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Teil 2

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"In Grunwald drauB' im Isartal,<br />

LaBt euch sag'n dos war amal..."'"<br />

- 45 ­<br />

Martina Hausmann<br />

Ich fahre nicht nur kalendarisch meinem ersten 24-Stundenwinterlauf entgegen. Draufsen haut der<br />

Sturm dicke Regentropfen gegen das Zugabteilfenster. Anhaltende Schneeschauer sagt der Wetterbericht<br />

fur den Voralpenraum voraus. Wieviele Kilometer passen in 24 Stunden Sauwetter?<br />

Aufler mir tropfeln noch 23 unentwegte Manner in Grunwald ein, urn dieser interessanten Frage<br />

nachzuforschen. Eine Handvoll 12-Stundenlaufer wird sich dazugesellen. Manfred Rau yom dortigen<br />

Triathlonverein erzahlt, daB er sich mit der Organisation dieses Rennens einen langersehnten<br />

Traum erfullt habe, urn Ultratriathleten ein Trainingslager vor Saisonbeginn zu ermoglichen. Moment<br />

mal: "24-Stundenlauf zum Training? In welch' elitaren Kreis bin ich da hineingeraten?" Auf<br />

der <strong>Teil</strong>nehmerliste stehen aber auch Neulinge. Manfred erwahnt weiter, daf er vom Ultralauf und<br />

yon den Eigenarten solcher Verruckter wahrend des Laufs keine Ahnung habe. "Oh je!" In der Erwartung<br />

eines besonders bizarren Unternehmens vertiefe ich mich mit gemischten Gefuhlen in die<br />

Startvorbereitungen. Die wetterdicht verpackte Verpflegung rnuf ich noch an der Strecke deponieren.<br />

Wo, bitte, fuhrt die entlang? Vereinzelt knattern Bander im Sturm, sie konnten auch zur Baustelle<br />

nebenan gehoren. Kurzerhand mache ich mich mit Viktor Adamczyk neben dem offiziellen<br />

Stand breit, das wird schon richtig sein.<br />

Startschufl. Ein Mountainbiker fahrt zweimal die 1032,50 Meter mit. Aha, die Streckenmarkierung!<br />

Wir laufen durch das Tor den Park hinaus und auf der offentlichen Strafse entlang. Wir schlupfen<br />

durch einen anderen Eingang zwischen Parkplatz und Ful3ballplatz hindurch'und sind wieder in den<br />

Anlagen der ehemaligen Sportschule. Am Verpflegungsstand stehen Helfer teilnahmslos herum. Die<br />

Rundenzahler am Parkausgang sitzen abgeschottet im Glashaus und schauen auf ihre Videorekorder.<br />

Der Kreis hat sich geschlossen. "Friedhofatmosphare", bemerkt einer treffend. Oder doch nicht? Bei<br />

den Sportplatzen findet unser Treiben Beachtung: Die Autofahrer hupen wutend, weil wir die Zufahrt<br />

blockieren, und die Ful3baller samt deren Zuschauer machen dumme Bemerkungen . Wer kann<br />

es ihnen verdenken? Nichts weist auf unsere Veranstaltung hin, selbst Streckenposten zu den Stollzeiten<br />

sind unbekannt. Ich versuche, unbeeindruckt zu bleiben und einen Rhythmus zu finden, der<br />

mich fuhrt und tragt. Nie habe ich mich so alleingelassen gefuhlt. Nach gut 18 Kilometern scheidet<br />

