Grevener Geschichtsblätter 7 - Stadt Greven
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<strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 7 (2012/2013)<br />
Wie aus den Untersuchungen der Feierlichkeiten<br />
und anderen Aktivitäten des Krieger- und Militärvereins<br />
hervorgeht, enthielten diese sehr häufig<br />
auch einen geselligen Teil. Dieser reichte vom gemeinsamen<br />
Beisammensein im Wirtshaus nach der<br />
Versammlung bis hin zum Ball des Kriegerfestes.<br />
Mit großer Wahrscheinlichkeit waren diese Veranstaltungsteile<br />
sehr wichtig für die meisten Mitglieder<br />
oder sogar einer der Hauptgründe für ihren Beitritt<br />
zum Verein. 138 Sie förderten die Gemeinschaft und<br />
boten insbesondere in den ersten Jahren nach den<br />
Kriegen eine Austauschplattform für die Erlebnisse<br />
der Krieger, aber auch anderer Themen, über die sie<br />
sich mit Gleichgesinnten unterhalten konnten. Es<br />
war ein Treffen unter Freunden und Bekannten. Die<br />
Feste und besonders ihre geselligen Abschnitte waren<br />
für die Teilnehmer eine Abwechslung von der<br />
Arbeit und den sonstigen Problemen des Alltagslebens.<br />
139 Hinzu kam, dass die Erinnerung an die<br />
Kriege immer mehr verblasste und viele Mitglieder<br />
nur die Wehrpflicht absolviert hatten, ohne jemals im<br />
Krieg gewesen zu sein und somit die Ehrung der gefallenen<br />
Soldaten hinter die Geselligkeit und das<br />
Vergnügen rückte. 140 Viele der in den 80ern und<br />
90ern des 19. Jahrhunderts in <strong>Greven</strong> neben dem<br />
Kriegerverein gegründeten Vereine verankerten die<br />
Geselligkeit bzw. Erholung vom Alltag sogar als<br />
Vereinszweck in ihren Statuten, genannt seien der<br />
Verein „Blaue Wolke“ (1893), die „Gesellschaft für<br />
Gemütlichkeit“ (1889) oder die „Kleine große<br />
Carnevals-Gesellschaft“ (1889). 141<br />
Zudem stellt Harm-Peer Zimmermann heraus,<br />
dass die Gastwirte gerade in den ländlichen Regionen<br />
wie <strong>Greven</strong> die finanziellen Vorzüge, die ein<br />
Kriegerverein ihnen brachte, erkannt hätten und ausnutzen<br />
wollten und daher zu Initiatoren für die Gründung<br />
von Kriegervereinen geworden seien. 142 In<br />
<strong>Greven</strong> war der Gastwirt Arnold Theißing Vorsitzender<br />
des Militärvereins. Da der Auslöser der neuen<br />
Vereinsgründung allerdings ein Konflikt innerhalb<br />
des Kriegervereins war, liegt kein Anhaltspunkt für<br />
eine individuelle Initiative Arnold Theißings vor.<br />
Dennoch ist es ungeklärt, ob und inwieweit Arnold<br />
Theißing sich im Laufe des Konflikts für die Neugründung<br />
einsetzte. 143<br />
Dass die Geselligkeit auch im Kriegerverein<br />
<strong>Greven</strong> einen hohen Stellenwert hatte, kann z.B. daraus<br />
geschlossen werden, dass der Kriegerverein<br />
1874 aus politischen bzw. religiösen Gründen kein<br />
Kriegerfest ausrichtete, dafür aber an einem Sonntag<br />
im Juli zu einem Nachmittag und Abend kameradschaftlicher<br />
Belustigung einlud, 144 weil die Mitglieder<br />
vermutlich nicht auf die Geselligkeit und das<br />
Vergnügen verzichten wollten.<br />
Diese in Maßen positive Geselligkeit konnte allerdings<br />
auch ausarten und die Generalversammlung<br />
wurde schnell zu einem „Besäufnis – mit Stammtischcharakter“<br />
145 , was einen Großteil der Teilnehmer<br />
