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Grevener Geschichtsblätter 7 - Stadt Greven

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<strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 7 (2012/2013)<br />

75 Jahre Archivarbeit in <strong>Greven</strong><br />

Von der Hilfe durch die Archivberatungsstelle<br />

der Provinz Westfalen<br />

zur Kulturinstitution „<strong>Stadt</strong>archiv <strong>Greven</strong>“ 1<br />

Von Stefan Schröder<br />

Einleitung: Schlaglichter aus der<br />

langen Geschichte des Archivwesens<br />

Archive gibt es schon seit Jahrtausenden, denn seit<br />

sich die Schrift entwickelt hat, wurden schriftliche<br />

Aufzeichnungen auf Tontafeln und Papyrusrollen<br />

(wie in Kleinasien bzw. Ägypten vor rund 5000 Jahren),<br />

auf Pergament oder später auf Papier aufbewahrt.<br />

2 Nach heutiger Definition, dass eine bewusst<br />

getroffene Auswahl besonders wichtiger Dokumente<br />

dauerhaft aufzubewahren ist, sind erstmals im antiken<br />

Griechenland im 5. Jahrhundert vor Christus Archive<br />

entstanden. 3 Insbesondere wichtige Entscheidungen,<br />

Rechte und Fakten wurden so für die Nachwelt<br />

erhalten. Prinzipiell wurden und werden Archive<br />

damit für die Ewigkeit errichtet. Dagegen ist<br />

die Geschichte des <strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Stadt</strong>archivs noch sehr<br />

kurz: 1938, also vor 75 Jahren, wurden die älteren,<br />

bis ca. 1931 reichenden Akten erstmals durch einen<br />

Archivar in einem Findbuch erfasst und damit aus<br />

der Arbeit der Verwaltung abgetrennt und somit das<br />

Archiv gegründet.<br />

Bestanden Archive im Mittelalter vor allem aus<br />

einzelnen Urkunden, die besondere Rechte verbrieften,<br />

ist es mit der um 1500 beginnenden Neuzeit die<br />

sich entwickelnde Verwaltung, deren Material in<br />

Form von Amtsbüchern, insbesondere aber von Akten<br />

den Charakter der Archivbestände veränderte.<br />

Nicht mehr nur einzelne Rechte wurden dokumentiert,<br />

sondern Serien von Entscheidungen wurden in<br />

Form von Akten aufbewahrt. Dieser modernen Entwicklung<br />

von Verwaltungshandeln verdankt letztlich<br />

auch das <strong>Stadt</strong>archiv <strong>Greven</strong> seine Entstehung.<br />