Heinz Jackerl aus; Motivation zum Teufel. Nach sieben Stunden vermischt sich der Sturm mit Regen,<br />

schlief31ich mit Eisregen und Graupel. Stundenlang singe ich leise indische Mantras. Die Welt<br />

urn mich versinkt. "Wieviele Kilometer habe ich wohl?" Wir erfahren garnichts. Stundlich werden<br />

kleine Zettel in einer dunklen Ecke neben dem Glashaus ausgehangt, die nur Adleraugen im Vorbeiflug<br />

lesen konnten. Mitunter wache ich aus meinen Meditationen auf. Der Verpflegungsstand ist<br />

umgezogen unter das Turnhallendach. Das bedeutet fur uns abschwenken, 20 Meter extra laufen,<br />

stehenbleiben, Porzellantasse leertrinken und abstellen, 20 Meter wieder zuruck zur Strecke. Die<br />

Wahl besteht zwischen kochendheil3en oder eiskalten Getranken. An Eliwaren finden wir ausgefallene<br />

Spezialitaten wie Gumrnibarchen und Kartoffelchips vor. Beinhart unterkuhlte Powerbars<br />

runden das Sortiment aboAm schlimmsten ist das Stehenbleiben. In der kalten Nasse gefriere auch<br />

ich sofort zum Eisklumpen und bekomme Krarnpfe beim Antraben. Selten finde ich einen Engel, der<br />

mitgeht und mir die Tasse wieder abnimmt, urn mir dies zu ersparen. Mit der Verpflegung komme<br />

ich erstmals bei einem Ultra gar nicht klar, meine eigene ist leider angefroren.<br />

Schlief31ich wird es Nacht. Die verwaisten Sportplatze sind taghell beleuchtet. Wir aber sehen stellenweise<br />

die Hand vor Augen kaum, geschweige denn die Struktur der Eiswasserpfutzen am Boden.<br />

Aufunser Drangen hin versucht Manfred, mit Kerzen Abhilfe zu schaffen. "1st das gut?" fragt er unsicher.<br />

Schnapsidee] Unsere Verzweiflung wird als Unfreundlichkeit mifiverstanden. Was wissen<br />

die von unserer Not? In der nachsten Runde schon ist die Beleuchtung im Wetter abgesoffen. Endlich<br />

kommen die Wetterleuchten zum Einsatz, die Heinz bei seinem Abschied gestiftet hat. Jetzt tauchen<br />

sogar zwei Minischeinwerfer auf. Auf weiteres Bitten hin kehrtjemand die grobste Pfutze weg.<br />

Zu spat! Meine Fufe sind langst im Dauerbad erstarrt. Unsere Reihen lichten sich weiter. Viele<br />

schlafen. Was mag in den Kopfen derer vorgehen, die hier ihren ersten 24-Stundenlauf machen? Nur<br />

der harte Kern kampft pausenlos, wobei mich der schnelle Hirsch Kassian Burster genauso fasziniert<br />

wie der unermudliche Viktor mit seinen 60 Jahren. In Gedanken rutschen wir ganz eng zusammen,<br />

schopfen Kraft aus der Anwesenheit des anderen. Urn 0 Uhr bekommen wir Verstarkung von den<br />

12-Stundenlaufern. Die neuen Schrittmacher motivieren ungemein! Doch leider verkriecht sich auch<br />

bald manch' einer von ihnen in den warmen Schlafsack. Mittlerweile schneit es in dichten Schauern.<br />

Die Landschaft verwandelt sich schnell. Mein Korb mit der eisigen Verpflegung bekommt eine<br />

Schneehaube, und die Pfutzen fullen sich mit schlupfrigem Brei. Der Kulissenwechsellenkt wenigstens<br />

von der Einsamkeit abo Dazu kommen handfeste Probleme . Nach uber 14 Stunden werde ich<br />

langsam schwach und muf langere Gehpausen einlegen. Ich bemerke, daf ich patschnaf bin. Mein<br />

Magen knurrt und die Zahne klappern. Ich muf schleunigst zu einer EB- und Umziehpause in den<br />

Aufwarmraum. Endlich finde ich jemand, der mir in den Regenanzug hilft und eine Riesenportion<br />

warmes Musli verschafft. Alleine harte ich mit den klammen Fingern wenig ausrichten konnen ,

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