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Adelheid Kuhlmey, Doris Schaeffer (Hrsg.): Alter ... - Buch.de

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22<br />

Teil 1: <strong>Alter</strong>(n), Gesundheit und Krankheit – Theoretische Grundlagen<br />

Training von Fähigkeiten, wie sie üblicherweise<br />

in Testaufgaben zur flui<strong>de</strong>n Intelligenz erfasst<br />

wer<strong>de</strong>n, eine Leistungsverbesserung erzielen<br />

können, die in ihrem Ausmaß <strong>de</strong>r in Längsschnittstudien<br />

zwischen <strong>de</strong>m 60. und 80. Lebensjahr<br />

beobachtbaren Verän<strong>de</strong>rung entspricht<br />

(Schaie & Willis 1986, Baltes et al. 1988).<br />

Nach Analysen von Willis und Nesselroa<strong>de</strong><br />

(1990) konnten von jenen 25 Personen, die sowohl<br />

1979 als auch 1981 und 1986 an <strong>de</strong>m in<br />

<strong>de</strong>r ADEPT-Studie eingesetzten Programm zum<br />

Training <strong>de</strong>r flui<strong>de</strong>n Intelligenz teilgenommen<br />

haben, 16 (64 %) ihre Testleistung bis zum jeweils<br />

nächsten Messzeitpunkt beibehalten o<strong>de</strong>r<br />

sogar verbessern. Beim ersten Absolvieren <strong>de</strong>s<br />

Trainings waren diese Personen im Durchschnitt<br />

69, beim dritten Absolvieren <strong>de</strong>s Trainings<br />

im Durchschnitt 77 Jahre alt. In einer untrainierten<br />

Kontrollgruppe gelang es dagegen<br />

zwei Drittel <strong>de</strong>r Personen nicht, ihr Leistungsniveau<br />

bis zum nächsten Messzeitpunkt zu<br />

halten.<br />

In einer Untersuchung von Kliegl und Kollegen<br />

(1989) wur<strong>de</strong>n 20 gesun<strong>de</strong> ältere Menschen<br />

zwischen 65 und 83 Jahren in <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Loci-Metho<strong>de</strong> unterwiesen, bei <strong>de</strong>r neue Stimuli<br />

mit einer vertrauten Sequenz von Orten innerhalb<br />

einer kognitiven Landkarte assoziiert wer<strong>de</strong>n<br />

sollen. Nach <strong>de</strong>r Erhebung ihrer Ausgangsleistung<br />

lernten die Teilnehmer zunächst 40<br />

Stationen einer imaginären Stadtrundfahrt<br />

durch West-Berlin. Im Anschluss daran wur<strong>de</strong>n<br />

sie aufgefor<strong>de</strong>rt, das zu einem späteren Zeitpunkt<br />

in <strong>de</strong>r präsentierten Reihenfolge zu erinnern<strong>de</strong><br />

Gedächtnismaterial (historische Ereignisse,<br />

historische Daten, Listen von Substantiven)<br />

mit Hilfe <strong>de</strong>r gelernten Orte zu kodieren.<br />

Die einzelnen Orte und die später zu erinnern<strong>de</strong>n<br />

Items sollten nach und nach in umfassen<strong>de</strong>re<br />

Vorstellungen integriert wer<strong>de</strong>n, wobei<br />

<strong>de</strong>r Zeitraum, in <strong>de</strong>m die einzelnen Vorstellungen<br />

generiert und eingeprägt wur<strong>de</strong>n, individuell<br />

gestaltet wer<strong>de</strong>n konnte. Beim Abrufen<br />

<strong>de</strong>r zu erinnern<strong>de</strong>n Items sollten sich die Teilnehmer<br />

