Aktuelle Rechtsprechung zur Prüfungs- und ... - Bauverlag
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+ Bauwirtschaft Recht<br />
2/2002<br />
VOB-Praxis<br />
27<br />
Frage 5: Zu welchem Zeitpunkt ist die<br />
Bedenkenanzeige zu erstatten?<br />
Nach dem Wortlaut der Regelung in § 4<br />
Nr. 3 VOB/B muss die Bedenkenanzeige<br />
nicht notwendig schon vor oder bei Vertragsschluss<br />
erfolgen, jedenfalls aber vor<br />
Beginn der Ausführung („möglichst schon<br />
vor Beginn der Arbeiten“).<br />
Frage 6: In welcher Form ist die<br />
Bedenkenanzeige zu erstatten?<br />
Die Bedenken sind stets schriftlich anzuzeigen,<br />
ansonsten besteht die Haftung<br />
des Auftragnehmers fort (BGH BauR 1995,<br />
278, 279). Im Ausnahmefall reicht eine<br />
mündliche Bedenkenanzeige aus (OLG<br />
Düsseldorf, BauR 2001, 638, 642; OLG Düsseldorf,<br />
BauR 1996, 260; OLG Hamm, BauR<br />
1995, 852; OLG Köln, BauR 1996, 549).Trotz<br />
der in § 4 Nr. 3 VOB/B geforderten Schriftform<br />
kann also ein mündlicher Hinweis<br />
ausreichen, wenn er eindeutig, d. h. inhaltlich<br />
klar, vollständig <strong>und</strong> erschöpfend<br />
ist.<br />
Frage 7: Wie umfangreich muss die<br />
Bedenkenanzeige ausfallen?<br />
Wie bereits dargelegt, muss der Bedenkenhinweis<br />
eindeutig, d.h. inhaltlich klar,<br />
vollständig <strong>und</strong> erschöpfend sein. Aus der<br />
Anzeige müssen sich die nachteiligen Folgen<br />
ergeben <strong>und</strong> die daraus resultierenden<br />
Gefahren der un<strong>zur</strong>eichenden Vorgaben<br />
des Auftraggebers ersichtlich <strong>und</strong><br />
dem Auftraggeber konkret dargelegt werden,<br />
damit er die Tragweite der Befolgung<br />
bzw. Nichtbefolgung überschauen <strong>und</strong><br />
einschätzen kann (BGH NJW 1975, 1217).<br />
Ein allgemeiner Hinweis,der Unternehmer<br />
habe bei einem durch die Planung vorgesehenen<br />
Eingriff in die Konstruktion Bedenken,<br />
reicht nicht aus, wenn die besondere<br />
Gefährlichkeit (z. B. die Einsturzgefahr<br />
des Dachstuhls) nicht zum Ausdruck<br />
kommt.<br />
Der Auftraggeber soll durch eine inhaltlich<br />
klare <strong>und</strong> verständliche Bedenkenanzeige<br />
gewarnt werden. Um das Problem<br />
zu verstehen oder eine Klärung herbeizuführen,<br />
muss die Bedenkenanzeige<br />
deshalb ganz konkret das Problem erörtern<br />
<strong>und</strong> die sich aus der Beachtung der<br />
Vorgaben des Auftraggebers ergebenden<br />
Nachteile im Einzelnen darlegen. Nicht erforderlich<br />
ist, dass der Auftragnehmer die<br />
nach seiner Ansicht richtige Ausführungsweise<br />
mitteilt. Dies kann sogar nachteilig<br />
sein, da hierdurch eventuell eine Haftung<br />
aus Beratungsvertrag begründbar sein<br />
könnte (OLG Hamm, BauR 1995, 859).<br />
Frage 8: Wer ist Adressat der<br />
Bedenkenanzeige?<br />
Adressat ist immer der Bauherr oder Auftraggeber<br />
selbst, keineswegs jedoch seine<br />
Erfüllungsgehilfen, insbesondere die von<br />
ihm eingesetzten Architekten <strong>und</strong> Fachingenieure<br />
bzw. Bauleiter. Gr<strong>und</strong> dafür ist,<br />
dass bei einer Anzeige gegenüber dem Architekten<br />
oder Bauleiter die Möglichkeit<br />
besteht, dass dieser sich den vom Unternehmer<br />
geäußerten Bedenken verschließt<br />
oder er die Bedenken des Unternehmers<br />
nicht an den Auftraggeber weitergibt, was<br />
