Magazin 196605
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Einst machte man für Krankheiten Dä·<br />
monen verantwortlich. Hier ein assyri·<br />
scher geflügelter Dämon.<br />
öffnen eines Pestgeschwürs. Nach<br />
einem Holzschnitt aus dem Jahre 1482.<br />
den, überflutete Frankfurt, Mitteldeutschland<br />
mit Erfurt, Weimar und Halle, bog an<br />
der Ostsee in Lübeck, Danzig und Elbing<br />
narn Südosten und überzog schließlich<br />
Kurland, Polen und Rußland. Ein anderer<br />
Teit folgte den Alpen narn Osten, verheerte<br />
österreich und drang im Sommer 1349 in<br />
Wien ein, wo 40000 Opfer zu beklagen waren.<br />
Im Jahre 1352 hatte sich die furchtbare<br />
Macht ausgetobt; die Pest erlosch, nachdem<br />
sie in Europa etwa 25 Millionen Menschen<br />
in den Tod gerissen hatte.<br />
Doch sol lte den Völkern nur eine kurze<br />
Pause gegönnt sein. Zehn Jahre später<br />
schon flackerte der Seuchenbrand wieder<br />
auf. Man vermutet, daß er mit Schiffen aus<br />
dem Nahen Osten eingeschleppt wurde.<br />
Und abermals, in Abständen weniger Jahre,<br />
wütete die Pest ein drittes und viertes Mal<br />
in europäischen Ländern.<br />
Auch das 15. und 16. Jahrhundert brachte<br />
häufige Schrecknisse, die teils auf kleinere<br />
Landstriche beschränkt blieben, teils aber<br />
auch den ganzen Kontinent erschütterten.<br />
Besonders ist die Seuche von 1563 bis<br />
1565 zu erwähnen, die in London ausbrach<br />
und rheinaufwärts bis in die Schweiz<br />
vordrang. Oberitalien machte um 1575<br />
Schreckliches mit, während in den Jahren<br />
1663 bis 1668 die letzte große europäische<br />
Epidemie wütete, der in London in einem<br />
einzigen Jahr 68 000 Menschen zum Opfer<br />
fielen. Sie zog sich wieder den Rhein entlang,<br />
wobei Nordfrankreich und die Schweiz<br />
nicht verschont blieben. Für Österreich, vor<br />
allem für seine Hauptstadt, brachten d ie<br />
Jahre 1678 bis 1681 noch einmal das<br />
große Sterben. Abgesehen von örtlich begrenzten<br />
Epidemien hat die Pest damit ihre<br />
Macht in Europa verloren, wenngleich sie<br />
auch, z. B. in Wien und in Marseille, noch<br />
verschiedentlich aufflackerte.<br />
Das große Grauen<br />
Die Angst, die auf diese Weise immer wieder<br />
unseren Erdteil überzog, können wir<br />
vielleicht dann in etwa nachfühlen, wenn<br />
wir an d ie Schreckensszenen des letzten<br />
Krieges denken, als in unseren Städten<br />
Feuer vom Himmel fiel. Und doch verstehen<br />
wir, daß unsere Vorfahren wohl noch mehr<br />
Grauen empfinden mußten ; denn sie hatten<br />
für das schreckliche Geschehen ja keinerlei<br />
Erklärung. Da der Tod vor der TOre stand,<br />
suchten die meisten in ihrem christlichen<br />
Glauben Trost und machten ihre Rechnung<br />
mit dem Himmel. Bußprediger mahnten zu<br />
Einkehr und Besinnung. In Wien war es der<br />
berühmte Hofprediger Abraham a Santa<br />
Clara (1644 bis 1709), der mit barocker<br />
Sprachgewalt die letzten Stunden vor dem<br />
Tod zu deuten suchte, während in den Straßen<br />
der ReSidenzstadt ohne Unterlaß die<br />
Todeskarren fuhren. Sankt Rochus, jener<br />
tapfere Mann, der um 1330 in Italien todesmutig<br />
viele Kranke gepflegt hatte, wurde im<br />
Abendland zum Pestheiligen. Dem frühchristlichen<br />
Märtyrer Sebastian wurden<br />
Standbilder und Kapellen gewidmet. Seit<br />
altersher war sein Bild mit den Pfeilen, die<br />
ihn zu Tode gebracht hatten, bekannt. Jetzt<br />
deutete man die Geschosse als die Angriffswaffen<br />
des Schwarzen Todes und<br />
brachte den Heiligen auf diese Weise mit<br />
der Pest in Verbindung. Kaiser Karl VI. von<br />
Habsburg errichtete nach einem Gelübde<br />
die Karlskirche in Wien. Das bekannteste<br />
Baudenkmal, das an das En de einer Pestzeit<br />
erinnert, ist das Wahrzeichen von Venedig,<br />
die Kirche Santa Maria della Salute.<br />
Pestsäulen finden wir in vielen Städten,<br />
Pestaltäre in manchen Kirchen. Noch heute<br />
werden da und dort Passionsspiele gepflegt,<br />
die auf ein Gelübde aus der Pestzeit zurückgehen.<br />
Bedeutete mithin das Nahen des Schwarzen<br />
Todes für viele innere Einkehr und trieb<br />
es manchen dazu an, in heldischer Gesinnung<br />
für kranke Mitmenschen das Leben<br />
in die Schanze zu schlagen, so verloren<br />
andere ihre guten Grundsätze. Die Todesangst<br />
ließ die Not des Nächsten vergessen.<br />
Mit Erschütterung lesen wir in den Chroniken<br />
, wie Eltern ihre Kinder, Ki nder ihre Ettern<br />
im Stiche ließen, wie Apotheker und<br />
Ärzte aus verseuchten Gebieten flohen und<br />
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