnahme sei jedoch<br />
nicht budgetfähig; zudem sei die<br />
Lebenshilfe auch keine WfbM.<br />
Widerspruch, Klage und Berufung<br />
sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG<br />
hat in seiner Entscheidung ausgeführt,<br />
es bestehe kein Anspruch auf Förderung<br />
der konkreten Maßnahme in<br />
der Gärtnerei der Lebenshilfe. Bei der<br />
Lebenshilfe handele es sich nicht um<br />
eine anerkannte WfbM i. S. des § 136<br />
SGB IX. Ein Anerkennungsverfahren<br />
nach § 142 Satz 1 und 2 SGB IX habe<br />
nicht stattgefunden. Ein Anspruch für<br />
den Kläger ergebe sich auch nicht aus<br />
§ 102 Abs. 1 SGB III. Durch Abs. 2<br />
der Vorschrift sei klargestellt, dass der<br />
Gesetzgeber die Erbringung von Leistungen<br />
im Eingangs- bzw. Berufsbildungsbereich<br />
an den WfbM-Status der<br />
Einrichtung geknüpft habe.<br />
Mit der vom Senat zugelassenen<br />
Revision trägt der Kläger vor, auf den<br />
Status einer WfbM komme es nicht<br />
an. Denn aus der Vorschrift des § 102<br />
Abs. 2 SGB III, wonach Leistungen im<br />
Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich<br />
der WfbM nach § 40<br />
SGB IX erbracht werden, könne nicht<br />
im Umkehrschluss gefolgert werden,<br />
dass vergleichbare Leistungen außerhalb<br />
einer WfbM nicht erbracht werden<br />
könnten. Werde die Leistung nicht<br />
in einer WfbM erbracht, könne sie jedenfalls<br />
nach § 102 Abs. 1 Satz 2 SGB<br />
III gewährt werden.<br />
Offen ist derzeit noch die Frage, ob<br />
die vom Kläger in der Gärtnerei Lebenshilfe<br />
absolvierte Maßnahme mit<br />
einer Maßnahme im Eingangsverfahren<br />
und im Berufsbildungsbereich<br />
einer anerkannten WfbM vergleichbar<br />
war. Das LSG wird deshalb eindeutige<br />
Feststellungen zu den Abläufen in der<br />
Gärtnerei, zu den Inhalten der konkret<br />
durchgeführten Ausbildung bzw.<br />
Beschäftigung des Klägers und insbesondere<br />
zur Frage zu treffen haben,<br />
ob die in der streitigen Zeit konkret<br />
durchgeführte Maßnahme in gleicher<br />
Weise wie eine sonstige Maßnahme in<br />
einer anerkannten WfbM die Erwartung<br />
rechtfertigte, der Kläger sei nach<br />
der Teilnahme an der Maßnahme in<br />
der Lage, ein Mindestmaß wirtschaftlich<br />
verwertbarer Arbeitsleistung zu<br />
erbringen.<br />
Mitarbeiterin der WfB in Krautheim<br />
©BSK/cs<br />
Allerdings hat eine Stärkung der<br />
Inanspruchnahme des Persönlichen<br />
Budgets durch das Urteil des BSG<br />
stattgefunden, dahingehend, wie die<br />
Leistungsauswahl im Rahmen des<br />
Persönlichen Budgets zu bewerten ist.<br />
Damit setzt sich die Rechtsprechung<br />
des Bundessozialgerichts zur Stärkung<br />
des Persönlichen Budgets vom<br />
11.05.2011(B 5 R 54/10 R) fort. So<br />
meldete sich der Behindertenbeauftragte<br />
der Bundesregierung, Hüppe,<br />
noch am selben Tag mit einer Presseerklärung<br />
zu Wort, dass die Leistungsträger<br />
jetzt aufgerufen seien, der Klarstellung<br />
des Bundessozialgerichts zu<br />
folgen, und Werkstattleistungen auch<br />
ohne Anbindung an eine WfbM zu<br />
gewähren.<br />
Dies entspricht einer bereits im Jahr<br />
2006 herausgegebenen Handlungsempfehlung/<br />
Geschäftsanweisung<br />
(HEGA 06/2006) der Bundesanstalt<br />
für Arbeit zur Inanspruchnahme eines<br />
Persönlichen Budgets für den Leistungsbereich<br />
des § 40 SGB IX auch<br />
außerhalb von WfbM, die durch die<br />
HEGA 12/2007 und HEGA 05/2008-<br />
05 bestätigt wurde und bis heute Gültigkeit<br />
hat.<br />
Diese Handlungsempfehlung war<br />
ergangen, um ein plurales Leistungsangebot<br />
auf dem Anbietermarkt zu<br />
ermöglichen, das zuvor nur in Anspruch<br />
genommen werden konnte,<br />
wenn WfbM durch Kooperationsverträge<br />
bereit waren, Ausbildungsplätze<br />
an andere Träger abzutreten. Nach Nr.<br />
8.2. ist danach die Inanspruchnahme<br />
eines Persönlichen Budgets in eigener<br />
Regie des Budgetnehmers ohne<br />
Anbindung an eine WfbM möglich,<br />
beispielsweise durch Wahrnehmung<br />
von auf den Personenkreis des § 136<br />
SGB IX (Werkstattbedürftigkeit) zugeschnittenen<br />
Angeboten, die auch<br />
für Einzelpersonen gelten können.<br />
Das Urteil unterstützt daher auch den<br />
leider ins Stocken geratenen Reformprozess<br />
einer personenzentrierten<br />
Leistungserbringung, der auch voll<br />
erwerbsgeminderten Personen durch<br />
„Job Coaching“ eine Beschäftigung<br />
außerhalb von WfbM auf dem allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt sichern soll und<br />
dessen Realisierung die Bundesregierung<br />
in ihrem Nationalen Aktionsplan<br />
zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention<br />
versprochen hat.<br />
LEBEN&WEG 5/2013 21