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Grevener Geschichtsblätter 7 - Stadt Greven

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<strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Geschichtsblätter</strong> 7 (2012/2013)<br />

Die Kriegervereine als Träger<br />

des Nationalismus im Kaiserreich<br />

Das Beispiel des Krieger- und Militärvereins<br />

<strong>Greven</strong> (1871-1914)<br />

Von Annekarin Boldt<br />

„Heil dir im Siegerkranz<br />

Herrscher des Vaterlands!<br />

Heil, König, dir!<br />

Fühl in des Thrones Glanz<br />

die hohe Wonne ganz<br />

Liebling des Volks zu sein!<br />

Heil, König Dir!“ 1<br />

So lautet die erste Strophe der ‚Kaiserhymne‘ „Heil<br />

Dir im Siegerkranz“, die der Kriegerverein <strong>Greven</strong><br />

stets bei seinen Aufzügen gesungen hat. 2 Bereits<br />

diese wenigen Zeilen lassen erkennen, dass sich der<br />

Kriegerverein mit Vaterlandsliebe und einer Treue<br />

zu seinem Herrscher identifizierte. Nicht nur aus diesem<br />

Grund wird den Kriegervereinen zugeschrieben,<br />

Träger des Nationalismus, der Pflege und Verbreitung<br />

nationalistischer Gedanken gewesen zu sein.<br />

Hierbei handelt es sich zunächst um eine generelle<br />

Aussage über die Kriegervereine und um die Wünsche<br />

der preußischen Regierung sowie der Kriegerverbände.<br />

Interessant ist nun, inwieweit die einzelnen<br />

Kriegervereine dieser ‚Wunschvorstellung‘<br />

entsprachen. Deshalb soll der dörfliche Kriegerverein<br />

<strong>Greven</strong> als lokales Beispiel dienen und auf<br />

die Frage hin untersucht werden, wie sich der Nationalismus<br />

des Kaiserreichs im Kriegerverein <strong>Greven</strong><br />

widerspiegelte. Der Untersuchungszeitraum erstreckt<br />

sich von der Gründung des Kriegervereins<br />

<strong>Greven</strong> im Jahr 1871 bis zum Ausbruch des Ersten<br />

Weltkriegs im Jahr 1914.<br />

Der <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Kriegerverein bietet viele interessante<br />

Aspekte für diese Untersuchung. Bereits der in<br />

<strong>Greven</strong> zur damaligen Zeit weit verbreitete Spruch:<br />

„Die größte <strong>Stadt</strong> in Engelland ist London an der<br />

Themse, das größte Dorf im Münsterland ist <strong>Greven</strong><br />

an der Emse“ 3 , blickt zwar ein wenig spottend auf<br />

<strong>Greven</strong>, dennoch vermittelt er den Eindruck, dass<br />

<strong>Greven</strong> im Münsterland schon aufgrund seiner<br />

Größe und seiner fortschrittlichen Entwicklung eine<br />

besondere Bedeutung beigemessen wurde. Obwohl<br />

<strong>Greven</strong> über den gesamten Untersuchungszeitraum<br />

hinweg ein katholisch geprägtes Dorf war, waren<br />

wesentlich mehr Männer im <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Kriegerverein<br />

organisiert als in den restlichen Kriegervereinen<br />

Westfalens, was eine in Bezug auf den Kulturkampf<br />

interessante Untersuchungsgrundlage bietet. Außerdem<br />

kam es 1910 zu Konflikten im Verein, die zu<br />

einer Spaltung und der Gründung eines weiteren<br />

1 <strong>Stadt</strong>archiv <strong>Greven</strong> (StaG) A 1536, Vaterländische<br />

Fest-Lieder, Erscheinungsjahr und -ort unbekannt, S. 3.<br />

2 StaG A 2092, Schreiben des Vorstands des Kriegervereins<br />

an das Königliche Amt, 8. 6.1895.<br />

3 Joseph Prinz, <strong>Greven</strong> an der Ems. Die Geschichte<br />

der <strong>Stadt</strong> und des Amtes <strong>Greven</strong>, 2. Aufl., 2 Bde., <strong>Greven</strong><br />

