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Monsterspecht und Dicke Raupe (pdf, 2.6 MB) - Frankfurt am Main

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H a n s T r a x l e r<br />

E i n l e i t u n g<br />

Das ICH-Denkmal<br />

Denkmäler erinnern meist an historische Ereignisse<br />

oder ehren herausragende Persönlichkeiten<br />

der Geschichte, darunter auch solche, die<br />

zu adeln bedenklich ist. In Berlin zum Beispiel<br />

wurde dem preußischen Generalfeldmarschall Moltke<br />

ein Denkmal errichtet <strong>und</strong> seinem wahnsinnigen<br />

Vorgänger von Blücher, der glaubte, mit einem<br />

Elefanten schwanger zu sein.<br />

Aber <strong>Frankfurt</strong> ist nicht Berlin. In <strong>Frankfurt</strong><br />

blickt man nicht in die Militärgeschichte<br />

zurück, sondern widmet bevorzugt Denkern <strong>und</strong><br />

Dichtern wie Adorno, Friedrich Stoltze <strong>und</strong> Goethe<br />

Plätze <strong>und</strong> Denkmäler.<br />

Und den Bürgern dieser Stadt, ganz gleich,<br />

woher sie st<strong>am</strong>men, ganz gleich, was sie tun.<br />

<strong>Frankfurt</strong> ist die erste Stadt der Welt, in der<br />

jeder das Recht hat, zur Statue zu werden, ob für<br />

ein paar Sek<strong>und</strong>en oder für alle Zeiten – wenn er<br />

sich auf Hans Traxlers ICH-Denkmal bei der Gerbermühle<br />

photographieren läßt.<br />

Die Umgebung ist idyllisch. Goethe k<strong>am</strong><br />

gerne hierher, heute lädt die <strong>Main</strong>uferanlage zum<br />

Flanieren <strong>und</strong> Ausruhen, zum F<strong>am</strong>ilienpicknick <strong>und</strong><br />

zum geselligen Umtrunk ein.<br />

Zwischen dem GrünGürtel-Radr<strong>und</strong>weg <strong>und</strong><br />

dem GrünGürtel-R<strong>und</strong>wanderweg steht der klassisch<br />

geformte Sockel mit drei Stufen. Wer sich auf ihn<br />

stellt, kann durchaus antikische Würde verstrahlen,<br />

er kann jedoch auch die kanonischen Posen der<br />

großen Männer, die Geschichte machten, karikieren<br />

<strong>und</strong> verspotten.<br />

Jeder ist frei, sich da oben, in nicht allzu<br />

luftiger Höhe, zu benehmen, wie er mag. „Jeder<br />

Mensch ist einzigartig“, wie Traxler betont.<br />

Aber man vergesse nicht: „Das gilt auch<br />

für alle Tiere.“<br />

Meine sehr verehrten D<strong>am</strong>en <strong>und</strong> Herren,<br />

in unserer heutigen Vorlesung behandeln wir das Problem<br />

des Ich. Was ist es, das Ich? Es ist nicht das<br />

Es, wie uns Sigm<strong>und</strong> Freud gelehrt hat. Aber was ist<br />

es, das Ich, dann? Ist es ein „Ich der Tathandlung“,<br />

wie Johann Gottlieb Fichte behauptete? Gibt es ein<br />

„Ur-Ich“, wie der Phänomenologe Edm<strong>und</strong> Husserl meinte?<br />

Oder können wir uns das Ich bildlich vorstellen?<br />

Als ein Wollknäuel aus Ideen vielleicht? Als eine<br />

Schüssel voller Wünsche in Gummibärchengestalt?<br />

Meine sehr verehrten D<strong>am</strong>en <strong>und</strong> Herren, auf all<br />

diese Fragen gibt es keine Antworten, denn diese Fragen<br />

sind alles<strong>am</strong>t falsch gestellt. Was also das Ich ist? Das<br />

Ich sind Sie! Aber d<strong>am</strong>it Sie sich als Ich sehen können,<br />

bedarf es eines anderen, eines Du, eines Du mit einem<br />

Photoapparat!<br />

Kurzum, Hans Traxler hat das jahrh<strong>und</strong>ertealte<br />

philosophische Problem des Ich gelöst, durch ein offenes,<br />

dialogisches Kunstwerk, ein Gedankenexperimentaldenkmal,<br />

das zu verstehen gibt: Wer ein Ich hat, steht mit beiden<br />

Füßen auf dem Boden. Oder auf einem Sockel. Von dem Sie,<br />

durch ein Du im Bild festgehalten, niemand herunterstößt.<br />

Ihr Ich ist Ihr Felsen!<br />

Ich, ja: ICH danke Ihnen für Ihre Aufmerks<strong>am</strong>keit.<br />

DAS ICH-DENKMAL • Material: Sandstein, Basaltino, Blattgold <strong>und</strong> zwei Säuleneichen<br />

Entwurf: Hans Traxler • Realisation: Grünflächen<strong>am</strong>t <strong>und</strong> Uhl Naturstein GmbH<br />

Einweihung mit dem Künstler: 24. März 2005

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