Grevener Geschichtsblätter 7 - Stadt Greven
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<strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 7 (2012/2013)<br />
„Mit Gott für König und Vaterland“ 219 lautet die<br />
Inschrift auf dem <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Kriegerdenkmal, die die<br />
Einstellung des Krieger- und auch des Militärvereins<br />
in <strong>Greven</strong> recht gut widerspiegelt. Hinzu tritt allerdings<br />
noch der Aspekt der Geselligkeit, die für die<br />
einen ein Argument für den Vereinsbeitritt war, für<br />
die anderen aber eher eine Vergnügungssucht darstellte<br />
und von diesen, dazu gehören die Kirche, die<br />
Verbände, insbesondere der DKB und der PLVK,<br />
und die preußische Regierung, daher kritisch betrachtet<br />
wurde.<br />
Die <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Krieger vereinten in ihren beiden<br />
Vereinen alle Aspekte miteinander. In ihren öffentlichen<br />
Aufzügen und Vereinsaktivitäten zeigten sie<br />
eine nationalistische und militärische Gesinnung,<br />
verkörperten die Werte und Normen des Kaiserreichs<br />
wie Ordnung, Gehorsam, Hierarchie, Liebe<br />
zum Kaiser und zum Reich durch ihre patriotischen<br />
Reden und Lieder, ihre organisierten Aufzüge und<br />
die symbolischen Gegenstände wie die Fahne und<br />
das Vereinsabzeichen. Bei den Reichstagswahlen<br />
entschieden sie sich jedoch grundsätzlich für das<br />
Zentrum, auch wenn dies gerade in Konflikt mit dem<br />
Herrscherhaus stand und z.B. 1907 von den Verbänden<br />
stark kritisiert wurde. Des Weiteren integrierten<br />
sie ebenfalls Geselligkeit und Vergnügen in ihr Vereinsleben.<br />
Eine gewisse Trink- und Vergnügungssucht<br />
lässt sich für den <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Kriegerverein nicht<br />
von der Hand weisen, doch für viele Mitglieder war<br />
das nicht negativ behaftet, weil die geselligen<br />
Abende für die Männer als Austauschplattform unter<br />
Gleichgesinnten und als Abwechslung zum Alltagsleben<br />
dienten. Diese Abwechslung dehnte sich auch<br />
auf die Angehörigen der Mitglieder und das ganze<br />
Dorf aus. Denn die jährlichen Stiftungsfeste waren<br />
für Groß und Klein eine Attraktion und ein wichtiger<br />
Termin im Jahr.<br />
Der <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Kriegerverein machte, soweit es<br />
die Quellen zeigen, die Nation für die Bevölkerung<br />
„mental und emotional erfahrbar“ 220 und, wie<br />
Thomas Rohkrämer schreibt, ist Geselligkeit kein<br />
Ausschlusskriterium für die Bildung eines Nationalbewusstseins,<br />
denn gerade in diesem Rahmen ist es<br />
einfacher, eine bestimmte Mentalität zu fördern, als<br />
durch direkte politische Information und Propaganda.<br />
221<br />
Eine Schnittstelle zwischen den Vereinen und<br />
Verbänden sowie der Regierung war die stabilisierende<br />
Wirkung der Kriegervereine bezüglich der gesellschaftlichen<br />
Ordnung. Für die Mitglieder aus den<br />
Handwerker- und Arbeiterkreisen war die Mitgliedschaft<br />
im Verein eine Prestigeerhöhung, weil er<br />
ihnen ein militärisches Begräbnis ermöglichte und<br />
eine Gleichheit unter den Mitgliedern suggerierte,<br />
die aus der Armee übernommen wurde. Außerdem<br />
konnten sie sich als Teil eines Ganzen fühlen, das<br />
sich für ihre Nation und ihr Vaterland engagierte.<br />
