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Grevener Geschichtsblätter 7 - Stadt Greven

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<strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 7 (2012/2013)<br />

wichtige Elemente des Nationalismus waren. Die<br />

Gewaltbereitschaft war nicht nur auf das Kaiserreich<br />

beschränkt, wie die Rheinkrise von 1840 oder der<br />

Krieg zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein<br />

1848 zeigen. 31<br />

Des Weiteren verschob sich die politische Positionierung;<br />

aus einem eher liberal getragenen Nationalismus<br />

mit nationaldemokratischer Prägung wurde<br />

nun ein konservativer mit nationalmonarchischer<br />

Orientierung. Heinrich A. Winkler spricht in seinem<br />

Aufsatz, wie bereits der Titel verrät, von einem<br />

Übergang vom linken zum rechten Nationalismus, 32<br />

wobei diese Aussage kritisch betrachtet werden<br />

muss, da ein so strikter Umbruch nach neuester Forschung<br />

nicht mehr vertreten wird. 33 Der Nationalismus<br />

war seit 1789 eine emanzipatorische, liberale<br />

Bewegung gewesen und wurde meist von der Opposition<br />

vertreten. Doch nun wurde das Prinzip des Nationalismus<br />

von den Regierenden übernommen und<br />

sein Charakter eher antirepublikanisch, antiliberal<br />

und antirevolutionär. Dennoch darf hier nicht vereinfacht<br />

ein Umschwung von links nach rechts gesehen<br />

werden, denn die liberalen und emanzipatorischen<br />

Tendenzen verschwanden nicht sofort, wie auch die<br />

gegensätzlichen Tendenzen ebenfalls einer längeren<br />

Entwicklung bedurften. Es sollte eher von einem Nebeneinander<br />

der Tendenzen gesprochen werden, wobei<br />

es jedoch im Kaiserreich zu einer stärkeren Gewichtung<br />

auf der rechten, eher konservativen Seite<br />

kam. 34 Gleichzeitig ist eine konstante Intensivierung<br />

des Nationalismus zu konstatieren, weshalb sich für<br />

das Ende des 19. und für den Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