vorstellen, die Stationen <strong>de</strong>r imaginären<br />

Stadtbesichtigung zu besuchen und die einzelnen<br />

Items mit Hilfe <strong>de</strong>r eingeprägten Vorstellungen<br />

rekonstruieren. Diese Gedächtnisstrategie<br />

wur<strong>de</strong> in einem auf die individuelle<br />

Leistungsfähigkeit abgestimmten Trainingsprogramm<br />

in bis zu 26 Trainingssitzungen kontinuierlich<br />

geübt. Vor <strong>de</strong>m Erlernen <strong>de</strong>r Loci-<br />

Metho<strong>de</strong> lag die Durchschnittsleistung bei 3,1<br />

in ihrer Reihenfolge korrekt wie<strong>de</strong>rgegebenen<br />

Substantiven. Dieser Durchschnittswert für<br />

Lern-Leistungen konnte im Verlauf <strong>de</strong>s Trainingsprogramms<br />

auf 32,4 gesteigert wer<strong>de</strong>n.<br />

(Für die 40 Orte wur<strong>de</strong>n 40 Substantive vorgegeben.)<br />

Neben dieser eindrucksvollen Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Gedächtnisleistung älterer Menschen<br />

durch Vermittlung und Übung einer effektiven<br />

Abrufstrategie zeigte sich in dieser Studie allerdings<br />

auch, dass die Trainingsgewinne einer<br />

Vergleichsgruppe jüngerer Menschen (20-24<br />

Jahre) signifikant höher ausfielen: Hier waren<br />

fast alle Teilnehmer nach <strong>de</strong>m Training in <strong>de</strong>r<br />

Lage, die komplette Sequenz korrekt wie<strong>de</strong>rzugeben;<br />

die Durchschnittsleistung bei selbst<br />

gewählter Darbietungszeit verbesserte sich von<br />

4,8 auf 39,8. Testet man die Teilnehmer unter<br />

immer schwierigeren Trainingsbedingungen –<br />

z. B. längeren Trainingsprogrammen sowie<br />

schnelleren Darbietungsraten – so vergrößern<br />

sich die <strong>Alter</strong>sunterschie<strong>de</strong> im Sinne eines<br />

Schereneffekts: Nun überlappen sich die Leistungsverteilungen<br />

von in ihren Intelligenzwerten<br />

vergleichbaren jungen und alten Teilnehmern<br />

nicht mehr.<br />

Bei einer grundlegen<strong>de</strong>ren Interpretation dieser<br />

Studie – wie auch vergleichbarer Untersuchungen<br />

zur kognitiven Intervention – ist das<br />

auch im <strong>Alter</strong> erkennbare latente kognitive<br />

Potenzial hervorzuheben. Dieses ist im Sinne<br />

eines Entwicklungspotenzials zu <strong>de</strong>finieren, bei<br />

<strong>de</strong>ssen Realisierung stabile Verbesserungen<br />

einer Funktion erzielt wer<strong>de</strong>n. Das latente kognitive<br />

Potenzial zeigt sich darin, dass nach kontinuierlich<br />

angebotenem funktionsspezifischem<br />

Training neue kognitive Strategien erworben<br />

und mit Erfolg eingesetzt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Diese Trainingseffekte sind auch in jenen Bereichen<br />

<strong>de</strong>r Informationsverarbeitung erkennbar,<br />

die in hohem Maße von physiologischen<br />

Prozessen bestimmt sind und damit altersbezogene<br />

Verluste aufweisen. Mit an<strong>de</strong>ren Worten:<br />

Der durch Training erzielte Leistungszuwachs<br />

lässt sich auch bei einem altern<strong>de</strong>n Zentralnervensystem<br />

nachweisen, welches zunehmen<strong>de</strong><br />

Defizite in <strong>de</strong>r Präzision und Geschwindigkeit<br />

<strong>de</strong>r Erregungsübertragung zeigt. Allerdings ist<br />

zu berücksichtigen, dass die latenten kognitiven<br />

Potenziale im <strong>Alter</strong> geringer sind als in früheren<br />

Lebensaltern: Wenn die Schwierigkeit<br />

<strong>de</strong>r Gedächtnisaufgabe durch Zeitbegrenzung<br />

<strong>A<strong>de</strong>lheid</strong> <strong>Kuhlmey</strong>, <strong>Doris</strong> <strong>Schaeffer</strong> (<strong>Hrsg</strong>.): <strong>Alter</strong>, Gesundheit und Krankheit - Handbuch Gesundheitswissenschaften, Verlag Hans Huber, Bern 2008<br />

© 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern<br />

Keine unerlaubte Weitergabe o<strong>de</strong>r Vervielfätigung.

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