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Zur Sozialepidemiologie der Tuberkulose in der Stadt Bremen

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egistrierte das Robert Koch-Institut 5.027 (2006: 5.404) neue Fälle 8 . Dies entspricht e<strong>in</strong>er Neuerkrankungsrate<br />

(Inzidenz) von 6,1 pro 100.000 E<strong>in</strong>wohner, Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre lag die Inzidenz<br />

noch bei etwa 38 pro 100.000 E<strong>in</strong>wohner. 2006 starben an <strong>Tuberkulose</strong> 336 Menschen.<br />

Diese Todesfälle machten e<strong>in</strong>en Anteil von 0,04% an den gesamten Sterbefällen aus. 9<br />

<strong>Tuberkulose</strong> weist e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit auf: In den meisten Fällen bleibt <strong>der</strong> Kontakt mit dem Erreger<br />

folgenlos, nur bei maximal jedem 10. Infizierten bricht die Krankheit auch tatsächlich aus.<br />

Dabei handelt es sich überwiegend um Menschen mit e<strong>in</strong>em geschwächten Immunsystem. Neben<br />

Krankheiten (z.B. HIV-Infektion, Tumore, Diabetes mellitus) bee<strong>in</strong>trächtigen e<strong>in</strong> hohes Lebensalter,<br />

Mangelernährung sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch das Abwehrsystem und<br />

begünstigen dadurch den Ausbruch von <strong>Tuberkulose</strong>. Menschen, die unterhalb e<strong>in</strong>es m<strong>in</strong>imalen<br />

Lebensstandards leben wie Obdachlose o<strong>der</strong> Alkohol- und Drogenabhängige, bilden daher e<strong>in</strong>e<br />

Risikogruppe.<br />

Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit an <strong>Tuberkulose</strong> zu erkranken hängt also auch entscheidend von den<br />

Lebensumständen ab. Bis <strong>in</strong>s 20. Jahrhun<strong>der</strong>t h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> nannte man die <strong>Tuberkulose</strong> die „proletarische<br />

Krankheit“. 10 Das Motiv <strong>der</strong> Zeichnung zu Beg<strong>in</strong>n – e<strong>in</strong> hohlwangiges, Blut hustendes<br />

Mädchen im Kreis von Freund<strong>in</strong>nen – verweist auf die Allgegenwart <strong>der</strong> Schw<strong>in</strong>dsucht im<br />

damaligen „Milljöh“ <strong>der</strong> Lohnarbeiter. Heute spricht man von <strong>der</strong> „Krankheit <strong>der</strong> Randgrup-<br />

pen“.<br />

11 E<strong>in</strong>ige Beobachtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes deuten darauf h<strong>in</strong>, dass<br />

<strong>der</strong> Zusammenhang zwischen desolaten Lebensverhältnissen und hohem Erkrankungsrisiko enger<br />

werden könnte.<br />

Wie e<strong>in</strong>e Untersuchung des Bundesverbandes <strong>der</strong> Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes<br />

nahe legt, können Praxisgebühren und Arzneimittelzuzahlungen die Therapiemitwirkung<br />

(Compliance) von <strong>Tuberkulose</strong>patienten gefährden. 12 Über <strong>der</strong>artige Probleme wurde <strong>in</strong> 4,5%<br />

<strong>der</strong> erfassten Fälle berichtet. Dabei handelte es sich um Patienten, die nur über e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges<br />

E<strong>in</strong>kommen verfügten und größtenteils von Sozialleistungen lebten, e<strong>in</strong>ige waren alkohol- o<strong>der</strong><br />

drogenabhängig ohne festen Wohnsitz. Aufgrund <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>es Arztwechsels ist von<br />

den behandelnden Ärzten e<strong>in</strong> Therapieabbruch kaum feststellbar, <strong>in</strong>sofern erhalten die Gesundheitsämter<br />

nur selten die nach dem Infektionsschutzgesetz vorgeschriebenen Meldungen über<br />

Complianceprobleme. 13 Die Initiatoren <strong>der</strong> Studie kamen daher zu dem Schluss, dass das Aus-<br />

8<br />

Robert Koch-Institut 2008a: 174. Fälle gemäß Referenzdef<strong>in</strong>ition A (Kl<strong>in</strong>isch diagnostizierte Erkrankung) o<strong>der</strong> B (Kl<strong>in</strong>ischepidemiologisch<br />

bestätigte Erkrankung) o<strong>der</strong> C (Kl<strong>in</strong>isch-labordiagnostisch bestätigte Erkrankung)<br />

9<br />

Daten: Gesundheitsberichterstattung des Bundes<br />

10<br />

Hähner-Rombach 2000: 32ff<br />

11<br />

ebenda<br />

12<br />

Forßbohm 2005<br />

13<br />

Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG), §6 (2)<br />

7

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