insbesondere dann der Fall sein könnte,<br />
wenn er selbst Anlass zu den Bedenken<br />
durch eine fehlerhafte Planung gegeben<br />
hat (OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 401;<br />
BGH BauR 1997, 301).<br />
Frage 9: Was muss der Generalunternehmer<br />
tun, wenn sein<br />
Nachunternehmer Bedenken hat?<br />
Der Generalunternehmer muss sich gegenüber<br />
dem Bauherrn Bedenken seines<br />
Nachunternehmers zu Eigen machen.Eine<br />
bloße Weitersendung der Bedenken ohne<br />
Kommentar genügt nicht.<br />
Frage 10: Wie umfangreich muss die<br />
<strong>Prüfungs</strong>pflicht sein?<br />
Der Umfang der <strong>Prüfungs</strong>pflicht hängt<br />
von den Umständen im Einzelfall ab (BGH<br />
BauR 1989, 467). Spezialkenntnisse der jeweiligen<br />
Fachplaner muss der lediglich<br />
ausführende Unternehmer in der Regel<br />
nicht haben. Er darf sich insbesondere auf<br />
die Fachplanung aber dann nicht verlassen,<br />
wenn deren Lücken <strong>und</strong> Mängel erkennbar<br />
sind (OLG Düsseldorf, BauR 1995,<br />
545).<br />
Der Umfang der Prüfung durch den<br />
Bauunternehmer richtet sich dabei nach<br />
dem vom Unternehmer zu fordernden<br />
Fachwissen, nach seiner Kenntnis, nach<br />
dem Informationsstand des Auftraggebers<br />
<strong>und</strong> überhaupt nach allen Umständen,<br />
die für den Unternehmer bei hinreichend<br />
sorgfältiger Prüfung als bedeutsam<br />
erkennbar sind (OLG Hamm, NZBau 2001,<br />
502, 503).<br />
Frage 11: Entfällt die <strong>Prüfungs</strong>- <strong>und</strong><br />
Hinweispflicht bei Sachk<strong>und</strong>e des<br />
Bauherrn?<br />
Auch wenn sich ein Bauherr die Sachk<strong>und</strong>e<br />
seines Bauleiters <strong>zur</strong>echnen lassen<br />
muss, entfällt dadurch allein die <strong>Prüfungs</strong><strong>und</strong><br />
Hinweispflicht des Unternehmers<br />
nicht. Ähnliches gilt bei einer vorliegenden<br />
Sachk<strong>und</strong>e des Architekten, die ebenfalls<br />
nicht zu einem Wegfall der <strong>Prüfungs</strong><strong>und</strong><br />
Mitteilungspflicht des Unternehmers<br />
führt (BGH BauR 2001, 622).<br />
Beauftragt der Bauherr Sonderfachleute<br />
mit der Planung, beschränkt sich die<br />
Prüfpflicht auf offensichtlich erkennbare<br />
Fehler (OLG Celle, IBR 2001, 178). Die Prüfung<br />
durch den Bauunternehmer muss auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage eines dem neuesten Stand<br />
der Technik entsprechenden Normalwissens<br />
erfolgen.Planungen von Sonderfachleuten<br />
(Statiker, Baugr<strong>und</strong>) sind nur auf<br />
„ins Auge springende Fehler“ zu prüfen<br />
(OLG Bamberg, IBR 2001, 111).<br />
Frage 12: Muss eine inhaltlich<br />
unrichtige Bedenkenanzeige<br />
<strong>zur</strong>ückgenommen werden?<br />
Ob eine unbegründete Bedenkenanzeige<br />
des Auftragnehmers <strong>zur</strong>ückgezogen werden<br />
muss, wenn der Auftraggeber darauf<br />
besteht, insbesondere weil er die Bedenken<br />
nicht trägt <strong>und</strong> gegenüber dem<br />
zukünftigen Erwerber des Objektes zu einer<br />
„bedenkenfreien“ Übergabe verpflichtet<br />
ist, ist zweifelhaft, im Ergebnis aber<br />
wohl zu vermeiden. Dabei stellt sich allerdings<br />
die Frage, ob dem Objekt bei einer –<br />
wenn auch unbegründeten bzw. nicht gerechtfertigten<br />
– Bedenkenanzeige des Unternehmers<br />
ein Makel anhaftet. ✑