1976/77, hier Bd. 2, <strong>Greven</strong> 1977, S. 227. Die Rechtschreibung<br />

der Zitate wird ohne Verbesserungen aus dem Originaltext<br />

übernommen. Dies gilt auch für alle folgenden Zitate.<br />

Vereins, des Militärvereins <strong>Greven</strong>, führten, der sich<br />

in seiner sozialen Struktur stark vom ersteren unterschied.<br />

Um die Frage nach dem Nationalismus des<br />

Kriegervereins zu beantworten, sollen zunächst ein<br />

theoretisches Grundgerüst geschaffen und der Nationalismus<br />

des Kaiserreichs, auch mit Blick auf seine<br />

Entwicklung, definiert werden. Darauf folgen eine<br />

kurze Vorstellung des lokalen Beispiels und seiner<br />

für diese Arbeit relevanten geschichtlichen Entwicklung<br />

sowie ein grober Abriss der Entwicklung des<br />

Kriegervereinswesens. Der Hauptteil der Arbeit befasst<br />

sich mit der Untersuchung des <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Kriegervereins<br />

und stützt sich auf die Quellen des <strong><strong>Greven</strong>er</strong><br />

<strong>Stadt</strong>archivs. Zunächst sollen kurz die Entwicklung<br />

des Vereins skizziert und seine allgemeinen<br />

Ziele und Zwecke vorgestellt werden. Anschließend<br />

wird die Untersuchung der Mitglieder Aufschluss<br />

über die soziale Struktur des Kriegervereins geben.<br />

Auf welche Weise die Normen und Werte des Kriegervereins<br />

repräsentiert wurden, wird die Untersuchung<br />

der Vereinsaktivitäten sowie der Vereinssymbole<br />

zeigen. Bezüglich der Feste und Feiern soll<br />

auch der Konflikt zwischen der Vergnügungssucht<br />

und dem Anspruch, ein offizieller, die Werte und<br />

Normen des Kaiserreichs repräsentierender Verein<br />

zu sein, behandelt werden. Das Verhältnis zwischen<br />

den Kriegervereinen, der Regierung und den Verbänden<br />

bildet einen interessanten Untersuchungsaspekt,<br />

der insbesondere in Bezug auf die Instrumentalisierung<br />

der Kriegervereine als „Bollwerk“ 4 gegen<br />

die Sozialdemokratie analysiert werden kann. Nachdem<br />

der Kriegerverein auf sein Potential als Träger<br />

des Nationalismus geprüft wurde, sollen seine Bedeutung<br />

und sein Ansehen im Dorf ermittelt werden.<br />

Schließlich fasst das Fazit die hauptsächlichen Aussagen<br />

dieser Arbeit untereinander abwägend zusammen<br />

und gibt noch einmal Antwort auf die anfangs<br />

gestellte Leitfrage.<br />

Für die Bearbeitung des Hauptteils waren die<br />

Quellen des <strong><strong>Greven</strong>er</strong> <strong>Stadt</strong>archivs 5 von großem<br />

Wert. Dazu gehören drei Akten, die sich explizit nur<br />

mit dem Krieger- und dem späteren Militärverein beschäftigen.<br />

Darin enthalten sind hauptsächlich Korrespondenzen<br />

zwischen dem <strong><strong>Greven</strong>er</strong> Amtmann<br />

und dem Krieger- bzw. Militärverein sowie dem<br />

Amtmann und dem Landrat des Landkreises Münster,<br />

welcher Mittler zwischen der preußischen Regierung<br />

und dem Amtmann war. Der Amtmann stand an<br />

der Spitze des Amtes <strong>Greven</strong> und repräsentierte dort<br />

den preußischen Staat. Ihm oblagen zahlreiche verwaltungstechnische<br />

Aufgaben und im Besonderen<br />

auch die örtliche Polizeiverwaltung.<br />

4 Matthias Seeliger, Schaumburger Kriegervereine.<br />

Selbstverständnis und Traditionspflege im Kaiserreich, in:<br />

Hubert Höing (Hrsg.), Der Raum Schaumburg. Zur geschichtlichen<br />

Begründung einer regionalen Identität,<br />

Melle 1998, S. 174-181, hier S. 179.<br />

5 Ein Dank gilt den Archivaren Angelika Haves und<br />

Dr. Stefan Schröder, die mir bei der Suche nach dem Quellenmaterial<br />

sehr geholfen haben.<br />

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