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Neue Armut und ökologische Verhaltensmöglichkeiten. - WZB

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unter Berücksichtigung der o. g. Kriterien. Es soll dargestellt werden, welche begünstigenden<br />

<strong>und</strong> welche hindernden Faktoren es unter <strong>Armut</strong>sbedingungen für die Annäherung<br />

an das Leitbild gibt. Inwieweit sich die Individuen unter gegebenen oder<br />

veränderten Rahmenbedingungen tatsächlich ökologisch verhalten (würden), hängt<br />

von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab (z. B. Bildung, sozialer Status, Einstellung,<br />

Lebensstil etc.) <strong>und</strong> kann hier weder untersucht noch bewertet werden.<br />

2.2 <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>ökologische</strong> <strong>Verhaltensmöglichkeiten</strong><br />

2.2.1 Ernährung<br />

Wie sich jemand bevorzugt ernährt – lieber fett- oder kalorienarm, vegetarisch oder<br />

mit Fleisch, biologisch oder mit Fertiggerichten – <strong>und</strong> ob dabei <strong>ökologische</strong> Fragen<br />

eine Rolle spielen, ist zunächst unabhängig von <strong>Armut</strong> eine Frage der Vorlieben, der<br />

Sozialisation, der Gewohnheiten <strong>und</strong> Einsichten, der Kultur <strong>und</strong> des Lebensstils etc.<br />

(vgl. hierzu Barlösius 1995, S. 306). Genauso heterogen wie die Gruppe der Armen<br />

sind auch ihre Ernährungsvorlieben. Ob sich allerdings der bevorzugte Ernährungsstil<br />

realisieren oder Zugang zu bestimmten Ernährungsstilen (zum Beispiel einem<br />

<strong>ökologische</strong>n) finden lassen, wird sehr wohl durch <strong>Armut</strong>sfaktoren wesentlich bestimmt.<br />

Wenn es in der Beratung um die Berechnung des Sozialhilfebedarfs geht <strong>und</strong> ich die<br />

Ratsuchenden nach Umständen frage, die einen Mehrbedarf begründen könnten, z. B.<br />

wegen kostenaufwendiger Ernährung (vorgesehen bei bestimmten Krankheiten wie<br />

Diabetes, Magen- <strong>und</strong> Darmerkrankungen), erhalte ich gelegentlich die zögerliche<br />

Antwort, man sei zwar nicht krank, ernähre sich aber biologisch. Daran knüpft sich<br />

die Frage, ob es denn dafür einen Mehrbedarf gebe – den es selbstverständlich nicht<br />

gibt. Diese Reaktion zeigt: Es wird selbstverständlich (<strong>und</strong> zutreffend) angenommen<br />

<strong>und</strong> auch hingenommen, daß im „normalen“ Budget für Arme (z. B. Regelsatz) biologische<br />

Ernährung nicht vorgesehen, sondern Luxus ist. Dies entspricht der üblichen<br />

Haltung in der Gesellschaft. Von Armen wird erwartet, daß sie völlig anders essen als<br />

der Rest der Gesellschaft <strong>und</strong> „sie ihr Geld nicht durch den Konsum von Luxusernährung<br />

oder durch unüberlegte <strong>und</strong> unmittelbare Bedürfnisbefriedigung verschwenden.<br />

Als Luxus gilt dabei oft schon, was für die sozioökonomische Mittelschicht Alltagskost<br />

ist. Individuelle Geschmackspräferenzen oder der Konsum statushoher Lebensmittel<br />

werden plötzlich als geradezu unmoralisch <strong>und</strong> als Verschwendung bewertet“<br />

(Feichtinger 1995, S. 301).<br />

Zudem ist offensichtlich nach Erfahrung dieser Personen biologische Ernährung teurer<br />

als nicht-biologische, so daß sie vom Regelsatz nicht zu bestreiten ist. Es entspricht<br />

dem Ergebnis diverser Untersuchungen <strong>und</strong> auch meiner Beratungserfahrung,<br />

daß ein Budget in Höhe der Sozialhilfe nicht für eine ges<strong>und</strong>e, geschweige denn biologische<br />

Ernährung ausreicht; es genügt kaum für eine ausreichende Ernährung.<br />

Der überwiegende Teil der SozialhilfebezieherInnen gibt an, das Geld reiche nicht bis<br />

zum Ende des Monats, sondern im Schnitt für 19,5 Tage (vgl. Roth 1992, S. 7). Be-<br />

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