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Aktuelle Rechtsprechung zur Prüfungs- und ... - Bauverlag

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26 2/2002<br />

Recht<br />

VOB-Praxis<br />

Baumarkt<br />

<strong>Aktuelle</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> <strong>zur</strong> <strong>Prüfungs</strong>- <strong>und</strong><br />

Hinweispflicht des Bauunternehmers<br />

Prof. Wolfgang Heiermann,<br />

Rechtsanwalt,<br />

Kanzlei Heiermann/Franke/Knipp,<br />

Frankfurt am Main<br />

Im Jahr 2001 sind vielzählige Urteile des<br />

B<strong>und</strong>esgerichtshofs <strong>und</strong> der Oberlandesgerichte<br />

veröffentlicht worden, die sich<br />

mit der <strong>Prüfungs</strong>- <strong>und</strong> Mitteilungspflicht<br />

des Bauunternehmers nach § 4 Nr.3 VOB/B<br />

befasst haben. Es lohnt sich deshalb, diese<br />

<strong>Rechtsprechung</strong> einmal näher zu beleuchten<br />

<strong>und</strong> auf die sich daraus ergebenden<br />

Risiken für die Bauunternehmer einzugehen.<br />

§ 4 Nr. 3 lautet wie folgt:<br />

„Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen<br />

die vorgesehene Art der Ausführung<br />

(auch wegen der Sicherung gegen<br />

Unfallgefahren), gegen die Güte der<br />

vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder<br />

Bauteile oder gegen die Leistungen<br />

anderer Unternehmer, so hat er sie<br />

dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst<br />

schon vor Beginn der Arbeiten –<br />

schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber<br />

bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen<br />

oder Lieferungen verantwortlich.“<br />

Frage 1: Welches Werk schuldet der<br />

Unternehmer?<br />

Die Leistungspflichten des Bauunternehmers<br />

erschöpfen sich nicht in der Einhaltung<br />

der originären vertraglichen Regelungen.<br />

Die auszuführende Leistung wird<br />

nach Art <strong>und</strong> Umfang durch den Vertrag<br />

bestimmt, der im Zweifelsfall auszulegen<br />

ist. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in<br />

denen der Vertrag unklar, widersprüchlich<br />

oder lückenhaft ist.Bei der Auslegung sind<br />

die gesamten Vertragsumstände einzubeziehen.<br />

Der Umfang der Leistungspflichten<br />

kann sich dementsprechend aus den<br />

sonstigen Vertragsumständen,z.B.aus der<br />

Funktion, aus der Ausstattung <strong>und</strong> dem<br />

Zuschnitt des Gebäudes,ergeben.Der Auftraggeber<br />

kann erwarten, dass das Werk<br />

zum Zeitpunkt der Fertigstellung diejenigen<br />

Qualitäts- <strong>und</strong> Komfortstandards erfüllt,<br />

die auch vergleichbare, andere zeitgleich<br />

fertig gestellte <strong>und</strong> abgenommene<br />

Bauwerke erfüllen (BGH BauR 1998, 872).<br />

Über die Einhaltung der vertraglichen<br />

Regelungen hinaus muss der Bauunternehmer<br />

mithin ein nach den Vertragsumständen<br />

zweckentsprechendes,funktionstaugliches<br />

Werk erbringen (BGH BauR<br />

1995, 230). Entscheidend ist, ob der mit<br />

dem Werk beabsichtigte Erfolg eingetreten<br />

ist. Insoweit muss auf den Gesamtzweck<br />

<strong>und</strong> die Funktion des Werkes<br />

abgestellt werden, wie sie sich aus dem<br />

Vertrag ergeben (BGH BauR 1999, 37). Insbesondere<br />

bei funktionalen Leistungsbeschreibungen<br />

ist bei der Auslegung des<br />

Vertrages auf die vertraglich vorausgesetzte<br />

Funktion abzustellen <strong>und</strong> zu prüfen,<br />

ob sie erfüllt werden kann (BGH BauR<br />

1995, 539; BGH BauR 1996, 735; BGH BauR<br />

1999, 254).<br />

Frage 2: Darf sich der Auftragnehmer<br />

auf fehlerhafte Ausschreibungen oder<br />

mangelhafte Planungsleistungen<br />

berufen?<br />

Der Bauunternehmer darf sich gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht auf fehlerhafte Ausschreibungen,<br />

