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Grevener Geschichtsblätter 7 - Stadt Greven

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<strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 7 (2012/2013)<br />

in trostlose Kartenspielerei oder öden Singsang“<br />

ausartete. 152 Auch die Deutsche Kriegerzeitung<br />

„Parole“, herausgegeben vom PLVK, beklagte<br />

bereits 1892, dass das Leben der meisten Dorfvereine<br />

ehemaliger Soldaten weniger von den nationalen<br />

Aufgaben, als vielmehr von dem Interesse am<br />

Tanzvergnügen erfüllt sei. 153 Aus diesen Gründen<br />

griffen die Verbände und auch die Regierung in die<br />

Festregelung ein. Im Juni 1885 schrieb der Preußische<br />

Innenminister an die Landräte des Regierungsbezirks<br />

Münster, zu dem auch <strong>Greven</strong> gehörte, und<br />

beklagte, dass die<br />

„Schützenvereine und anderen Vereine ihren<br />

wohltätigen Einfluss zum großen Teil verloren haben,<br />

vielmehr die von denselben veranstalteten Festlichkeiten<br />

vorwiegend den Charakter von Trinkgelagen und<br />

ausgedehnten Tanzlustbarkeiten tragen, welche unverkennbar<br />

nicht allein auf die Wirtschaftlichkeit und<br />

Arbeitssamkeit der Bevölkerung nachteilig einwirken,<br />

sondern auch sittliche Gefahren in sich schließen“ 154 .<br />

Daraufhin wurde die Feier des Kriegerfestes auf<br />

einen Tag reduziert und die Sperrstunde auf zwei<br />

Uhr festgesetzt. 155 Wie bereits herausgearbeitet,<br />

wurde dies in <strong>Greven</strong> jedoch nicht konsequent umgesetzt,<br />

worin sich der Unterschied der Vorstellung<br />

der Verbände und der Regierung zu den Mitgliedern<br />

des Kriegervereins vor Ort widerspiegelt.<br />

Letztlich schließen sich Geselligkeit und die<br />

Verbreitung sowie die Pflege nationalistischer Gesinnung<br />

nicht aus, da gerade ein geselliger und für<br />

die Mitglieder vertrauter Rahmen stärker auf die Bildung<br />

einer Mentalität wirken kann als direkte politische<br />

Information oder Propaganda. 156<br />

Symbole – Fahne und Vereinsabzeichen<br />

Die vielen öffentlichen Vereinsaktivitäten dienten<br />

der Repräsentation des Vereins, wobei symbolträchtige<br />

Gegenstände halfen. Neben der Uniform, den<br />

Abzeichen und teilweise – wie für Nettelstedt belegt<br />

– auch Waffen 157 , gehörte im besonderen Maße die<br />

Fahne dazu. „Der Stolz eines jeden Kriegervereins<br />

ist seine Fahne. Wie die Fahne des Truppenteils für<br />

den Soldaten, so ist die Vereinsfahne für den Verein<br />

das Wahrzeichen der Treue und Liebe zum allerhöchsten<br />

Kriegs- und Landesherrn“ 158 schrieb Alfred<br />

Westphal 1906 in seinem Handbuch. Die Bedeutung<br />

der Fahne in der Armee wurde mit in den Kriegerverein<br />

aufgenommen und sie verstärkte den militäri-<br />

152 Alfred Westphal, Handbuch für die Kriegervereine<br />

des Preußischen Landeskriegerverbandes, 3. Aufl.,<br />

Berlin 1909, S. 64.<br />

153 Vgl. Zimmermann, Der feste Wall, S. 426.<br />

154 StaG A 1523, Schreiben des Ministers des Innern<br />

an die Landräte des Regierungsbezirks, 11.6.1885.<br />

155 StaG A 1523, Schreiben des Ministers des Innern<br />

an die Landräte des Regierungsbezirks, 11.6.1885.<br />

156 Vgl. Rohkrämer, Militarismus der „kleinen<br />

Leute“, S. 18.<br />

157 Vgl. Wilde, Dörfliche Vereine in Nettelstedt, S.<br />

5.<br />

158 Westphal, Handbuch für die Kriegervereine, S.<br />

45.<br />

159 Vgl. Rohkrämer, Militarismus der „kleinen<br />

