Neue Armut und ökologische Verhaltensmöglichkeiten. - WZB
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terielle Wohlstandssteigerung als existenzielle Basis <strong>und</strong> notwendige Voraussetzung<br />
für immaterielle Wertorientierungen.<br />
Neben materieller Absicherung <strong>und</strong> Teilhabe ist ein weiteres wesentliches Moment<br />
für Lebensqualität die Möglichkeit, selbstbestimmt agieren, d. h. über Entscheidungs<strong>und</strong><br />
Handlungsspielräume verfügen zu können, die eine Prioritätensetzung <strong>und</strong> die<br />
Gestaltung des eigenen Lebens möglich machen. Während einerseits diese aktive Lebensgestaltung<br />
unter der Überschrift der Selbsthilfe von den Betroffenen eingefordert<br />
wird, wird sie andererseits durch eine restriktive, kontrollierende Sozialleistungsgewährung<br />
massiv behindert.<br />
Als Reaktion auf die gesellschaftlichen Veränderungen haben sich verschiedene individuelle<br />
<strong>und</strong> kollektive Ansätze entwickelt, um auch unter den Bedingungen von<br />
Erwerbslosigkeit <strong>und</strong> <strong>Armut</strong> Lebensqualität zu realisieren. Was vorrangig Notlösung<br />
ist, birgt andererseits auch Potentiale für eine nachhaltige Entwicklung. Arbeitslosigkeit<br />
<strong>und</strong> <strong>Armut</strong> erleben die meisten Betroffenen zunächst einmal als Krise – als ein<br />
Scheitern an den konventionellen Lebens- <strong>und</strong> Orientierungsmustern. In dieser Krise<br />
sind die Betroffenen gezwungen, sich mit den Wertvorstellungen dieser Gesellschaft<br />
(<strong>und</strong> den eigenen) auseinander zu setzen: Der Sinn von (Erwerbs-)Arbeit muß neu<br />
definiert, neue Handlungs- <strong>und</strong> Tätigkeitsfelder gef<strong>und</strong>en, Alltag neu strukturiert,<br />
Beziehungen neu bestimmt, die materielle Existenz gesichert <strong>und</strong> nicht zuletzt die<br />
Bedeutung von Konsum neu bewertet werden.<br />
Die Gewerkschaften als große Arbeitnehmerorganisationen mit Schwerpunkt auf<br />
betrieblicher Arbeit waren für die Betroffenen, die aus dem Erwerbsleben ganz oder<br />
teilweise herausgefallen oder nie integriert waren, keine adäquate Interessenvertretung.<br />
Es entstanden neue eigene Organisationsformen wie z. B. Erwerbslosen- <strong>und</strong><br />
Sozialhilfeinitiativen, die in diesem Veränderungsprozeß eine wichtige Rolle spielen.<br />
Hier entstehen Räume für die Entwicklung von alternativen gesellschaftlich (noch)<br />
nicht vorgesehenen Lebenskonzepten. Dies geschieht auf drei Ebenen:<br />
– Auf der gesellschaftlichen Ebene wird für materielle <strong>und</strong> soziale Absicherung <strong>und</strong><br />
Teilhabe <strong>und</strong> bessere Lebensbedingungen gestritten, das lohnarbeitszentrierte Lebensmodell<br />
mit der Erwerbsarbeit als einzig sinnstiftend wird in Frage gestellt,<br />
<strong>und</strong> neue Modelle von Absicherung, Arbeit <strong>und</strong> Leben werden entworfen.<br />
– Auf der individuellen Ebene werden die Betroffenen durch unterstützende Beratung<br />
<strong>und</strong> das Aufbrechen von Isolation motiviert, Perspektiven zu entwickeln<br />
<strong>und</strong> im Austausch mit anderen neue Wege zu gehen, z. B. den Alltag neu zu<br />
strukturieren, soziale Kontakte <strong>und</strong> Netze aufzubauen, eigene erwerbsunabhängige<br />
Fähigkeiten zu entdecken <strong>und</strong> einzubringen, sich Umwelt anzueignen <strong>und</strong><br />
mitzugestalten etc.<br />
– Auf der praktischen Ebene entstehen Handlungs- <strong>und</strong> Tätigkeitsfelder, die direkt<br />
die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Diese entwickeln sich entweder im<br />
Rahmen der Initiativen als Form der Selbsthilfe, indem Sachen oder Leistungen<br />
getauscht <strong>und</strong> ausgeliehen, gemeinsame kulturelle Aktivitäten organisiert werden<br />
<strong>und</strong> praktische Solidarität geübt wird. Oder sie entstehen neben oder aus der Ar-<br />
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