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Kettenbrüche

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KAPITEL 3<br />

<strong>Kettenbrüche</strong><br />

Gegenstand dieses Abschnitts ist das klassische Problem der Approximation<br />

reeller Zahlen durch rationale Zahlen, wobei wir uns auf die Analyse einer bestimmten<br />

Methode konzentrieren. Diese wird zunächst vorgestellt und dann, nach<br />

einer kurzen Exkursion zur Bescha↵ung eines Hilfsmittels, als ergodisches MDS<br />

identifiziert. Dies wiederum kann man verwenden, um Aussagen zur Asymptotik<br />

der approximierenden Folge zu erhalten.<br />

3.1. Elementare Eigenschaften<br />

Als (regulären) Kettenbruch bezeichnet man einen Ausdruck der Form<br />

a 0 +<br />

a 1 +<br />

a 2 +<br />

1<br />

1<br />

a 3 + ···<br />

1<br />

1<br />

a n 1 + 1<br />

a n<br />

mit a 0 2 N 0 und a 1 ,...,a n 2 N. Als (dringend nötige) kompaktere Schreibweise<br />

hierfür verwenden wir [a 0 ; a 1 ,...,a n ]undsetzen[a 1 ,...,a n ] := [0; a 1 ,...,a n ]. Solche<br />

Brüche liefern eine rationale Zahl p n /q n ;für diese Zähler und Nenner gibt es<br />

eine sehr nützliche ‘kumulative’ Darstellung.<br />

Lemma 3.1. Es seien a 0 2 N 0 und a n 2 N für alle n 2 N. Weiter seien, für<br />

alle n 2 N 0 , p n 2 N 0 und q n 2 N teilerfremde Zahlen mit<br />

p n<br />

q n<br />

=[a 0 ; a 1 ,...,a n ] für alle n 2 N 0 .<br />

Dann gilt p 0 = a 0 , q 0 =1und, mit p 1 := 1 und q 1 := 0,<br />

✓ ◆ ✓ ◆✓ ◆ ✓ ◆<br />

pn p n 1 a0 1 a1 1 an 1<br />

=<br />

···<br />

für alle n 2 N<br />

q n q n 1 1 0 1 0 1 0<br />

0 .<br />

Beweis. Für n = 0 ist die Aussage eine unmittelbare Folge der Definitionen.<br />

Im Schritt von n auf n + 1 verwenden wir die Darstellung für [a 1 ; a 2 ...,a n+1 ]: Mit<br />

✓ ◆ ✓ ◆✓ ◆ ✓ ◆<br />

r s a1 1 a2 1 an+1 1 r<br />

:=<br />

···<br />

,<br />

u v 1 0 1 0 1 0 u =[a 1; a 2 ,...,a n ],<br />

und ✓ ◆✓<br />

a0 1 r<br />

1 0 u<br />

◆ s<br />

v<br />

=<br />

✓<br />

a0 r + u<br />

r<br />

◆<br />

a 0 s + v<br />

s<br />

23


24 3. KETTENBRÜCHE<br />

erhalten wir<br />

a 0 r + u<br />

r<br />

= a 0 +<br />

1<br />

[a 1 ; a 2 ...,a n+1 ]<br />

=[a 0 ; a 1 ...,a n+1 ]= p n+1<br />

q n+1<br />

.<br />

Dieselbe Argumentation liefert auch (a 0 s+v)/s = p n /q n , was den Induktionsschritt<br />

komplettiert.<br />

Es bleibt zu zeigen, dass p n und q n teilerfremd sind: Geht man in der Matrixdarstellung<br />

zu den Determinanten über, so erhält man p n q n 1 p n 1 q n =( 1) n+1 .<br />

Ein gemeinsamer Teiler von p n und q n wäre damit auch ein Teiler von ( 1) n+1 . ⇤<br />

Wir notieren einige Konsequenzen im folgenden Lemma. Eine von diesen haben<br />

wir bereits verwendet; der Beweis der übrigen ist Gegenstand von Aufgabe 3.1.<br />

Lemma 3.2. Es seien a n ,p n ,q n wie in Lemma 3.1. Dann gilt für alle n 2 N 0 :<br />

(a) p n+1 = a n+1 p n + p n 1 , q n+1 = a n+1 q n + q n 1 ,<br />

(b) q n+1


3.1. ELEMENTARE EIGENSCHAFTEN 25<br />

Beispiel 3.3. Welches x ergibt sich zu [1; 1, 1, 1,...], also wenn man a n =1für<br />

alle n 2 N 0 hat? Die Produktformel in Lemma 3.1 führt auf Potenzen einer festen<br />

Matrix mit Diagonaldarstellung<br />

✓ 1 1<br />

1 0<br />

◆<br />

✓ p<br />

1 5<br />

= A 1 diag<br />

2<br />

, 1+p ◆<br />

5<br />

A, mit A :=<br />

2<br />

Aus dieser Darstellung folgt<br />

✓ ◆ n<br />

✓ 1 1<br />

⇣1 p<br />

5<br />

⌘ n, ⇣ p<br />

1+ 5<br />

⌘ ◆ n<br />

= A 1 diag<br />

A,<br />

1 0<br />

2 2<br />

✓ p p ◆<br />

1+ 5 1 5<br />

.<br />

2 2<br />

womit sich explizite Formeln für p n und q n erhalten lassen. Verwendet man die<br />

Rekursionen<br />

p n+1 = p n + p n 1 , mit p 1 = p 0 =1,<br />

q n+1 = q n + q n 1 , mit q 1 =0,q 0 =1.<br />

aus Lemma 3.2 (a), so ergibt sich ein Zusammenhang zu der wohl berühmtesten<br />

