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Zwei Sterne für Cutter

Buch © Andrea Rongen Autorenseite: http://andrearongen.wix.com/andrea-rongen

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Teil 6<br />

<strong>Zwei</strong> <strong>Sterne</strong> <strong>für</strong> <strong>Cutter</strong><br />

>Das mystische Amulett<<br />

Guten Morgen Marshall! Haben sie heute schon die Zeitung<br />

gelesen?“ Major Flint betrat das Office. Wie immer trug er einen<br />

grauen Anzug. Der Hemdkragen wurde durch ein schwarzes Band<br />

gehalten und der hohe Bostonhut gehörte bei ihm zum täglichen<br />

Anblick. Seine freudige Begrüßung war nur Heuchelei. Er konnte<br />

Marshall Nick Ryder nicht leiden und dies beruhte auf<br />

Gegenseitigkeit. Seit Ryder das Amt des Gesetzeshüters<br />

angenommen hatte gab es ständig streit zwischen den Beiden.<br />

Major Flint wollte diesen Job seinem Neffen verschaffen. Mit ihm<br />

zusammen hätte er die noch mehr Macht über die Stadt. Aber die<br />

Bürger <strong>Cutter</strong>s wählten Nick Ryder zu ihrem Beschützer. Sie<br />

haben schnell verstanden wer von den Beiden Wahlkandidaten<br />

wirklich <strong>für</strong> Ordnung sorgen konnte. Flints Neffe war nur ein<br />

kleiner unterwürfiger junger Mann, der keinen Schritt ohne die<br />

Erlaubnis seines Onkels machte. Das einzige was ihm zugute<br />

kam, war der geschickte Umgang mit dem Revolver. Schnell und<br />

treffsicher. Aber ihm fehlte der nötige Ernst. Im Notfall würde er<br />

den Rückzieher machen und kein Gegner würde vor ihm Respekt<br />

zeigen. Anders war es bei Marshall Ryder. Auch er war schnell<br />

mit der Waffe und wen er sie vor die Brust hielt, der bekam es mit<br />

der Angst zu tun. In solchen Situationen stand immer deutlich in<br />

seine Augen zu Lesen, dass er es ernst meinte.<br />

Schon oft haben Outlaws aufgegeben nur weil er sie verbissen<br />

ansah.<br />

Nick legte sein Schriftstück beiseite und hob den Kopf. Er war<br />

überhaupt nicht erfreut über diesen Besuch, denn er hatte keine<br />

Lust sich mit dem Major zu unterhalten. Es war eine lange Nacht<br />

1


mit vielen einsetzen. In der nächsten Stunde musste Jett kommen<br />

und ihn ablösen. Er wollte den heutigen Tag bei seiner Frau<br />

Carol-Ann verbringen und mit ihr zum Picknick fahren. Das war<br />

sein Geburtstagsgeschenk. Allein am See ein paar romantische<br />

Stunden verbringen.<br />

„ Wie soll ich sie gelesen haben, wenn sie die Postkutsche vor der<br />

Stadt abfangen um die Zeitung als Erster in Empfang nehmen.“<br />

Nick sagte es mit belanglosem klang in der Stimme. Es<br />

interessierte ihm nicht, was Major Flint zu Berichten hatte.<br />

„ Die Collin Bande hat Dessert Grove eingenommen. Sie sind wie<br />

die Wilden mit über zwanzig Mann in die Stadt gekommen und<br />

haben dort zehn Tage lang gehaust. Der Sheriff von dort ist<br />

verschwunden. Wahrscheinlich haben sie ihn vertrieben.“<br />

„ Und was geht uns das an? Dessert Grove ist einige Meilen<br />

entfernt von hier. Wenn sie meine Hilfe brauchen, werden sie sich<br />

schon melden.“ „ Aber Marshall, was werden sie tun, wenn die<br />

Bande hier kommt? Immerhin bewegen sie sich in südlicher<br />

Richtung. Denn in Hunter Valley waren sie ebenfalls.“ „ Ich<br />

werde Augen und Ohren offen halten. Darf ich nun die Zeitung<br />

haben?“ Kopfschütteln verließ Major Flint das Office. Am<br />

liebsten hätte er dem Marshall eine geohrfeigt, aber dazu war er<br />

zu feige. Nur in seinen Träumen besiegt er auch im Kampf den<br />

großen Sternträger und behält immer die Oberhand in allen<br />

Diskussionen.<br />

Nick nahm eine Tasse Kaffee zur Hand und las die Berichte der<br />

Tucson News.<br />

Die kleine Redaktion in <strong>Cutter</strong> schrieb ausführliche Berichte über<br />

das Geschehen in der Stadt. Die Zeitung aus Tucson war größer.<br />

Dort fand man Anzeigen die bis weit an die Grenzen Arizonas<br />

reichten. Das Blatt erreichte zwar immer drei Tage später die<br />

abgelegene Stadt <strong>Cutter</strong>, aber sie war wichtig <strong>für</strong> den Marshall,<br />

denn nur so konnte er sich stets auf dem Laufenden halten.<br />

2


Von der Collin Bande hatte Nick schon gehört. Es waren vier<br />

Brüder. Brutal und erbarmungslos. Sie kamen wie die Pest in eine<br />

Stadt und saugten dort alles auf, was sie brauchen konnten.<br />

Frauen wurden vergewaltigt, Männer gehängt und Kinder<br />

mussten ihnen zu Diensten sein. Wenn nichts mehr zu holen war,<br />

verließen sie das hinterlassene Chaos und zogen zur nächsten<br />

Stadt. Nick las den Bericht mehrmals durch und suchte nach<br />

versteckten Hinweisen.<br />

Schließlich setzte er sich hin und schrieb zwei Briefe. Er vergaß<br />

sogar seinen Kaffee, der längst kalt war, als Sheriff Jett<br />

Armstrong herein kam. Hastig verstaute er das Geschriebene in<br />

seine Westentasche.<br />

„ Guten Morgen. Es tut mir außerordentlich leid, aber ich war der<br />

Erste, der deiner Frau zum Geburtstag gratulieren durfte.“ Jett<br />

konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen.<br />

„ Vielen Dank , dass du mir das auch noch unter die Nase reibst.<br />

Da<strong>für</strong> habe ich den Rest des Tages Frei und werde mit Carroll ein<br />

paar schöne stunden am See verbringen. Während du dich hier<br />

mit den ganzen belanglosen Dingen herum schlagen darfst.“<br />

„ War wohl eine lange Nacht. Du siehst Müde aus.“ „ Ja. Und der<br />

erste Besucher war gleich Major Flint.“ „ Oh je. Was wollte er<br />

denn?“ „ Hier ließ dir das einmal durch.“ Nick hielt ihm die<br />

Zeitung hin und wies auf den Artikel über die Collin Bande.<br />

Während Jett leise murmelnd den Text las trank Nick seinen<br />

Becher kalten Kaffee aus. „ Das dumme ist, dass Major Flint<br />

diesmal sogar Recht hatte mit seinen Be<strong>für</strong>chtungen. Wir müssen<br />

mit einem Angriff auf <strong>Cutter</strong> rechnen. Sie wollen nach Mexiko<br />

und wir liegen mitten auf ihrem Weg.“<br />

Jett legte die Zeitung beiseite. „ Wie kommst darauf?“ „ Hier wird<br />

es langsam zu Gefährlich. Sie haben sich viele Feinde gemacht<br />

und das Militär ist auch schon alarmiert. So können die nicht ewig<br />

weiter machen.“ „ Hast du schon einen Plan?“ fragte Jett besorgt.<br />

3


„ Nein. Aber eins sag ich dir. <strong>Cutter</strong> bekommen sie nicht. Nicht<br />

ohne Kampf.“<br />

Als Nick auf die Straße trat und die Sonnenstrahlen sein Gesicht<br />

trafen, fühlte er sich wieder glücklich. Endlich war ein neuer Tag<br />

angebrochen und er konnte ihn in vollen Zügen genießen. Jett und<br />

Deputy Cooper sowie Deputy Walker mussten heute mal ohne ihn<br />

auskommen. Auf der Mainstreet waren die üblichen Geräusche zu<br />

hören. Wagenräder polterten über die Fahrbahn, bei Swenson<br />

hämmerte mit hellem Ton der Schmiedehammer und in Murphys<br />

Mietstall wieherten die Pferde vor Freude, weil sie ihr Futter<br />

bekamen.<br />

Aus Doktor Jim Leonards Praxis schrie jemand. Eine Frau stand<br />

vor dem Fenster und sagte zu ihm, „ Mein Mann bekommt einen<br />

Zahn gezogen. Die ganze Nacht hatte er <strong>für</strong>chterliche<br />

schmerzen.“ Unbewusst griff Nick an sein Kinn und rieb sich den<br />

Kiefer. Zum Glück hatte er noch nie Probleme mit seinen Zähnen<br />

gehabt. Aber er empfand tiefes mitleid mit diesem geplagten<br />

Menschen. Muss höllisch wehtun. Dachte er. Leonard hatte doch<br />

so ein tolles neues Rauschmittel von den Chinesen bekommen.<br />

Wieso gibt er dem Geplagten nicht eine Dosis davon. Ein paar<br />

lustige Visionen im Rausch von Dämonen und Geistern, sind<br />

doch sicher angenehmer, als diese Qual.<br />

Nach einem kurzen Besuch bei Reverent Linden fühlte sich Nick<br />

erleichtert. Nun konnte er das Problem mit der Collinbande erst<br />

mal nach Hinten schieben und sich ganz auf einen schönen,<br />

romantischen Tag konzentrieren.<br />

Zu Hause fand er Carroll-Ann in der Küche. Sie trug ein blaues<br />

Kleid mit feinem Blumenmuster. Ihr Haar war offen und hing bis<br />

über die Schultern. Mit dem Schürzenzipfel tupfte sie sich den<br />

Schweiß von der Stirn. Der Ofen war schon angeheizt und wartete<br />

auf den Kuchen. „ Alles Gute zum Geburtstag!“ sagte Nick<br />

4


nachdem er sich von hinten herangeschlichen hatte. Erschrocken<br />

und glücklich zugleich drehte sie sich um und fiel ihm gleich um<br />

den Hals. „ Vielen Dank Nick. Auch <strong>für</strong> die wunderschönen<br />

Blumen, die dein Deputy mir in deinem Auftrag brachte.“ Bevor<br />

ihr Ehemann noch etwas sagen konnte, küsste sie ihn<br />

leidenschaftlich. „ Du siehst wieder mal bezaubernd aus. Trotz<br />

einem Jahr…“<br />

Carroll-Ann legte ihren Zeigefinger auf Nicks Lippen.“ Schsch.<br />

Sprich es ja nicht aus. Geburtstage sind schön, noch schöner<br />

wären sie, wenn man nicht gleichzeitig auch dabei älter wird.“<br />

Auf dem Ofen standen eine Kuchenform und daneben die<br />

Schüssel mit angerührtem Teig. Nick rührte seinen Finger in den<br />

Teig und lutsche die Masse davon ab.“ Mh. Schmeckt gut. Aber<br />

wir hätten doch einen Kuchen bei Peggy-Sue bestellen können.<br />

Heute ist dein Feiertag, da solltest du nicht in der Küche stehen<br />

müssen.“ „ Wie nett. Schmecken dir Peggy-Sues Kuchen besser?“<br />

„ Nein!“ Er sagte es so laut, dass Carroll-Ann zusammen zuckte.<br />

„ Niemand auf der Welt kann so gute Kuchen backen wie du. Ich<br />

wollte doch nur…“ „ Red dich nicht um Kopf und Kragen<br />

Liebster. Ich möchte ihn backen und es ist keine Arbeit. Aber ich<br />

habe nicht genug Zucker. Du kannst mir bei Mister Finnley noch<br />

welches besorgen?“<br />

„ Wieso. Der Teig ist gut. Mir schmeckt er.“ „ Mir aber nicht. Da<br />

fehlt noch etwas Süßes dran.“ „ Wenn du etwas Süßes suchst,<br />

dann sieh in den Spiegel.“ „ Oh Nick. Du Schmeichler.<br />

Bitte, ich weiß genau was da noch fehlt. Ich sage dir auch nicht<br />

wie du deine Arbeit machen sollst. Beeil dich lieber bevor er<br />

Mittagspause macht.“<br />

„ Das ist kein Problem. Den Stern zu tragen hat auch im Privaten<br />

Leben seine Vorteile. Er würde mir sogar nachts noch was<br />

verkaufen.“ „ Nun geh schon. Der Ofen ist heiß.“ Beim<br />

5


hinausgehen drehte er sich noch einmal um und sagte “, du auch.<br />

Bin gleich wieder da.“<br />

Zwischen den vielen Wagen und Pferde auf der Mainstreet ritt<br />

auch ein Mann auf einem Rotfuchs im leichten Trab Richtung<br />

Süden. Er trug ein rot-karriertes Hemd und eine blaue Levins, die<br />

in den Stiefelschäften steckte. Große silberne Sporen blitzten in<br />

der Sonne.<br />

Der Hut sah aus wie neu. Er war nach Texanischer Mode geformt.<br />

An beiden Seiten hingen Smith and Wessen Revolver Kaliber 45<br />

mit hellbraunen Griffen. Seine Augen huschten unauffällig hin<br />

und her. Er schien alles zu Beobachten. Lässig stieg der Fremde<br />

aus dem Sattel, als er auf der Höhe der Schmiede ankam.<br />

Niemandem fiel er auf. Die Leute waren mit ihrer Arbeit<br />

beschäftigt. Der Fremde lehnte sich gegen ein Gatter und zündete<br />

in aller Ruhe eine Zigarette an. Sein Interesse galt dem Haus des<br />

Marshalls, welches er aus den Augenwinkeln beobachtete. Er<br />

konnte durch ein Fenster sehen, wie Nick seine Frau küsste. Wie<br />

sie lachten und sich unterhielten. Er sah auch, dass der Marshall<br />

das Haus verließ und zum Laden ging. Eine hämische Grimasse<br />

legte sich auf sein Gesicht. „ Bald schon gehörst du mir.“ Sagte er<br />

zu sich und spie dabei auf den Boden. Langsam schlenderte er<br />

über die Straße. Niemand sah seine die zweite Person, der er<br />

Zeichen gab und ihr etwas Befahl. Auch der dritte Fremde hielt<br />

sich im Schatten einer Gasse auf und wartete auf ein Zeichen.<br />

Kaum war er aus dem Haus, da lief sie zum Spiegel, richtete ihr<br />

Haar, zupfte das Kleid zu Recht und legte ihre Kette an.<br />

Bei Mister Finnley stand die Tür noch offen. Er bediente gerade<br />

eine ältere Dame, als Nick eintrat. Geduldig beobachtete er die<br />

Kundin, die sich endlos langsam bewegte und auch so sprach.<br />

6


Ausgerechnet diese Dame hatte einen Zettel mit acht Dingen die<br />

sie brauchte in der Hand. Nach dem dritten Part hielt es nick nicht<br />

mehr aus. „ Geben sie mir den Zettel, ich suche ihnen die Sachen<br />

zusammen.“ Er riss ihr fast das Stück Papier aus der Hand und las<br />

die Bestellung. Es fehlten noch eine Dose Erbsen, zwei Eier, ein<br />

Apfel und etwas Mehl. Nick packte alles in ihren Korb und war<br />

erleichtert, dass Mister Finnley die Ware auf ihren Namen<br />

anschrieb. Ansonsten hätte sie bestimmt noch eine halbe Stunde<br />

in ihrer Tasche das Kleingeld zusammen gesucht. Er war sogar so<br />

höflich, der Dame die Tür auf zu Halten.<br />

„ Tut mir leid Marshall, aber Misses Wong ist sehr alt. Ich wäre<br />

froh, wenn ich ihr Alter erreichen würde.“ Nick sah ihr noch<br />

einen Moment nach, wie sie sich mühsam den Stepwalk hinunter<br />

arbeitete. „ Aber nicht um diesen Preis. Ich brauche etwas<br />

Zucker.“ „ Gerne Marshall. Wie viel soll es denn sein?“ „ Weiß<br />

nicht. Carroll-Ann backt gerade einen Kuchen, was braucht man<br />

da so?“ Mister Finnley fing an zu lachen. „ Ich würde ihnen den<br />

ein Kilo Sack geben. Er ist die kleinste Menge die ich anbieten<br />

kann. Misses Ryder hat Gestern einen Sack Äpfel gekauft und ich<br />

bin leider nicht dazu gekommen ihn zu liefern. Wären sie so nett<br />

ihn mit zu nehmen?“<br />

Mit einem fünf Kilo Sack Äpfel auf den Schultern und dem<br />

Zucker unterm Arm verließ Nick den Laden.<br />

Er war noch nicht weit gekommen, da rief ihm eine Stimme aus<br />

der Gasse zwischen Doktor Leonard und dem Büro des Majors<br />

an. „ Marshall Ryder?“ Nick blieb stehen und antwortete.“ Ja.<br />

Wer will das wissen?“ Heiser und leise sagte die Stimme weiter.“<br />

Ich habe interessante Nachrichten <strong>für</strong> sie.“ Nick wurde<br />

misstrauisch. Er spürte, wie sich die Nackenhaare aufstellten.<br />

Immer wenn Gefahr drohte war dies ein Zeichen, ein innerer<br />

Mahner.<br />

7


„ Wenn du was von mir willst, dann zeig dich.“ „ Das kann ich<br />

nicht. Niemand darf mich sehen.“ „ Dann tut es mir leid. Ich habe<br />

<strong>für</strong> solche Spielchen keine Zeit.“ Er wollte schon seine Weg<br />

fortsetzen, da rief ihm die Stimme noch einmal an.“ Ich weiß wo<br />

sich die Collin Bande versteckt.“ „ Woher weißt du das?“ „ Weil<br />

ich einer von ihnen bin. Das heißt, ich war es. Bitte Marshall,<br />

wenn sie mir helfen da raus zu kommen, helfe ich ihnen diese<br />

Bande dingfest zu machen. Ist das ein Deal?“<br />

Es war ein verlockendes Angebot, aber immer noch spürte Nick<br />

dass eine Gefahr davon ausging. Er machte ein paar Schritte auf<br />

die Gasse zu, nicht ohne sich nach allen Seiten um zu schauen. Er<br />

konnte das Gesicht des Mannes jetzt erkennen, aber er sah nicht<br />

die zweite Person, die hinter ihm in der Ecke lauerte und nur auf<br />

diesen Moment gewartet hatte. Auch der Dritte war zum Sprung<br />

bereit. Er saß geduckt auf dem Überdach des Arzthauses.<br />

„ Wieso wollen sie die Seiten wechseln?“ fragte Nick doch er<br />

bekam die antwort nicht mehr mit. Zu spät bemerkte er den<br />

leichten Windhauch des Holzpfahles, der auf seinen Kopf<br />

niedersauste. Benommen torkelte Nick zur Seite. Der Sack mit<br />

den Äpfeln fiel zu Boden und ihm blieb ihm keine Zeit mehr den<br />

Zucker los zu lassen um nach seiner Waffe zu greifen. Der dritte<br />

Mann sprang in diesem Moment vom Dach und schlug ihn mit<br />

dem Revolverkolben nieder. „ Gute Arbeit.“ Sagte der Mann, der<br />

Nick mit falschen Absichten in die Gasse lockte.<br />

Er hob einen Apfel auf und biss genüsslich hinein.“ Nehmt euch<br />

auch einen. Die schmecken köstlich. Wäre doch schade drum, sie<br />

hier im Dreck liegen zu lassen.“ Die beiden anderen verstanden<br />

sofort, was er damit andeutete. Endlich lag der große Marshall<br />

Ryder vor ihnen im Dreck. Da wo alle Sternträger ihrer Meinung<br />

nach hingehörten. Aber ihn mussten sie aufheben und in den<br />

bereit gestellten Wagen legen, der soeben bis an die Gasse<br />

gefahren wurde. Gefesselt und geknebelt lag Nick auf dem<br />

8


Wagen unter Decken und Gerümpel, als sie die Stadt ungesehen<br />

verließen. Der Fahrer des Wagens war Bob Collin. Der Älteste<br />

der vier Brüder, die überall nur Unheil brachten. Die drei<br />

Anderen, die Nick so hinterhältig überfielen, waren Ray, Phil und<br />

Lee Collin. Und sie hatten <strong>Cutter</strong> als letzte herraus forderung<br />

gewählt, bevor sie nach Mexiko flüchten wollten, mit dem Ruhm,<br />

Marshall Nick Ryder besiegt zu haben.<br />

Drei Stunden später öffnet sich die Tür zum Office und Carroll-<br />

Ann Ryder schaut schüchtern hinein. „ Tag Jett.“ Sagte sie<br />

während ihr Blick durch das ganze Office schweifte.<br />

„ Hallo Carroll. Was machst du hier? ich habe euch Beide längst<br />

mit einem Korb duftender Hühnchenkeulen und einem<br />

Geburtstagskuchen am See geglaubt.“<br />

„ Ich auch. Aber Nick ist verschwunden.“ Jett wusste erst nicht<br />

was er sagen sollte. Es klang so ungläubig. Niemals würde Nick<br />

an so einem besonderen Tag einfach verschwinden. Das tat er<br />

auch sonst nie. Stets war irgendwo ein Zettel oder er<br />

benachrichtigte jemanden, wenn er <strong>für</strong> längere Zeit weg musste.<br />

