Der Schneckenweg - Georg Britting
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und er fürchtete sich ein wenig jetzt: sie war viel<br />
jünger als er, und nun mußte sie doch schon fort,<br />
und er, der Alte, war noch da! Die Kranke habe<br />
hohes Fieber, sagte man ihm, seit Tagen schon rede<br />
sie wirr und unzusammenhängend und wisse oft<br />
nicht mehr, wo sie sei, man höre es an den Worten,<br />
die sie zu schattenhaften Gestalten spreche, aber<br />
den geliebten Mann erkannte sie sofort und streckte<br />
ihm glücklich auflachend ihre abgezehrte Hand<br />
hin und nahm die seine und ließ sie nicht mehr los.<br />
Er sah in ihr Gesicht, das mager und faltig geworden<br />
war, und das Herz zog sich ihm zusammen<br />
beim Anblick dieser Veränderung. Aber was sich<br />
auch alles geändert haben mochte seit ihrer gemeinsamen<br />
traurigschönen Zeit, an ihm schien sie<br />
es nicht zu bemerken. Sie sah ihn mit glühenden<br />
Augen an, als sei er der junge Liebhaber von damals.<br />
Sie liebkoste seine Hand und breitete die<br />
Arme, ihn zu umfangen, und drückte ihn fest an<br />
ihre Brust und küßte ihn mit heißen Lippen und<br />
gab ihm die vertrauten Namen, die sie ihm früher<br />
gegeben hatte, und keinen hatte sie vergessen, und<br />
jeden kannte er wieder, und er wußte nicht, wie er<br />
sich benehmen sollte, in Scham und Rührung. Inzwischen<br />
war die Krankenschwester ins Zimmer<br />
getreten und hatte ihm verstohlen ein Zeichen gegeben,<br />
daß es an der Zeit sei, die Kranke zu verlassen,<br />
daß ihr die Aufregung nicht zu sehr schade.<br />
So löste er sich vorsichtig aus ihren Armen, die ihn<br />
nicht lassen wollten, und sagte, und seine Stimme<br />
war nicht fest, er müsse jetzt gehen, aber natürlich<br />
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