der Begriff integraler Nationalismus durchgesetzt<br />

hat. Darunter war ein übersteigerter Nationalismus<br />

zu verstehen, der von Aggression und Intoleranz<br />

gegenüber inneren und äußeren Feinden geprägt<br />

war. Geltende Grundsätze waren die militärische<br />

Stärke, die absolute Homogenität, die zunächst<br />

sprachlich und dann immer stärker rassisch und<br />

schon früh antisemitisch interpretiert wurde, sowie<br />

die Expansion, also der Kolonialismus und das Sendungsbewusstsein<br />

des Deutschen Reiches. 35 Die Radikalisierung<br />

des Nationalismus zeigt sich auch in<br />

den damals weit verbreiteten Aussagen „Recht ist,<br />

was dem Volke nützt“ oder „Du bist nichts, dein<br />

Volk ist alles“. 36<br />

Zusammenfassend beruhte der Nationalismus<br />

des Kaiserreichs auf einem hohen Ansehen und einer<br />

großen Präsenz des Militärs sowie einem Gemeinschaftsgefühl<br />

durch die Herstellung von Feindbildern<br />

nach außen und innen. Mit Hilfe von erdachten<br />

Traditionen sollte jedes Mitglied der Nation erfasst<br />

werden und sich als ein Teil von ihr fühlen. Dabei<br />

spielte der Kaiser als „Integrationssymbol“ 37 eine<br />

sehr wichtige Rolle.<br />

<strong>Greven</strong> im Kaiserreich<br />

<strong>Greven</strong> wurde 1816 dem Landkreis Münster zugeordnet.<br />

Seit dem Jahr 1850 bestand das Amt <strong>Greven</strong><br />

aus zwei Gemeinden, der Gemeinde Gimbte und der<br />

mit dem Kirchspiel <strong>Greven</strong> wiedervereinten Gemeinde<br />

<strong>Greven</strong> Dorf, die nun zusammen als Gemeinde<br />

<strong>Greven</strong> firmierten.<br />

Im Zuge der Revolution von 1848/49 kam es<br />

auch in <strong>Greven</strong> zu leichten Unruhen und es bildete<br />

sich eine Bürgerwehr, jedoch hatte die Nationalbewegung<br />

zu dieser Zeit keine großen Auswirkungen<br />

auf die beiden ländlichen Gemeinden. Denn außer eines<br />

„Politischen Klubs“ fanden sich in <strong>Greven</strong> keine<br />

weiteren Vereine mit demokratischen Tendenzen.<br />

Die geringe Wahlbeteiligung bei den lokalen Wahlen<br />

der Gemeindevertreter in den Jahren 1843, 1853,<br />

1855 und 1859 zeigt deutlich, dass das politische Interesse<br />

der Bevölkerung nicht besonders groß war.<br />

Das Interesse am preußischen oder westfälischen<br />

Landtag beschränkte sich auf die Kaufmannschaft im<br />

Dorf und wenige Teile der Landwirtschaft.<br />

Mit Einsetzen der Industrialisierung und dem<br />

Aufblühen der Textilindustrie in den 1850ern begann<br />

in <strong>Greven</strong> eine Tendenz zur Verstädterung. Dies<br />

führte jedoch zu Konflikten zwischen dem Dorf <strong>Greven</strong><br />

und den umliegenden Bauerschaften, sodass es<br />

1894 zu einer erneuten Teilung der Gemeinde <strong>Greven</strong><br />

in die Gemeinden <strong>Greven</strong>-Dorf, <strong>Greven</strong> rechts<br />

der Ems und <strong>Greven</strong> links der Ems kam. <strong>Greven</strong> entwickelte<br />

sich von einem Handelsdorf zu einem Industrieort<br />

und die Einwohnerzahl <strong>Greven</strong>s stieg stetig.<br />

Allein <strong>Greven</strong>-Dorf wuchs von 1410 Einwohnern<br />

im Jahr 1849 auf 3649 Einwohner im Jahr 1895.<br />

Zu dieser Zeit war es sogar größer als die benachbarte<br />

<strong>Stadt</strong> Telgte. Seine <strong>Stadt</strong>rechte erhielt <strong>Greven</strong><br />

aber trotz damaliger Bemühungen erst im Jahr 1950.<br />

Neben der fortschreitenden wirtschaftlichen<br />

Entwicklung blieb auch die geistige und kulturelle<br />

Entwicklung des Ortes nicht rückschrittlich. Im ersten<br />

Adressbuch von 1910 sind 67 Vereine verzeichnet.<br />

Im Jahr 1871 war der Kriegerverein noch der<br />

einzige neu gegründete Verein im Dorf neben dem<br />

Gesellenverein Kolping von 1869. Die übrigen Vereine<br />

gründeten sich dann in den folgenden Jahren:<br />

31 Vgl. Weichlein, Nationalbewegungen und Nationalismus<br />

in Europa, S. 46-47.<br />

32 Vgl. Heinrich August Winkler, Vom linken zum<br />

rechten Nationalismus. Der deutsche Liberalismus in der<br />

Krise von 1878/1879; in: Geschichte und Gesellschaft 4<br />

(1978), H. 1, S. 5-28.<br />

33 Vgl. dazu Otto Dann, Nation und Nationalismus<br />

in Deutschland. 1770-1990, Stuttgart 1993; Barbara Vogel,<br />

Vom linken zum rechten Nationalismus. Bemerkungen zu<br />

einer Forschungskontroverse, in: Bernd J. Wendt (Hrsg.),<br />

Vom schwierigen Zusammenwachsen der Deutschen. Nationale<br />

Identität und Nationalismus im 19. und 20. Jahr-<br />

hundert, Frankfurt/Main 1992, S. 97-110; Michael Jeismann,<br />

Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen<br />

Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und<br />

Frankreich 1792-1918, Stuttgart 1992.<br />

34 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918,<br />

Bd. 1, München 1990, S. 258; Weichlein, Nationalbewegungen<br />

und Nationalismus in Europa, S. 45-46.<br />

35 Weichlein, Nationalbewegungen und Nationalismus<br />

in Europa, S. 100, 107-108.<br />

36 Weichlein, Nationalbewegungen und Nationalismus<br />

in Europa, S. 100.<br />

37 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd.<br />

1, S. 259.<br />

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