Deshalb wiederholte Jett noch einmal die Worte von Misses<br />

Ryder. „ Er ist verschwunden? Wieso und wohin?“ Carroll-Ann<br />

sank seufzend auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Sie holte ein<br />

Taschentuch aus einem kleinen Handbeutel und tupfte die feucht<br />

gewordenen Augen damit trocken. Doch als sie zu erzählen<br />

begann, konnte sie die Tränen nicht mehr zurück halten. Tief in<br />

ihrem Inneren war etwas, dass ihr sagte: Es ist etwas Schlimmes<br />

passiert.<br />

„ Er wollte nur etwas Zucker besorgen und kam nicht wieder<br />

zurück. Erst dachte ich, er wäre wieder mal aufgehalten worden,<br />

aber das kann nicht sein. Er wusste doch, dass ich auf den Zucker<br />

wartete und das der Ofen schon angeheizt war.“<br />

9


„ Wie lange ist das her?“ Sie warf einen Blick auf die große<br />

Standuhr an der Wand und sagte gebrochen“, Über drei Stunden.<br />

Jett, du musst mir helfen. Ich bin Schuld daran.“<br />

Jett sah ihr tief in die Augen. Langsam machte er sich auch<br />

Sorgen um seinen Freund.<br />

„ Wieso trägst du Schuld daran?“ „ Ich wollte dass er geht. Nick<br />

fand den Teig in Ordnung, aber mir war er nicht süß genug. Er ist<br />

nur meinetwegen gegangen.“<br />

„ Nach Mister Finnley nehme ich an.“ „ Ja.“<br />

Nachdenklich ging Jett im Office auf und ab. Er tippte immer<br />

wieder gegen seine Lippen und murmelte etwas. Das tat er immer,<br />

wenn er über etwas nachdenken musste. Geduldig sah Carroll-<br />

Ann ihm zu, bis sie endlich fragte.“ Was machen wir jetzt?“<br />

„ Nun ja. Hier ist er nicht gewesen. Also fangen wir bei Mister<br />

Finnley an. Wenn er da war, können wir vielleicht einiges<br />

herausfinden. Vielleicht gab es einen Notfall und er hat er bei ihm<br />

eine Nachricht hinterlassen.“ Jett konnte nicht verhindern, dass<br />

Misses Ryder ihm folgte.<br />

Viel lieber hätte er alleine nach dem Grund des Verschwindens<br />

seines Freundes gesucht, aber Carroll-Ann war nun nicht mehr<br />

abzuschütteln. Sie hatte ein Recht darauf zu Erfahren was passiert<br />

war. Als sie den Laden von Mister Finnley erreichten waren die<br />

Rollos noch unten.<br />

Jett klopfte laut gegen die Tür. Er musste lange klopfen bis<br />

endlich jemand die Treppe im Haus hinunter kam und durch die<br />

Fenstergardine neben der Tür blinzelte.<br />

„ Was soll der Lärm. Ich habe Mittagspause. Kommen sie in einer<br />

halben Stunde wieder.“<br />

Schimpfte der alte Inhaber des Ladens mit geballter Faust.<br />

„ Ich bin es. Sheriff Armstrong.“ „ Na und! Ich habe Pause, dass<br />

habe ich doch laut und deutlich gesagt.“ Sein Gesicht färbte sich<br />

rot vor Erregung. Mister Finnley war immer schnell in Rage.<br />

10


Noch nie hatte er jemand wehgetan, aber brüllen und<br />

Gegenstände wütend durch die Luft werfen konnte er gut.<br />

Besonders zu Kindern hatte er keinen Bezug. Und sie wussten es.<br />

Kein Kind ging freiwillig näher als fünf Schritte auf den Laden<br />

zu.<br />

„ Ich will nicht kaufen Mister Finnley, ich bin hier um…“ „ Wenn<br />

sie nichts kaufen wollen, dann verschwinden sie erst Recht.“ Fiel<br />

er in das Wort des Sheriffs.<br />

„ Machen sie die Tür, ich habe ein paar Fragen. Oder ist es ihnen<br />

lieber, wenn ich sie mit ins Office nehme. Hier draußen sind eine<br />

menge Leute, die sich darüber sicher ihre Mäuler zerreißen<br />

werden.“ Widerwillig entriegelte der aufgebrauste Ladeninhaber<br />

die Tür.<br />

„ Kommen sie rein. Sheriff.“ Misstrauisch starrte er Carroll-Ann<br />

an, die sich an Jett vorbei schob. „ Was wollen sie hier?“ stellte er<br />

die Frage an Misses Ryder. Er bekam eine Gegenfrage von Jett. „<br />

War Marshall Ryder Heute bei ihnen?“ Finnley sah von einem<br />

zum anderen. Er zog die Augenbrauen hoch, als würde er die<br />

Frage nicht verstehen. Erst nach einigen Schweigesekunden kam<br />

seine zögerliche Antwort. „ Ja. Er war hier. Hören sie Sheriff. Ich<br />

habe gute Qualitative Ware, es gibt nichts daran auszusetzen.“ Jett<br />

verstand nun seine Angst. Er glaubte, dass Misses Ryder etwas<br />

Reklamieren wollte und sich da<strong>für</strong> die Unterstützung des Sheriffs<br />

erlaubte. Mit beiden Händen winkte Jett verneinend ab.<br />

„ Darum geht es hier nicht. Wann war Marshall Ryder hier?“ „<br />

Vormittag. So gegen elf Uhr. Er half noch der alten Dame Ruth<br />

Estherford. Sie kommt einmal die Woche hier her und hat immer<br />

eine Einkaufsliste bei sich. Sie ist schon sehr alt und auch sehr<br />

langsam, aber sie will ihre Ware immer noch selber aussuchen.<br />

Marshall Ryder hatte es wohl eilig, denn er nahm ihr den Zettel ab<br />

und packte die Ware in ihren Korb.“<br />

11


„ Sonst war niemand im Laden?“ „“ Nein. Tut mir Leid, wenn ich<br />

ihnen da nicht weiter helfen kann.“ „ Ist ihnen irgendetwas<br />

aufgefallen? Vielleicht nachdem Nick wieder Draußen war.“<br />

„ Ich kann ihnen da wirklich nicht helfen. Ich bin gleich danach<br />

ins Lager gegangen um die Inventur weiter zu machen. Ach ja,<br />

Misses Ryder. Ihr Mann hat nicht nur den Sack Zucker gekauft,<br />

sondern auch die Äpfel gleich mitgenommen. Es tut mir sehr leid,<br />

dass ich Gestern keine Zeit mehr hatte sie ihnen zu liefern.“<br />

„ Schon gut.“ Sagte Carroll-Ann, die sich <strong>für</strong> die Äpfel nun gar<br />

mehr interessierte. Sie wollte nur noch erfahren wo ihr Mann war.<br />

Aber Mister Finnley wusste nichts mehr zu sagen.<br />

Auf dem Stepwalk vor dem Laden blieb Jett stehen und sah zum<br />

Haus der Ryders.<br />

„ Da er nun mal hier war, muss es zwischen hier und den dreißig<br />

Yards bis zu euerem Haus passiert sein.“ Carroll-Ann entfuhr ein<br />

heller Schrei. Sofort drehte sich Jett zu ihr um und bemerkte die<br />

aufgerissenen Augen in denen pure Angst stand. „ Du denkst also,<br />

ihm ist etwas zu gestoßen?“ Verzweifelt kaute Armstrong auf<br />

seiner Unterlippe. Wie konnte er nur so unüberlegt so was sagen.<br />

Er war sich selber sehr Sicher, dass etwas passiert war, aber er<br />

wollte es Carroll-Ann noch nicht in aller Deutlichkeit sagen.<br />

Doch nun war es ausgesprochen und sie fing wieder an zu<br />

weinen.<br />

„ Hör mal. Es ist besser, wenn du nach Hause gehst und mich in<br />

aller Ruhe meine Arbeit machen lässt. Ich verspreche dir, dass ich<br />

herausfinden werde was los ist und wo Nick steckt.“<br />

„ Nein. Das kannst du nicht von mir verlangen. Ich kann nicht zu<br />

Hause rum sitzen und warten.“<br />

Jett wollte gerade weiter gehen, da sah er drei Jungen, die ihm<br />

entgegen kamen. Alle drei aßen jeweils einen Apfel. Er schob<br />

Carroll-Ann beiseite und stellte sich den Jungen in den Weg. „<br />

Hey Ronny. Sag mal, woher hast du den Apfel?“ eine dunkle<br />

12


Ahnung stieg in ihm hoch. Ängstlich wollte machte der kleine<br />

Ronny ein paar Schritte Rückwärts. „ Ich tu dir nichts Junge. Ich<br />

will nur eine Antwort!“ Jett hielt Ronny an der Schulter fest. Ein<br />

versuch sich los zu reißen scheiterte und so stammelte der Kleine<br />

los.“ Ich habe ihn ich gestohlen Sheriff.“ „ Das weiß ich. Aber<br />

woher hast du ihn? Deine Mutter hat nicht so viel Geld dir mal<br />

eben so viele wunderschönen rote Äpfel zu kaufen.“ Jett öffnete<br />

die ausgebeulte Jacke des Jungen und fand in den Innentaschen<br />

weitere vier Äpfel. „Ich habe sie gefunden, ehrlich!“<br />

„ Sagst du mir auch wo? Das ist ganz wichtig. Du darfst sie dann<br />

auch behalten.“ Ronny führte den Sheriff und Misses Ryder zur<br />

Gasse zwischen den Häusern des Doc Leonard und dem Major.<br />

Als Armstrong gebannt auf den leeren Sack am Boden starrte<br />

machte sich der Junge aus dem Staub. Hier lag nicht nur der<br />

Apfelsack sondern auch der Ein Kilo Sack Zucker, der den Sturz<br />

unbeschadet überstanden hatte. Carroll-Ann hatte es auch<br />

gesehen. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund um einen Schrei<br />

zu ersticken, der verzweifelt aus ihrer Kehle dringen wollte. Dann<br />

bemerkte Jett den Holzpfahl, der dicht an der Wand lag und Blut<br />

daran klebte. Ohne ein Wort zu sagen untersuchte er den Tatort<br />

und fand auch die Radspuren am Eingang zur Gasse. „ Hier hat<br />

vor kurzem ein Wagen geparkt. So wie es aussieht wurde Nick<br />

niedergeschlagen und in einen Wagen gelegt. Dann ist er mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr hier in <strong>Cutter</strong>.“<br />

„ Was können wir denn jetzt tun?“ Verzweifelnd kreisten ihre<br />

Hände durch die Luft. Sie hoffte auf eine positive Antwort, doch<br />

Jett wusste keine Antwort. Immer noch hielt er den Holzpfahl in<br />

der Hand, auf den er nun Nachdenklich schaute.<br />

Der Wagen konnte in jede Richtung gefahren sein. Nach Spuren<br />

suchen machte auch keinen Sinn, da es schon Nachmittag war und<br />

mittlerweile ein Dutzend Wagen durch die Straßen rollten. Jett<br />

13


emerkte ein leichtes Zittern bei Carroll-Ann und nahm sie<br />

tröstend in den Arm.<br />

„ Ich finde ihn.“ Flüsterte er ihr ins Ohr. „ Er lebt ganz sicher<br />

noch. Wer es auch getan hat, er wollte ihn lebend. Es macht<br />

keinen Sinn einen Toten aus der Stadt zu schmuggeln. Bestimmt<br />

kommt bald eine Lösegeld Forderung oder ein Austausch. Ich<br />

werde Deputy Cooper und Walker einweihen. Geh jetzt besser<br />

nach Hause ich sage Marie bescheid. Sie kommt dann zu dir<br />

damit du nicht allein bist.“<br />

Nur fünf Meilen weit fuhr der Wagen mit Marshall Ryder auf der<br />

Ablage. Sie hielten in einem Kessel aus mächtigem Felsmassiv<br />

mit groben Vorsprüngen und kantigen Felsblöcken.<br />

Immer noch gefesselt zog man Nick aus dem Wagen und ließ ihn<br />

unsanft auf den Boden fallen. Der Sturz holte ihn aus seiner<br />

Ohnmacht zurück. Er blinzelte mit den Augen und konnte kaum<br />

was erkennen, da ihm die Sonne direkt ins Gesicht schien. Ein<br />

Versuch aufzustehen scheiterte. Nick brauchte einige Sekunden<br />

um sich seiner Lage klar zu werden.<br />

Der Kopf dröhnte und wollte sich einfach nicht konzentrieren,<br />

doch Nick gab nicht nach. Endlich fiel ihm alles wieder ein. Der<br />

Zucker, die Äpfel, der Lockvogel und der Schlag, der von hinten<br />

kam und ihn niederwarf.<br />

„ Das hättest du wohl nicht gedacht, Sternschlepper. Aber ich bin<br />

ja kein Untier. Ich tu dir sogar einen Gefallen und verrate dir, wer<br />

dich überwältigt hat.“ Mit gelben Zähnen und starkem<br />

Mundgeruch hing einer der Entführer mit seiner ungepflegten,<br />

von Pickeln übersäten Visage direkt über Nick. Schweiß tropfte<br />

von ihm herunter auf Ryders Gesicht. Hinter ihm stand ein fein<br />

angezogener Mann im dunkelblauen Anzug. Angewidert rümpfte<br />

Nick seine Nase. „ Es gibt nicht viele Menschen auf der Erde, die<br />

so stinken wie du, Bob Collin. Nimm dir mal ein Beispiel an Ray,<br />

14


der ist sauber.“ Bob wich erstaunt einen Schritt zurück. „ Du<br />

weißt also wer ich bin, na schön. Aber <strong>für</strong> diese Beleidigung hast<br />

du dir einen Tritt verdient.<br />

Nick hatte schnell erkannt, wer da vor ihm stand. In der Zeitung<br />

waren die Vier der Bande sehr gut beschrieben und er rechnete<br />

auch damit, dass sie früher oder später in <strong>Cutter</strong> auftauchen<br />

würden. Es war wohl doch etwas Früher als er dachte. Der Tritt<br />

dem ihm Bob in den Magen versetzte schmerzte sehr. Er trug<br />

Metallspitzen an den Stiefeln.<br />

„ Was habt ihr nun vor?“ keuchte Nick. „ Wollt ihr mich in die<br />

Stadt schleifen, so wie ihr es mit den anderen Gesetzeshütern<br />

gemacht habt? Meinetwegen, aber <strong>Cutter</strong> bekommt ihr nicht.“<br />

Schließlich kamen noch die beiden jüngeren Brüder Phil und Lee<br />

dazu. Sie waren Zwillinge, glichen sich aber überhaupt nicht.<br />

Während Phil sich ständig über seine lange Nase ärgerte und<br />

deswegen auch immer gerne genoppt wird, besieht sich Lee am<br />

liebsten den ganzen Tag im Spiegel. Die vier Collins waren alle<br />

so unterschiedlich, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass<br />

diese Brüder waren. Ray, der zweitgeborene, war der<br />

gefährlichste. Von ihm kamen die Befehle, die ohne fragen<br />

ausgeführt wurden. Er war der Kopf der Bande. Der Älteste, Bob,<br />

schmiedete die Pläne. Nur durch seine Geistreichen Einfälle und<br />

die Brutalität Rays funktionierten ihre grausamen Pläne, ohne<br />

dass sie bisher gefangen wurden.<br />

Lee betrachtete Nick wie ein Wesen vom anderen Stern. „ Du<br />

siehst gut aus Marshall. Schade, dass du auf der falschen Seite des<br />

Gesetztes stehst.“ Er machte dabei Gestiken wie eine Frau.<br />

„ Ich bin da wo ich sein will. Und ich bin stolz darauf.“ Sagte<br />

Nick. „ Deinen Stolz werden wir schon noch brechen.“ Raunte<br />

Ray ihm zu und Lee stimmte gleich ein“, und dein Gesicht wird<br />

dann auch nicht mehr so gut aussehen. Ich würde mir das noch<br />

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einmal gut überlegen. Geben sie uns freiwillig, freie Hand in<br />

<strong>Cutter</strong> und mein Bruder wird sie verschonen.“<br />

„ Ich bin verantwortlich <strong>für</strong> den Schutz der Bürger. Niemals lasse<br />

ich zu, dass ihr euch in meiner Stadt breit macht.“ Seine Worte<br />

kamen so hart aus seinem Mund, dass Werder Phil noch Bob<br />

daran <strong>Zwei</strong>felten. Jedoch hatten sie jetzt die Oberhand und was<br />

sollte ein gefesselter Marshall schon tun, den sie in ihrer Gewalt<br />

haben.<br />

Wieder beugte sich Ray zu ihm hin, packte Nick ins Haar und zog<br />

dessen Kopf zurück.<br />

Beim sprechen flogen kleine Tröpfchen aus seinem Mund, die<br />

Nick alle voll abbekam.<br />

„ Du gefällst mir Sternschlepper. Die anderen flennten und baten<br />

und Gnade. Aber dein Mut wird dich schon verlassen. Spätestens<br />

Morgen auf der Mainstreet in <strong>Cutter</strong> wirst du auf knien vor mir<br />

herrutschen und um die Erlösung betteln.“<br />

Ryder sagte nicht dazu. Egal was er jetzt äußern würde, es würde<br />

ihm nur noch einen weiteren Tritt in den Magen einbringen.<br />

Mit zwei Lassoseilen verschnürten die Männer ihn an einem<br />

Wagenrad. Ohne Wasser und Schatten musste er in der gnadenlos<br />

strahlenden Sonne bis zur erhofften Abendkühle ausharren.<br />

Jett ging wieder im Office auf und ab. Viele Fragen hatte er im<br />

Kopf und fand keine Antworten dazu. Auch die beiden Deputys<br />

Lex Cooper und Benno Walker suchten nach einem Sinn der<br />

Entführung.<br />

„ Die Sonne ist schon untergegangen und wir haben immer noch<br />

nichts gehört. Keine Lösegeld Forderung oder sonst irgendein<br />

Zeichen. Wir müssen doch irgendetwas tun, Jett?“<br />

Lex hielt die Spannung nicht mehr aus. Er postierte sich vor dem<br />

Gewehrschrank und griff nach einer Winchester. Sheriff<br />

Armstrong machte sich eben so viele Sorgen, aber er wusste auch<br />

16


keinen Rat, wie es weiter gehen sollte. „ Stell das Gewehr zurück<br />

Lex. Wo willst du denn damit hin? Wir warten noch bis Morgen.<br />

Ich habe da so schlimme Ahnung.“<br />

Benno wurde bleich im Gesicht. Mit zusammen gekniffenen<br />

Augen schaute er Jett an und erwartete eine erklärende Antwort.<br />

„ Was meinst du damit, was ist passiert?“ „ Das passt alles zur<br />

Collin Bande. Erst wird der Sheriff entführt und am nächsten<br />

Morgen…“ Jett schluckte. Er hatte die Berichte über die Bande<br />

gelesen und wusste genau, was sie mit den Gesetzeshütern<br />

angestellt haben.<br />

„ Red weiter!“ befahl Benno eindringlich. „ Sie wurden zur<br />

Abschreckung der Bevölkerung auf offener Straße gefoltert.“ Lex<br />

war es, der nun Jett in den Weg sprang, ihn am Kragen packte und<br />

ihn anschrie. „ Und da gehst du hier noch Seelenruhig auf und ab?<br />

Wir müssen was Unternehmen. Lass uns einen Plan erstellen.“<br />

Armstrong hatte volles Verständnis über die Reaktion des jungen<br />

Deputy. Schließlich war es Nick, der ihn wie seinen Sohn aufzog<br />

und sich um ihn kümmerte, als seine Eltern an einem Fieber<br />

starben. Niemand sonst wollte sich dem damals acht jährigen<br />

Jungen annehmen. Ohne Nick wäre er in ein Heim nach San<br />

Francisco geschickt worden.<br />

Trotzdem konnte Jett sein Verhalten nicht einfach so durchgehen<br />

lassen. Er war noch sehr hitzig und übermütig. Grob riss er die<br />

geballten Fäuste des Jungen von seinem Kragen und stieß ihn<br />

zurück in den Stuhl.<br />

„ Jetzt hör mal zu. Ich bin genauso besorgt wie du und sollte<br />

meine Vermutung stimmen, gebe ich dir Recht, dass wir was tun<br />

müssen. Also lass mich in Ruhe Nachdenken. Es sind nicht nur<br />

die vier Brüder. Sie haben eine Bandenstärke von mindestens<br />

zwanzig Mann aufgebaut. Wer will sich denen gegenüber<br />

stellen?“ „ Was ist mit dem Militär. Wir könnten sie um Hilfe<br />

rufen.“ Schlug Benno vor.“ Was glaubst du denn wie schnell die<br />

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hier sind. Wenn wir jetzt ein Telegramm losschicken, sind die<br />

frühestens in vier Tagen hier. Bis dahin ist die Bande längst<br />

wieder weg, nachdem sie <strong>Cutter</strong> ausgeraubt und verwüstet<br />

haben.“ Auch Lex kam eine Idee.<br />

„ Und wenn wir Hilfe aus Tucson und Galling herbei rufen?“ „<br />

Der Sheriff von Tucson ist ein alter Mann. Der wird bestimmt<br />

nicht kommen um sich mit Collins an zu legen. Galling hat keinen<br />

Telegraphen. Ein Brief braucht zu lange.“ „ Dann müssen wir alle<br />

Evakuieren.“<br />

Jett hob die Augenbrauen.“ Die ganze Stadt in einer Nacht?“ „<br />

Wenigstens die Frauen, Kinder und die Schwachen. In einer<br />

Stunde fährt noch ein Zug los.“ „ Das wird eine Massenpanik<br />

geben“ gab Jett zu bedenken “, aber der Einfall ist nicht schlecht.<br />

„ Sie werden so wieso alles in Schutt und Asche legen, da ist es<br />

besser, wenn sie nicht auch noch Frauen vorfinden. Benno, Lex<br />

haltet den Zug auf, wenn er kommt, ich werde die Leute<br />

zusammen trommeln. Hoffen wir, dass alles gut geht und sich<br />

keine Panik breit macht. Wie wir Nick raus hauen überleg ich mir<br />

auch noch.“<br />

Mit der Winchester in der Hand, lief Jett auf die Mainstreet. Er<br />

brauchte nur drei Schüsse in die Luft ab zu geben, da kamen die<br />

Ersten schon angerannt.<br />

„ Was ist los? Was soll das?“ „ Sheriff Armstrong, was soll die<br />

Schießerei?“<br />

„ Ich habe wenig Zeit <strong>für</strong> lange Erklärungen. Kurz gesagt, die<br />

