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Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung

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Peru<br />

<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />

Jahren vom Leuchtenden Pfad umgebracht, 5.000 wurden entführt, 10.000<br />

heimatlos. 40 dieser indigenen Gemeinden wurden vernichtet. Der Terror<br />

richtete sich vor allem gegen die Menschen, die der Propaganda nach doch<br />

eigentlich befreit werden sollten.<br />

Judith drängt mich, mit der Wahrheitskommission zu sprechen und<br />

organisiert kurzfristig ein Interview mit dem Kommissionsmitglied Carlos<br />

Tapia. Ich erfahre, dass die Gründung der Kommission eigentlich nur<br />

einem glücklichen Zufall zu verdanken war und dem wohl nicht ganz ernst<br />

gemeinten Versprechen eines Interimspräsidenten. Die Präsidentschaftswahl<br />

2000 gewann – entgegen aller Prognosen und offensichtlich nicht ohne<br />

Manipulation – zunächst Alberto Fujimori gegen seinen Herausforderer<br />

Alejandro Toledo. Nachdem Videos aufgetaucht waren, die zeigen, wie<br />

sein Geheimdienstchef Montesino reihenweise Abgeordnete bestach, floh<br />

Fujimori nach Japan und Valentín Paniagua übernahm übergangsweise das<br />

Regierungsgeschäft. Die Bevölkerung tobte und wohl mehr um das Volk zu<br />

beruhigen und Anarchie zu verhindern, rief die Regierung am 4. Juli 2001<br />

die Kommission der Wahrheitsfindung ins Leben, die aus unabhängigen<br />

Intellektuellen, Historikern und Politologen bestehen sollte. Einmal ins<br />

Leben gerufen blieb Alejandro Toledo nach seiner Vereidigung als Präsident,<br />

vier Wochen später, nichts anderes übrig, als die Arbeit der Kommission zu<br />

ratifizieren.<br />

Carlos Tapia gibt sich in unserem Gespräch als erklärter Linker zu<br />

erkennen und macht keinen Hehl daraus, dass er zu Beginn seiner Arbeit<br />

für die Kommission, wie die meisten seiner Kollegen, fest davon ausging,<br />

dass die linken Terroristen zwar zahllose Morde und Anschläge verübt<br />

hätten, die meisten Toten unter der Landbevölkerung aber auf das Konto<br />

der Militärs gegangen seien. Nach 23.969 identifizierten Toten und 16.000<br />

Zeugenaussagen, musste er sein Bild gewaltig korrigieren. Tatsächlich waren<br />

es die von einem offensichtlich Wahnsinnigen verführten Anhänger des<br />

„Partido Kommunista Sendero Luminoso“, auf deren Konto die meisten und<br />

grausamsten Blutorgien gingen. Ihr Führer Abimael Guzmán Reinoso wurde<br />

im April 1992 verhaftet, damit begann der Niedergang seiner Bewegung.<br />

Der selbsternannte „Präsident Gonzalo“ ließ sich in einem sektenhaften<br />

Führerkult von den Anhängern des „Leuchtenden Pfads“ in Gemälden und<br />

Hymnen als der lateinamerikanische Erbe von Mao feiern, fasst Carlos<br />

Tapia die Ergebnisse der Kommission zusammen. Der „Sendero“ war als<br />

Abspaltung der Kommunistischen Partei Perus entstanden, ihre Anhänger<br />

in den Untergrund gegangen und hatten all jenen den Krieg erklärt, die<br />

ihnen nicht folgten. Auch linke Aktivisten, Sozialarbeiter und Intellektuelle<br />

wurden brutal ermordet, wenn sie sich nicht anschlossen. Sogar die zweite<br />

linke Guerilla-Organisation, das „Movimiento Revolucionario Tupac<br />

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