Der geistliche Führer, Heft 2 (PDF) - Herz-Verlag
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Eine solche Seele erwählt stets den niedrigsten, den schlechtesten<br />
und verachtetsten Rang, sowohl hinsichtlich des Platzes, wie<br />
auch der Kleidung und aller anderen Dinge. Und das tut sie nicht auf<br />
eine besondere Weise, weil sie der Meinung ist, daß auch die tiefste<br />
Niedrigkeit noch immer zu hoch für sie ist, und sie sich derselben für<br />
unwert achtet. Eine solche Ausführung bringt die Seele zur wahren<br />
Vernichtigung ihrer selbst.<br />
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Die Seele, welche zur Vollkommenheit strebt, beginnt ihre Leidenschaften<br />
zu ertöten. Schreitet sie darin fort, verleugnet sie sich<br />
selbst. Alsdann geht sie, mit göttlichem Beistand, zu dem Studium<br />
ihrer Nichtigkeit über, worin sie sich verachtet, vor sich zurückschaudert<br />
und sich niederwirft in der Erkenntnis, daß sie nichts sei, nichts<br />
zu tun vermöge und nichts wert sei. Daraus folgt, daß sie in sich<br />
selbst erstirbt, in ihrem Empfinden, auf viele Arten und zu allen<br />
Stunden. Aus diesem geistigen Tode endlich leitet die wirkliche und<br />
vollkommene Vernichtigung ihren Ursprung ab, insofern als von der,<br />
ihrem Wollen und Verstehen einmal abgestorbenen Seele mit Fug<br />
und Recht gesagt werden kann, daß sie zu dem vollkommenen und<br />
glücklichen Zustand der Vernichtigung gelangt sei. Dieser Zustand<br />
ist die letzte Bedingung für die Umwandlung und Vereinigung, welche<br />
die Seele selbst nicht versteht, weil sie nicht vernichtet sein würde,<br />
wenn sie dahin gelangte, sie zu begreifen. Und obgleich sie diesen<br />
glückseligen Zustand der Vernichtigung erlangt hat, soll sie doch<br />
daran erinnert werden, daß sie immer noch weiter fortzuschreiten hat<br />
und sie mehr und mehr gereinigt und vernichtet werden muß.<br />
8<br />
Wisse, daß diese Vernichtigung, um sie in der Seele vollkommen<br />
zu machen, sich in des Menschen eigenem Urteil vollziehen muß, in<br />
seinem Wollen und Wirken, seinen Neigungen, Wünschen, Gedanken<br />
und in ihm selbst. Die Seele muß ihrem Wollen, Begehren, Bestreben,<br />
Verstehen und Denken erstorben sein. Sie muß wollen, wie<br />
wenn sie nicht wollte, begehren, wie wenn sie nicht begehrte, verstehen,<br />
wie wenn sie nicht verstände, denken, als ob sie nicht dächte,<br />
ohne sich zu irgendetwas hingezogen zu fühlen. In gleicher Weise<br />
muß sie willkommen heißen Verachtung und Ehre, Auszeichnungen<br />
und Zurechtweisungen.<br />
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