Collin Bande trifft Morgen hier ein. Ihr alle wisst, was das<br />

bedeutet. Gleich fährt der letzte Abendzug hier ein und ich bitte<br />

euch, packt eure Frauen und Kinder dort hinein und lasst sie in<br />

Sicherheit fahren. Je weniger Menschen hier um weniger können<br />

sie anrichten. Wo die Bande bisher auftauchte wurden Frauen<br />

vergewaltigt. Auch vor jungen Mädchen machen die keinen Halt.<br />

18


Also bitte. Sagt allen bescheid. Seht bei euren Nachbarn nach,<br />

und helft wo es möglich ist.“<br />

„ Was ist mit unserem Hab und Gut? Können sie er schützen?“<br />

rief eine junge Frau aus der Menge und eine weitere Lady fügte<br />

hinzu „, Ja, ich habe gehört, dass die Häuser nieder gebrannt<br />

wurden. Wir können doch nicht alles in einer halben Stunde<br />

einpacken und mitnehmen.“<br />

„ Nehmt nur das Wichtigste mit. Ich habe schon einen Plan und<br />

wenn er klappt, habt ihr nichts zu be<strong>für</strong>chten.“ Jett versuchte die<br />

aufgebrachte Menge zu beruhigen.<br />

„ Wo ist eigentlich der Marshall?“ Schallte es plötzlich aus einer<br />

Männerkehle.<br />

„ Ja wo ist er? Hat er sich verkrochen oder ist er geflüchtet?“ „<br />

Dieser Feigling lässt uns in so einer Stunde im Stich.“<br />

Jett schluckte. Um nichts Falsches zu sagen biss er die Zähne<br />

zusammen und überlegte kurz.<br />

Nick war immer <strong>für</strong> die Stadt da. Noch nie ist er einem Problem<br />

aus dem Weg gegangen und niemals hatte er seinen Eid auf den<br />

Stern gebrochen. Unzählige Male setzte er sein Leben aufs Spiel<br />

um die Bürger <strong>Cutter</strong>s zu schützen und nun kamen solche miesen<br />

Beschuldigungen.<br />

Nicht Einer von Ihnen stand hinter Marshall Ryder, wenn es<br />

Gefährlich wurde und nur selten wurde ihm Gedankt <strong>für</strong> seine<br />

Einsätze.<br />

„ Marshall Ryder ist Heute Morgen los geritten um die Lage zu<br />

peilen. Ihr solltet ihm Dankbar sein, denn so haben wir noch die<br />

Zeit zu Handeln. Also los, vergeudet eure Zeit nicht, packt euere<br />

Kinder und steigt in den Zug.“<br />

Nachdem alle losrannten um ihre Habe zu Retten kamen noch<br />

zwei Männer auf Jett zu.<br />

Einer der Beiden spie einen braunen, zerkauten Tabak priem aus,<br />

der fast Jetts Stiefel traf.<br />

19


Sheriff Armstrong blieb ruhig stehen und sah dem Spucker tief in<br />

die Augen.<br />

„ Wollen sie noch was von mir?“ fragte er lässig, aber mit<br />

ernstem Unterton.<br />

„ Was sollte diese Lüge.“ Cal Johnson spie den nächsten Priem<br />

aus und diesmal traf er die Stiefelspitze des Sheriffs. Dann sprach<br />

er weiter.“ Ich habe den Marshall heute Morgen beim Einkaufen<br />

gesehen. Er kam mit Zucker und Äpfeln aus Finnleys Store und<br />

ich weiß, dass er einen freien Tag hatte. Also ist er doch<br />

abgehauen oder macht er sich ein paar süße Stunden mit seinem<br />

Weib? ansonsten müssten sie ihn ja nicht mit einer Lüge decken,<br />

Sternschlepper!“<br />

Das ging dann doch zu weit <strong>für</strong> Jett. Er hechtete Johnson so<br />

schnell entgegen, dass dieser keine Zeit mehr zum reagieren hatte.<br />

Mit voller Wucht schlug Cal mit dem Rücken gegen einen Pfeiler.<br />

Wie erstarrt blieb er stehen, denn der Revolverlauf des Sheriffs<br />

war direkt unter seinem Kinn. „ Noch so eine Beleidigung und du<br />

kannst dein Gehirn verteilt auf der Straße sehen, von der Hölle<br />

aus. Überleg dir gut auf welcher Seite du stehst, sonst steig lieber<br />

in den Zug, denn ich mag keinen Feind in meinem Rücken<br />

wissen.“ Cal wurden die Knie weich. Er sah die Entschlossenheit<br />

zu schießen in den Augen des Sheriffs. Stotternd brach es aus ihm<br />

heraus. „ Tut mir Leid Sheriff, aber es ist doch sehr Merkwürdig,<br />

dass ausgerechnet jetzt der Marshall weg ist.“ Jett wischte seinen<br />

Stiefel an Cals Hosenbein sauber und schob den Revolver zurück<br />

ins Holster. „ Darüber kann ich jetzt nicht reden. Aber er ist an<br />

der Sache dran, dass kann ich dir versprechen. Morgen wissen wir<br />

mehr.“<br />

Mit diesen Worten ließ er Cal Johnson stehen und ging rauf zum<br />

Bahnhof, wo sich schon etliche Frauen mit ihren Kindern und<br />

Koffern eingefunden hatten.<br />

20


Er sah sich nach allen Seiten um, konnte aber Carol-Ann Ryder<br />

nicht finden. Sie stand doch bei seiner Rede mit dabei und hatte<br />

seine Anweisung gehört. Mitten im Gewühl entdeckte er seine<br />

Frau Mary. Er hatte große Mühe sich zu ihr durch zu zwängen.<br />

Mary hielt den kleinen Jimmy auf den Arm und seine Ziehtochter<br />

Hanna stand neben ihr mit den Koffern.<br />

„ Mary, hey Mary! Ist Carol nicht bei dir?“ mit tränen in den<br />

Augen sah sie ihren Mann an und schluchzte“, sie will nicht mit.<br />

Sie hat Angst um Nick. Oh Jett, bitte pass auf dich auf.“<br />

Er nahm sie fest in die Arme und flüsterte ihr tröstende Worte ins<br />

Ohr. „ Mir passiert nichts, Darling. Ich habe gute Deputys und<br />

…“ Sie löste den Griff und vervollständigte den Satz.<br />

„ Und Nick wolltest du sagen. Ich hoffe, er lebt noch.“ „ Ganz<br />

bestimmt. Die Bande geht immer nach demselben Muster vor.<br />

Das heißt, dass sie ihn Morgen mit nach <strong>Cutter</strong> bringen und ich<br />

werde ihn befreien. So einfach!“ Jett versuchte zu lächeln um den<br />

ernst der Lage nicht so offensichtlich zu zeigen. „ Ja das wirst<br />

du.“ Sagte sie, gab ihm einen Kuss auf die Wange und reihte sich<br />

in die Schlange ein, die alle in den Zug steigen wollten.<br />

So sehr Sheriff Armstrong sich auch bemühte, er fand Carol-Ann<br />

nicht. Der Zug hatte längst den Bahnhof verlassen und rollte gen<br />

Süden davon.<br />

In den Straßen herrschte toten Stille. Jett stand vor dem Office an<br />

der Wand gelehnt und war in tiefen Gedanken versunken. Erst<br />

Deputy Cooper riss ihn in die Wirklichkeit zurück.<br />

„ Hast du einen Plan?“ „ Nein. Nicht direkt. Wir stehen wie<br />

immer allein da. Du versteckst dich auf dem Dach von Miss<br />

Edwards Haus. Von dort hast du die halbe Mainstreet in Sicht.<br />

Benno soll sich gegenüber am Ende der Straße postieren. Von<br />

Doc Leonards Dach aus kann er die andere Straßenhälfte gut<br />

bewachen. Nehmt euch jeweils zwei Winchester mit und genug<br />

Munition.“<br />

21


„ Und wo bist du?“ Jett zögerte mit seiner Antwort und blickte<br />

zur Seite. „ Ich werde genau hier stehen und auf ihn warten.“ „<br />

Das ist keine gute Idee. Du gibst eine hervorragende Zielscheibe<br />

ab.“ Ohne darauf etwas zu sagen stieß Armstrong sich von der<br />

Wand ab und ging. Er hatte noch vieles zu Erledigen. Und die<br />

Nacht war kurz. An Schlaf war nicht zu Denken.<br />

Stallinhaber Murphy und Ole der Schmied waren sofort Bereit<br />

ihm zu helfen. Auch Doktor Leonard überprüfte sein Gewehr und<br />

würde in jedem Fall neben dem Sheriff stehen.<br />

Sein Plan bestand darin, einen der Collin Brüder zu überwältigen.<br />

Jett brauchte einen von ihnen um einen Austausch gegen Marshall<br />

Ryder zu erzielen. Seine Deputys hatten die Aufgabe die Bande<br />

zu zerstreuen damit er mindestens einen der Brüder zu Fassen<br />

bekam.<br />

Sollte der ganze Plan scheitern, so waren überall Dynamitstangen<br />

versteckt, die <strong>für</strong> genügend Ablenkung sorgten wenn es zu einer<br />

Schießerei kam.<br />

Der Morgen graute schon als die Collins ihre Pferde sattelten.<br />

Marshall Ryder war die ganze Nacht wach geblieben. Vergeblich<br />

hatte er versucht die Fesselung zu lösen. Er stellte sich schlafend,<br />

beobachtete aber unter halb geschlossenen Augenlidern alles.<br />

Ausgerechnet Bob Collin trat auf ihn zu und stieß ihn mit dem<br />

Gewehrkolben an.<br />

„ Hey du, aufwachen! Gleich geht es los. Ich kann es kaum<br />

erwarten dich am Boden kniend zu sehen, vor allen Bürgern der<br />

Stadt <strong>Cutter</strong> und um Gnade winselnd.“<br />

Nick wusste, dass es ihm wieder Prügel bescherte, aber er konnte<br />

sich nicht zurück halten diese Situation auszunutzen, um Bob<br />

einen Denkzettel zu verpassen.<br />

Seine Füße waren zwar gefesselt, aber nicht die Beine. Langsam<br />

zog er sie ran und wie erwartet kam auch Bob einen Schritt näher.<br />

22


Breitbeinig stand er vor seinem Gefangen und schon am Abend<br />

zuvor, sabberte er aus den Mundwinkeln.<br />

Mit der ganzen Kraft, die noch in ihm steckte, stieß Nick die<br />

Beine hoch und traf Collin an seiner empfindlichsten Stelle,<br />

genau mittig.<br />

Bob ließ das Gewehr fallen. Ein lauter Schmerzensschrei drang<br />

aus seiner Kehle. Mit beiden Händen packte er sich an den Schritt<br />

und sank auf die Knie.<br />

Zu gerne hätte Nick sich jetzt das Gewehr gepackt, aber seine<br />

Hände waren immer noch am Rad gefesselt und mit den Füßen<br />

danach angeln machte wenig Sinn, da der Rest der Bandenfamilie<br />

schon angerannt kam.<br />

„ Ich wollte nur mal sehen wie es ist, wenn jemand auf den Kniet<br />

und winselt.“ Sagte Marshall Ryder und konnte sich ein Grinsen<br />

nicht verkneifen.<br />

Bob jammerte wie ein angeschossenes Wolfsjunges. Bis er durch<br />

die Zähne knirschte“, da<strong>für</strong> mache ich dich fertig. Das schwöre<br />

ich dir.“ Er griff nach dem Gewehr und schlug damit so heftig<br />

gegen Nicks Schläfe, dass dieser Bewusstlos zusammensackte.<br />

Erst das Rumpeln des Wagens, in dem er gefesselt und geknebelt<br />

lag, riss Nick aus der Dunkelheit, die ihn umgab.<br />

Es ging also los. Wie in allen anderen Städten, ging die Collin<br />

Bande nun auch hier nach ihrem Bewährten Konzept vor.<br />

Nicks Gedanken kreisten um seinen Freund Jett Armstrong. Was<br />

wird er wohl unternehmen, wenn sie in <strong>Cutter</strong> einreiten? Hat er<br />

einen Plan, oder weiß er noch gar nicht was auf ihn zukommt?<br />

Nick hatte gar keine andere Wahl, als erst mal abzuwarten was<br />

Sheriff Armstrong vorhat. Vielleicht hat er ja einen besseren Plan.<br />

Und wenn nicht, musste Nick sein Ass aus dem Ärmel ziehen und<br />

Jett einen Hinweis geben. Die meisten Sorgen allerdings machte<br />

er sich um die Einwohner von <strong>Cutter</strong>. Was kann er tun wenn die<br />

23


Bande loslegt und die Häuser in Brand steckt, Frauen<br />

vergewaltigt und deren Männer erschießt oder gar aufhängt.<br />

Nein, soweit darf er es nicht kommen lassen. Wenn sie es auch<br />

geschafft hatten ihn zu entführen und nun mit fast zwanzig Mann<br />

Richtung <strong>Cutter</strong> ritten, kann er nicht tatenlos zusehen wie sie alles<br />

in Schutt und Asche legen werden.<br />

Schon oft hatte Nick von seinem eigenen Tot geträumt. Es war<br />

immer eine Kugel, die ihn traf und meistens im offenen Duell.<br />

Dann sah er sich leblos im Staub liegen und die Menschen<br />

standen um ihn herum und starrten wortlos auf seine Leiche. Nur<br />

Major Flint hatte in all seinen Träumen stets ein lächeln im<br />

Gesicht. Selbst bei der Grabrede grinste er und Nick sah die<br />

Erleichterung über den Tot des verhassten Marshalls. „Zum Glück<br />

werde ich das wohl nie miterleben.“ Dachte er und lachte durch<br />

den Knebel.<br />

Vom Kutschbock drang die Stimme des jungen Lee Collin. Er<br />

hatte die Plane beiseite geschoben und blinzte verwundert ins<br />

Wageninnere. „ Was ist so komisch?“ fragte er und als keine<br />

Antwort kam fügte er hinzu „, Das lachen wird dir noch vergehen.<br />

Wir sind gleich am Ziel dann werde ich es sein, der sich amüsiert.<br />

Ich habe gehört, dass es in deiner schönen Stadt eine menge<br />

hübscher Frauen gibt. Die kommen ganz sicher freiwillig zu mir,<br />

denn ich bin nun mal ein verdammt gut aussehender Mann und<br />

verstehe die Frauen.“<br />

Diesmal war Nick froh, dass er einen Knebel im Mund hatte,<br />

sonst hätte er diesem eingebildeten Affen seine Meinung gesagt,<br />

was nur wieder neue Schläge eingebracht hätte.<br />

Wie unterschiedlich doch Brüder sein können. Der Eine ist<br />

eingebildet, der Andere ein Stinktier, der Dritte kommt mit sich<br />

und der Welt nicht klar und der Vierte hat genügend Grips die<br />

ganze Bande zusammen zu halten und die Überfälle zu Planen.<br />

Während Ryder über all dieses Nachdachte, stoppte der Wagen.<br />

24


Durch einen Ritz in der Plane konnte er eine alte Eiche sehen. Die<br />

Sonne strahlte bereits und im Wagen stieg die Temperatur. Schon<br />

jetzt, so früh am Morgen fiel ihm das Atmen in der stehenden<br />

Hitze schwer. Sie hielten nicht weit vom Boothill. Viele Gräber<br />

befanden sich unter der Eiche, die schon seit etlichen Jahren dort<br />

steht.<br />

Sheriff Armstrong ging lässig die Stufen des Stepwalk hinunter<br />

und postierte sich mitten auf der Straße. Man sah ihm nicht an,<br />

wie nervös er war. Das hatte er von Nick gelernt. Egal wie<br />

aufgewühlt man ist oder wie viel Angst in einem steckt, zeige es<br />

nie. Schwäche wird gerne ausgenutzt.<br />

Die Winchester lag in seinen Armen, die er verschränkt vor der<br />

Brust hielt. So fiel niemandem das leichte Zittern seiner Hände<br />

auf. Es war das erste Mal, dass er einer so großen Bande allein<br />

gegenüberstand. Deputy Lex Cooper und Benno Walker hatten<br />

ihre zugewiesenen Plätze eingenommen. Doktor Leonard stand<br />

mit der Waffe in der Hand in der Tür des Office. Murphy hielt<br />

von seinem Stall aus die Stellung und Ole der Schmied hatte sich<br />

im Haus der Witwe Adding versteckt, welches am Stadtrand<br />

stand, und konnte nun von hinten eingreifen, wenn es brenzlig<br />

wurde. Die fast zwanzig Mann hoch zu Ross zügelten auf Befehl<br />

ihres Bosses Ray Collin ihre Pferde und kamen zwei Yards vor<br />

Sheriff Armstrong zum stehen. Ray beugte sich im Sattel vor um<br />

den Gesetzeshüter zu Mustern, der ihm den Weg versperrte.<br />

„ Es ist doch immer das Gleiche. In jeder Stadt gibt es einen, der<br />

ein Held sein will!“ rief er mit lauter Stimme, so das alle es hören<br />

konnten und in Gelächter fielen.<br />

Mit gespielter Verlegenheit schob er seinen Hut etwas zurück und<br />

ratzte sich am Kopf.<br />

„ Mh. Was machen wir nun mit ihnen Sheriff. Gehen sie freiwillig<br />

zur Seite oder muss mein Revolver nachhelfen.“<br />

25


Jett wartete bewusst eine volle Minute bevor er Antwortete. Das<br />

machte die Bande Sichtlich nervöser und ihm gab es Chance noch<br />

einmal tief durch zu atmen um dann mit fester Stimme zu sagen.“<br />

Hier gibt es <strong>für</strong> euch nichts mehr zu holen. Frauen und Kinder<br />

