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Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung

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Peru<br />

<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />

Natürlich greife ich zu und rieche in Gedanken die Berge frischer Früchte<br />

auf den Märkten von Cusco, Puno, Juliaca, Arequipa. Ich erinnere mich<br />

an den unvergleichlichen Geschmack der Eintöpfe bei den Choppchas im<br />

entlegenen Hinterland von Huancavelica, wo es keinen Traktor, keinen<br />

Kunstdünger gibt. Und mir wird klar, wie ich den Menschen vor Ort am<br />

besten helfen kann. Einfach dadurch, dass ich Produkte kaufe, die unter<br />

sozial und ökologisch verträglichen Bedingungen erwirtschaftet werden.<br />

Dann werden die Koka-Bauern von Quillabamba und San Gabán beginnen,<br />

ihre Ananas, ihre Bananen zu verkaufen, statt Koka-Blätter für Drogen zu<br />

produzieren.<br />

Natürlich hat das seinen Preis. Aber die Alternative ist ein Krieg. Ein<br />

Krieg für die Großkonzerne, die mich mit billigen Preisen locken, um mich<br />

als Konsumenten zum Mittäter zu machen bei einer selbstzerstörerischen<br />

Logik des Marktes. Und ein Krieg, der die Menschen in ihrer Verzweiflung<br />

in die Arme von Populisten treiben wird, oder in die der Guerilla, die unter<br />

einem Label wie „Indigenismo“ Gewalt und Terror auch gegen die eigene<br />

Bevölkerung als Mittel der Selbstbehauptung rechtfertigt.<br />

Den Zusammenhang zwischen Neoliberalismus und ethnisch motivierter<br />

Gewalt in Entwicklungsländern beschreibt die junge Yale-Professorin Amy<br />

Chua in ihrem Buch „World on Fire – how exporting free market democracy<br />

breeds ethnic hatred and global instability.“, eine grundlegende Lektüre zum<br />

Verständnis von Globalisierung und Terrorismus.<br />

„Indigenismo“ als politische Kraft kann bedeuten, dass die indigene<br />

Bevölkerungsmehrheit in den Andenstaaten es nicht mehr zulassen will,<br />

weiterhin von einer ethnischen Minderheit unterdrückt und ausgebeutet<br />

zu werden. Die Bewegung bietet die Chance, eine Zivilgesellschaft und<br />

demokratische Strukturen von unten aufzubauen, wie es der Präsident<br />

von Huancavelica mit seinen Projekten versucht. Eine Aufklärungsund<br />

Bildungskampagne, die die Menschen zu mündigen Bürgern in<br />

einer Demokratie macht, Menschen, die mitentscheiden wollen, vom<br />

Freihandelsabkommen bis zur Landwirtschaft.<br />

„Indigenismo“ als politische Kraft birgt aber auch die Gefahr in einen<br />

„Gegenrassismus“ zu verfallen, in eine „Blut und Boden“ Logik und<br />

eine längst verlorene Kultur rückwärtsgewandt zu verklären und damit<br />

Entwicklung zu verhindern. Es kann als politischer Populismus entgleisen und<br />

autoritäre Regime hervorbringen, der sich die Massen blind unterwerfen.<br />

Eine Freundin aus La Paz, Linguistikstudentin mit indigenem Hintergrund,<br />

lehnt den „Indigenismo“ ab, weil er dem Individuum die Freiheit nehme und<br />

der Gesellschaft die Zukunft.<br />

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