TaTorT DeuTschlanD – Die lokalreDakTion DeckT auf - Drehscheibe
TaTorT DeuTschlanD – Die lokalreDakTion DeckT auf - Drehscheibe
TaTorT DeuTschlanD – Die lokalreDakTion DeckT auf - Drehscheibe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Modellseminar: Tatort Deutschland<br />
Stadt und muss psychologische Hilfe in Anspruch<br />
nehmen.<br />
Der tatsächliche Täter gesteht <strong>–</strong> wobei<br />
sich herausstellt, dass er offenbar für einen<br />
weiteren sexuellen Übergriff in der Nähe des<br />
Tatortes verantwortlich war und sich sogar<br />
wegen seiner sexuellen Neigung bei der<br />
Polizei Monate vorher selbst angezeigt hatte.<br />
Der Fall Lena weitet sich also zum Polizeiskandal<br />
aus.<br />
<strong>Die</strong> sich überschlagenden Ereignisse führen<br />
die Lokalredaktion der OZ an ihre Grenzen<br />
<strong>–</strong> arbeitsorganisatorisch und ethisch.<br />
„Einige Kollegen waren fast rund um die<br />
Uhr im Einsatz“, sagt Heiko Müller, „und die<br />
Berichterstattung der überregionalen Medien<br />
erhöhte den Druck.“ <strong>Die</strong> Redaktion legte<br />
sich Zurückhaltung <strong>auf</strong> in der Begleitung der<br />
Vorgänge, was ihr positiv angerechnet wurde.<br />
Der Umfang der Berichterstattung umfasste<br />
bis zu zwei Seiten täglich, berichtet<br />
wurde <strong>auf</strong> allen Kanälen. „Zudem kam die<br />
Redaktion nicht umhin, ständig Facebook<br />
zu beobachten, um neue Entwicklungen<br />
und Veranstaltungen nicht zu verpassen“,<br />
ergänzt Müller: „Und zum ersten Mal bestimmten<br />
bei einem Kriminalfall in Ostfriesland<br />
soziale Netzwerke Tempo und Ton mit.“<br />
Als schwierig schildert er den Umgang<br />
mit persönlicher Betroffenheit und nennt ein<br />
Beispiel: „Nach der Festnahme des tatsächlichen<br />
Täters stellte sich heraus, dass der<br />
junge Mann nur wenige hundert Meter von<br />
der eigenen Wohnung entfernt wohnte, der<br />
Vermieter ein Bekannter ist und die eigene<br />
Tochter fast täglich an der Wohnung des<br />
Täters vorbei musste.“<br />
Inzwischen hat Heiko Müller Lehren aus<br />
den Vorkommnissen gezogen und Empfehlungen<br />
für Lokalredaktionen erarbeitet. Fünf<br />
Punkte stehen dabei im Vordergrund:<br />
• Bei ähnlichen Fällen sollten Redaktionen<br />
sofort ein Team aus Print-, Online- und<br />
Videoredakteuren sowie Fotografen bilden;<br />
mindestens ein Kollege sollte ständig am<br />
Ort des Geschehens sein, um immer <strong>auf</strong><br />
dem neuesten Stand zu bleiben.<br />
• Lokalredaktionen sollten ein verbindliches<br />
Regelwerk mit moralischen Grundsätzen<br />
entwickeln, einen Notfallplan <strong>auf</strong>stellen.<br />
Festgelegt werden sollte zum Beispiel, wie<br />
mit Opfern, deren Angehörigen, mutmaßlichen<br />
Tätern umgegangen wird.<br />
• Wucht und Macht sozialer Medien sind<br />
nicht zu unterschätzen; soziale Netzwerke<br />
sollten aber als Informationsquellen genutzt<br />
und Gegenstand der Berichterstattung<br />
werden.<br />
• Redaktionen sollten <strong>auf</strong> jeden Fall eine<br />
„Manöverkritik“ ansetzen, um aus dem<br />
Abstand das Geschehene zu reflektieren.<br />
• Der Umgang mit seelischen Belastungen<br />
von Journalisten und der sensible Umgang<br />
mit Opfern sollte in Aus- und Fortbildungen<br />
thematisiert werden.<br />
Von der eigenen Verantwortung befreit ein<br />
derartiger Plan allerdings nicht, so Heiko<br />
Müller: „Es gibt kein Patentrezept, wie man<br />
mit solchen Situationen und persönlicher Betroffenheit<br />
umgeht.“<br />
Kontakt<br />
Tel.: 04921 932518<br />
E-Mail: h.mueller@zgo.de<br />
Web: www.oz-online.de<br />
Z<br />
ur Person<br />
Heiko Müller<br />
Geboren 1960; nach Abitur<br />
und Wehrdienst Volontariat<br />
bei der Ostfriesen-Zeitung,<br />
dort seit 1982 Lokalredakteur<br />
in der Bezirkredaktion<br />
Emden/Nord. Ein besonderes<br />
Faible entwickelte er für<br />
Blaulicht-Themen. Immer<br />
interessiert ihn aber auch<br />
das vermeintlich Alltägliche.<br />
Für seine Serie „Müller<br />
kommt!“ wurde er im Jahr<br />
2010 mit dem bundesweit<br />
ausgeschriebenen Ferag-<br />
Leserblattbindungspreis des<br />
Verbands Deutscher Lokalzeitungen<br />
ausgezeichnet.<br />
Seite