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Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung

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Peru<br />

<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />

– viele Gesichter, festgehalten auf Pressefotos, eingeklebt in Familienalben,<br />

archiviert in den Polizeistuben und Stimmen, aufgenommen bei den über<br />

16.000 Zeugenaussagen, die sich die „Kommission der Wahrheitsfindung<br />

und Versöhnung“ anhörte.<br />

Eine Abiturklasse hat mit uns die Ausstellung betreten, Judith versucht<br />

mit einer Gruppe junger Mädchen ins Gespräch zu kommen. Zwei wenden<br />

sich sofort ab und verschwinden, eine dritte ist bereit mit Judith zu sprechen.<br />

Die Filmemacherin will von der 17-Jährigen wissen, ob sie selber den<br />

Terror erlebt habe. Die Schülerin erinnert sich an Explosionen in Lima.<br />

Die Fensterscheiben seien geplatzt und die Eltern hätten versucht, sie zu<br />

beruhigen: keine Sorge, das war nur ein Terroranschlag. Sie hatte damals<br />

nicht verstanden, was das ist, ein „Anschlag“, aber ihr erschien es wie eine<br />

Naturgewalt, die sich dem Einfluss der Menschen entzog, wie ein Erdbeben<br />

oder ein Gewitter, das vorüberzieht. Und ihre Freundinnen, warum wollten<br />

die nicht reden? Nun, die eine habe einen Vater beim Militär. Sie dürfe nichts<br />

sagen. Und die andere habe ihre persönlichen Gründe. Dann verstummt<br />

auch die Gefragte und wendet sich ab. Nicht alle Wunden sind verheilt.<br />

Die Ausstellung „Yuyanapaq“ stellt die Besucher auf die Probe. Jeder kennt<br />

Opfer oder Täter und für jeden unter fünfundzwanzig ist der Terror die<br />

Normalität, dem jungen und zerbrechlichen Frieden trauen viele noch nicht<br />

und wer weiß schon, wer morgen das Land regiert.<br />

Während auf den Straßen und in den entlegenen Bergregionen das Sterben<br />

weitergeht, feiern die Anhänger des Leuchtenden Pfads eine Parade für ihren<br />

Anführer Abimael Guzmán, der von einem übergroßen roten Transparent<br />

mit Hammer und Sichel in der rechten oberen Ecke entgegenstrahlt. Die<br />

Parade wird mit roten Fahnen und in Schwarz-Roten Uniformen abgehalten.<br />

Ungewöhnlich ist der Ort dieser Aufnahme, die am 30. Juli 1991 veröffentlicht<br />

wurde, das Foto entstand im Innenhof des Gefängnisses Miguel Castro in<br />

Lima. In den Haftanstalten regierten zu diesem Zeitpunkt die „Senderos“.<br />

In einem anderen Raum der Ausstellung entdeckt Judith einen alten<br />

Bekannten: Mario Vargas Llosa, auf einem kleinen schwarzweißen<br />

Pressefoto von 1983. Gegenüber eine Zahl farbiger Bilder, auf denen eine<br />

Gruppe Bauern zu erkennen ist, dann Füße, etwas verschwommen und dann<br />

immer weniger... Es sind die letzten Fotos aus der Kamera eines Journalisten,<br />

der mit seinen sieben Kollegen aus Lima am 26. April 1983 von Bauern der<br />

Gemeinde Uchuraccay in Ayacucho umgebracht wurde. Mario Vargas Llosa<br />

leitete die Ermittlungen zu den Hintergründen der Morde. Das Militär, das<br />

zuvor Bauern brutal umgebracht hatte – deswegen waren die Journalisten aus<br />

Lima angereist – hatte die Bevölkerung gegen die Fremden aufgestachelt und<br />

ihnen eingeimpft, es stecke der Leuchtende Pfad dahinter. Der Terrorismus<br />

wurde immer schon als Kampfbegriff gegen politische Gegner missbraucht.<br />

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