Planungsleistungen oder Vorunternehmerleistungen<br />

berufen <strong>und</strong> Gewährleistungsansprüche<br />

des Auftraggebers<br />

mit der Begründung abwehren, er habe<br />

die Fehler des planenden <strong>und</strong> ausschreibenden<br />

Architekten oder der Sonderfachleute<br />

(Fachplaner <strong>und</strong> Fachingenieure)<br />

nicht zu verantworten. Sind deshalb Leistungsvorgaben<br />

des Auftraggebers oder<br />

von behördlicher Seite oder eine Vorleistung<br />

eines anderen Unternehmers mangelhaft<br />

oder unvollständig <strong>und</strong> kommt es<br />

deshalb zu einem Mangel am Bauwerk, ist<br />

der Bauunternehmer gr<strong>und</strong>sätzlich gewährleistungspflichtig.<br />

Frage 3: Wie kann sich der Unternehmer<br />

von der Gewährleistungspflicht<br />

befreien?<br />

Der Unternehmer kommt nur ausnahmsweise<br />

von seiner Gewährleistungspflicht<br />

frei, wenn er seiner Bedenkenhinweispflicht<br />

nachgekommen ist. Der Bauunternehmer<br />

hat die Vorgaben des Auftraggebers<br />

<strong>und</strong> die Vorleistungen von Vorunternehmern<br />

daraufhin zu untersuchen,ob sie<br />

geeignet sind,ein mängelfreies Werk zu erstellen<br />

(<strong>Prüfungs</strong>pflicht). Bei erkennbaren<br />

Fehlern der Vorgaben <strong>und</strong> Vorleistungen<br />

hat er sie aufzudecken <strong>und</strong> die sich daraus<br />

ergebenden Bedenken dem Auftraggeber<br />

mitzuteilen (Mitteilungspflicht). Ausnahmsweise<br />

ist der Unternehmer auch dann von<br />

der Gewährleistung befreit, wenn ein Fehler<br />

der Vorgaben für ihn nicht erkennbar<br />

war. Dazu muss er jedoch eine sorgfältige<br />

Prüfung nachweisen, bei der die Fehlerhaftigkeit<br />

der Anweisungen oder Vorleistungen<br />

nicht erkannt werden konnte <strong>und</strong><br />

infolgedessen auch die mangelhafte Ausführung<br />

der Leistung nicht erkennbar war.<br />

Frage 4: Warum muss der Unternehmer<br />

die Vorgaben <strong>und</strong> Vorleistungen<br />

prüfen?<br />

Zweck der <strong>Prüfungs</strong>- <strong>und</strong> Mitteilungspflicht<br />

ist es, den Auftraggeber vor Schaden<br />

zu bewahren (BGH BauR 1987, 79, 80).


