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46 Paul Schulz – Tunten, Tränen, tobende Engel Blickpunkt Aids Tage auf Erden mit viel (unsafem) Sex, spaßigen Dialogen und Widerstand gegen die Staatsgewalt verbringen. Das Grundmotiv ist die Wut über die grosse Ignoranz der Gesellschaft gegenüber HIV, die sich „Pulp-Fiction“-artig Bahn bricht. Nichts an „The Living End“ ist politisch korrekt, weswegen ihn viele Kritiker gehasst haben (den Autoren inbegriffen). Einige halten Arakis Geniestreich allerdings für den wichtigsten schwulen Film der 90er-Jahre. Wo und wann zu sehen? Der Film fand keinen Verleiher und kam nie in deutsche Kinos, ist aber in den meisten großen Videotheken, öffentlichen Uni- Bibliotheken oder auch im Internet als Originalfassung erhältlich. Wilde Nächte (Les Nuits Fauves) Frankreich 1992. Regie und Buch: Cyril Collard. Mit Cyrill Collard, Romane Bohringer, Carlos López u.a. Dieser weitgehend autobiografische Film erhitzte 1992 die Gemüter. Ein 30-jähriger positiver bisexueller Filmemacher (Collard) verliebt sich in eine Frau (Bohringer), ohne von seinem männlichen Geliebten (López) lassen zu können und schläft abwechselnd mit beiden. Wie immer, wenn es in französischen Filmen um Sex oder Liebe geht, erscheinen die Figuren in der deutschen Synchronfassung leicht hysterisch und überspannt, was man „Wilde Nächte“ aber auch insgesamt vorwerfen könnte. Trotzdem war er der erste Film, der den Wunsch von Negativen, sich auch zu infizieren, um ihrem Partner näher zu sein, offen thematisierte und somit ein lange bestehendes Tabu niederriss. Wo und wann zu sehen? Dann und wann spät nachts in den dritten Programmen. Die französische Originalfassung ist bei amazon.fr auf VHS erhältlich. …und das Leben geht weiter (And the Band played On) USA 1993. Regie: Roger Spottiswoode. Mit Matthew Modine, Steve Martin, Richard Gere, Angelica Houston, Lily Tomlin, Phil Collins u.a. Die starbesetzte Geschichtsstunde unter den Aidsfilmen. Basierend auf dem schon 1987 erschienen gleichnamigen Buch von Randy Shilts, erzählt der eigentlich für das Fernsehen konzipierte zweieinhalbstündige Film die Geschichte der ersten Jahre von Aids aus der Perspektive des jungen Virologen Don Francis (Matthew Modine), vom ersten Ausbruch der Krankheit, über Patient Zero (der erste Aidspatient wurde „Patient Zero“ bezeichnet; Zero = Null) bis zur gleichzeitigen Entdeckung des HI-Virus durch französische und amerikanische Forscherteams. Außerdem erfährt man viel über das Gesundheitssystem der USA und die verheerende Gesundheitspolitik der amerikanischen Regierung. Neben einer klaren politischen Schuldzuweisung zeigt der Film auch erstmalig Heterosexuelle als Betroffene und Erkrankte. Der Film sollte in die schulischen Lehrpläne aufgenommen werden, weil er viele schwierige Fragen genau, aber mit leichter Hand beantwortet und dabei noch einer der besseren Wissenschaftskrimis der letzten 20 Jahre ist. Wo und wann zu sehen? Zum Welt-Aids-Tag im Fernsehen. Im Verleih und Verkauf in jeder größeren Videothek. Zero Patience Kanada 1993. Regie: John Greyson. Mit John Robinson, Normand Fauteux u.a. Ein Politfilm zum Mitsingen, „Moulin Rouge“ in HIV-positiv. John Greyson, der vielleicht beste schwule Filmemacher der 90er-Jahre, hat in seinem Aids-Musical jedes Klischee über HIV aufs Korn genommen und fröhlich niedergestreckt. Forscher verlieben sich in erotische Geister, Kondome dienen als Schwimmringe beim Wasserballett, Penisse singen ein Loblied auf den schwulen Sex und Viren tanzen. Dass der Film musikalisch hochklassisch und abwechslungsreich ist und trotzdem nie seinen anspruchsvollen roten Faden verliert, macht ihn nicht nur zu einem akustischen Hochgenuss, sondern auch zu einem kleinen feinen Lehrstück über den großen Mythos rund um Patient Null (Patient Zero). Der Titel (Null Geduld) referiert spielerisch an Patient Zero, indem aus Patient „Patience“ (Geduld) wird. Als wäre Foucault Gast in der Muppet-Show. Ganz große Kunst. Wo und wann zu sehen? Video und Soundtrack sind bei den größeren Medienhändlern im Internet erhältlich. Blue GB 1993. Regie und Buch: Derek Jarman. Mit Derek Jarman Derek Jarman („Wittgenstein“, „Edward II“) starb 1994 an Aids und vollendete „Blue“, als er schon erblindet war. Er war nie jemand, der vor künstlerischen Herausforderungen zurückschreckte. In „Blue“ jedoch nur seine Stimme und eine durchgängig nur blaue Kinoleinwand als die einzigen Akteure einzusetzen, dürfte als eines der interessantesten Experimente in die Filmgeschichte eingehen. Auf ihr Gehör zurückgeworfen, müssen sich die Zuschauer ganz auf das konzentrieren, was Jarman über sich und die Krankheit zu sagen hat. Das Ergebnis ist von seltener Eindringlichkeit und Intimität. Eine Meditation über das Leben und den Tod und den Raum dazwischen. Wo und wann zu sehen? „Blue“ ist in Videotheken, Bibliotheken und im Fachhandel als VHS, Buch oder CD erhältlich.