Hinzu trat ein weiterer Gesichtspunkt: Da die<br />

meisten Archive einem Herrscher (z.B. Papst, Bischof,<br />

Kaiser, König, Fürst) oder einer Institution<br />

(z.B. Kloster, <strong>Stadt</strong>rat) unterstanden, waren sie in der<br />

Regel nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern<br />

dienten der Untermauerung der jeweiligen Herrschaft.<br />

Einen fundamentalen Einschnitt lieferte hier<br />

die Französische Revolution. Zum einen veränderte<br />

sie die Rechts- und Verwaltungsstruktur in Frankreich.<br />

Damit wurden viele der älteren schriftlichen<br />

Unterlagen für die Verwaltung und Rechtssprechung<br />

wertlos, für die 1793/94 ein eigenes Archiv geschaffen<br />

wurde: das französische Nationalarchiv. Zum anderen<br />

wurde am 25. Juni 1794 ein Archivgesetz erlassen,<br />

in dem u.a. zweierlei festgehalten wurde: Archivwürdig<br />

waren Dokumente nicht mehr nur aus<br />

rechtlichen Gründen, sondern auch bei besonderem<br />

historischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen<br />

Wert. Damit erst konnte sich eine Geschichtswissenschaft<br />

entwickeln, die mehr war als eine historische<br />

Rechtswissenschaft. Zum anderen war es Artikel 37<br />

dieses Gesetzes, der den Zugang zum Archivgut allen<br />

Interessierten ermöglichen sollte. 4 Dies ist später<br />

als Formulierung des „archivischen Menschenrechts“<br />

5 bezeichnet worden.<br />

Beginn der Verwaltung von Amt und Dorf <strong>Greven</strong><br />

im 19. Jahrhundert<br />

Bis zum Ende des Fürstbistums Münster im Jahre<br />

1802 waren Dorf und Kirchspiel <strong>Greven</strong> Teil des<br />

Amtes Wolbeck. Die verschiedenen in fürstbischöflichen<br />

Diensten stehenden Beamten aus <strong>Greven</strong> (Rezeptor,<br />

Vogt, Kirchspielsführer und -provisoren,<br />

Bauerrichter, Boten) verrichteten ihre Arbeit und berichteten<br />

regelmäßig mündlich an ihre Vorgesetzten.<br />

Nur wenige Schriftstücke, wie beispielsweise Kirchspielsrechnungen,<br />

wurden überhaupt in <strong>Greven</strong> erstellt.<br />

Die Bevölkerung war überwiegend noch nicht<br />

genügend des Lesens und Schreibens mächtig. Bekanntmachungen<br />

der Obrigkeit wurden ebenfalls<br />

mündlich verkündet. Zudem gab es in regelmäßigen<br />

Abständen Kirchspielskonventionen, also Zusammenkünfte<br />

der stimmberechtigten Grundeigentümer,<br />

bei denen die finanziellen und sonstigen Geschäfte<br />

des Kirchspiels <strong>Greven</strong> mündlich verhandelt wurden.<br />

6 Die Protokolle und sonstigen schriftlichen Unterlagen<br />

all dieser Zusammenkünfte wurden vom<br />

Amt Wolbeck und anderen fürstbischöflichen Verwaltungsstellen<br />

aufbewahrt. Sie sind heute im Landesarchiv<br />

NRW Abteilung Westfalen in Münster zu<br />

finden.<br />

So begann eine regelmäßige Verwaltungstätigkeit<br />

in <strong>Greven</strong>, die auch schriftliche Unterlagen produzierte,<br />

erst mit der Übernahme der <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Gebiete<br />

durch Preußen und das Fürstentum Rheina-<br />

Wolbeck 1802/03 und verstärkte sich unter französischem<br />

Einfluss 1806-1813, als <strong>Greven</strong> zum Großherzogtum<br />

Berg und zum Kaiserreich Frankreich gehörte.<br />

7 Nach der französischen Übergangszeit<br />

konnte sich die preußische Verwaltung endgültig<br />

etablieren. Ab 1821 residierte in <strong>Greven</strong> ein Amtmann,<br />

der für das heutige <strong>Stadt</strong>gebiet zuständig war,<br />

1 Geringfügig überarbeitete, um Anmerkungen ergänzte<br />

Texte der Ausstellung, die vom 3. Juni bis zum 11.<br />

Juli 2013 im Rathaus der <strong>Stadt</strong> <strong>Greven</strong> zu sehen war.<br />

2 Vgl. Thomas Lange/Thomas Lux, Historisches<br />

Lernen im Archiv, Schwalbach 2004, S. 7f.<br />

3 Vgl. Eckhart G. Franz, Einführung in die Archivkunde,<br />

5. Aufl. Darmstadt 1999, S. 8.<br />

4 Vgl. ebd., S. 11f.<br />

5 Die ursprüngliche Formulierung von Wilhelm Wiegand<br />

war „archivalische Menschenrechte“, vgl. Michael<br />

Scholz, Die Öffnung der Archive für Jedermann, Zur Geschichte<br />

der öffentlichen Benutzung, in: Brandenburgische<br />

Archive, Mitteilungen aus dem Archivwesen des Landes<br />

Brandenburg 10/1997, S. 4-8, http://www.landeshauptarchiv-brandenburg.de/FilePool/0010_1997.pdf<br />

(3.5.2013).<br />

6 Vgl. Joseph Prinz, <strong>Greven</strong> an der Ems, Bd. 2, <strong>Greven</strong><br />

1977, S. 33-56; Bernhard Schulze Pellengahr, Die<br />

Schultenhöfe Steinhorst und Aldrup im Fürstbistum Münster<br />

in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Frankfurt<br />

a.M. u.a. 2011, S. 32-36.<br />

7 Vgl. Stefan Schröder, <strong>Greven</strong> in der „Franzosenzeit“<br />

1806-1813, in: <strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 4<br />

(2006/2007), S. 18-28.<br />

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