haben die Stadt verlassen und ihre Wertsachen mitgenommen. Ihr<br />

stoßt hier also nur auf kampfbereite Männer, die mit allen Mitteln<br />

kämpfen werden.“<br />

„ Ha, wo sind sie denn? Ich sehe niemanden außer einen<br />

Lebensmüden Sheriff.“<br />

„ Auf diesen Trick fallen wir ganz bestimmt rein. Ich werde ihre<br />

Positionen nicht so einfach verraten. Aber lass es nur darauf<br />

ankommen. Der erste der Tot vom Pferd fällt bist du. Dicht<br />

gefolgt von deinen Brüdern.“<br />

Ray sah gelangweilt auf seine Fingernägel und nahm von der<br />

Drohung keine ernste Notiz.<br />

„ Ich glaube Sheriff, ihr habt da etwas Wichtiges vergessen. Wo<br />

ich bin, gehört mir alles. Und um euch dass zu verdeutlichen habe<br />

ich ein wunderbares Denkmal mitgebracht.“ Ein kurzer wink mit<br />

der Hand genügte, und schon rollte der Wagen heran, der dahin<br />

beim Boothill wartete. Jett schloss einen Moment die Augen. Er<br />

wusste genau, was nun kam.<br />

Marshall Ryder. Wie erwartet zogen zwei Männer ihn aus dem<br />

Wagen. Sie packten ihn unter den Armen und zogen ihn bis zum<br />

Sheriff. Ryders gefesselte Füße schleiften durch den Straßenstaub<br />

und hinterließen eine Schleispur. Unsanft ließen sie ihn los, so<br />

dass er vor Jett der Länge nach hinfiel.<br />

Armstrong hatte Mühe seine Haltung zu bewahren. Am liebsten<br />

würde er das Gewehr hoch reißen und alle abknallen. Er blinzelte<br />

kurz zu Nick hinunter und fragte besorgt“, Hey Amigo. Alles in<br />

Ordnung?“ Nick konnte nur bejahend nicken, weil er immer noch<br />

den Knebel im Mund hatte.<br />

26


Ray stemmte beide Hände in die Hüfte und streckte sich, um<br />

möglichst groß und überlegen zu wirken. „ Na wie denken sie nun<br />

über meine Absichten nach.“ Er gab seinen Männern einen Wink,<br />

die ohne ausgesprochene Befehle wussten, was zu tun war.<br />

Marshall Ryder wurde an einem Pfeiler des Stepwalk gefesselt.<br />

Es tat gut die Arme endlich wieder nach vorne zu haben, nach<br />

einer langen Nacht, in der sie auf dem Rücken gebunden waren.<br />

Nick lehnte seinen Kopf gegen den Pfeiler. So kam er mit den<br />

Händen an den Knebel und konnte ihn lösen. Das alte, dreckige<br />

Tuch, welches sie ihm in dem Mund gestopft hatten war endlich<br />

entfernt. Seine Kehle war völlig ausgetrocknet. Er hatte nicht mal<br />

mehr Speichel im Mund zum Schlucken. Als er das Tuch am<br />

Boden liegen sah, musste er gegen einen Erbrechungsreitz<br />

ankämpfen. Es sah aus, als hätte es jemand <strong>für</strong> seine Notdurft<br />

benutzt und es stank auch so. Mit den Füßen trat er es vom<br />

Stepwalk hinunter um es nicht ständig vor Augen zu haben.<br />

<strong>Zwei</strong> der Bande postierten sich daneben und hielten ihre Gewehre<br />

griffbereit.<br />

Lässig sich Ray Collin aus seinem Sattel gleiten. Er gab drei<br />

Schüsse in die Luft ab und fing mit einer lauten Rede an. „ Bürger<br />

der schönen Stadt <strong>Cutter</strong>. Von Heute an habe ich das Kommando<br />

hier. Jeder hat sich meinen Befehlen zu beugen. Meine Männer<br />

werden <strong>für</strong> Ordnung und gehorsam sorgen. Niemand nähert sich<br />

dem Gefangenen. Ein Abstand von zwei Yards ist unbedingt<br />

einzuhalten.“ Mit einem Stock zog einer der Wachen einen Strich<br />

in den Sand der Straße. Dann sprach Ray weiter. “ Für alle die,<br />

die nicht wissen was zwei Yards sind, haben meine Männer eine<br />

Linie gezogen. Sollte sich Jemand zum Held aufspielen wollen,<br />

wird dies euer Marshall büßen müssen. Für jeden Aufstand<br />

bekommt er zehn Peitschenhiebe. Ich glaube, mehr muss ich dazu<br />

nicht sagen. Nicht wahr Sheriff?“ seine Frage war Jett gerichtet,<br />

27


der die Zähne aufeinander biss um nichts falsches aus Wut zu<br />

sagen.<br />

Er hoffte nur, dass nicht Deputy Cooper oder Walker nun falsch<br />

reagierten. Sie mussten jetzt unbedingt still bleiben und sich nicht<br />

zeigen. Dann konnten sie aus dem Hintergrund angreifen, wenn es<br />

zu einem Kampf kam. Ole und Murphy hatten schnell begriffen,<br />

dass sie abwarten mussten. So lange Nick in der Schusslinie und<br />

unter Bewachung stand konnten sie nichts tun. Jedes Eingreifen<br />

hätte ihm nur geschadet, da<strong>für</strong> standen die Wachposten gleich<br />

neben ihm.<br />

„ Lassen sie mich ein paar Worte mit Marshall Ryder reden.“<br />

Sagte Jett. „ Warum sollte ich.<br />

Das tun?“ gab Ray mit einem hämischen Grinsen zurück.<br />

„ Weil ich ihnen dann im Gegenzug verraten werde, wo unser<br />

Salooner seinen guten Whisky versteckt hält. Und <strong>für</strong> jedem<br />

entgegenkommen ihrerseits, werde ich mich erkenntlich zeigen.<br />

Es gibt noch so einiges was sie sonst nie erfahren würden.“<br />

„ Ich könnte es auch aus ihnen rauspeitschen lassen.“ Ray war ein<br />

harter Verhandlungsmann.<br />

„ Sicher, aber glauben sie mir, dass ich unter Folter ganz<br />

bestimmt noch vieles verschweigen werde. Und warum so<br />

umständlich , wenn <strong>für</strong> uns Beide auch einfacher geht. Sie haben<br />

doch nur Vorteile dadurch, viel mehr wie ich.“<br />

Mit der Hand rieb sich Ray sein stoppeliges Kinn und bemerkte<br />

nach wenigen Sekunden“, Ok. Sie haben zwei Minuten. Und<br />

sollten sie mich reinlegen wollen, wird es der Marshall ausstehen<br />

müssen.“ „ Das sagten sie schon. Sie wiederholen sich.“<br />

Jett musste bei den Wachen seine Waffen abgeben. Sie<br />

beobachteten ihn scharf, und doch sahen nicht, wie Jett ein Tuch<br />

aus der Tasche holte und es kurz in den Wassertrog der Pferde<br />

tunkte. Er kniete vor Nick nieder und sah er jetzt die vielen<br />

verkrusteten Wunden im Gesicht seines Freundes.<br />

28


„ Hey. Du siehst gut aus.“ Sagte er verlegen. Mit krächzender<br />

Stimme gab Nick zurück, “ Du warst schon immer ein schlechter<br />

Lügner. Wie sieht es aus. Hast du einen Plan.“<br />

„ Ich hatte einen. Aber die Situation hat sich geändert. Im Notfall<br />

liegen hier überall Dynamitstangen versteckt.“ Jett sah sich nach<br />

allen Seiten um. Die Wächter amüsierten sich über einen Streit,<br />

der unter zwei Bandenmitgliedern ausbrach. Sie beschimpften<br />

sich mit übelsten Worten. Verdeckt steckte Armstrong das nasse<br />

Tuch zu. „ Hier. einen Becher konnte ich so schnell jetzt nicht<br />

schmuggeln.“ Dankbar zerdrückte Nick das Tuch in seiner Hand<br />

und fing die Wassertropfen mit der Zunge auf. Es war nicht viel,<br />

aber es half. Er fühlte sich gleich besser. „ Wo sind die ganzen<br />

Leute hin? Hier sieht es aus wie in einer Geisterstadt.“ Bemerkte<br />

Nick. „ Ich habe Frauen und Kinder fort geschickt. Es sind nur<br />

noch ein paar Männer hier geblieben, die sich trauen<br />

einzugreifen.“ „ Bevor du die ganze Stadt in die Luft sprengst…“<br />

Er wollte noch mehr dazu sagen, aber in diesem Moment kam<br />

eine Frau über die Straße gerannt. Weinend und völlig<br />

aufgebracht schrie sie<br />

„ Nick, Nick!“ „ Wieso ist Carrol-Ann noch hier!“ Jett drehte<br />

sich erstaunt um.<br />

Sie genau in die Arme von Bob Collin, der sie fest an sich drückte<br />

und seine Zähne bleckte.<br />

„ Na du süße Maus. Hast dich wohl verirrt hier. Haha, seht her<br />

Jungs. Durchsucht die Häuser. Ich bin sicher <strong>für</strong> euch sind auch<br />

noch ein paar Weiber auf zu finden. Die hier gehört jetzt mir.“<br />

Carrol-Ann versuchte verzweifelt sich aus dem Griff zu befreien.<br />

Doch je mehr sie ich wehrte, desto fester wurde der Griff um<br />

ihren Unterarm, so dass es schon schmerzvoll war.<br />

Sie schlug mit der anderen Hand auf Bob ein, aber dieser lachte<br />

nur, zog sie enger an sich ran und drückte ihr einen Kuss auf.<br />

29


Nick sprang hoch. Wütend zerrte er an seinen Fesseln, aber sie<br />

lockerten sich kein bisschen.<br />

„ Lass sie los du Scheusal. Ich knall dich ab sobald ich frei bin.“<br />

Bob zog seinen Revolver aus dem Holster und richtete den Lauf<br />

auf Nick. Carrol hielt er in einem Fest Arm immer noch fest an<br />

sich gedrückt. Sie starrte auf die Waffe.<br />

„ So ist das also. Sie gehört zu dir. Das macht die Sache doch<br />

noch interessanter. Ich vergnüge ich nur ein bisschen mit ihr. Du<br />

hast ja den Pfahl, den du weiterhin umarmen kannst.“ „ Mach<br />

mich los und wir regeln das in einem Duell.“ Als Ray das<br />

nachdenkliche Gesicht seines Bruders sah mischte er sich in das<br />

Gespräch ein.“ Nimm sie mit und mach was du willst, aber wage<br />

es dir nicht ihn los zu Binden.“<br />

Jett sah sprachlos zu. Während Nick ihn beschimpfe.“ Verdammt,<br />

warum hast du nicht da<strong>für</strong> gesorgt, dass auch sie die Stadt<br />

verlässt! Lass sie nicht bei ihm, Jett. Er ist ein Untier er wird<br />

sie…“<br />

„ Ihre Zeit ist um Sheriff. Kommen sie hinter die Linie.“ Rief Ray<br />

dem Marshall ins Wort.<br />

„ Jett hör mir zu. Du musst zum Reverend gehen. Hörst du?“<br />

Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte Jett sich zum Marshall<br />

um.<br />

„ Was soll ich da?“ fragte er und war in Gedanken immer noch<br />

bei Carol-Ann, die er ganz vergessen hatte zu suchen, nachdem er<br />

sie am Bahnhof nicht gesehen hatte.<br />

Ray stellte sich Sheriff Armstrong in den Weg und schlug mit<br />

geballter Faust zu.<br />

„ Ich habe gesagt, kein Wort mehr.“ Jett wischte sich mit dem<br />

Daumen den Blutstreifen vom Mundwinkel. Seine Lippe war<br />

aufgeplatzt.<br />

Hinter ihm rief Nick noch einmal.“ Geh in die Kirche Jett. Und<br />

bete <strong>für</strong> mich!“<br />

30


„ Du sollst dein Maul halten!“ schrie Ray völlig außer Kontrolle.<br />

Er riss dem Wächter die Peitsche aus der Hand und schlug damit<br />

auf den Marshall ein. Nick konnte sich im letzten Moment<br />

wegdrehen, so dass die Hiebe ihn nicht im Gesicht trafen.<br />

Drei Striemen zog das Leder über seinen Rücken und zerfetzte<br />

das Hemd.<br />

Jett ballte seine Fäuste. Er konnte nichts tun, dass war auch <strong>für</strong><br />

ihn wie eine Folter. Jetzt hatte er mehr Probleme als er sich jemals<br />

vorgestellt hatte. Er musste Carol-Ann retten bevor der Kerl ihr<br />

was antun konnte. Nick musste endlich befreit werden und wer<br />

weiß wie lange Deputy Alex Cooper sich noch ruhig verhielt,<br />

wenn er das hier mit ansah.<br />

Außerdem gingen ihm noch die letzen Worte seines Freundes<br />

durch den Kopf. „ Bete <strong>für</strong> mich in der Kirche.“ Wieso gibt er mir<br />

eine solche Anweisung, wo ich doch jede Minute brauche, dass<br />

Schlimmste zu verhindern. Ich habe da<strong>für</strong> keine Zeit.“ Murmelte<br />

er in sich.<br />

Aber Nick hatte ihn mehrmals gebeten es zu tun. Es war eine sehr<br />

ungewöhnliche Bitte.<br />

Spürte er, dass sein Ende naht? Sah er keine Hoffnung mehr? Das<br />

konnten nicht die Gründe sein. Für Marshall Ryder gab es kein<br />

Aufgeben. Nie zuvor hatte er das Handtuch geschmissen. Auch<br />

nicht in den aussichtslosesten Fällen.<br />

Ray schrie ihm noch hinterher, “ das ist eine gute Idee. Geh und<br />

bete <strong>für</strong> den Marshall, denn er wird den nächsten Tag nicht<br />

überleben.“<br />

Langsam drehte Armstrong sich um. Mit kalten Augen sah er Ray<br />

an. „ Du auch nicht!“<br />

Sagte er nur.<br />

Nach zwei Stunden Suche stand Jett in seinem Office und<br />

grübelte. Er konnte weder Carrol-Ann noch Bob finden. Nick<br />

würde ihm das nie verzeihen, wenn ihr etwas zugestoßen ist.<br />

31


Schließlich hatte er da<strong>für</strong> gesorgt, dass alle Frauen die Stadt<br />

verlassen und ausgerechnet Carol hatte sich versteckt um hier zu<br />

bleiben. Er konnte ihre Sorge um Nick verstehen, aber es war<br />

reine Dummheit, wie sich nun herausstellte. Murphy und Ole<br />

wurden ebenfalls längst entdeckt und saßen nun bei ihm im Jail.<br />

Die Schlüssel hatte Ray bei sich, auch die fünf Winchester, die im<br />

Schrank standen waren in dessen Gewahrsam.<br />

Immer wieder sah Jett aus dem Fenster. Überall amüsierten sich<br />

die Männer der Bande. Sie traten Türen ein, zerschlugen<br />

Fensterscheiben und schossen wahllos in die Luft.<br />

Werbeschilder wurden zu Zielscheiben.<br />

Einer der Bande stand vor der Tür zum Zellenraum. Mit<br />

verschränkten Armen und breitbeinig hielt er Wache. Er<br />

beobachtete jeden Schritt den Jett machte, bewegte sich aber kein<br />

bisschen.<br />

Jett nahm gar keine Notiz von ihm. Er war zu sehr in Sorge um<br />

Carrol-Ann.<br />

Aus den Augenwinkeln nahm er einen vorbeihuschenden Schatten<br />

wahr, der nur <strong>für</strong> Sekunden am Seitenfenster auftauchte. Ein<br />

Blick zum Wachmann verriet ihm, dass dieser davon nichts<br />

bemerkt hatte. Belanglos ging Jett zum Fenster und blickte<br />

hinaus. Er hatte alle Mühe ein gelangweiltes Gesicht zu zeigen,<br />

als er Lex Cooper erkannte, der sich dicht an die Hauswand<br />

drückte und den Schatten ausnutzte. Er hielt einen Zettel hoch und<br />

grinste dabei. Armstrong riss die Augen auf als er die Nachricht<br />

las: Carrol in Sicherheit. Musste Bob niederschlagen. Hat mich<br />

nicht gesehen. Bleibe weiterhin in Deckung.<br />

Er hatte es sich nicht nehmen lassen am Ende der Meldung das<br />

lachende Gesicht eines Strichmännchens zu malen.<br />

Um sein lachen zu Unterdrücken hüstelte er und hielt sich die<br />

Hand vorm Mund.<br />

32


Die Sonne stand nun hoch am Himmel und schickte ihre heißen<br />

Mittagsstrahlen hinunter.<br />

Jett hatte einen schnellen Gang drauf, als er zur Kirche lief.<br />

Was wollte Nick damit erreichen? Es kostete doch nur Zeit, sich<br />

dort hin zu setzen und zu Beten. Aber es schien ihm wichtig zu<br />

sein, sonst hätte er nicht die Peitschhiebe in Kauf genommen um<br />

ihn noch einmal ausdrücklich zu Bitten.<br />

Das große Tor am Eingang der Kirche knarrte beim öffnen. Jett<br />

trat ein und schloss sie hinter sich wieder zu. Sollte sein Verfolger<br />

doch selber die Tür wieder öffnen.<br />

Er wurde auf Schritt und Tritt überwacht. Stets ging einer hinter<br />

ihm, der verhinderte, dass Jett irgendetwas aushecken konnte.<br />

Sogar hier her, ins Haus Gottes begleitete ihn der Revolvermann.<br />

Er hatte nicht den Anstand den Hut abzunehmen, und schon gar<br />

nicht seine Waffen.<br />

Jett ging bis zur vordersten Bank, machte ein Kreuz und setzte<br />

sich. Der Bandit blieb zwei Bänke hinter ihm stehen. Reverend<br />

Linden kam von Vorne herein, setzte sich neben Jett und reichte<br />

ihm ein Gebetsbuch. „ Lass uns zusammen <strong>für</strong> ein glückliches<br />

Ende der Besatzung beten. Schlage Seite fünf und dreißig auf.“ Er<br />

sagte es laut genug, so dass der Mann in der dritten Reihe seine<br />

Worte verstehen konnte.<br />

Dann drehte er sich zu ihm um und sagte“, Mein Sohn, möchten<br />

sie mit uns zusammen beten?“ Über die Antwort war keineswegs<br />

überrascht. „ Ich glaube nicht an diesen Quatsch. Aber tun sie sich<br />

keinen Zwang an, Pfaffe.“<br />

Während Reverend Linden mit dem Mann sprach schlug Jett<br />

seufzend das Buch auf. Er hatte ein Gebet oder einen Liedtext<br />

erwartet, aber nicht dass, was er nun vorfand.<br />

Ein eingelegter Zettel auf dem mit steilen Buchstaben etwas<br />

geschrieben stand. Jett erkannte diese Schrift sofort. Schließlich<br />

hatte er Nick das Schreiben beigebracht, als sie noch Kinder<br />

33


waren. Seinetwegen durfte Ryder die Schule in der ersten Klasse<br />

nicht mehr besuchen. Darauf hin trafen sie sich nachmittags in<br />

einer Höhle und Jett brachte ihm alles bei was er im Unterricht<br />

gelernt hatte.<br />

Sinnlich, so wie es ein betender wohl tun würde las er die<br />

Nachricht.<br />

Hey Jett<br />

Wenn du das liest, geht es mir wohl nicht sehr gut oder ich bin<br />

sogar schon tot.<br />

Also hier mein Ausweichplan: Ray Collin ist wie ich aus<br />

Berichten erfahren habe sehr Abergläubig. Er leidet an Alpträume<br />

und glaubt an Geister und Zauberei.<br />

Leonard hat in seiner Praxis ein Rauschmittel, welches nach dem<br />

einnehmen Halluzinationen hervorruft. Gebe Ray etwas in seinen<br />

Kaffee. Am besten auch den Anderen. So vielen wie möglich. In<br />

meinem Haus steht eine Truhe im Schlafzimmer. Dort bewahre<br />

ich noch alte Dinge der Indianer auf. Eine Schwarze Adlerfeder<br />

und einen Seelenbeutel. Mach ihm klar, dass ich mich rächen<br />

werde, wenn ich tot bin. Nutze das Chaos und räume mit der<br />

Bande auf.<br />

So wird am wenigsten beschädigt. So Long mein Freund<br />

Nick<br />

Jett las die Zeilen mehrmals durch. Wenn ich tot bin, hat er<br />

geschrieben. Ein eiskalter Schauer zog über seinen Rücken.<br />

Dieser Plan war gut, aber er musste auch funktionieren, wenn<br />

Nick noch am Leben ist. Nach seinem eigenen Plan wären viele<br />

Häuser in Brand aufgegangen und bestimmt auch einige Männer<br />

34


ei getötet worden. Das Dynamit kann er immer noch als<br />

allerletzten Ausweg nutzen.<br />

Andächtig schlug er das Gebetsbuch wieder zu und reichte es dem<br />

Reverend.<br />

„ Ich danke ihnen <strong>für</strong> ihren Beistand.“ „ Ich war nur sein Diener.<br />

