Adelheid Kuhlmey, Doris Schaeffer (Hrsg.): Alter ... - Buch.de
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Psychologische Verän<strong>de</strong>rungen im <strong>Alter</strong><br />
Andreas Kruse<br />
Das biologische und psychologische Verständnis<br />
von <strong>Alter</strong> lässt sich anhand <strong>de</strong>s lateinischrömischen<br />
Verständnisses <strong>de</strong>r „Stufenleiter <strong>de</strong>r<br />
Natur“ (scala naturae) veranschaulichen, das in<br />
<strong>de</strong>r Aussage: „Natura non facit saltum“, übersetzt<br />
„die Natur macht keine Sprünge“, zum<br />
Ausdruck kommt. Auf das Verständnis von <strong>Alter</strong><br />
angewen<strong>de</strong>t heißt dies: Die Abgrenzung<br />
eines eigenen Lebensabschnitts „<strong>Alter</strong>“ ist im<br />
Grun<strong>de</strong> nicht möglich. Vielmehr ist von <strong>Alter</strong>nsprozessen<br />
auszugehen, die sich über weite<br />
Teile <strong>de</strong>r Biografie erstrecken und die im Sinne<br />
von graduellen Verän<strong>de</strong>rungen zu interpretieren<br />
sind. Ein <strong>de</strong>r Biologie entnommenes Beispiel<br />
für dieses Verständnis von <strong>Alter</strong>n ist die von<br />
Bürger (1947) vorgeschlagene Definition von<br />
Biomorphose: Danach ist „<strong>Alter</strong>n je<strong>de</strong> gesetzmäßige,<br />
irreversible Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r leben<strong>de</strong>n<br />
Substanz als Funktion <strong>de</strong>r Zeit.“ Als Beispiel<br />
für das psychologische Verständnis <strong>de</strong>s <strong>Alter</strong>ns<br />
lässt sich die auf Thomae (2002) zurückgehen<strong>de</strong><br />
Definition <strong>de</strong>r kontinuierlichen Verän<strong>de</strong>rungen<br />
in <strong>de</strong>r thematischen Strukturierung eines<br />
Menschen anführen: Mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r thematischen<br />
Strukturierung wird zum Ausdruck<br />
gebracht, dass die subjektive Deutung <strong>de</strong>s<br />
Selbst ebenso wie die subjektive Deutung <strong>de</strong>r<br />
Welt durch die grundlegen<strong>de</strong>n Lebensthemen<br />
(„Daseinsthemen“) eines Menschen bestimmt<br />
ist, die in einer gegebenen Lebensphase dominieren<br />
(auch Thomae 1968). Dabei ist zu beobachten,<br />
dass die Daseinsthemen zwar einerseits<br />
eine hohe Kontinuität über die individuelle Biografie<br />
aufweisen (und somit die prägen<strong>de</strong>n individuellen<br />
Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse<br />
wi<strong>de</strong>rspiegeln), dass sich in ihnen aber an<strong>de</strong>rerseits<br />
auch lebensalterspezifische, sowohl<br />
von <strong>de</strong>r biologisch-physiologischen Entwicklung<br />
als auch von <strong>de</strong>n gesellschaftlich <strong>de</strong>finierten<br />
Rollenerwartungen bestimmte, Entwicklungsaufgaben<br />
nie<strong>de</strong>rschlagen – und es ist gera<strong>de</strong><br />
die Verbindung personaler, höchst individueller<br />
Lebensthemen mit biologisch-physiologisch<br />
und gesellschaftlich bedingten Entwicklungsaufgaben,<br />
die Thomae zufolge <strong>de</strong>n Kern<br />
subjektiver Erfahrungen, Erkenntnisse sowie<br />
Handlungen und damit zugleich <strong>de</strong>n Kern psychischer<br />
Entwicklung im <strong>Alter</strong>n bil<strong>de</strong>t (auch<br />
Lehr 1980, Kruse 2005a, Staudinger 2005). Die<br />
mit <strong>de</strong>m <strong>Alter</strong>nsprozess auftreten<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen<br />
beschränken sich nicht allein auf Verluste<br />
– wie z. B. die Anpassungsfähigkeit <strong>de</strong>s<br />
Organismus o<strong>de</strong>r die Abnahme <strong>de</strong>r Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit.<br />
Sie schließen<br />
im seelisch-geistigen Bereich auch potenzielle<br />
Gewinne ein – wie z. B. die Entwicklung von<br />
hoch organisierten und damit leicht abrufbaren<br />
Wissenssystemen sowie von effektiven Handlungsstrategien<br />
(Lin<strong>de</strong>nberger 2000). Der Zuwachs<br />
an Wissen und Handlungskompetenz ist<br />
jedoch nur unter <strong>de</strong>r Voraussetzung <strong>de</strong>r im gesamten<br />
Lebenslauf bestehen<strong>de</strong>n Offenheit <strong>de</strong>s<br />
Menschen für neue Erfahrungen sowie <strong>de</strong>r bewussten<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit neuen Problemsituationen<br />
möglich (Sternberg 1997).<br />
Differenzierung zwischen<br />
drittem und viertem Lebensalter<br />
Lehr (2007) zufolge ist <strong>de</strong>r Nachweis <strong>de</strong>r hohen<br />
interindividuellen Unterschie<strong>de</strong> im <strong>Alter</strong> einer<br />
<strong>de</strong>r zentralen Befun<strong>de</strong> psychologischer, soziologischer<br />
und medizinischer <strong>Alter</strong>nsforschung.<br />
Doch trotz <strong>de</strong>r hohen interindividuellen Unterschie<strong>de</strong><br />
ist es vor <strong>de</strong>m Hintergrund bestehen<strong>de</strong>r<br />
Forschungsbefun<strong>de</strong> gerechtfertigt, zwischen<br />
einem „dritten“ und einem „vierten Lebensalter“<br />
zu differenzieren (z. B. Baltes 1999), wobei<br />
diese Differenzierung allerdings nur als ein<br />
Ordnungsprinzip zu verstehen ist, das nicht<br />
über die ausgeprägten interindividuellen Unterschie<strong>de</strong><br />
sowohl in <strong>de</strong>r körperlichen als auch in<br />
<strong>de</strong>r seelisch-geistigen Dimension hinwegtäuschen<br />
soll.<br />
Beim Großteil <strong>de</strong>r im „dritten Lebensalter“<br />
(<strong>de</strong>finiert als Zeitspanne von 60 bis 80 Jahre)<br />
stehen<strong>de</strong>n Menschen kann von „erfolgreichem<br />
<strong>Alter</strong>n“ (Rowe & Kahn 1998) im Sinne <strong>de</strong>r medizinischen,<br />
psychologischen, soziologischen<br />
sowie ökonomischen Definition ausgegangen<br />
wer<strong>de</strong>n. Auch wenn in diesem <strong>Alter</strong> die<br />
physiologische Leistungskapazität erkennbar<br />
<strong>A<strong>de</strong>lheid</strong> <strong>Kuhlmey</strong>, <strong>Doris</strong> <strong>Schaeffer</strong> (<strong>Hrsg</strong>.): <strong>Alter</strong>, Gesundheit und Krankheit - Handbuch Gesundheitswissenschaften, Verlag Hans Huber, Bern 2008<br />
© 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern<br />
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