Doch die Kameradschaft und die angebliche Gleichheit<br />
der Mitglieder wurden nicht eins zu eins auf den<br />
„Eintracht“ von 1899.<br />
219 Dreßler/Galen/Spieker, <strong>Greven</strong> 1918-1950, Bd.<br />
1, S. 57.<br />
220 Vgl. Wehler, Nationalismus, S. 76.<br />
221 Vgl. Rohkrämer, Militarismus der „kleinen<br />
Kriegerverein übertragen. Das zeigt sich schon in der<br />
Spaltung des Vereins. Die Hierarchie in der Gesellschaft<br />
blieb auch im Kriegerverein erhalten, den Mitgliedern<br />
mit einer höheren Bildung und besseren sozialen<br />
Stellung wurden auch im Kriegerverein die<br />
Führungspositionen verliehen. Die Verbände und die<br />
Regierung unterstützten dieses Verhalten, weil sie<br />
sich dadurch eine Stabilisierung gegen die Sozialdemokratie<br />
erhofften. Diese innenpolitische Instrumentalisierung<br />
gegen die Sozialdemokratie hat aber,<br />
wie die Untersuchung gezeigt hat, in <strong>Greven</strong> keine<br />
größeren Reaktionen hervorgerufen.<br />
Zusammenfassend waren der Krieger- und der<br />
Militärverein <strong>Greven</strong> wie die anderen Kriegervereine<br />
dieser Zeit sicherlich keine aggressive, aber trotzdem<br />
eine massenwirksame Stütze des Militärgeistes und<br />
des Nationalbewusstseins und boten auch das emotionale<br />
Milieu, diese beiden auszuleben. 222 Dennoch<br />
darf der Aspekt der Geselligkeit, der den beiden Vereinen<br />
ebenfalls zu ihrer Bedeutung und ihrem großen<br />
Zulauf verhalf, nicht unterschätzt werden. Bezüglich<br />
der politischen Instrumentalisierung gegen die Sozialdemokratie,<br />
die von Kriegerverein zu Kriegerverein<br />
variierte, lässt sich in <strong>Greven</strong> bei beiden Vereinen<br />
jedoch kein großer Erfolg verzeichnen. Die<br />
‚Wunschvorstellung‘ der preußischen Regierung und<br />
der Verbände wurde somit nicht konsequent bedient,<br />
sondern es zeigen sich beim Umbruch von den Vorgaben<br />
zur Realität im Verein Diskrepanzen. Kriegerund<br />
Militärverein sind trotzdem als Träger des Nationalismus<br />
anzuerkennen. Es zeichnet sich auf der anderen<br />
Seite aber keine verstärkte Tendenz eines übersteigerten<br />
Nationalismus ab. Denn obgleich sie sich<br />
mit ihrer Treue für Kaiser und Reich und ihren Symbolen<br />
für die Haltung des Kaisers aussprachen, fand<br />
sich in den Quellen nur eine Stimmungsmache gegen<br />
die äußeren Reichsfeinde, die Franzosen; erinnert sei<br />
an die Kriegsfestspiele in Burgsteinfurt oder das<br />
Kriegerdenkmal in <strong>Greven</strong>. Ein aktives Vorgehen<br />
gegen die inneren Reichsfeinde, seien es die Katholiken,<br />
Sozialdemokraten oder Juden, geht aus den<br />
Quellen nicht hervor.<br />
Eine weiterführende Betrachtung, die sich gut<br />
an diese Arbeit anschließt, ist die Untersuchung des<br />
Einflusses des Krieger- und Militärvereins auf die<br />
Haltung der <strong><strong>Greven</strong>er</strong> zum Ersten Weltkrieg. Es<br />
stellt sich die Frage, inwieweit beide Vereine die Euphorie<br />
für den Kriegsbeginn forciert haben oder ob<br />
sie anstatt ihres militärischeren Charakters eher zivilere<br />
Formen annahmen. 223<br />
Leute“, S. 18.<br />
222 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-<br />
1918, Bd. 2, S. 235.<br />
223 Vgl. Brunsmann, Nationale Sinnstiftung, S. 64f.<br />
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