Den wahren Beistand erhältst du von dort.“ Er wies mit dem<br />

Zeigefinger zum Himmel und lächelte dabei.<br />

Wieder musste Jett sich verstellen und mit sorgenvollem Gesicht<br />

an seinem Verfolger vorbeigehen. Doch innerlich schmunzelte er.<br />

Auf eine solche Idee konnte wieder nur Nick kommen.<br />

Nun musste er mit Doktor Leonard reden ohne, dass ihn der Kerl<br />

auch dahin folgte.<br />

Schnell kam ihm eine Lösung <strong>für</strong> dieses Problem.<br />

Er drehte sich um und grinste den Verfolger an. Dann spurtete er<br />

so schnell er konnte vorwärts. Sein Verfolger war gut in Form<br />

und hätte ihn fast eingeholt, bevor Jett die anvisierten Stufen des<br />

Stepwalk erreichte. Mit Schauspielerischer Leichtigkeit stolperte<br />

er die Stufen hinauf und ließ sich fallen.<br />

„ Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, mir so entkommen zu<br />

können.“ Drohte der Kerl mit tiefer Stimme. „ War ein Versuch<br />

wert“ gab Jett zurück und rieb seinen Knöchel. „ Ich habe mir den<br />

Fuß verstaucht. Vielleicht ist er sogar gebrochen!“ schimpfte<br />

Armstrong.<br />

„ Das ist alleine deine Schuld. Warum läufst du auch weg.“<br />

Jetzt hatte er einen guten Grund dem Arzt ohne Verdacht auf zu<br />

suchen. Er täuschte ein Humpeln vor, dass ihm jeder geglaubt<br />

hätte.<br />

„ Soll ich ihnen helfen Sheriff?“ „ Fass mich ja nicht an. Ich<br />

brauche keine Hilfe von einem Mann der mir ständig auf den<br />

Fersen ist und nur darauf wartet mich endlich abknallen zu<br />

dürfen.“<br />

35


Unbemerkt von den Wachen zwinkerte er seinem Freund zu, als<br />

er auf dem Weg zu Doktor Leonard war. Ryder hatte es gesehen<br />

und wusste nun, dass Armstrong den Reverend aufgesucht hatte.<br />

Als Jett dann noch mit Daumen und Zeigefinger ein C formte und<br />

grinste, war <strong>für</strong> den Gefangenen klar, dass auch Carol in<br />

Sicherheit war.<br />

Dies gab ihm wieder etwas kraft. Denn er konnte bisher nur<br />

hilflos zusehen, wie die Männer die Häuser plünderten und<br />

Unschuldige verprügelten.<br />

Jeder, der an ihm vorbei ging zeigte Mitleid, doch niemand traute<br />

sich einzugreifen. Zu groß war die Macht der Collinbande.<br />

Nick hatte von ihnen auch keine Hilfe erwartet. Er wusste, dass er<br />

sich voll und ganz auf Jett verlassen konnte. Das schlimmste an<br />

dieser Lage war das Durstgefühl. Die Zunge klebte trocken am<br />

Gaumen und das Schlucken fiel ihm schwer. Der Magen knurrte<br />

längst nicht mehr. Er war es gewohnt nicht immer was zu Essen<br />

zu haben, besonders bei langen Verfolgungen. Da saß er oft<br />

Tagelang im Sattel und machte nur kurze Pausen bei<br />

Trockenfleisch und Wasser.<br />

Die Schläge, die er ab und zu abbekam waren harmlos. Die<br />

Männer waren so betrunken, dass sie nicht mal mehr richtig<br />

zuschlagen konnten. Ihnen machte es nur spaß den gefesselten<br />

eins aus zu Wischen. Er konnte sich ja nicht wehren.<br />

Vor der Praxis hielt Jett inne. „ Ich bin verletzt und will zum Arzt.<br />

Du kannst hier draußen warten. Mit dem Fuß kann ich dir doch<br />

nicht weg laufen.“<br />

„ Das geht nicht. Ich habe Anweisung sie überall hin zu folgen.“<br />

„ Vielleicht sogar noch auf den Balken? Willst du mir dann noch<br />

das Papier anreichen?<br />

Du kannst mich durch das Fenster sehen. Das muss genügen.“<br />

36


Widerwillig blieb er vor dem Fenster stehen und starrte hinein.<br />

Der Sheriff hatte ja Recht. Weg laufen konnte er nicht und von<br />

hier hatte er ihn auch im Auge.<br />

Arztpraxen waren so wie so nicht sein Fall. Es roch immer<br />

komisch dort und er hatte böse Erinnerungen an so was. Da blieb<br />

er liebend gerne an der frischen, wenn auch heißen Sommerluft.<br />

Der Sheriff fand Doktor Leonard am Schreibtisch sitzend,<br />

grübelnd über aufgeschlagene Bücher. „ Tag Doc. Ich brauche<br />

deine Hilfe.“ Er kam ohne Umwege gleich zur Sache und erklärte<br />

alles. Leonard hörte erstaunt zu. Er sagte kein Wort, auch nicht,<br />

als Jett längst fertig war. „ Na was sagst du?“ „ Das ist doch<br />

verrückt. Zeig mir erst mal deinen Fuß.<br />

Du wirst beobachtet, da soll es doch auch echt aussehen. Am<br />

besten schreist du noch etwas, wenn ich ihn verdrehe.“<br />

Während Leonard so tat, als würde er den Fuß untersuchen, redete<br />

er weiter über geplante Sache.<br />

„Wieso knallen wir sie nicht einfach ab.“ „ So was sagt ein Arzt?<br />

Aua!“ Gab Jett als Gegenfrage und verzerrte das Gesicht, weil der<br />

Doc ihm in das Bein kniff. „ Du sollst schreien, sonst fallen wir<br />

noch auf….Was hat das damit zu tun das ich Arzt bin. Sie<br />

plündern unsere Häuser und Morgen werden sie alles in Brand<br />

stecken, willst du das etwa?“<br />

„ Genau das will ich ja verhindern. Nur so können wir die Stadt<br />

ohne Verluste befreien. Also gib mir endlich das Zeug!“ Auf<br />

seiner Stirn bildete sich eine tief Falte. Er konnte die <strong>Zwei</strong>fel des<br />

Arztes nicht verstehen. Um nicht noch mehr Zeit zu<br />

verschwenden drängte Jett noch einmal nach.“ Komm schon. Es<br />

ist genial und es wird klappen.“<br />

„ Wie willst du ihm das unterjubeln?“ Leonard hatte immer noch<br />

<strong>Zwei</strong>fel. Ihm war die Sache noch nicht perfekt genug. „ Ich gebe<br />

es Peggy-Sue. Sie kann einen Kuchen backen und die Männer<br />

damit verführen. Außerdem trinkt Ray fast Stündlich einen Kaffee<br />

37


ei ihr. Da ist es kein Problem noch etwas von dem Zeug dazu zu<br />

mischen. Er ist clever und will einen klaren Kopf haben, während<br />

sich alle anderen zulaufen lassen.“<br />

„ Nach dem Zeug hier, hat er mit Sicherheit keinen klaren Kopf<br />

mehr. Was willst du mit den Indianischen Sachen?“ „ Ihm noch<br />

mehr Angst einjagen.“<br />

Er kennt die rieten der Indianer und weiß, das eine schwarze<br />

Feder Unglück bringt. Besonders, wenn sie da liegt, wo vorher<br />

Nick saß.“<br />

Plötzlich blitze es in Jetts Augen. Er nahm das Fläschchen, dass<br />

ihm Leonard hinhielt und meinte beim hinausgehen „, ich habe da<br />

noch einen tollen Einfall!“<br />

Leonard sah ihm fragend nach. Was hatte er damit gemeint? „<br />

Hey warte mal.“ Rief er hinterher. „ Sag bescheid, wenn du meine<br />

Hilfe brauchst.“ Ein Kopfnicken zeigte ihm, dass Jett verstanden<br />

hatte.<br />

Er lief gleich über die Straße zum Hotel-Restaurant von Peggy-<br />

Sue. Der Wachmann folgte sofort. Ihm fiel gleich auf, dass der<br />

Sheriff nicht mehr humpelte und sagte erstaunt.<br />

„ Hey, ihrem Fuß geht es ja wieder gut!“<br />

„ Ja. Doktor Leonard ist eben ein guter Arzt.“ „ Was ist in dem<br />

Fläschchen?“ wollte er neugierig wissen. „ Meine Medizin.“ Gab<br />

Jett schlagfertig zurück.“ Ist ein Wundermittel wie du siehst. Ich<br />

kann wieder laufen.“ Er ging durch die Empfangshalle bis zum<br />

Büro und klopfte an Peggy-Sues Privater Tür an. Eine feine<br />

Frauenstimme sagte“ herein!“<br />

Schon wollte der Wächter folgen, aber Jett wies ihn auch diesmal<br />

zurück.<br />

„ Dies ist eine Private Angelegenheit. Ich bitte doch sehr um<br />

Disziplin.“<br />

„ Um was? Sie machen keinen Schritt ohne mich. Oder…“<br />

38


„ Wenn du mir drohen willst nur zu. Warum verfolgst du mich<br />

dann die ganze Zeit. Machen wir dem ein Ende, hier und jetzt.“<br />

„ Nein so läuft das nicht. Wenn sie ärger machen, bekommt es der<br />

Marshall zu spüren. So sind die Regeln.“<br />

Peggy-Sue war mittlerweile zur Tür gekommen und schaute auf<br />

die beiden Männer. Sie war eine clevere Frau und hatte sofort<br />

erkannt, welches Problem der Sheriff hatte. Noch bevor der<br />

Fremde sie gesehen hatte, löste sie mit einem Griff den<br />

Haarknoten und ließ ihre braunen Locken auf die Schulter<br />

hinunterfallen.<br />

Sie packte Jett am Halstuch und zog ihn zu sich heran. Bevor<br />

Armstrong noch irgendwie reagieren konnte, küsste sie ihn direkt<br />

auf die Lippen. Mit einem lächeln schob Peggy-Sue den Sheriff in<br />

ihr Büro und flüsterte dem verdutzten Mann im Gang zu.<br />

„ Das ist streng Geheim. Zu niemandem ein Wort.“ Dann trat sie<br />

einen weiteren Schritt auf ihn zu und flüsterte noch leiser“, Er ist<br />

doch verheiratet. Sie weiß nichts davon. Verstanden?“ Peggy-Sue<br />

wartete erst gar nicht auf eine Antwort sondern zog gleich die Tür<br />

hinter sich zu.<br />

„ Wenn ich wegen der Nummer Eheprobleme bekomme, hab ich<br />

ein Problem.“ Sagte Jett im lächeln. „ Keine Sorge. Wer soll das<br />

weiter erzählen. Aber sag mal, was hast du geplant um den<br />

Marshall zu retten? Du hast doch einen Plan, oder nicht? Ich kann<br />

das nicht länger mit ansehen. Sie haben ihn vor zwei Stunden<br />

wieder ausgepeitscht und getreten. Wie lange muss er das noch<br />

mitmachen?“ Jett sah ihr tief in die Augen. Ahnte sie was oder<br />

war es nur Zufall, dass sie nach seinem Vorhaben fragte.<br />

„ Ich habe tatsächlich einen Weg gefunden, dass heißt, es war<br />

Nicks Idee. Aber ich brauche deine Hilfe. Es ist nicht ganz<br />

ungefährlich und ich weiß nicht ob es überhaupt klappt, aber es ist<br />

eine Chance.“ Sie erwiderte seinen Blick mit ihren stahlblauen<br />

Augen. „ Rede nicht lange um den heißen Brei herum. Was hast<br />

39


du?“ Er holte das Fläschchen hervor und drückte es in Peggy-<br />

Sues offene Hand. „ Dies ist ein chinesisches Rauschmittel. Du<br />

musst es in die Mahlzeiten schmuggeln oder in den Kaffee von<br />

möglichst vielen der Bande.“<br />

Auf der Flasche war kein Etikett. Peggy-Sue drehte sie in ihrer<br />

Hand einmal ganz rund und meinte schließlich. „ Ist das auch<br />

Sicher?“ „ ganz Sicher. Doktor Leonard hat es schon getestet.<br />

Nicht an sich selber, wenn du das meinst, aber die Wirkung war<br />

gigantisch.“<br />

„ Ich habe da eine tolle Idee. Ich backe sofort einen Kuchen mit<br />

einer besonderen Füllung.“ Sie hielt das Fläschchen hoch ins<br />

Sonnenlicht, so dass die braune Flüssigkeit darin wie Goldwasser<br />

leuchtete.“ Die werden sich bestimmt um jedes Stück streiten.<br />

Dieser Ray kommt garantiert nachher wieder zu einem Kaffee.<br />

Ihm kann ich eine ordentliche Dosis untermischen.“ Besorgt<br />

nahm Jett sie an den Schultern. „ Sei vorsichtig. Und wenn<br />

irgendetwas schief geht, ich bin sofort bei dir. Wenn …“ „ Nun<br />

hör schon auf, Sheriff. Ich bin kein Kind mehr.“ Sie hielt ihn noch<br />

einmal zurück, als Jett schon die Türklinke in der Hand hielt. „<br />

Warte.“ Erneut drückte sie ihm einen Kuss auf. Diesmal auf die<br />

Wange, so dass ihr roter Lippenstift einen Abdruck hinterließ.“ Es<br />

muss doch Echt aussehen. Öffne noch ein paar Knöpfe vom<br />

Hemd.“<br />

Als Jett heraus kam und sich die soeben geöffneten Knöpfe zu<br />

machte, sah er den Wächter auf einer Bank sitzen. Er schien zu<br />

schlafen, dennoch war er wachsam und öffnete sofort die Augen.<br />

„ Wolltest wohl vorbei schleichen. Pech gehabt. An mir kommt<br />

niemand vorbei.“<br />

„ Wie lange wollt ihr hier noch unheil treiben?“ frage Jett um das<br />

Thema zu wechseln und keinen Argwohn aufkommen zu lassen. „<br />

So lange wie es uns gefällt. Euere Vorräte sind massig und der<br />

Whisky ist gut, da wird es wohl noch etwas dauern bis hier alles<br />

40


Niederbrennt.“ „ Das Anzünden könnt ihr dann auch lassen. Ihr<br />

habt doch alles bekommen was ihr wolltet.“ „ Haha. Nein, nicht<br />

alles. Das soll eine Strafe da<strong>für</strong> sein, dass ihr die Frauen fort<br />

geschickt habt. Außer ein paar Mutigen, ist doch kein Weib mehr<br />

da, welches uns befriedigen könnte. Da müssen wir uns den Spaß<br />

eben anders besorgen.“<br />

„ Ihr lasst ja die Finger von Peggy-Sue. Immerhin bewirtet sie<br />

euch gut. In Olgas Freudenhaus warten noch Mädchen auf euch.<br />

Die sind extra hier geblieben.“<br />

„ Die paar reichen gerade <strong>für</strong> die Collins und die Anführer. Wir<br />

sind aber weitaus mehr Männer.“<br />

Jett begab sich zurück ins Office. Er konnte nun nichts weiter tun,<br />

als abwarten. Es viel ihm deutlich schwer, erst Recht, da er seinen<br />

Freund in Gefahr wusste. Dennoch blieb ihm nichts anderes übrig.<br />

Wie zuvor beobachtete er die Straße und mit Erleichterung Ray<br />

Collin zum Restaurant stiefeln. Peggy-Sue musste es schaffen.<br />

Von ihr hing nun alles ab. Warum sie nicht mit in den Zug<br />

gestiegen war, konnte Jett nicht verstehen, aber er wusste auch<br />

welchen Grund sie da<strong>für</strong> hatte. Ihr Hotel war alles was wo<strong>für</strong> sie<br />

lebte. Mit vielen Höhen und Tiefen hatte sie sich durchgebissen<br />

um in einer so rauen Stadt wie <strong>Cutter</strong> als Geschäftsfrau anerkannt<br />

zu werden. Es war eine harte Zeit in der Männer das sagen hatten<br />

und vor allem Wirtschaft und Politik regelten. Armstrong wusste<br />

auch, dass sie ihr Hotel mit aller Macht verteidigen wird, und<br />

wenn es ihr Tot sei.<br />

Um seine Wache mache er sich keine Sorgen. Mit diesem Kerl<br />

würde er auf jeden Fall fertig werden. Der spielt nur den harten<br />

Mann.<br />

Die Stunden schlichen dahin. Nick saß versunken am Pfahl. Ihn<br />

quälte der Durst. Er war schlimmer als alles andere. Nur das<br />

41


Zwinkern seines Freundes vor vier Stunden, hielt ihn bei Kräften.<br />

Jets lag alles in Jetts Händen.<br />

In Gedanken versunken stand Armstrong am Fenster. Plötzlich<br />

entdeckte er Peggy-Sue, die mit einem Kuchenblech über die<br />

Straße ging. Es kam genauso wie sie sagte. Schnell sprach sich<br />

unter den Banditen rund, dass es was zum Naschen gab und sie<br />

kamen aus ihren Löschern. Peggy-Sue spielte ihre Rolle sehr<br />

überzeugend. Er hörte wie sie schimpfte<br />

„ dieser Kuchen ist <strong>für</strong> den Sheriff, Pfoten weg. Lasst mich<br />

durch!“<br />

Allein die Tatsache, dass das gute Gebäck <strong>für</strong> den Feind bestimmt<br />

war, ließ die rauen Männer nicht davon ab, jedes Stück zu in sich<br />

hinein zu stopfen, damit nichts mehr <strong>für</strong> den Sternträger übrig<br />

bleibt.<br />

Sie standen nun mit fünf Mann um Peggy-Sue herum und<br />

machten ihre Späße. Jett beobachtete sie scharf. Einer fasste ihr<br />

an den Po und grinste dabei hämisch.<br />

Peggy-Sue schlug ihm die Hand weg und blickte drohend in<br />

dessen Augen.<br />

Das Blech war leer gegessen. Ein <strong>Zwei</strong>ter fing an, an ihren<br />

Haaren zu spielen, die sie wieder zu einem Knoten gebunden<br />

hatte. Er versuchte die Spange zu lösen. Jett hatte alle Muskeln<br />

angespannt. Er war sprungbereit, und wollte schon zur Tür raus<br />

laufen, dann sah er im letzten Augenblick, wie sie sich schon<br />

selber verteidigt hatte.<br />

Mit Schwung bekam der Bandit das leere Backblech auf den Kopf<br />

zu spüren.<br />

Augenblicklich torkelte dieser ein paar Schritte zurück.<br />

„ Gut gemacht“ flüsterte Jett sich selber zu. Dann aber riss der<br />

Mann hinter ihr sie zu sich um.<br />

Peggy-Sue fiel in seine Arme, das Blech schepperte zu Boden und<br />

sie hatte keine Chance mehr sich aus diesem Griff zu Befreien.<br />

42


Ihre kleinen Fäuste hämmerten auf die Schulter des Mannes, der<br />

sie gar nicht zu spüren schien. Gierig küsste er ihr Lippen und<br />

drückte Peggy-Sue so feste an sich, dass sie kaum noch Luft<br />

bekam.<br />

Vom Fenster aus, sah Jett, wie ihr Arm kraftlos herunter fiel.<br />

Sofort stürmte er auf die Szene zu. Die Männer hatten noch gar<br />

nicht begriffen, was da geschah.<br />

Jett riss den Bandit an den Haaren zurück und schlug so fest<br />

gegen dessen Schläfe, dass dieser ohne Gegenwehr in die Knie<br />

sank.<br />

„ Noch jemand hier, der sich an dieser Frau vergreifen will?“<br />

Stumm standen die Anderen da. Niemand traute sich etwas zu<br />

sagen.<br />

Sie starrten vor sich hin, als wäre Jett ein Geist. Peggy-Sue hatte<br />

sich wieder erholt und griff sich an die Kehle um tief Luft zu<br />

holen. „ Alles klar?“ fragte Jett besorgt.<br />

„ Ja. Danke.“ Sagte sie und fügte leise hinzu“, das Zeug zeigt<br />

schon seine Wirkung. Sieh sie dir doch an. Sie schwanken hin und<br />

her und sehen aus, als hätten sie zuviel getrunken.“<br />

Jetzt erst viel auch Jett auf, warum keiner der Anderen<br />

angegriffen hatte. Sie sahen sogar lustig aus, mit den roten<br />

Wangen und den glasigen Augen.<br />

„ Haben die Collins auch was abbekommen?“<br />

„ Ja. Ray, Phil und Lee. Dieser Bob ist noch nicht aufgetaucht.<br />

Ich weiß nicht wo er ist.“<br />

„ Naja. Mit dem werde ich schon fertig. Jetzt muss ich mich erst<br />

mal um meinen Bodyguard kümmern. Danach befreien wir Nick<br />

und las nächsten Schritt machen Ray ordentlich Angst.“<br />

In Peggy-Sues Augen blitze es. Sie sah wieder Hoffnung in diesen<br />

grauen Stunden.<br />

„ Was kann ich tun?“ fragte sie aufgeregt. „ Du suchst dir ein<br />

sicheres Versteck. Ich weiß nicht wie genau das Zeug wirkt.<br />

43


Wenn die Kerle auf einmal Liebeslust verspüren bist du hier nicht<br />

mehr Sicher. Da oben auf dem Dach liegt Deputy Cooper auf der<br />

Lauer. Erklär ihm, was hier geschehen ist und lass dich zu Carol-<br />

Ann bringen. Sie ist auch schon in einem Versteck.<br />

Lex soll dann zu mir kommen. Er kann sich jetzt öffentlich<br />

zeigen, soll aber auf der Hut sein.“<br />

Während sie seinen Anweisungen folgte, wenn auch wider<br />

strebig, sah Jett seinen Wächter aus dem Office kommen. Wie<br />

versteinert blieb er stehen und sah auf die Szene, die sich ihm da<br />

bot. Einer lag Bewusstlos am Boden, ein zweiter saß an der<br />

Tränke gelehnt und sang ein Lied in den schiefsten Tönen, zwei<br />

weitere tanzten dazu und benahmen sich wie Kinder auf einer<br />

Geburtstagsparty.<br />

Jett reagierte schnell und zog dem Bewusstlosen den Revolver aus<br />

dem Holster. Er wirbelte herum. Der Lauf zielte auf die Brust<br />

seines Verfolgers.<br />

„ Nimm die Hände hoch Angeber. Ab jetzt habe ich hier wieder<br />

das Sagen.“<br />

„ Was wird hier gespielt?“ fragte er verdutzt.<br />

„ Dieses eine Mal warst du wohl zu langsam. Ich hatte schon viel<br />

früher mit dir gerechnet. Wist wohl doch langsam müde was?“<br />

Er versuchte gar nicht erst seinen Gefangenen die Waffe zu<br />

entnehmen. Ohne Vorwarnung schlug er auch diesen Mann zu<br />

Boden durch einen gezielten Schlag auf dessen Schädel mit dem<br />

Revolverkolben. „ Dann schlaf eine Runde. Süße Träume.“<br />

Kaum war er damit fertig, kamen auch schon Lex und Benno über<br />

die Straße gerannt.<br />

Noch völlig außer Atem keuchte Lex „, Peggy-Sue hat mir alles<br />

erzählt. Was ist denn das <strong>für</strong> ein verrückter Plan?“ „ Frag nicht, er<br />

