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Grevener Geschichtsblätter 7 - Stadt Greven

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<strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 7 (2012/2013)<br />

Flucht gemeinsam mit zwei sowjetischen Mithäftlingen,<br />

die beide am gleichen Tage aus dem Lager geflohen<br />

sind. 69 Ob er bis in seine Heimat gelangt ist,<br />

ließ sich bis jetzt nicht klären. 70 Zumindest ist er<br />

nicht mehr in das KZ Mauthausen zurückgekommen<br />

71 – das hätte auf jeden Fall seinen sicheren Tod<br />

bedeutet. 72<br />

Josef Ostafin<br />

Ein in verschiedener Hinsicht besonderer Fall ist der<br />

eines mehrmals geflohenen polnischen Kriegsgefangenen<br />

bzw. Zivilarbeiters, der einige Jahre in der Illegalität<br />

lebte und schließlich im Januar 1945 in <strong>Greven</strong><br />

wegen Diebstahls endgültig verhaftet wurde. 73<br />

Kriegsgefangenenpostkarte des Josef Ostafin, 1939/40<br />

(Ausschnitt) - hiermit konnte er über das Deutsche<br />

Rote Kreuz schriftlich Kontakt zu seinen Angehörigen<br />

in der Heimat herstellen (Polish Red Cross (PRC)<br />

Tracing Service, L. strat PCK - 20398, DRK-Kriegsgefangenenpostkarte<br />

des Josef Ostafin).<br />

Josef Ostafin wurde am 8. März 1912/13 in Budapest<br />

(Ungarn) geboren und kam im Jahre 1940 als Kriegsgefangener<br />

(Nr. 10800) nach Deutschland. Zunächst<br />

69 The State Museum Auschwitz-Birkenau, D-<br />

Mau./6, vol. 6, s. 302 and 303, Liste „Häftlingsflucht“ des<br />

KZ Mauthausen vom 25.9.1944. Dafür spricht auch, dass<br />

die SS-Lagerverwaltung auf der „Fluchtkarteikarte“ einen<br />

der anderen Flüchtlinge (Nikolai Iwanitzkij) vermerkt<br />

hatte, weil sie selbst einen Zusammenhang annahm. ITS<br />

Digitales Archiv, 1.1.26.3, 1776682, Häftlingspersonalkarte<br />

(Fluchtkartei) KZ Mauthausen des Wladimir S. Siehe<br />

auch: Schreiben des Archivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen<br />

an den Verf. vom 29.6.2013.<br />

70 Die am 10.4.2013 an den Suchdienst des Russischen<br />

Roten Kreuzes gestellte Anfrage hat keine neuen Erkenntnisse<br />

über seinen Verbleib gebracht. Schreiben des<br />

Russian Red Cross Tracing Service an den Verf. vom<br />

16.10.2013.<br />

71 Auf der Fluchtliste sind die Namen der wiederergriffenen<br />

Häftlinge abgehakt bzw. mit einer Anmerkung<br />

wie „auf der Flucht erschossen“ (sic!) versehen worden.<br />

The State Museum Auschwitz-Birkenau, D-Mau./6, vol. 6,<br />

s. 302 and 303, Liste „Häftlingsflucht“ des KZ Mauthausen<br />

vom 25.9.1944.<br />

72 Geflohene KZ-Häftlinge, die lebend wieder ergriffen<br />

wurden bzw. in das KZ zurückkamen, wurden dort<br />

öffentlich hingerichtet. www.mauthausen-memorial.at/db/admin/de/index_main.php?cbereich=1&cthema<br />

