Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
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Peru<br />
<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />
Der Mann hat weißen Schaum vor dem Mund und die Augen geschlossen.<br />
Er spricht mit deutlicher, aber schwankender Stimme und unterstützt seine<br />
Worte mit ausholenden Armbewegungen: „Hier, wo der linke Arm von<br />
Tupac Amaru begraben ist, erinnern wir an die Geschichte unseres Kampfes.<br />
Und mein Bruder war ein Revolutionär, der gekämpft hat wie Tupac Amaru,<br />
dessen Name zum Symbol einer peruanischen Revolution geworden ist, eine<br />
Revolution, die unsere Antwort auf die Ausbeutung ist, eine Ausbeutung,<br />
unter der wir schon viel zu lange leiden. Aber jetzt ist die Revolution hier<br />
bei uns angekommen.“<br />
Es ist der Bruder des in Sán Gabán getöteten Koka-Bauern Maruo<br />
Pepe Suclo Palomino. Der kleine Bergort in der Provinz Carabaya heißt<br />
Ayapata, was auf Quechua soviel bedeutet, wie „über dem Toten“ und<br />
meint die Knochen von Túpac Amaru. Applaus für den Bruder von Mauro.<br />
Die Zuhörer verstehen seine Anspielung. „Tupac Amaru“ ist auch der<br />
Name der linken Guerilla, die zurückgezogen in den Bergen darauf wartet,<br />
irgendwann wieder zu den Waffen zu greifen. Die Regierung sagt, die Koka-<br />
Bauern hier würden mit den Terroristen unter einer Decke stecken, nicht<br />
unbedingt mit Túpac Amaru, aber mit bewaffneten Rebellen, die sich über<br />
den Drogenhandel finanzieren. Unter den Trauernden entdecke ich einen<br />
Mann im Anzug, hochgewachsen mit Brille und Bart, der offensichtlich<br />
nicht von hier ist. Hugo Cabieses ist aus Lima angereist, er hat früher für die<br />
peruanische Drogenbekämpfungsbehörde DEVIDA gearbeitet und ist vor<br />
kurzem ausgestiegen. Jetzt unterstützt er den Protest der Koka-Bauern. Mit<br />
ihm ist Elsa Malpartida angereist, die militante Gewerkschaftsführerin der<br />
Koka-Bauern. Ihrer Organisation CONPACCP haben sich bisher 35.000 der<br />
52.000 Koka-Bauern Perus angeschlossen und sie unterhält enge Kontakte<br />
zur bolivianischen MAS von Evo Morales. Elsa Malpartida hatte im<br />
vergangenen Jahr mit einer Grossdemonstration der Koka-Bauern in Lima<br />
die Regierung das Fürchten gelehrt und wird in der peruanischen Presse in<br />
einem Atemzug mit den „Drogenterroristen“ genannt, die das Land in den<br />
entlegenen Regionen unsicher machen. Der Präsident ihrer Vereinigung,<br />
Nelson Palomino ist in Arequipa in Haft – angeblich wegen Terrorismus.<br />
Ich beschließe, Hugo Cabieses und Elsa Malpartida zum Tatort zu begleiten<br />
und Gespräche mit den Koka-Bauern zu führen. Nils Ericson, der Präsident<br />
der Nationalkommission für ein Leben ohne Drogen hat den Koka-Bauern<br />
den Kampf erklärt. In den Zeitungen ist zu lesen, er habe behauptet, in Sán<br />
Gabán lebten die Menschen durch die Gewinne mit dem Drogenhandel<br />
in luxuriösen Häusern mit Satellitenschüsseln auf den Dächern und<br />
brandneuen Geländewagen vor der Türe. Es würden sich Kontaktleute u.a.<br />
aus Kolumbien in der Gegend herumtreiben und es gäbe Landepisten für die<br />
Drogentransporte.<br />
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