wahrscheinlich nicht störte, von den Verbänden<br />
sowie von der Kirche jedoch als anstößig empfunden<br />
wurde. Dem <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Kriegerverein wurde diese<br />
Vergnügungs- und Trinksucht ebenfalls vorgeworfen,<br />
wie aus einem Schreiben des Amtmanns hervorgeht.<br />
Das Fest war geprägt von Alkohol, weil bereits<br />
zu Beginn ein „Frühshoppen“ abgehalten und auch<br />
bei dem nachmittäglichen Konzert „nicht wenig getrunken“<br />
wurde. 146 Am Morgen darauf spielten die<br />
Musikanten vor jedem Wirtshaus, von denen es viele<br />
gab, und erhielten dort einen Schnaps oder ein Bier.<br />
Anschließend wurden erneut die Wirtschaften besucht.<br />
Außerdem warf der Amtmann den Teilnehmern<br />
vor, dass nur wenige den am Montagmorgen<br />
vorgesehenen Kirchgang wahrnähmen, sondern der<br />
Großteil sich lieber gleich in den Wirtschaften aufhielte.<br />
147<br />
Die Kirche sorgte sich um die Moral und den<br />
Verfall der Sitten in der Bevölkerung. Der evangelische<br />
Pastor Friedrich v. Bodelschwingh äußerte in<br />
der „Neuen Westfälischen Volks-Zeitung“ seine Beschwerden<br />
über die Kriegerfeste, die „statt Lob- und<br />
Dankfeste zu sein“, sich in pure „Sauf- und Tanzfeste“<br />
wandelten, gezeichnet von „Schmach, Niederlage<br />
und Unsegen“. 148 In diesem Artikel rief er auch<br />
zur Gründung christlicher Kriegervereine auf, welche<br />
sich zum Ziel setzen sollten, „Gottesfurcht und<br />
Liebe zu Kaiser und Reich in gleicher Weise zu pflegen“<br />
149 und die Trink- und Vergnügungssucht durch<br />
eine puritanische Lebensweise zu bekämpfen. Friedrich<br />
v. Bodelschwingh geriet wegen seiner christlichen<br />
Kriegervereine allerdings in Konflikt mit dem<br />
DKB sowie dem preußischen Innenministerium und<br />
konnte sich nicht gegen diese beiden durchsetzen. 150<br />
Die Verbände und die preußische Regierung<br />
standen den Ausschweifungen ebenfalls kritisch gegenüber<br />
und versuchten den „ernsthaften Charakter<br />
der Kriegervereine“ 151 zu betonen. Alfred Westphal<br />
schrieb 1909, dass der „gemütliche Teil“ der Vereinsversammlungen<br />
„meist ungemütlich und langweilig“<br />
sei oder oft „in ein unschönes Trinkgelage,<br />
138 Vgl. Zimmermann, Der feste Wall, S. 429.<br />
139 Vgl. Zimmermann, Der feste Wall, S. 480.<br />
140 Vgl. Siedenhans, Nationales Vereinswesen und<br />
soziale Militarisierung, S. 378.<br />
141 StaG A 1536, Statuten des Vereins „Blaue<br />
Wolke“, Statuten der „Gesellschaft für Gemütlichkeit“,<br />
Statuten der „Kleinen großen Carnevals-Gesellschaft“.<br />
142 Vgl. Zimmermann, Der feste Wall, S. 477.<br />
143 Vgl. Brunsmann, Nationale Sinnstiftung, S. 56.<br />
144 StaG A 2092, Schreiben des Kriegervereins an<br />
den Amtmann, 17.7.1874.<br />
145 Dröge, Zwischen Volksfest und Soldatenstammtisch,<br />
S.188.<br />
146 StaG A 2092 Schreiben des Amtmanns an den<br />
Landrat, 25.7.1891.<br />
147 StaG A 2092 Schreiben des Amtmanns an den<br />
Landrat, 25.7.1891.<br />
148 Zit. nach: Zimmermann, Der feste Wall, S. 426.<br />
149 Siedenhans, Nationales Vereinswesen und soziale<br />
Militarisierung, S. 378.<br />
150 Vgl. Siedenhans, Nationales Vereinswesen und<br />
soziale Militarisierung, S. 379-380.<br />
151 Rohkrämer, Militarismus der „kleinen Leute“, S.<br />
68.<br />
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