=34&carticle=36&fromlist=1 (15.11.2013).<br />

befand er sich im Stammlager (Stalag) VI A in Hemer,<br />

dann im Stalag VI D in Dortmund. Am 12. Oktober<br />

1940 „entließ“ ihn das Stalag zum Arbeitsamt<br />

Ahlen (Kreis Warendorf), 74 wobei er zuvor bereits in<br />

Schmedehausen (<strong>Greven</strong>) als Kriegsgefangener zur<br />

Arbeit eingesetzt gewesen war. 75<br />

Bei seiner Vernehmung gab er zunächst auch<br />

an, dass er 1940 als Kriegsgefangener nach Deutschland<br />

gelangt sei. Dann aber – vielleicht aus Angst vor<br />

den Konsequenzen – „verbesserte“ er sich, dass er<br />

erst 1942 als Zivilarbeiter ins Land gekommen sei.<br />

Da er aber keine Papiere bei sich hatte, sei er in ein<br />

Straflager in Dortmund eingewiesen worden. Aus<br />

diesem floh er nach einigen Tagen und vagabundierte<br />

„ohne zu arbeiten“ im Lande umher. 76<br />

Seit dieser Zeit hielt er sich in der Gegend von<br />

<strong>Greven</strong> auf. 77 Laut seiner Angabe wurde er dort bereits<br />

im Mai 1943 schon einmal von der Polizei festgenommen,<br />

konnte aber durch einen Trick wieder<br />

fliehen. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch<br />

Diebstähle bei den Bauern in <strong>Greven</strong> und Umgebung.<br />

Die Nächte verbrachte er in den Scheunen verschiedener<br />

Bauernhöfe. 78 So übernachtete er auch<br />

„auf dem Heuboden“ des Bauern E. in Schmedehausen,<br />

bei dem er zudem wiederholt Getreide stahl. 79<br />

Im Herbst 1944 wurde er in dieser Scheune von<br />

Kindern des beim Bauern E. angestellten Melkers<br />

Heinrich S. überrascht, die ihren Vater herbeiholten.<br />

Dieser meldete ihn nicht der Polizei, sondern ließ ihn<br />

bei sich wohnen. 80 Ostafin verrichtete dort „leichte<br />

Arbeiten“, wofür er seinen Lebensunterhalt bekam.<br />

In seiner Aussage musste er „allerdings zugeben“,<br />

dass er auch Getreide und Hühner sowie Kaninchen<br />

bei Bauern gestohlen und das „Diebesgut“ dem<br />

Heinrich S. für den Unterhalt gegeben hatte. 81 Im<br />

Laufe der Vernehmungen gestand Ostafin noch weitere<br />

Diebstähle von Tieren bzw. Lebensmitteln, aber<br />

auch von Gebrauchsgegenständen wie Fahrrädern,<br />

einer Badewanne und anderen Dingen. 82<br />

73 Vgl. auch das Kapitel „Untergetaucht“ bei Dreßler,<br />

Galen und Spieker, <strong>Greven</strong>, Bd. 2, S. 151-153.<br />

74 Polish Red Cross (PRC) Tracing Service, L. strat<br />

PCK - 20398, DRK-Kriegsgefangenenpostkarte des Josef<br />

Ostafin.<br />

75 Hier floh er (= Ostavien) wahrscheinlich zum ersten<br />

Mal aus der Gefangenschaft. Siehe oben.<br />

76 StaG B 3855, Vernehmungsprotokoll des Josef<br />

Ostafin vom 10.1.1945.<br />

77 StaG B 3855, Vernehmungsprotokolle des Josef<br />

Ostafin vom 11.1.1945.<br />

78 StaG B 3855, Vernehmungsprotokoll des Josef<br />

Ostafin vom 10.1.1945.<br />

79 StaG B 3855, Vernehmungsprotokolle des Josef<br />

Ostafin vom 11.1.1945.<br />

80 StaG B 3855, Vernehmungsprotokoll des Josef<br />

Ostafin vom 10.1.1945. Auch als er später von Ostafin erfuhr,<br />

dass dieser ein gesuchter polnischer Zivilarbeiter war,<br />

zeigte er ihn nicht an. StaG B 3855, Vernehmungsprotokoll<br />

des Heinrich S. vom 10.1.1945.<br />

81 StaG B 3855, Vernehmungsprotokoll des Josef<br />

Ostafin vom 10.1.1945.<br />

82 StaG B 3855, Vernehmungsprotokolle des Josef<br />

Ostafin vom 11.1.1945. Der Meister der Schutzpolizei Göcke<br />

schloss die Vernehmungsakte mit der Bemerkung,<br />

„dass es sich bei Ostafin um einen äusserst raffinierten und<br />

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