+ Bauwirtschaft Recht<br />

2/2002<br />

VOB-Praxis<br />

27<br />

Frage 5: Zu welchem Zeitpunkt ist die<br />

Bedenkenanzeige zu erstatten?<br />

Nach dem Wortlaut der Regelung in § 4<br />

Nr. 3 VOB/B muss die Bedenkenanzeige<br />

nicht notwendig schon vor oder bei Vertragsschluss<br />

erfolgen, jedenfalls aber vor<br />

Beginn der Ausführung („möglichst schon<br />

vor Beginn der Arbeiten“).<br />

Frage 6: In welcher Form ist die<br />

Bedenkenanzeige zu erstatten?<br />

Die Bedenken sind stets schriftlich anzuzeigen,<br />

ansonsten besteht die Haftung<br />

des Auftragnehmers fort (BGH BauR 1995,<br />

278, 279). Im Ausnahmefall reicht eine<br />

mündliche Bedenkenanzeige aus (OLG<br />

Düsseldorf, BauR 2001, 638, 642; OLG Düsseldorf,<br />

BauR 1996, 260; OLG Hamm, BauR<br />

1995, 852; OLG Köln, BauR 1996, 549).Trotz<br />

der in § 4 Nr. 3 VOB/B geforderten Schriftform<br />

kann also ein mündlicher Hinweis<br />

ausreichen, wenn er eindeutig, d. h. inhaltlich<br />

klar, vollständig <strong>und</strong> erschöpfend<br />

ist.<br />

Frage 7: Wie umfangreich muss die<br />

Bedenkenanzeige ausfallen?<br />

Wie bereits dargelegt, muss der Bedenkenhinweis<br />

eindeutig, d.h. inhaltlich klar,<br />

vollständig <strong>und</strong> erschöpfend sein. Aus der<br />

Anzeige müssen sich die nachteiligen Folgen<br />

ergeben <strong>und</strong> die daraus resultierenden<br />

Gefahren der un<strong>zur</strong>eichenden Vorgaben<br />

des Auftraggebers ersichtlich <strong>und</strong><br />

dem Auftraggeber konkret dargelegt werden,<br />

damit er die Tragweite der Befolgung<br />

bzw. Nichtbefolgung überschauen <strong>und</strong><br />

einschätzen kann (BGH NJW 1975, 1217).<br />

Ein allgemeiner Hinweis,der Unternehmer<br />

habe bei einem durch die Planung vorgesehenen<br />

Eingriff in die Konstruktion Bedenken,<br />

reicht nicht aus, wenn die besondere<br />

Gefährlichkeit (z. B. die Einsturzgefahr<br />

des Dachstuhls) nicht zum Ausdruck<br />

kommt.<br />

Der Auftraggeber soll durch eine inhaltlich<br />

klare <strong>und</strong> verständliche Bedenkenanzeige<br />

gewarnt werden. Um das Problem<br />

zu verstehen oder eine Klärung herbeizuführen,<br />

muss die Bedenkenanzeige<br />

deshalb ganz konkret das Problem erörtern<br />

<strong>und</strong> die sich aus der Beachtung der<br />

Vorgaben des Auftraggebers ergebenden<br />

Nachteile im Einzelnen darlegen. Nicht erforderlich<br />

ist, dass der Auftragnehmer die<br />

nach seiner Ansicht richtige Ausführungsweise<br />

mitteilt. Dies kann sogar nachteilig<br />

sein, da hierdurch eventuell eine Haftung<br />

aus Beratungsvertrag begründbar sein<br />

könnte (OLG Hamm, BauR 1995, 859).<br />

Frage 8: Wer ist Adressat der<br />

Bedenkenanzeige?<br />

Adressat ist immer der Bauherr oder Auftraggeber<br />

selbst, keineswegs jedoch seine<br />

Erfüllungsgehilfen, insbesondere die von<br />

ihm eingesetzten Architekten <strong>und</strong> Fachingenieure<br />

bzw. Bauleiter. Gr<strong>und</strong> dafür ist,<br />

dass bei einer Anzeige gegenüber dem Architekten<br />

oder Bauleiter die Möglichkeit<br />

besteht, dass dieser sich den vom Unternehmer<br />

geäußerten Bedenken verschließt<br />

oder er die Bedenken des Unternehmers<br />

nicht an den Auftraggeber weitergibt, was<br />

insbesondere dann der Fall sein könnte,<br />

wenn er selbst Anlass zu den Bedenken<br />