schen Charakter desselben. Die Fahne diente der Repräsentation<br />

des Vereins nach außen, sie symbolisierte<br />

die „gemeinsamen Überzeugungen und Verpflichtungen,<br />

den Ehrencodex“, der auch gegen<br />

„Einzelinteressen und -schicksale“ bewahrt werden<br />

musste. 159 Auf der anderen Seite stärkte sie den Verein<br />

nach innen und symbolisierte die Einheit. 160 Der<br />

gesamte Verein identifizierte sich als Gemeinschaft<br />

mit einer Fahne und deren Botschaft. Aus dieser großen<br />

Bedeutung, die der Fahne beigemessen wurde,<br />

ergab sich, dass auch das Fest der Fahnenweihe gebührend<br />

gefeiert wurde. An der Fahnenweihe des<br />

Emsdettener Vereins nahm z.B. auch der <strong><strong>Greven</strong>er</strong><br />

Militärverein teil. 161 Den Höhepunkt des Festes bildete<br />

die Vereidigung des Vereins auf die Fahne.<br />

Trotz der hohen Kosten, die mit der Anschaffung einer<br />

Fahne verbunden waren und zwischen 75 und<br />

400 Mark betrugen, war der schnelle Kauf einer<br />

Fahne den Kriegervereinen ein wichtiges Anliegen,<br />

für dessen Realisierung sie auch jahrelang sparten o-<br />

der Spenden sammelten. 162 Um ein staatlich anerkannter<br />

Kriegerverein zu sein, musste die Fahne seitens<br />

der Regierung genehmigt werden. Das Verfahren<br />

dafür war relativ aufwendig. Es musste eine<br />

Skizze der Fahne eingereicht, ein Fragenkatalog zu<br />

den Verhältnissen des Vereins beantwortet sowie die<br />

Beantragung der Fahne begründet werden. Vereinzelt<br />

traten „wilde Vereine“ 163 auf, die ihre Fahne inoffiziell<br />

führten. Doch generell fühlten sich die Vereine<br />

„erst mit dem Recht, eine Fahne tragen zu dürfen,<br />

als ‚echter‘ Kriegerverein“ 164 .<br />

In <strong>Greven</strong> wurde die Fahne bereits ein Jahr nach<br />

Gründung des Kriegervereins beantragt und am 28.<br />

September 1873 genehmigt. 165 Der Militärverein<br />

<strong>Greven</strong> beantragte 1913 nach seiner staatlichen Anerkennung<br />

ebenfalls die Genehmigung, eine Fahne<br />

führen zu dürfen und erhielt diese noch im selben<br />

Jahr. 166 Wie hoch die Kosten für die Fahnen waren<br />

und wie sie in so kurzer Zeit das Geld aufbringen<br />

konnten, ist leider nicht bekannt, da das Einnahmenund<br />

Ausgabenbuch des Kriegervereins erst im Jahr<br />

1890 begonnen wurde und vom Militärverein ein solches<br />

nicht erhalten ist.<br />

Die Gestaltung der Fahnen war sehr wichtig,<br />

weil sie den Verein öffentlich repräsentierte. Seitens<br />

der Regierung gab es Vorgaben zum Aussehen der<br />

Fahne, so schrieb der Landrat an den <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Amtmann,<br />

„daß der Namenszug Sr. Majestät des Kaisers<br />

und Königs, Ordensbänder und Abbildungen von Ordensdekorationen<br />

und militärischen Ehrenzeichen zu<br />

Leute“, S. 59.<br />

160 Vgl. Rohkrämer, Militarismus der „kleinen<br />

Leute“, S. 58; Zimmermann, Der feste Wall, S. 483.<br />

161 StaG A 1537, Schreiben des Militärvereins an<br />

den Amtmann, 24.9.1911.<br />

162 Vgl. Rohkrämer, Militarismus der „kleinen<br />

Leute“, S. 58-59.<br />

163 Vgl. Kirn, „Krieg ist es nicht, was wir wollen“,<br />

S. 303.<br />

164 Vgl. Kirn, „Krieg ist es nicht, was wir wollen“,<br />

S. 288.<br />

165 StaG A 2091, Schreiben des Innenministeriums<br />

an den Landrat, 27.9.1873.<br />

166 StaG A 2091, Schreiben des Regierungspräsidenten<br />

an den Landrat, 15.12.1913.<br />

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