Download (6,5 MB) - Aids-Hilfe - Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
Download (6,5 MB) - Aids-Hilfe - Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
Download (6,5 MB) - Aids-Hilfe - Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
engagieren 20+pos – Sich auf ein komplettes Leben mit HIV einstellen 33<br />
Michael Ich bin froh, denn so kann ich<br />
es von vorneherein in meine Lebensziele<br />
einbauen, und zwar in einer<br />
identitätsstiftenden Zeit. Andererseits<br />
gibt es natürlich den Beigeschmack des<br />
Körperlichen, dass ich viele Jahre mehr<br />
mit der Infektion und den Nebenwirkungen<br />
der Medikamente leben muss. Für<br />
meine Persönlichkeitsentwicklung war<br />
es gut, diesen Fokus zu haben. Ob ich<br />
deshalb intensiver lebe, weiß ich nicht,<br />
ich habe keinen Vergleich. Ich genieße<br />
es, so wie es ist und halte mir nicht<br />
immer vor Augen, wie viele Jahre ich<br />
noch habe. Ich habe ja auch ein ganz<br />
anderes Umfeld als jemand, der in jungen<br />
Jahren schon seinen ganzen Freundeskreis<br />
unter die Erde gebaggert hat. Davon<br />
bin ich Gott sei Dank verschont geblieben.<br />
Sebastian Die Infektion hat mich eher<br />
gestärkt und ich finde es gut, diesen<br />
Aspekt immer in Pläne einbeziehen zu<br />
können. Das haut mit fünfzig schon<br />
anders rein.<br />
Michael Mein HIV ist so wenig greifbar,<br />
trotz der Medikamente und aller Blutwerte-Checks.<br />
Mein Bild von mir als<br />
Positiver wird viel durch die Umgebung<br />
geprägt, durch Begrenzungen von außen,<br />
zum Beispiel durch Ältere. Man wird in<br />
der Szene und auch auf der Beziehungsebene<br />
als krank eingestuft. Auch wenn<br />
ich selbst kein Krankheitsgefühl habe,<br />
trotz der letalen Diagnose, die dahintersteckt.<br />
Peter Ich fühle mich auch nicht krank.<br />
Auch nicht wegen der Nebenwirkungen.<br />
Sebastian Manchmal fehlt einem deshalb<br />
der Grund, die Pillen zu nehmen.<br />
Michael Gut, wir sind schon die Bedrohung.<br />
Wir sind die, die möglicherweise<br />
andere infizieren. Es fliegt nun mal nicht<br />
durch die Luft. Das Bild, das uns aufgedrängt<br />
wird, stimmt schon, denn wir sind<br />
potenzielle Verursacher. Insofern taucht<br />
die Schuldfrage auch für uns heute<br />
immer wieder neu auf.<br />
Aber meine Verantwortung geht nur bis<br />
zum Ende meines Körpers und hört dort<br />
auf, denke ich. Allerdings kann es auch<br />
Situationen geben, in denen ich auch<br />
Verantwortung für den anderen übernehmen<br />
muss. Ich will aber nicht, dass<br />
Positiven die alleinige Verantwortung<br />
zugeschoben wird.<br />
Man muss immer wieder neu schauen,<br />
was Negative denn an Verantwortung<br />
einbringen: Einige wollen infiziert werden,<br />
und der nächste will, dass ich die<br />
gesamte Verantwortung übernehme,<br />
oder er will am besten nur noch keimfreie<br />
Sexpartner. Die Diskussionen zur<br />
Schuldfrage sind nie fertig. „Es gehören<br />
ja immer zwei dazu“ ist ein Satz, der gilt!<br />
Hier ist die Diskussion schon früh zu<br />
einem ehrlichen Punkt gekommen.<br />
Was möchtet Ihr mit 20+pos<br />
erreichen?<br />
Sebastian Wir sind diejenigen, die zeigen<br />
können, dass HIV und <strong>Aids</strong> immer<br />
noch aktuell sind. Und dass man sich<br />
auch als junger Mensch infizieren kann.<br />
Es ist bestimmt ein wichtiger Beitrag,<br />
wenn wir so wahrgenommen werden.<br />
Michael Unsere Arbeit soll das Bild von<br />
<strong>Aids</strong> ergänzen, dafür stelle ich mein Gesicht<br />
zur Verfügung. Ich möchte dieses<br />
bedrohende Krankheitsbild relativieren<br />
und zeigen, dass das Spektrum der Betroffenen<br />
ganz weit gefächert ist und<br />
HIV nicht nur ältere Schwule betrifft.<br />
Das soll nicht den Blick vom Sterben<br />
ablenken, aber den Blick auch auf uns<br />
Junge richten.<br />
Peter Es wäre gut, wenn wir jungen<br />
Positiven mehr als Subgruppe wahrgenommen<br />
werden würden und uns besser<br />
einbringen könnten. Dabei geht es um<br />
ähnliche Lebenssituationen, also beispielsweise<br />
um Bafög statt um Rentenansprüche.<br />
Sebastian Oder darum, wie es mit<br />
Arbeitslosenansprüchen nach dem<br />
Zivildienst aussieht.<br />
Peter Wir brauchen ganz spezielle Informationen<br />
und vielleicht auch Unterstützung,<br />
sicherlich im Sozialrecht.<br />
Michael Auch Persönliches mit einem<br />
Gleichaltrigen zu besprechen, bringt mich<br />
weiter. Das ist konkreter und entspricht<br />
meinem Sicherheitsbedürfnis mehr. Das<br />
stärkt das Wir-Gefühl, man ist nicht<br />
alleine in seiner Situation.<br />
20+pos versteht sich als undogmatisches<br />
Netzwerk junger HIV-positiver<br />
Menschen, dem Gruppen verschiedener<br />
Strukturen angehören. Ausgangspunkt<br />
der Gruppen ist, dass junge Positive<br />
ihre Situation oft anders erleben, als<br />
Positive, die über 30 und älter sind.<br />
Zurzeit gibt es 20+pos-Gruppen in<br />
Essen, Köln, Berlin und München.<br />
www.twentypluspos.de