durch eine fehlerhafte Planung gegeben<br />

hat (OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 401;<br />

BGH BauR 1997, 301).<br />

Frage 9: Was muss der Generalunternehmer<br />

tun, wenn sein<br />

Nachunternehmer Bedenken hat?<br />

Der Generalunternehmer muss sich gegenüber<br />

dem Bauherrn Bedenken seines<br />

Nachunternehmers zu Eigen machen.Eine<br />

bloße Weitersendung der Bedenken ohne<br />

Kommentar genügt nicht.<br />

Frage 10: Wie umfangreich muss die<br />

<strong>Prüfungs</strong>pflicht sein?<br />

Der Umfang der <strong>Prüfungs</strong>pflicht hängt<br />

von den Umständen im Einzelfall ab (BGH<br />

BauR 1989, 467). Spezialkenntnisse der jeweiligen<br />

Fachplaner muss der lediglich<br />

ausführende Unternehmer in der Regel<br />

nicht haben. Er darf sich insbesondere auf<br />

die Fachplanung aber dann nicht verlassen,<br />

wenn deren Lücken <strong>und</strong> Mängel erkennbar<br />

sind (OLG Düsseldorf, BauR 1995,<br />

545).<br />

Der Umfang der Prüfung durch den<br />

Bauunternehmer richtet sich dabei nach<br />

dem vom Unternehmer zu fordernden<br />

Fachwissen, nach seiner Kenntnis, nach<br />

dem Informationsstand des Auftraggebers<br />

<strong>und</strong> überhaupt nach allen Umständen,<br />

die für den Unternehmer bei hinreichend<br />

sorgfältiger Prüfung als bedeutsam<br />

erkennbar sind (OLG Hamm, NZBau 2001,<br />

502, 503).<br />

Frage 11: Entfällt die <strong>Prüfungs</strong>- <strong>und</strong><br />

Hinweispflicht bei Sachk<strong>und</strong>e des<br />

Bauherrn?<br />

Auch wenn sich ein Bauherr die Sachk<strong>und</strong>e<br />

seines Bauleiters <strong>zur</strong>echnen lassen<br />

muss, entfällt dadurch allein die <strong>Prüfungs</strong><strong>und</strong><br />

Hinweispflicht des Unternehmers<br />

nicht. Ähnliches gilt bei einer vorliegenden<br />

Sachk<strong>und</strong>e des Architekten, die ebenfalls<br />

nicht zu einem Wegfall der <strong>Prüfungs</strong><strong>und</strong><br />

Mitteilungspflicht des Unternehmers<br />

führt (BGH BauR 2001, 622).<br />

Beauftragt der Bauherr Sonderfachleute<br />

mit der Planung, beschränkt sich die<br />

Prüfpflicht auf offensichtlich erkennbare<br />

Fehler (OLG Celle, IBR 2001, 178). Die Prüfung<br />

durch den Bauunternehmer muss auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage eines dem neuesten Stand<br />

der Technik entsprechenden Normalwissens<br />

erfolgen.Planungen von Sonderfachleuten<br />

(Statiker, Baugr<strong>und</strong>) sind nur auf<br />

„ins Auge springende Fehler“ zu prüfen<br />

(OLG Bamberg, IBR 2001, 111).<br />

Frage 12: Muss eine inhaltlich<br />

unrichtige Bedenkenanzeige<br />

<strong>zur</strong>ückgenommen werden?<br />

Ob eine unbegründete Bedenkenanzeige<br />

des Auftragnehmers <strong>zur</strong>ückgezogen werden<br />

muss, wenn der Auftraggeber darauf<br />

besteht, insbesondere weil er die Bedenken<br />

nicht trägt <strong>und</strong> gegenüber dem<br />

zukünftigen Erwerber des Objektes zu einer<br />

„bedenkenfreien“ Übergabe verpflichtet<br />

ist, ist zweifelhaft, im Ergebnis aber<br />

wohl zu vermeiden. Dabei stellt sich allerdings<br />

die Frage, ob dem Objekt bei einer –<br />

wenn auch unbegründeten bzw. nicht gerechtfertigten<br />

– Bedenkenanzeige des Unternehmers<br />

ein Makel anhaftet. ✑

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