Der geistliche Führer, Heft 2 (PDF) - Herz-Verlag
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Das andere nützlichere und verdienstlichere Martyrium der Seelen,<br />
die in Vollkommenheit und tiefer Beschauung schon fortgeschritten<br />
sind, ist ein Feuer göttlicher Liebe, welches die Seele verbrennt<br />
und sie durch dieses Liebesgefühl in einen Schmerzenszustand versetzt.<br />
- Bald stimmt die Abwesenheit ihres Geliebten die Seele traurig;<br />
bald wird ihr die süße, brennende und willkommene Bürde der<br />
liebenswerten, göttlichen Gegenwart zur Qual. Dieses süße Martyrium<br />
läßt sie immerdar seufzen; manchmal, wenn sie sich ihres Geliebten<br />
erfreut und Ihn hat, weil das Gefühl dieses Besitzes so lieblich<br />
ist, daß sie es nicht zu fassen vermag. Das anderemal, wenn Er sich<br />
nicht offenbart, seufzt sie wegen des heißen Dranges, womit sie sich<br />
bestrebt, Ihn zu suchen, zu finden und zu genießen. All dies ist nichts<br />
anderes als seufzen, dulden und sterben aus Liebe.daß du nur dazu<br />
gelangen könntest, die so entgegengesetzten Zustande zu begreifen,<br />
welchen eine liebende Seele ausgesetzt ist. Es ist ein Kampf, der auf<br />
der einen Seite furchtbar und wild und auf der andern Seite süß,<br />
schmelzend und lieblich ist: Es ist ein Martyrium, so durchbohrend<br />
und scharf, womit die Liebe sie quält, als auch ein peinvolles und süßes<br />
Kreuz zugleich, daß sich die Seele während ihres ganzen Lebens<br />
nicht davon freimachen möchte:<br />
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In dem Grad, als Licht und Liebe sich vergrößern, wächst auch<br />
der Kummer über die Abwesenheit jenes Guts, welches sie so innig<br />
liebt. Sich Ihm nahe zu fühlen, bereitet ihr Freud, aber das niemals<br />
Fertigwerden mit dem Erkennen und der nie ganz vollkommene Besitz,<br />
verzehrt ihr Dasein. Sie verlangt nach Speise und Trank und hat<br />
solche dicht vor ihrem Mund, und kann sich doch nicht davon sättigen.<br />
Sie sieht sich verschlungen und versenkt in einem Meer von<br />
Liebe, während die mächtige Hand, welche sie erretten könnte, ihr<br />
nahe ist und es doch nicht tut. Sie weiß auch nicht, wann Er kommen<br />
wird, nach dem sie so sehnlich verlangt.<br />
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Zuweilen vernimmt sie die innere Stimme ihres Geliebten, welche<br />
sie lockt und ruft. Es ist ein sanftes, zartes Flüstern, das aus dein<br />
Geheimsten der Seele, wo Seine Wohnung ist, hervordringt und sie<br />
mächtig ergreift. Sie wird wie zerschmolzen und aufgelöst, indem sie<br />
sieht, wie nahe sie Ihn in sich selbst hat, und Er ihr doch so fern ist,<br />
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