ist von Nick. Helft mir, die Kerle hinter Gitter zu Sperren. Und<br />

dann befreien wir Nick.“<br />

44


Sie packten die benommenen Männer und schoben sie ins Office.<br />

Sie ließen alles mit sich gefallen. Willenlos befolgten sie die<br />

Befehle und machten sich witzig über belanglose Dinge, wie dem<br />

Schreibtisch und dem Schrank. Über die Blumen auf dem Regal<br />

fing einer an zu Lachte und lallte“, Ich schenke dir einen Strauß<br />

sentimentales Gemüse, mein Freund.“ Dann brach er in eine<br />

Lache aus, die fast ansteckend war. Benno schüttelte lachend den<br />

Kopf.<br />

„ Hast du schon einmal jemanden so lachen gehört?“ Auch Jett<br />

amüsierte sich. Nicht nur, weil in die lustige Stimmung angesteckt<br />

hatte, sondern auch über den Erfolg den er erzielt hatte.<br />

„ Lex blieb vor einer Zelle stehen und bemerkte“, wir haben<br />

keinen Schlüssel. Den hat Ray immer noch eingesteckt.“ Ole und<br />

Murphy kamen bis an die Gitterstäbe um die Lage besser sehen zu<br />

können. Seit die Bande hier in der Stadt hauste saßen sie hier fest.<br />

Das war die erste Aktion, die Ray gleich nach dem auspeitschen<br />

des Marshalls vernommen hatte.<br />

Ole verriet sich durch einen Schuss, der daneben ging, und<br />

Murphy war einfach zu alt um noch in den Kampf zu ziehen. Er<br />

hatte keine Chance, als er Ray niederschlagen wollte. Beide<br />

konnten nur von Glück sagen, dass sie hier eingesperrt und nicht<br />

erschossen wurden.<br />

In den anderen Städten hatten sie sogar welche erhängt, die sich<br />

widersetzten.<br />

„ Hier nimm die Handschellen und fessele sie ans Gitter.“ Befahl<br />

Jett seinem Deputy. Dann wandte er sich an Ole und Murphy. „<br />

Benno bringt euch gleich etwas Wasser und was zu Essen. Tut<br />

mir Leid, dass hier noch festsitzt.“<br />

„ Es ist nicht deine Schuld.“ Gab Murphy mit seiner beruhigenden<br />

tiefen Stimme zurück.<br />

Ole umfasste die Stäbe der Gefängnistür. Er umklammerte sie so<br />

fest, dass die Knöchel seiner Hände weiß wurden. „ Sheriff! Tun<br />

45


sie alles um den Marshall zu retten. Kümmern sie sich nicht um<br />

uns, wir kommen klar.“ Murphy trat ebenfalls an die Tür und<br />

stieß Ole mit seinem Ellenbogen leicht in die Rippen. „ Hör nicht<br />

auf ihn Jett. Natürlich sollst du Nick retten, aber vergiss uns nicht<br />

dabei. Ich habe wahnsinnigen Durst und etwas zu Essen wäre<br />

auch nicht falsch. Mag sein, dass Ole genug Speck auf den<br />

Rippen hat, ich aber nicht.“<br />

„ Ich verspreche euch, dass ich weder Nick noch euch vergesse!“<br />

Er reichte ihnen noch eine Winchester rein, mit der Auflage, sie<br />

auch zu benutzen, sollten die Gefangenen sich nicht ruhig<br />

verhalten.<br />

Damit war hier im Jail alles unter Kontrolle. Sorge machte ihm<br />

Bob Collin. Der Mann war gefährlich und ausgerechnet er hat von<br />

dem Rauschmittel nichts abbekommen.<br />

Sobald er spürt, dass hier nicht mehr alles so läuft, wie geplant,<br />

wird er ausrasten und dann doch noch viel Unheil anstellen.<br />

Als Jett wieder auf der Straße war, hörte er laute Beschimpfungen<br />

aus Rays Kehle.<br />

„ Du Schwein, ich mach dich fertig. Du hast mich verflucht.<br />

Elende Rothaut!“<br />

So schnell er in den Stiefeln rennen konnte, lief Jett die Straße<br />

rauf. Von weitem konnte er schon sehen, was sich da abspielte.<br />

Ray schlug hatte einen Knüppel in der Hand und schlug damit auf<br />

Nick ein. Er traf allerdings nicht immer, da Ryder geschickt<br />

auswich. Er nutzte den Pfahl an dem er gefesselt war zur<br />

Deckung. Ray schlug mehrmals ins Leere. Er wirbelte um seine<br />

eigene Achse und wedelte mit der Keule um sich. Er hatte<br />

Warnvorstellungen. Kamen die Träume ihn sonst nur an Nacht<br />

besuchen, so traten sie jetzt mit Hilfe des Rauschmittels<br />

verstärkter auf denn je.<br />

46


Geschickt trat Jett ihm von hinten in die Kniekehle, so dass er zu<br />

Boden fiel. Wie ein allein gelassenes Kind lag er da, und<br />

jammerte.<br />

Die Schlüssel zum Jail und <strong>für</strong> Nicks Handschellen hatte er in<br />

seiner Westentasche.<br />

Die zwei Männer, die sonst immer hier standen und den<br />

Gefangenen bewachten rauften sich im Straßenstaub. Jeder von<br />

ihnen sah plötzlich einen Feind im Anderen.<br />

Jett erlöste seinen Freund von dem Pfahl und reichte ihm sofort<br />

die Wasserflasche, die <strong>für</strong> die beiden Bewacher bestimmt war.<br />

Vorsichtig ließ Nick das erholsame Nass die Kehle hinunter<br />

laufen. Er konnte nur kleine Schlucke nehmen, so sehr war der<br />

Hals schon zugeschnürt.<br />

Hinter Jett klangen plötzlich hastige Schritte. Blitzschnell<br />

wirbelte der erfahrene Sheriff herum, den Revolver im Anschlag.<br />

„ Steck das Ding weg.“ Sagte Doktor Leonard, der mit einer<br />

Tasche in der Hand näher kam.<br />

„ Geh den Rest der Bande einsammeln, ich kümmere mich um<br />

Nick.“<br />

Dankbar nickte Jett und lief gleich darauf zum Saloon, wo er noch<br />

weitere der Bande vermutete.<br />

Ole und Murphy wurden befreit und die Zellen füllten sich mit<br />

den Outlaws. Jetzt hatten sie wieder alles im Griff. Es fehlten nur<br />

noch ein paar Männer und Bob.<br />

Armstrong durchsuchte jeden Winkel der Stadt, aber von Bob war<br />

nichts zu sehen. Hatte er sich aus dem Staub gemacht? Vielleicht<br />

hatte er auch gesehen, was sich hier abspielte und ist geflüchtet.<br />

Dann musste er ihn verfolgen, denn er würde sicher wieder<br />

kommen um seine Brüder zu befreien.<br />

Als er die Praxis von Doktor Leonard betrat, zog sich Nick gerade<br />

ein neues Hemd über.<br />

47


Jim Leonard saß am Schreibtisch und schrieb seinen Bericht.<br />

„ Du kannst doch nicht schon wieder da Raus gehen?“ auf Jetts<br />

Stirn bildete sich eine Sorgenfalte.<br />

„ Ich muss. Ich habe gehört, dass Bob noch frei herum läuft. Er ist<br />

gefährlich, ich muss ihn stellen.“<br />

„ Wir müssen ihn stellen. Ich weiß nur noch nicht wie wir ihn<br />

finden sollen.“<br />

„ Da hab ich schon eine Idee!“ sagte Nick grinsend.<br />

„ Du und deine Ideen. Was geht diesmal in deinem verrückten<br />

Kopf vor?“<br />

„ Der Plan hat doch bisher gut funktioniert oder nicht? Hast du<br />

die schwarze Feder und den Medizinbeutel?“<br />

„ Ja. Hier sind sie, und weiter?“ Jett reichte ihm die Indianischen<br />

Dinge, die sein Freund seit Jahren aufbewahrte.<br />

Nick wuchs bei den Cheyenne Indianern auf und lernte dort ihre<br />

Sprache, ihre Ritualien, Jagen und Spurenlesen. Nach dem<br />

grausamen Mord an seine Mutter, rannte er ohne Ziel in die<br />

Wildnis und wäre sicher dort umgekommen, wenn sich nicht ein<br />

Indianer Häuptling dazu entschlossen hätte ihn in seinem Stamm<br />

auf zu nehmen.<br />

Anfangs gab es große Schwierigkeiten, denn niemand wollte den<br />

weißen Jungen akzeptieren, aber der Häuptling sah seine<br />

Endscheidung als Friedenszeichen gegenüber dem weißen Mann<br />

an. Er wollte beweisen, dass es auch anders ging, als nur Kriege<br />

zu führen und Söhne zu töten, die noch ein ganzes Leben vor sich<br />

hatten, auf beiden Seiten. Sein eigenes Fleisch und Blut wurde bei<br />

einer Schlacht getötet und was beweist den Friedenwillen mehr,<br />

als dass aufziehen eines Kindes welches dem Feind angehört.<br />

Nick sah sich um, als er die Straße betrat und schlich sich<br />

unbemerkt zum Pfahl an dem er vor kurzem noch gefesselt war.<br />

Er legte Feder und Medizinbeutel dort ab und schrieb BOB mit<br />

48


dem Finger in den Sand. Jett beobachtete ihn dabei und schüttelte<br />

bedenklich den Kopf.<br />

„ Was willst du damit erreichen?“ fragte er neugierig.<br />

„ Lee glaubt an Geister und Hexen. Lass ihn frei und er wird Bob<br />

aufsuchen. Wenn du ihm vorher noch eingibst, ich sei Tot, dann<br />

sieht das hier nach der Rache eines Geistes aus.<br />

Die Feder symbolisiert die schwarze Seite der anderen Welt. Der<br />

Beutel enthält Kräuter, die die Rückkehr des Geistes erlauben um<br />

unerledigte Dinge zu beenden, damit man die Seele in Frieden in<br />

die ewigen Jagdgründe reisen kann.“<br />

„ Das weißt du, aber glaubst du denn dass auch Bob versteht was<br />

dies hier bedeutet?“<br />

„ Sicher! Ich konnte ihn einen ganzen Tag lang beobachten und<br />

habe gesehen, wie er sich mit Kräutern einrieb und Gebete sprach.<br />

Außerdem trägt er einen Lapislazuli. Ein Indianischer Stein der<br />

Schutz, Frieden und Weisheit bringen soll.“<br />

„ Wenn er an diesen Unsinn glaubt, dann hat der Stein mit seiner<br />

Weisheit ja schon versagt.“<br />

Nick konnte sich ein lachen nicht verkneifen. Sein Freund hatte<br />

ständig die richtigen Worte parat. Er wäre wohl auch ein guter<br />

Politiker geworden.<br />

Jett holte Ray aus dem Jail, mit der Begründung, er wolle ihn auf<br />

der Stelle hängen und gar nicht erst eine Verhandlung abwarten.<br />

Draußen sollten Lex und Benno ihn versuchen davon ab zu<br />

Halten.<br />

Der Plan ging auf.<br />

Benno hielt Jett am Ärmel fest und schimpfte laut mit ihm.<br />

„ Das kannst du nicht machen, du bist ein Gesetzeshüter. Du hast<br />

einen Eid auf den Stern gegeben.“ „ Na und? Er hat Marshall<br />

Ryder getötet und da<strong>für</strong> bringe ich ihn an den Galgen. Mir ist es<br />

egal, wenn ich da<strong>für</strong> meinen Stern abgeben muss.“<br />

49


Er riss sich den Stern von der Weste und warf ihn zu Boden. In<br />

Rays Augen stand die blanke Angst. Er wechselte seinen Blick<br />

von Jett zu Benno und hoffte, dass der Deputy den Streit<br />

gewinnen möge. „ Es reicht! Hast du nicht den Medizinbeutel und<br />

die schwarze Feder gesehen, die vor dem Pfahl liegen. Nick wird<br />

sich rächen.“<br />

„ Du spinnst. Wer glaubt schon an so einen Quatsch!“<br />

„ Er ist ein halber Indianer und glaube mir, die haben spirituelle<br />

Tricks drauf.“<br />

Inzwischen trat Lex dazu und fing eine Schlägerei an. Er stieß<br />

Sheriff Armstrong so derb an, dass dieser mit dem Rücken gegen<br />

die Hauswand prallte. Nun stand Ray völlig unbewacht da.<br />

Wie zu erwarten, nutzte Collin die Situation und flüchtete. Benno<br />

hielt immer noch Lex Arm fest und wollte gerade einen Fausthieb<br />

antäuschen, als Jett in aller ruhe sagte“, Du kannst aufhören. Er ist<br />

weg.“ Erstaunt sah sich der junge Deputy um. Auch Lex bemerkte<br />

jetzt erst, dass der Platz hinter ihm leer war.<br />

„ Glaubst du er hat alles mit bekommen?“ fragte Benno<br />

schließlich. „ Bestimmt. Ich habe gesehen, wie er auf einmal blass<br />

wurde, als du von der Rache sprachst und die Feder erwähntest.“<br />

Nick und Jett verfolgten den Flüchtling. Ray schlich sich<br />

tatsächlich zum Pfahl und sah mit entsetzen auf die Ritualien.<br />

Unbewusst fasste seine rechte Hand zum Hals und ertastete den<br />

Schutzstein, den er an einer Kette trug. Der blaue Lapislazuli war<br />

ein Schmuckstein, den er nach einem hinterhältigen Mord an<br />

einem Indianer an sich genommen hatte. Er wusste um die Kraft<br />

dieses seltenen Steins und scheute nicht, da<strong>für</strong> auch zu Morden.<br />