engagieren Paul Schulz – Tunten, Tränen, tobende Engel 47 Aiden Quinn und Gena Rowlands in „Früher Frost“ eines Films über eine letztendlich doch tödliche Krankheit. Auch beim dritten oder vierten Mal Anschauen sollte man sich nicht der eigenen Tränen schämen, wenn am Ende ein Schuh auf dem Wasser zum großen Toleranzsymbol wird. Wo und wann zu sehen? Der Film ist zu kaufen, zu leihen und sogar ab und an im Fernsehen zu sehen. Philadelphia USA 1993. Regie: Jonathan Demme. Mit Tom Hanks, Denzel Washington, Antonio Banderas u.a. Der große Hit, finanziell gesehen. Obwohl er mehrfach mit Preisen überhäuft wurde, ist „Philadelphia“ kein guter Film im herkömmlichen Sinne. Von der Besetzung über die Regie und insbesondere beim Drehbuch ging Hollywood hier auf Nummer sicher. Oscargewinner Tom Hanks spielt den Anwalt Beckett, der aus seiner Kanzlei gefeuert wird, weil er angeblich die Akten zu einem wichtigen Fall fast verloren hat. Die wahren Gründe sind seine Homosexualität und seine HIV- Infektion. „Philadelphia“ wird zum großen Gerichtsdrama, in dem Beckett zwar seine Liaisons im Gerichtssaal präsentieren, aber die Liebe seines Lebens (Antonio Banderas) nie küssen darf. Ein merkwürdiges, aber typisches Statement für einen Film, der fast zwanghaft für Toleranz eintritt, dabei aber nie seine heterosexuelle Zielgruppe aus den Augen verliert. Es gibt viele bessere Filme über Aids, aber dieser hat das Thema erstmals im Kino-Mainstream präsentiert. Wo und wann zu sehen? „Philadelphia“ kann in so gut wie jeder Videothek ausgeliehen und in Doppel- Deluxe-Edition auf DVD erworben werden. Mississippi Fluß der Hoffnung (The Cure) USA 1994. Regie: Peter Horton. Mit Brad Renfro, Joseph Mazello, Annabella Sciora u.a. Kein Kinderfilm, sondern ein Film über Kinder. Erik und Dexter sind elf Jahre alt und beste Freunde. Dexter hat Aids. Als die beiden Jungs aus der Zeitung von einem obskuren Wunderheiler erfahren, begeben sie sich entlang dem Mississippi auf die Reise zu ihm. Das Huckleberry-Finn- und Tom-Sawyer- Motiv wird hier eingesetzt, um viel Schweres leicht zugänglich zu machen. Der Film und die beiden jungen Darsteller bieten bestes amerikanisches Buddy- Movie, gekreuzt mit dem großen Drama Kaffee, Milch und Zucker (Boys On the Side) USA 1995. Regie: Herbert Ross. Mit Whoopi Goldberg, Mary Louise Parker, Drew Barrymore u.a. Drei sehr unterschiedliche Frauen, unter ihnen Whoopi Goldberg als lesbische Rockerin, werden während einer wilden Reise durch die USA beste Freundinnen und eine Art Familie. Als eine von ihnen schwer erkrankt, wird die Gemeinschaft auf eine schwere Probe gestellt. Mary-Louise Parker („Longtime Companion“) spielt die an Aids sterbende Maklerin Robin mit viel Emphase, aber dem richtigen Schuss Spießertum, um die Figur eben nicht zum kranken Freak zu machen, von dem sich das Publikum distanzieren könnte. Vielleicht war das feministische Rührstück, gerade weil es den Einzug von Aids in den amerikanischen Alltag thematisierte, ein großer Publikumserfolg. Sensible Frauenpower vom Feinsten, aber nicht ohne Taschentücher anzuschauen. Wo und wann zu sehen? Im Moment ist der Film in Deutschland nicht zu kaufen, aber in Videotheken und Bibliotheken auszuleihen. Wir zusammen allein mit Dir (TV-Film) Deutschland 1995. Mit Thomas Kretschmann, Dirk Martens u.a. Der Berliner Kindergärtner Wolf ist frisch verknallt in André, den klassischen schwulen Frisör. Was eine große Hauptstadtromanze werden könnte, wird gestört, als der kleine Julien nicht vom Kindergarten
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