Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
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Peru<br />
<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />
2.3 Indigenismo als politische Kraft<br />
Es gibt keinen deutschen Begriff, der wirklich befriedigend dem spanischen<br />
„Indigenismo“ nahe kommt. Gemeint ist eine politische Bewegung, die<br />
sich auf die kulturellen und ethnischen Wurzeln der südamerikanischen<br />
Ursprungsbevölkerung bezieht. Die Grundlage der „indigenen Bewegung“<br />
ist eine bis heute nicht aufgearbeitete Geschichte der Unterdrückung und<br />
des Völkermords durch die Europäer. Bis ins Jahr 1500 sollen auf dem<br />
Territorium des heutigen Perú über 5 Millionen Menschen gelebt haben,<br />
nach nur hundert Jahren Kolonialherrschaft durch die Spanier hatte sich die<br />
Ursprungsbevölkerung mehr als halbiert.<br />
Alle Versuche des indigenen Widerstands scheiterten, zwischen 1742<br />
und 1761 unter Atahualpa, von 1780 bis 1783 unter Túpac Amaru und<br />
noch einmal 1868 die indigene Bewegung von Huancané. Nach der<br />
Unabhängigkeit von Spanien, führten die Andenstaaten, Ecuador, Peru und<br />
Bolivien unter der Regie der europäischstämmigen Eliten in neokolonialen<br />
Strukturen die Ausbeutung der indigenen Bevölkerung und ihrer Territorien<br />
fort, alle liberalen Ansätze, die Andenbevölkerung mit den europäischen<br />
Einwanderern zu einer Nation mit gleichen Rechten zu verschmelzen,<br />
schlugen fehl.<br />
Kurz nach meiner Rückkehr aus Peru erreichen mich in Deutschland<br />
Schlagzeilen über die Festname des aufständischen Exmajor Antauro<br />
Humala, der in Andahuaylas mit einer ethno-nationalistischen, so<br />
genannten „ethnocaceristische Bewegung“ die Rebellion probte. Diese neue<br />
Gruppierung rekrutiert sich aus den bewaffneten Bauernverbänden, die in<br />
den 80er und 90er Jahren gegen den „Leuchtenden Pfad“ gekämpft hatten<br />
und heute in „Rondas Campesinas“ organisiert, immer noch für Recht und<br />
Ordnung vor Ort sorgen. Ziel des Exmajors war es, Toledo zu stürzen und<br />
eine „neue Republik“ in Anlehnung an das Inkareich zu errichten, er ist<br />
nicht alleine mit dieser Vision.<br />
Der Ausgangspunkt meiner Reise war die Frage nach dem „Indigenismo als<br />
politische Kraft – zwischen Demokratisierung und Populismus“. Ich wollte<br />
vor Ort ein Gefühl dafür bekommen, inwieweit Vargas Llosas Vorwurf des<br />
„Linksfaschismus“ zutrifft, und welches Potential diese Bewegung für den<br />
noch immer ausstehenden Emanzipationsprozess der indigenen Bevölkerung<br />
bietet.<br />
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