Sein Gesicht war schweiß bedeckt und seine Hände fingen an zu<br />

zittern.<br />

Bilder tauchten plötzlich vor ihm auf. Wie in einem Traum sah er<br />

den Marshall am Pfahl sitzen. Hämisch grinsend, mit einem Beil<br />

in der Hand. Ray zog den Revolver und drückte ab, aber die<br />

50


Kugel ging einfach durch den Marshall hindurch ohne ihn zu<br />

verletzten.<br />

Ray riss die Augen weiter auf und starrte wie gelähmt auf die<br />

schwarze Feder.<br />

„ Er hat mich verflucht!“ dachte er und griff zum Holster. Aber er<br />

konnte keinen Revolver ertasten. Das Holster war leer, alles war<br />

nur Trug.<br />

Jett und Nick standen an einer Häuserecke in Deckung. Sie<br />

konnten Ray von dort aus gut beobachten. „ Sag mal, wie lange<br />

hält das Zeug eigentlich an? Er hat ja immer Visionen.“<br />

Jett zog eine Augenbraue hoch. Auch ihn verwunderte die<br />

Reaktion des Flüchtlings.<br />

„ Weiß nicht. Aber es sieht so aus, als hätten wir seinen<br />

wundesten Punkt gefunden. Wenn wir Pech haben bekommt er<br />

noch eine Herzattacke bevor er uns zu Bob führt.“<br />

„ Ich glaube wir haben Glück. Sieh mal.“ Nick wies mit dem<br />

Kopf zu Ray hin, der sich an den Häuserwänden entlang schlich,<br />

bis er in einer Gasse verschwand. Sofort folgten sie ihn.<br />

Ray taumelte wie ein Betrunkener den engen Weg zwischen dem<br />

Haus des Majors und der Witwe Tanner entlang. Die Beiden<br />

Gesetzeshüter blieben im sicheren Abstand. Hin und wieder<br />

stoppte Ray seinen Schritt und stieß den Kopf gegen eine Mauer.<br />

„ Lass mich in Ruhe!“ schrie er dabei.“ Du elender Hund, geh<br />

raus aus meinen Kopf, fahr zur Hölle!“<br />

„ Wow, “ flüsterte Nick, “ ich habe gar nicht gewusst, dass ich so<br />

einprägend bin. Der scheint mich ja echt zu mögen.“ „ Vielleicht<br />

sind wir doch etwas zu gegangen. Er wird sich noch den Schädel<br />

einschlagen.“ Besorgt besah sich Armstrong die unkontrollierten<br />

Anfälle.<br />

Wie eine Marionette, der man die Fäden abschneidet, sank Ray an<br />

der Wand hinunter, in die Knie. Seine Arme um die angezogenen<br />

Beine geschlungen, schaukelte er mit dem Oberkörper vor und<br />

51


zurück. Nach etwa zehn Minuten sprang er auf. Wie von einem<br />

Skorpion gestochen, rannte er los. Nick und Jett hatten<br />

Schwierigkeiten ihm unbemerkt zu folgen.<br />

Durch einige Hinterhöfe eilte Ray bis er schließlich am Tor zum<br />

Hof der Big Olga stehen blieb. Das große, rot angestrichene<br />

Freudenhaus besaß zwei Treppen an der hinteren Außenwand. Sie<br />

führten zu den Balkonen der Mädchen, die hier ihren<br />

Lebensunterhalt mit Sex und gespielter Liebe verdienten.<br />

Ray kletterte über den hohen Torabschnitt und ließ sich auf der<br />

anderen Seite hinunter fallen. Ein kurzer unterdrückter Aufschrei<br />

war zu hören, dann humpelte er weiter.<br />

„ Hätte ich mir denken können, dass dieser Bob hier Unterschlupf<br />

bekommt.“ Zähneknirschend zog auch Nick sich nun am Tor<br />

hoch. „ Wer sagt uns, dass er tatsächlich wegen Bob hier ist?“ Jett<br />

hatte <strong>Zwei</strong>fel, ob der Plan wirklich noch auf ging.<br />

„ Was soll er sonst hier? ich glaube nicht, dass er jetzt Lust auf<br />

ein Girl verspürt. Gib mir deine Hand.“ Ryder saß auf dem<br />

Torbogen und reichte seinem Freund die Hand.<br />

„ Wir hätten auch durch den Haupteingang gehen können. Das<br />

wäre wesentlich einfacher.“<br />

„ Jett du hast Recht. Warte du vorne am Eingang, falls er mir<br />

entwicht.“ Froh darüber, nicht klettern zu müssen ging Jett um<br />

das Haus herum, um die vordere Seite ab zu Sichern.<br />

Der Marshall folgte weiter dem jungen Collin.<br />

Wie wild klopfte Ray an einer der Balkontüren, bis sie geöffnet<br />

wurde und eine große schattige Gestalt im Rahmen erschien.<br />

„ Bist du verrückt geworden? Was machst du hier? Ich versuche<br />

einen Weg zu finden aus der Stadt zu kommen und du Idiot<br />

kommst hier her und machst Radau.“<br />

Die Worte waren in der klaren Nachtluft deutlich zu hören.<br />

„ Es ist aus. Der Marshall hat uns verflucht. Die Anderen sitzen<br />

hinter Gitter, ich konnte fliehen. Er wird uns alle töten.“<br />

52


„ Red keinen Unsinn. Komm rein und lass uns einen Plan<br />

schmieden, wie wir die anderen befreien können.“<br />

„ Du verstehst das nicht. Der Marshall ist tot.“<br />

„ Ich weiß.“ Gab Bob ungeduldig zurück. „ Er hat eine schwarze<br />

Feder und einen Medizinbeutel da gelassen.“ Seine stimme fing<br />

an zu beben und er musste eine Pause einlegen.<br />

„ Sag mal, drehst du jetzt völlig durch? Diese Dinge hat<br />

irgendjemand da hingelegt. Wie soll denn ein Toter das machen.<br />

Streng doch mal dein Hirn an.“<br />

„ Aber wir alle Halluzinationen. Das ist doch kein Zufall. Phil ist<br />

völlig durchgedreht in der Zelle. Es hat jeden erwischt, der den<br />

Marshall angefasst hat.“<br />

Bob schlug die Hände in die Hüfte und stand breitbeinig vor<br />

seinem Bruder.<br />

Wie eine Statue aus Granit gemeißelt erschien seine Gestallt.<br />

„ Ich habe dem Schweinehund sogar die Zähne eingeschlagen und<br />

ich bin nicht verrückt geworden. Was erklärst du das nun?“<br />

„ Vielleicht hat er dich noch nicht gefunden. Ich weiß auch nicht.<br />

Aber du musst dich in Acht nehmen. Dein Name steht im Sand<br />

geschrieben. Er sucht Rache an dir!“<br />

„ An so einen Quatsch glaube ich nicht.“<br />

Nick hatte genug gehört. Es wurde Zeit, dass Bob festgenommen<br />

wurde und auch Ray sollte wieder ins Jail zurück gebracht<br />

werden.<br />

Mit gezogenem Revolver trat er die Balkontür auf und sprang ins<br />

Zimmer.<br />

„ Hier bin ich Bob!“<br />

Ray torkelte erschrocken zurück. Kreidebleich stieß er gegen die<br />

Wand und starrte Marshall Ryder zitternd an. Sein Bruder<br />

hingegen hatte sich schnell wieder gefasst und versuchte mit<br />

einem Hechtsprung Nick um zu reißen. Aber er rechnete nicht mit<br />

der Schnelligkeit des Marshalls, der blitzschnell im letzten<br />

53


Moment auswich, so dass Bob nicht mehr abbremsen konnte. Mit<br />

voller Wucht rammte er den Plüschbezogenen Sessel, riss diesen<br />

mit sich und stützte zu Boden.<br />

Ray rannte schreiend hinaus. Von Panik ergriffen stolperte er die<br />

Treppe hinunter um durch den Hausflur zu flüchten. Big Olga, die<br />

Leiterin des Hauses, kam aus ihrem Büro. Ihre hochhackigen<br />

Stiefeln klapperten über den steinernen Boden, als sie mit<br />

fragendem Gesicht in die Mitte des Flures trat.<br />

In diesem Moment öffnete Sheriff Jett Armstrong die<br />

Eingangstür. Noch bevor er einen Schritt ins Haus setzten konnte,<br />

lief ihm Ray in die Arme. Fast hätte er den überraschten Sheriff<br />

überrumpelt, aber Jett reagierte instinktiv richtig und<br />

umklammerte den Rammbock.<br />

Sei fielen Beide in den Straßenstaub.<br />

"Er ist da! Er ist gekommen um sich zu rächen. Helft mir, ich<br />

habe nichts Böses gewollt.“<br />

Es war mehr als nur ein Flehen, es waren die verzweifelten Worte<br />

eines Mannes der Todesangst hatte.<br />

Jett schlug sich den Staub aus der Hose, zog Ray auf die Beine,<br />

der vor ihm kniete und schob ihn ins Haus.<br />

„ Keine Sorge, dir wird nichts geschehen. Jedenfalls nicht vor der<br />

Gerichtsverhandlung. Ob dich danach der Strick erlöst, weiß ich<br />

nicht. Aber es ist nicht unwahrscheinlich.“<br />

Olga trat wie immer selbstbewusst auf. Mit erhobenen Schultern<br />

kam sie auf Jett zu und fauchte.<br />

„ Was hat das alles zu bedeuten?“<br />

„ Nur eine kleine Festnahme, weiter nichts.“ Antwortete Jett. Er<br />

blickte dabei nach oben zum ersten Stock, aber es war alles still<br />

dort. Nur Olga keifte weiter,<br />

„ Ich dulde so etwas nicht in meinem Haus, dass wissen sie doch!<br />

Das ist Hausfriedensbruch.“<br />

54


„ Regen sie sich nicht zu sehr auf, dass ist nicht gut <strong>für</strong> ihr Herz.<br />

Es hat schon viel zu viel zu tun in ihrem…“ Jett suchte nach<br />

einem passendem Wort und fuhr nach kurzer Pause weiter“, in<br />

ihrem Fett.“ Das hatte gesessen. Olga wich mit weit aufgerissenen<br />

Augen zurück.<br />

„ Was…wie…aber…“ stotterte sie. Dies war das erste Mal, dass<br />

Armstrong sie sprachlos gesehen hatte.<br />

Dann fiel ein Schuss. Ray schluckte, sein Blick wich nicht von<br />

dem Geländer ab, welches die obere Etage absicherte. Auch Jett<br />

blieb der Atem weg. Er zögerte noch, ob er rauf rennen soll oder<br />

hier bei Ray bleibt. Sekunden verrannen, selbst Olga stand wie<br />

eine Statue im Flur, obwohl es ihr ziemlich egal war, wer da oben<br />

der Sieger war. Oder wen es erwischt hatte.<br />

Sie dachte nur an ihren kostbaren Teppich, auf den nun Blutflecke<br />

sein könnten.<br />

Endlich… eine Tür öffnete sich schwere Schritte schallten auf den<br />

Dielen.<br />

Erleichtert atmete Jett aus. Während Ray noch bangte, war dem<br />

Sheriff längst klar, wer da gleich im Lichtschein auftauchen wird.<br />

Er hatte es an den Schritten gehört. Nick trug keine Sporen, aber<br />

Bob. Es war kein helles klingen der Sporenrädchen zu hören und<br />

tatsächlich erschien Marshall Ryder an der Treppe.<br />

„ Bob ist tot.“ Sagte er nur und kam langsam hinunter. Ray sank<br />

in die Knie und kippte anschließend bewusstlos nach hinten über.<br />

„ Bei dir alles in Ordnung?“ machte sich Jett sorgen.<br />

„ Ja. Ich konnte es nicht verhindern. Der Revolver lag in seiner<br />

Hand und ging los beim Gerangel. Mir hat es nur das Hemd<br />

ruiniert.“ Er sah an sich hinunter und steckte den Finger durch das<br />

angesengte Loch.<br />

„ Marshall Ryder!“ Fuhr schließlich Olga dazwischen.“ Ich hoffe<br />

<strong>für</strong> sie, dass der Schaden nicht all zu groß ist. Wenn Blut auf<br />

55


meinem Teppich liegt, werden sie <strong>für</strong> den Schaden aufkommen<br />

müssen.“<br />

„ Keine Sorge Miss Olga. Ich finde das Zimmer hatte so wie so<br />

eine Renovierung nötig.<br />

Ich lasse den Leichnam gleich abholen, er liegt auf dem Bett. So<br />

ein Laken ist doch einfach zu waschen. Aber besser sie werfen es<br />

weg. Ich weiß nicht wie ihre Kunden reagieren, wenn sie auf<br />

einem Leichentuch ihrem Vergnügen nachgehen.“<br />

Ray stand kreidebleich neben dem Sheriff. Ohne jede Gegenwehr<br />

ließ er sich von den beiden Gesetzeshütern zum Gefängnis führen.<br />

In den darauf folgenden Tagen schien <strong>Cutter</strong> wie eine<br />

Geisterstadt. Stumm gingen die Bürger ihrer Arbeit nach und<br />

versuchten das Geschehene zu vergessen.<br />

Frauen und Kinder kamen zurück und waren Glücklich, ihre<br />

Männer unversehrt wieder zu sehen. Außer ein paar Scherben von<br />

zerbrochenen Fenstern und einigen zerschossenen Schildern war<br />

die Stadt ohne großen Schaden davon gekommen.<br />

Die Banditen saßen mit brummenden Schädeln, eine<br />

Nachwirkung des Rauschmittels, hinter Gittern und warteten auf<br />

ihr Urteil.<br />

Der Richter brauchte drei Tage bis er in <strong>Cutter</strong> ankam, verkündete<br />

nach zehn Minuten Verhandlung die Strafen und reiste sich mit<br />

der Bahn zum nächsten Gerichtsverfahren.<br />

Es blieb ihm aber noch Zeit ein Steak bei Peggy-Sue zu Essen,<br />

welches er genüsslich verspeiste. Darauf wollte er nicht<br />

verzichten, denn er kannte die gute Küche. Schließlich war er<br />

schon öfter von Marshall Ryder gerufen wurden.<br />

Richter Samuel Gotta war bekannt <strong>für</strong> seine gerechten und doch<br />

strengen Urteile. Nick Ryder verpflegte lieber seine Gefangenen<br />

ein paar Tage länger, wenn er da<strong>für</strong> Richter Gotta herbei holen<br />

konnte.<br />

56


Das Urteil wurde wie zu erwarten war ohne Gnade verkündet. Der<br />

Richter hatte sich während seiner Reise schon eindringlich mit<br />

dem Fall befasst. Er wusste um die Straftaten der Collinbrüder<br />

und ihr Anhänger. Die drei übrig gebliebenen Brüder Ray, Phil<br />

und Lee bekamen die Todesstrafe. Erhängen am Strick bis der Tot<br />

eintritt. Die restlichen Bandenmitglieder wurden zu zehn Jahre<br />

Straflager Fort Worth verurteilt. Niemand Widersprach diesem<br />

Urteil. Die wenigen Anwesenden im Saloon, der kurzerhand zu<br />

einem Gerichtssaal umgebaut wurde hörten schweigend zu und<br />

nickten zustimmend.<br />

Der Großteil der Bürger wollten die Brüder und die Outlaws nicht<br />

mehr sehen. Zu viel war geschehen in den letzten Tagen. Zu viel<br />

Angst um ihr Leben und ihr Hab und Gut haben die Männer<br />

durchstehen müssen.<br />

Am vierten Tag endlich holte eine kleine Bewaffnete Truppe<br />

Soldaten die Outlaws ab um sie sicher ins Straflager zu begleiten.<br />

Marshall Ryder ging auf den Wunsch des Sheriff Rixbee aus<br />

Ferendine ein und überließ ihn die Hinrichtung.<br />

Es wäre auch nicht gut, jetzt hier in <strong>Cutter</strong> einen Galgen errichten<br />

zu lassen und eine öffentliche Hinrichtung zu veranstalten. Soll<br />

sich der Sheriff in Ferendine darum kümmern. Es lag schließlich<br />

auf dem Weg nach Fort Worth und so konnte er die Brüder<br />

ruhigen Gewissens den Soldaten anvertrauen.<br />

Bevor Ray in den Gefängniswagen einstieg drehte er sich noch<br />

einmal um und sagte zu Marshall Ryder.“ Ich will meinen Stein<br />

wieder haben.“<br />

„ Tut mir leid, aber er gehört dir nicht. Ich bring ihn seinem<br />

rechtmäßigen Besitzer zurück.<br />

Er wird dir sowieso nichts mehr nützen. Den Galgen umgehst du<br />

damit nicht und in die ewigen Jagdgründe kommst du auch nicht.<br />

Die Hölle hält sicher schon einen Platz <strong>für</strong> dich frei.“ Nick trat<br />

dicht an den Gefangenen heran, umfasste sein Genick und<br />

57


flüsterte in ihm ins etwas Ohr. Niemand fiel auf, wie plötzlich<br />

jegliche Farbe in Rays Gesicht erblasste. Kreidebleich und in<br />

einer völligen Starre verharrte er dort wo er stand, bis er<br />

unsanft mit dem Gewehrkolben in den Wagen gestoßen wurde.<br />

Der Soldat verschloss die Tür und verabschiedete sich.<br />

„ Wir haben noch einen weiten Weg vor uns Marshall. Auf<br />

Wiedersehen.“ Sagte er kurz und steppte die Stiefelhacken gegen<br />

einander.<br />

Nick Ryder ritt am nächsten Morgen hinaus in die Berge und<br />

suchte das Grab auf, welches er einst schaufelte um einen<br />

Indianer zu begraben, der grausam getötet wurde.<br />

Er fand es ohne lange suchen zu müssen. In den Bergen kannte er<br />

sich genauestens aus. Hier hatte er schon so oft Verbrecher<br />

verfolgt und diese Jagden gingen meistens über mehrere Tage.<br />

Vorsichtig hob er die oberen Steine ab, die das Grab vor<br />

Tierischen Räubern schützen sollen.<br />

Er hob ein kleines Loch aus, nur so wenig, bis er den<br />

Schädelknochen sah.<br />

In einem kleinen Ledersäckchen lag der Stein, der dem Indianer<br />

das Leben kostete.<br />

Andächtig legte Nick den Beutel ins Grab hinein und verschloss<br />

es wieder.<br />

Dass er dabei beobachtet wurde, bemerkte er, ließ sich aber nichts<br />

anmerken. Die Stammesbrüder des Toten kannten ihn und sahen<br />

ihn nicht als Feind. Stolz blickte der Häuptling von einer<br />

Felskuppel auf den Marshall hinunter und sah, wie dieser den<br />

Stein hinein legte. „ Nun kannst du wieder in Frieden durch die<br />

Jagdgründe reiten und deine Brüder von dort aus beschützen.“<br />

Murmelte Nick am Grab.<br />

58


Es war schon Mitternacht, als er wieder in <strong>Cutter</strong> eintraf.<br />

Müde betrat er das Office, warf den Hut an den Haken und hing<br />

seinen Revolvergurt daneben.<br />

Eine Notiz von Sheriff Armstrong lag auf dem Schreibtisch,<br />

Bei dringenden Fällen bin ich in meinem Haus erreichbar.<br />

Es muss wohl sehr ruhig gewesen sein während seiner<br />

Abwesenheit.<br />

Die Straßen waren seltsam leer. Normalerweise was dies die Zeit<br />

wo laute Musik aus dem Saloon ertönt und Betrunkene Cowboys<br />

die Straßen unsicher machten.<br />

Vor einem alten Spiegel besah Nick sich seine Verletzungen im<br />

Gesicht. Die meisten Schrammen waren längst verkrustet, auch<br />

die genähte Wunde über dem Auge sah gut aus. Die Schwellung<br />

war zurückgegangen genau so wie die Beule am Kopf. Das<br />

frische Wasser aus der Waschschüssel tat gut, als er sein Gesicht<br />

hinein tauchte.<br />

Er wollte sich gerade auf dem primitiv gebauten Bett unterm<br />

Fenster niederlassen, als die Tür aufschlug und Major Flint<br />

eintrat.<br />

„ Schön sie auch mal wieder zusehen Marshall. Wir zahlen unsere<br />

Steuern, damit sie gemütliche Ausflüge machen?“<br />

Nick sog die Luft tief in seine Lungen und hielt den Atem an.<br />

„Jetzt nur nicht darauf erwidern“, dachte er, denn eine auf eine<br />

Diskussion wollte er sich nun wirklich nicht mehr einlassen.<br />

Major Flint passte das abweisende verhalten des Marshalls<br />

überhaupt nicht.<br />

„ Sie hatten genug Zeit sich zu erholen. Wer durch die Prärie<br />

reiten kann, der kann nicht krank sein.“<br />

„ Worauf wollen sie hinaus Mister Flint, und machen sie es kurz,<br />

bitte ich bin müde.“<br />

Flints Kopf lief rot an. Er hasste es, wenn man ihn nicht mit dem<br />

ihm zustehenden Titel<br />

59


Major < ansprach.<br />

„ Ich warte auf ihren Bericht. Ich bin jedes Mal entsetzt über ihre<br />

Art und Weise wie sie hier Probleme lösen.“<br />

„ Aber ich löse sie immerhin und zwar ohne Opfer. Das sollten sie<br />

auch bedenken. Den Bericht bekommen sie, wenn ich ihn fertig<br />

habe und das ist geht bestimmt nicht schneller, wenn sie mich<br />

dauernd stören.“<br />

„ Berichte müssen geschrieben werden, so lange die Erinnerungen<br />

frisch sind. Wenn sie zu lange damit warten gehen wichtige<br />

Einzelheiten verloren.“<br />

„ Wollen sie damit behaupten, ich hätte ein schlechtes<br />

Langzeitgedächtnis?“<br />

Nick ließ sich auf den Rand des Bettes nieder und hatte Mühe den<br />

rechten Stiefel aus zu ziehen.<br />

Major Flint fühlte sich unbeachtet, was ihn noch wütender<br />

machte. Es hatte keinen wirklichen Grund, hier und jetzt einen<br />

Streit zu provozieren, es war vielmehr ein Gefühl der<br />

Überheblichkeit, wenn er dem Marshall über seine Pflichten<br />

aufklärte.<br />

Jedoch gewann er nicht jedes Gespräch, auch wenn er sehr<br />

Redegewandt war. Diese Tatsache verleitete ihn immer wieder<br />

anzugreifen, denn er sah nicht nur den Feind sondern auch einen<br />

ebenwürdigen Gegner in dem, so verhassten, Marshall.<br />

„ Anstatt sich jetzt auf die faule Haut zu legen, könnten sie ihren<br />

Bericht fertig schreiben. Die Stadt hat ein anrecht aufgeklärt zu<br />

werden, was hier vorgefallen ist.“<br />

Während Nick seinen linken Fuß aus dem engen Stiefel befreit<br />

hatte, lehnte er sich anschließend zurück und murmelte“, Fragen<br />

sie doch mal Rund. Ich bin sicher, dass jeder hier weiß, was los<br />

war. Ausgenommen Frauen und Kinder natürlich.“<br />

60


„ Und was ist mit der Zeitung? Mister Williams will so schnell<br />

wie möglich einen Bericht darüber veröffentlichen. Was soll ich<br />

ihm da erzählen?“<br />

Es dauerte einige Sekunden bis Marshall Ryder antwortete. Er sah<br />

tief in die Augen des Majors, der sich fast drohend über ihn<br />

beugte. „ Warum kommt er nicht zu mir? Da erfährt er alles aus<br />

erster Hand. Es macht doch keinen Sinn sich die Informationen<br />

von einem Menschen zu holen, der sich während die ganze Zeit<br />

über in irgendeiner dunklen Ecke verkroch.<br />

Mister Williams kann Morgen herkommen und sich seine Story<br />

bei mir abholen. Und nun gehen sie bitte, ich bin müde.“<br />

Ohne ein weiteres Wort drehte Nick sich in seine Decke und<br />

schloss die Augen.<br />

Erst nach zwei Minuten verließ Major Flint das Office. Diese Zeit<br />

brauchte er um zu begreifen, dass der Marshall ihn schon wieder<br />

einmal das letzte Wort nahm.<br />

Es war früh am Morgen, als Deputy Cooper ins Office kam.<br />

Aufgeregt wedelte er mit einem Telegram durch die Luft.<br />

„ Sheriff! Ich habe eine schlechte Nachricht bekommen.“<br />

Überrascht trat Cooper zwei Schritte zurück, als er sah, wer da<br />

mit Rasierseife im Gesicht um die Ecke sah.<br />

„ Morgen Boss. Seit wann bist du wieder da?“ stammelte er<br />

freudig.<br />

Nick kratzte mit einem Messer die letzten Stoppeln ab. Es gab ein<br />

knisterndes Geräusch.<br />

Die restliche Seife an den Wangen und unterm Kinn wusch er mit<br />

Wasser ab und kämmte sein dichtes schwarzes Haar.<br />

„ Was hast du denn <strong>für</strong> eine Nachricht?“ fragte Ryder und<br />

trocknete seine Hände.<br />

„ Ähm, nichts Gutes. Ray Collin konnte fliehen.“<br />

61


„ Was? Zeig her!“ mit einem Satz war Nick bei seinem Deputy<br />

und riss ihm das Telegramm aus der Hand. Dort stand es schwarz<br />

auf weiß.<br />

Dem Gefangenen Ray Collin ist die Flucht gelungen. Er entkam<br />

fünfzehn Meilen vor Snake Town und flüchtete zu Fuß Richtung<br />

Süden. Nach mehrstündiger Suche mussten wir aufgeben um die<br />

restlichen Gefangenen zum Straflager zu begleiten.<br />

Cooper konnte deutlich hören, wie Ryders Zähne knirschten.<br />

„ Was nun? dieser Kerl läuft wieder frei herum. Bis du in Snake<br />

Town bist ist er über alle Berge.“<br />

„ Ich brauche gar nicht so weit zu Reiten.“ Sagte er und las noch<br />

einmal die Zeilen auf dem Papier. Lex Cooper sah ihn fragend an.<br />

„Wie meinst du das?“<br />

„ Er kommt hier her zurück.“ Gab Nick kurz zur Antwort.<br />

„ Das glaube ich nicht. Er wird doch nicht so dumm sein und dir<br />

noch einmal in die Arme laufen.“<br />

Jetzt tat sich ein Grinsen auf Nicks Gesicht breit, was Lex noch<br />

mehr verwunderte.<br />

„ Geh und hole mir Armstrong her. Ich brauche ihn bei meiner<br />

Aktion. Ach ja und wenn du schon mal da hinten bist, dann lass<br />

doch gleich meinen und Jetts Gaul satteln. Wir brauchen zu dem<br />

noch Proviant, Decken und die hier“ er nahm eine der Winchester<br />

aus dem Regal und warf sie Lex zu.<br />

„ Ich weiß wo er hin will und genau dort werde ich ihn fassen.“<br />

Bei einer Tasse Kaffee erklärte Nick seinem Freund Jett<br />

Armstrong seinen Plan.<br />

„ Bist du sicher?“ fragte Jett anschließend.<br />

„ Ja. Er ist so besessen von diesem Stein, dass er garantiert<br />

zurückkommt. Obwohl er Mittlerweise kapiert hat, dass ich nicht<br />

tot bin, glaubt er dennoch verflucht zu sein.<br />

62


Er hat Angst. Große Angst.“ Mit offenem Mund hörte Jett zu. Er<br />

kannte Nick viel zu gut und so entging ihm nicht das kurze<br />

aufblitzen in dessen Augen.<br />

„ Sag mal, du hast nicht vielleicht doch noch eine art Fluch auf<br />

ihn los gelassen?“<br />

Wieder blitze es auf und Nick zog den rechten Mundwinkel hoch.<br />

„ Das konnte ich mir doch nicht ganz verkneifen und wie du<br />

sehen wirst, war es gut so.“<br />

Jett schüttelte den Kopf. Wieder einmal musste er feststellen, dass<br />

sein Freund ein ganz gerissener Fuchs ist. Das sind die kleinen<br />

Feinheiten, die ihm in seinem Job noch fehlen. Im Schach hat Jett<br />

jedes Mal das Glück auf seiner Seite, da er weit voraus denkt und<br />

die Züge seines Gegenspieler lenken kann, aber im wahren Leben<br />

ist Nick der Mann, der vorausschauend handelt und geschickt mit<br />

seinen Gegnern spielt.<br />

„ Lex wird gleich mit den Pferden hier sein, dann brechen wir<br />

auf.“<br />

Sie ritten im leichten Trab zu den Bergen. Der Weg war eben und<br />

fest gefahren von den vielen Kutschen, die diese Straße nutzen.<br />

Eile war nicht geboten, da es wesentlich schwerer war, wenn man<br />

von der andren Seite den Berg erklimmen wollte. Außerdem<br />

hatten sie von <strong>Cutter</strong> einen kürzeren Weg bis zum Fuß der<br />

Geierspitze, wie ihn die Indianer nannten.<br />

An einem kleinen See am Fuße des Berges machten sie Rast.<br />

Nick kniete am Ufer und tauchte seinen Kopf in das kühle<br />

Wasser.<br />

„ Trink nicht gleich alles leer. Die Pferde haben auch durst.“<br />

Scherzte Jett.<br />

Dann ging es zu Fuß weiter. Ein schmaler Steg führte die beiden<br />

Sternträger in Schlangenlinien aufwärts, bis sie an einem Plateau<br />

hielten.<br />

63


Hier standen die letzten Bäume. Weiter aufwärts gab nicht mehr<br />

außer graue Felsen.<br />

Ein paar hartnäckige Büsche krallten ihre Wurzeln zwischen das<br />

Gestein und trotzten Wind und Wetter.<br />

„ Dort unter dem Baum liegt er.“ Nick wies mit dem Finger auf<br />

einen, mit Steinen angehäuften Hügel hin. „ Genau an dieser<br />

Stelle hat Ray den Indianer getötet und ihm den Stein entrissen.“<br />

Jett sah sich nach allen Seiten um dann sagte er “, Hinter diesem<br />

Felsen können wir unser Lager bereiten. Von dort aus haben wir<br />

eine gute Sicht auf das Grab ohne gleich entdeckt zu werden.“<br />

Kopfnickend stimmte Ryder ihm zu.<br />

Sie legten ihre Satteltaschen nieder und lehnten sich gegen den<br />

Fels. Nick kaute auf einem stück getrocknetem Speck herum und<br />

Jett reinigte seinen Colt mit einem Tuch.<br />

„ Was machen wir, wenn er nicht hier auftaucht?“ fragte<br />

Armstrong nach einer Weile.<br />

„ Die Frage habe ich mir noch nicht gestellt, weil ich sicher bin,<br />

dass er kommt.“<br />

„ Muss ja was ganz schlimmes gewesen sein, was du ihm erzählt<br />

hast.“<br />

Lächelnd biss er ein weiteres Stück vom Speckstreifen ab.<br />

Nach einer weile Stille sagte Jett leise.“ Es war furchtbar. Ich<br />

habe dich leiden gesehen und konnte nichts dagegen tun. So was<br />

sollte nie wieder passieren.“<br />

Mit seinen tiefbraunen Augen sah Nick seinen Freund An.<br />

„ Es ist doch alles gut ausgegangen. Die Bande ist zerschlagen<br />

und wird sich auch nie wieder davon erholen.“<br />

„ Sei ehrlich, hast du den Tot vor Augen gehabt?“ Jett versuchte<br />

eine Antwort in Nicks Gesicht zu finden. Eine Falte oder ein<br />

Muskelzucken, aber sein Freund schien ein wahres Pokerface zu<br />

haben. Dann sagte er endlich.<br />

64


„ Nein. Meine Freunde waren ja da und ich wusste, dass ihr mich<br />

nicht hängen lasst.“<br />

„ Hey, das hätte auch schief gehen können.“<br />

„ Sicher, aber so weit kam es ja nicht. Ich habe den Tot schon<br />

zweimal gesehen und glaub mir, es macht mich dadurch nicht<br />

unbedingt härter.“<br />

Jett wusste wovon sein Freund sprach. Beim ersten Mal war Nick<br />

neun Jahre jung und musste mit ansehen, wie seine Mutter getötet<br />

wurde. Er erzählte einmal, dass er sich im Wald umbringen<br />

wollte, weil er nicht helfen konnte und der Mutter folgen wollte.<br />

Nur der Stamm der Cheyenne Indianer halfen ihn wieder auf den<br />

richtigen Weg.<br />

Beim zweiten Mal war es der Überfall auf seine damalige Frau<br />

Lea, die vor seinen Augen starb. Auch hier konnte er nicht<br />

eingreifen, da er selber schwer verletzte und gefesselt war.<br />

Doktor Brown erzählte Jett alles, was damals passierte und wie<br />

sie tagelang um das Leben Ryders gebangt hatten.<br />

Wieder standen sie schweigend da und hingen ihren Gedanken<br />

hinter her.<br />

Es wurde dunkel. Ryder übernahm die erste Wache.<br />

Nichts geschah. Nicht einmal das scharen von Mäusen oder<br />

ähnlichen Kriechtieren war zu hören. Absolute Stille.<br />

Der Morgen graute und brachte kühle Luft mit. Jett, der nun die<br />

Aufgabe hatte zu Wachen, hüllte sich in seine Decke ein und<br />

machte es sich, so gut wie es nur ging, auf dem Felsen Bequem.<br />

Sie konnten keinen Kaffee kochen, da ein Feuer zu weit gesichtet<br />

werden konnte. Wieder blieben nur getrockneter Speck und ein<br />

stück Brot zum Frühstück.<br />

Die Sonne stand schon hoch am Himmel als endlich leise<br />

Geräusche zu hören waren.<br />

Nick tippte Jett an die Schulter, der vor sich hin döste.<br />

„ Was ist?“ fragte er erschrocken.<br />

65


„ Psst. Sei leise. Da tut sich was.“<br />

Gebannt starrten Beide auf das Grab. Das leise Geräusch wurde<br />

intensiver. Immer lauter raschelte es in den Büschen.<br />

„ Vielleicht ist es nur ein Wildschwein. Schade, dass wie kein<br />

Feuer machen dürfen. Mein Magen knurrt vor Hunger.“ Flüsterte<br />

Jett Armstrong.<br />

„ Das ist kein Schwein. Es ist ein Mensch und ich wette, es ist<br />

unser Flüchtling.“<br />

„ Woher willst du wissen, dass es kein…ach lass nur.“ Jett viel<br />

wieder ein, dass Nick lange genug bei den Indianern war und sich<br />

bestens auskannte im Spurenlesen und alles drum herum.<br />

Die Spannung stieg. Laut zerbrach ein Ast unter der Last eines<br />

Fußes, der Heranschleichende<br />

War jetzt ganz nah. Zuerst lugte eine Nase aus dem Gebüsch,<br />

dann der ganze Kopf.<br />

Es war der Kopf des Flüchtlings Ray Collin.<br />

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er allein war, trat er<br />

ganz hervor und machte sich sofort an die Arbeit. Er hatte schon<br />

drei Steine vom Grab abgehoben, da ließ ihn eine tiefe Stimme<br />

zusammen zucken.<br />

„ Ich habe dir schon einmal gesagt, dass der Stein nicht dir gehört.<br />

Er bleibt bei seinem Besitzer.“<br />

Marshall Ryder sprang über den Felsblock, der ihn bis jetzt als<br />

Deckung diente und kam auf Ray zu. Das Gewehr hielt er locker<br />

in der Armbeuge.<br />

„ Marshall, ich hätte mir denken können, dass sie hier sind.“<br />

„ Ich bin sicher du wusstest es, aber dein drang nach diesem<br />

Anhänger war stärker. Zu schade, dass der Mensch immer<br />

irgendwo seine Schwachstelle hat.“<br />

„ Sie haben Recht, ich wusste es. Dennoch werden sie mich nicht<br />

aufhalten.“<br />

66


„ Da bin ich mal gespannt. Im Moment habe ich wohl die<br />

Oberhand und du nimmst deine Hände jetzt in Höhe.“<br />

Ray ließ den Stein fallen, den er noch festhielt und hob die Arme.<br />

In diesen Moment peitschte ein Schuss aus dem Gebüsch. Die<br />

Kugel riss Nick den Hut vom Kopf und schlug in den Fels ein.<br />

Nick warf sich zu Boden. Sofort bekam er Deckung von Jett, der<br />

bis dahin noch versteckt hielt. So konnte er bis zum nächsten<br />

Baum robben.<br />

„ Haben sie wirklich geglaubt, ich bin so dumm und komme<br />

allein hier her?“<br />

„ Ja das habe ich.“ Gab Nick zurück und biss sich auf die<br />

Unterlippe. Er hatte wirklich nicht daran gedacht, dass sich Ray<br />

neue Komplizen suchen würde. Diesmal hatte er falsch gepokert,<br />

aber so ist das nun mal beim Spiel. Man kann nicht immer der<br />

Sieger sein. Doch hier war noch nichts entschieden.<br />

„ Gib auf Ray. Du hast keine Chance.“<br />

„ Wieso sollte ich aufgeben. Du hast doch nur deinen Sheriff<br />

mitgebracht. Ich allerdings habe eine halbe Armee im Rücken.“<br />

„ Verdammt“ fluchte Nick mit sich selbst. „ Woher weiß er das?<br />

Er muss uns beobachtet haben. Ich könnte mich Ohrfeigen,<br />

warum ist mir das nicht aufgefallen?“<br />

„ Kommen sie raus Marshall. Das Blatt hat sich gewendet, jetzt<br />

bin ich am Zug.“<br />

Auf diese Worte folgte eine Salve an Schüssen. Kugeln zischten<br />

rechts und links an Nick vorbei. Ray hatte also nicht gelogen. Er<br />

musste eine menge neuere Leute gefunden haben, die ihm folgten.<br />

Womit hatte er sie gelockt? Dollars konnte dieser Collin kaum<br />

haben.<br />

Das einzige was einem Outlaw noch reizen konnte, war sein<br />

Name. Die Collinbande war schließlich ge<strong>für</strong>chtet im ganzen<br />

Land. Bevor Nick aus seiner Deckung trat riskierte er noch einen<br />

Versuch die Lage zu entschärfen.<br />

67


„ Hey Jungs. Ich hoffe Ray hat euch von der Niederlage in <strong>Cutter</strong><br />

erzählt. Die Collinbande existiert nicht mehr. Der große Anführer<br />

Bob ist Tot. Ray erwartet der Strick und die Restlichen sind schon<br />

auf dem Weg ins Straflager. Also, wenn ihr jetzt aufgebt, lass ich<br />

noch Gnade walten. Ihr beschützt einen, im Gehirn kranken und<br />

verrückten Mann der euch nichts zu bieten hat.“<br />

„ Netter Versuch Marshall, aber die Männer sind mir Treu.<br />

Fünfhundert Dollar <strong>für</strong> jeden, dass schlägt keiner aus.“<br />

Marshall Ryder überlegte kurz. Konnte es sein, dass dieser Collin<br />

irgendwo noch einen Vorrat besaß? Hatte Bob vielleicht etwas<br />

zurückgelegt?<br />

„ Was ist nun Marshall! Sie haben keine andere Wahl.“<br />

Grinsend deutete Ray mit der der Hand zum Felsen hin. Dort<br />

stand Jett mit erhobenen Händen und hinter ihm befand sich ein<br />

Schütze, der ihm den Lauf seines Revolvers an den Kopf hielt.<br />

Zögernd trat Nick hervor. Immer noch verärgert über seinen<br />

eigenen Fehler. Aber die letzten Tage waren hart <strong>für</strong> ihn. Er<br />

spürte noch die Müdigkeit in seinen Knochen, die bei jeder<br />

falschen Bewegung schmerzten. Auch die Wunden auf seinem<br />

Körper brannten noch, besonders wenn er schwitzte. Wenn das<br />

salzhaltige Wasser seine kaum verheilten Wunden nässte.<br />

Jetzt stand er wieder seinem Feind gegenüber. Jeder Muskel war<br />

gespannt und wartete nur auf einen winzigen Augenblick zu<br />

zuschlagen. Jett würde seinen Gegner schon allein überwältigen,<br />

wenn er Ray anspringt. Und die anderen werden kaum schießen<br />

können ohne ihren eigenen Mann zu treffen. Er musste nur den<br />

Mann mit der Winchester beobachten, der auf ihn zielte und der<br />

immer wieder zu seinem Boss rüberschielte.<br />

Stein <strong>für</strong> Stein hob Ray das Grab des Indianers wieder aus. Dann<br />

endlich kam ein Jubelschrei von seinen Lippen. Er streckte die<br />

Hand hoch zum Himmel. Zwischen den Fingern hing die Kette<br />

mit dem Indianischen Amulett.<br />

68


Seine Augen glühten, als er zu Nick hinüber sah. Marshall Ryder<br />

stand nun völlig entspannt, mit verschränkten Armen da und<br />

schüttelte den Kopf.<br />

„ Leg es wieder zurück ins Grab sonst wird es dich umbringen.“<br />

Sagte er mit ernstem Ton.<br />

Collin verstand diese Drohung nicht. Er fühlte sich Sicher. Mehr<br />

den je, denn nun hatte er wieder seinen Glücksbringer.<br />

Der einzige, der diese Warnung verstand war Jett. Er kannte<br />

seinen Freund lange genug und deutete seine Haltung richtig.<br />

Ray Collin kletterte aus der, nicht all zu tiefen, Grube heraus.<br />

„ Ihr könnt die Beiden jetzt abknallen. Tut mir leid Marshall, so<br />

long.“<br />

Es war nur ein leises zischen zu hören und plötzlich erweiterten<br />

sich die Augen des Ray Collin. Erstarrt stand er am Fuße des<br />

Grabes. Sekunden später senkte sich sein Kopf und er den Pfeil,<br />

der seine Brust durchbohrt hatte. Erst jetzt sickerte Blut aus der<br />

Wunde und färbte sein Hemd dunkelrot. Die Kette entglitt seinen<br />

Fingern und fiel ins Grab zurück. Ohne noch etwas sagen zu<br />

können fiel er wie ein Brett vornüber.<br />

Die Spitze des Pfeils ragte aus seinem Rücken. Es war ein<br />

grandioser Schuss.<br />

Die restlichen Männer bekamen es mit der Angst zu tun, als sie<br />

gegen die Sonne, die Schatten der Indianer erkannten, die sich<br />

rund um den Fels postiert hatten. Sie waren umzingelt.<br />

Panisch warfen sie ihre Gewehre zu Boden. Einige gingen sogar<br />

auf die Knie und bettelten um Gnade. Ryder sah keine<br />

Veranlassung die ganze Schar festzunehmen. Er war überzeugt<br />

davon, dass die meisten wohl ihr Lehre daraus gezogen haben.<br />

„ Haut ab. Aber seit gewarnt. Ich kenne euere Gesichter und wenn<br />

ich jemals einen von euch in die Finger bekomme wegen einer<br />

Straftat, dann gnade euch Gott.“<br />

69


Niemand sah noch einmal nach oben zu den Felsen. Sie rannten<br />

los als wäre ein Grizzly hinter ihnen her. Ryder gab ein<br />

Handzeichen zu den Indianern und fing an, die Steine wieder zu<br />

stapeln. Zum dritten Mal.<br />

„ Diesmal wirst du deine Ruhe finden. Niemand wird mehr deinen<br />

Geist stören.“ Murmelte Nick. Armstrong half ihm dabei,<br />

während sich immer wieder umsah.<br />

„ Sie sind weg.“ Sagte Nick, als er die Unruhe seines Freundes<br />

bemerkte.<br />

„ Das war Hilfe in letzter Not.“ Gab Jett erleichtert zu.<br />

„ Nein. Nicht in letzter Not. Sie waren schon eine ganze Weile<br />

da.“<br />

„ Du hast es gewusst?“<br />

„ Ich habe ihre Anwesenheit gespürt.“ Ungläubig starrte Jett ihn,<br />

bis Nick in eine laute Lache fiel. „ Ach Quatsch. Komm mit.“ Er<br />

ging um den Baum herum, der vor wenigen Minuten noch seine<br />

Deckung war. Dort sah Jett einen Pfeil im Stamm stecken.<br />

„ Es ist doch immer wieder aufregend mit dir Ausflüge zu<br />

machen.“ Bemerkte Armstrong.<br />

Sie luden den Toten Outlaw auf sein Pferd und ritten zurück nach<br />

<strong>Cutter</strong>.<br />

Die Bande der Collin Brüder war nun endgültig vernichtet. Viele<br />

Städte hatten sie in Angst und Schrecken versetzt, aber in <strong>Cutter</strong><br />

sind sie auf einen Marshall gestoßen, der sich ihnen entgegen<br />

stellte.<br />

Am Ufer des Silver River saßen Sie zusammen. Familie Ryder<br />

und Armstrong und feierten Carol-Anns Geburtstag nach.<br />

Die Sonne ging war längst untergegangen, doch Nick und Carol-<br />

Ann lagen sich in den Armen und beobachteten das Schimmern<br />

des Mondscheins auf dem Wasser.<br />

70


„ Ich hatte große Angst um dich Liebster.“ Flüsterte sie nach einer<br />

Weile.<br />

„ Es ist vorbei Darling.“<br />

„ Aber es kann immer wieder geschehen. Ich weiß nicht ob ich so<br />

was noch mal durchstehe.“<br />

„ Du hast nun mal einen Marshall geheiratet. Oder wäre es dir<br />

lieber ich stelle mich mit Krawatte und geölten Haaren hinter dem<br />

Bankschalter?“<br />

Carol-Ann musste lachen, als sie sich ihren Mann so vorstellte.<br />

„ Nein natürlich nicht. Außerdem bist du in einer Bank auch nicht<br />

Sicher.“<br />

„ Was soll das heißen? In <strong>Cutter</strong> hat noch niemand die Bank<br />

überfallen, weil ich der Marshall bin.“<br />

„ Aber wenn du dort arbeitest, dann bist du nicht mehr der<br />

Marshall und dann kommen sie und Überfallen dich.“<br />

„ Das stimmt. So weit habe ich noch gar nicht gedacht.“<br />

Sie blieben noch lange sitzen und redeten. So viel Zeit hatten sie<br />

schon ewig nicht mehr <strong>für</strong>einander und Beide hofften, die Zeit<br />

bliebe stehen.<br />

ENDE<br />

71

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