Folge natürlicher Zahlen, den Fibonacci-Zahlen F n ,diemitF 1 = F 2 = 1 beginnen,<br />

und bei der sich das nächste Element als Summe der beiden vorangegangen ergibt;<br />

die ersten 11 Werte sind<br />

1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89.<br />

(Oft wird noch F 0 := 0 hinzugenommen.) Diese haben die explizite Darstellung<br />

F n = p 1 ✓ ⇣1+ p<br />

5<br />

⌘ n ⇣ p<br />

1 5<br />

⌘ ◆ n<br />

,<br />

5 2<br />

2<br />

die Formel von de Moivre und Binet (de Moivre ist Stochastikern im Zusammenhang<br />

mit einem wichtigen Spezialfall des Zentralen Grenzwertsatzes bekannt), die<br />

man beispielsweise mit dem oben erwähnten Matrix-Argument beweisen kann. Wir<br />

haben p n = F n+2 , q n = F n+1 , erhalten also also für die approximierenden Brüche<br />

die Quotienten aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen, und damit<br />

F n+2<br />

x = lim = 1+p 5<br />

.<br />

n!1 F n+1 2<br />

Die gesuchte Zahl ist also der (ebenfalls berühmte) ‘goldene Schnitt’. Man kann<br />

auch wie folgt argumentieren: Mit (KR) auf S. 24 erhält man für x die Gleichung<br />

x =1+1/x. Diesführt auf eine quadratische Gleichung, als Lösung ergibt sich<br />

wieder der oben hergeleiteten Wert.<br />

Die Approximation durch Brüche hat hier bei n = 4 die Form<br />

p 8<br />

= 55<br />

q 8 34 =1.61764 ··· < 1+p 5<br />

=1.61803 ··· < p 9<br />

= 89 =1.618181 ··· .<br />

2<br />

q 9 55<br />

Die Kettenbruchapproximation liefert also einen Bruch mit zweistelligem Zähler<br />

und Nenner, der sich vom goldenen Schnitt bei der Dezimaldarstellung erst in der<br />

vierten Nachkommastelle unterscheidet. /<br />

Gibt es umgekehrt zu x > 0 eine Kettenbruchentwicklung, also eine Folge<br />

(a n ) n2N0 ,diediesesx als Grenzwert hat? O↵ensichtlich kann man sich auf den Fall<br />

a 0 =0zurückziehen; x ist dann im o↵enen Einheitsintervall (0, 1). Formal geht es<br />

um die Umkehrbarkeit der Abbildung<br />

:N N ! (0, 1), (a k ) k2N 7! [a 1 ,a 2 ,...].


26 3. KETTENBRÜCHE<br />

Eine fundamentale Rolle spielt hier und auch bei der Verbindung zur Ergodentheorie<br />

die Gauß-Abbildung<br />

n 1<br />

T :(0, 1) ! (0, 1), T(x) := .<br />

xo<br />

Für irrationale x 2 (0, 1) ist auch T (x) irrational und in (0, 1), also ist<br />

j<br />

:(0, 1) \ Q c ! N N 1<br />

k<br />

, x 7! (a k ) k2N mit a k :=<br />

T k 1 für alle k 2 N<br />

(x)<br />

wohldefiniert. Wir stellen einige Eigenschaften dieser Abbildungen zusammen.<br />

Lemma 3.4. Es sei x 2 (0, 1) irrational, a := (x). Weiter seien p n ,q n 2 N<br />

teilerfremd mit p n /q n =[a 1 ,...,a n ],für alle n 2 N. Dann gilt:<br />

(a) (T n (x)) = (a n+k ) k2N für alle n 2 N.<br />

(b) x = p n + T n (x) p n 1<br />

q n + T n (x) q n 1<br />

für alle n 2 N.<br />

(c) (a) =x.<br />

(d) (ã) = (a) ) ã = a; ist also injektiv.<br />

Beweis. (a) Für alle k 2 N gilt<br />

j<br />

(T n 1<br />

k j<br />

1<br />

k<br />

(x)) k =<br />

T k 1 (T n =<br />

(x)) T n+k 1 = (x) n+k .<br />

(x)<br />

(b) Wir lassen temporär in der letzten Stelle eines endlichen Kettenbruchs eine<br />

beliebige positive reelle Zahl zu und behaupten, dass<br />

[a 1 ,...,a n 1 ,a n + t] = p n + tp n 1<br />

q n + tq n 1<br />

für alle t 0, n2 N<br />

gilt. Bei n =1läuft dies auf eine simple Überprüfung unter Verwendung der Startwerte<br />

für die p- undq-Folge hinaus. Im Schritt von n auf n + 1 erhalten wir<br />

h<br />

1<br />

i<br />

[a 1 ,...,a n ,a n+1 + t] = a 1 ,...,a n +<br />

a n+1 + t<br />

1<br />

p n +<br />

a<br />

=<br />

n+1 + t p n 1<br />

1<br />

q n +<br />

a n+1 + t q n 1<br />

= a n+1p n + p n 1 + tp n<br />

a n+1 q n + q n 1 + tq n<br />

= p n+1 + tp n<br />

q n+1 + tq n<br />

,<br />

wobei wir im letzten Schritt Lemma 3.2 (a) verwendet haben. Nach Konstruktion<br />

von gilt x =[a 1 + T (x)] sowie<br />

h<br />

[a 1 ,...,a n ,a n+1 +T n+1 1<br />

i<br />

(x)] = a 1 ,...,a n +<br />

a n+1 + T n+1 =[a 1 ,...,a n +T n (x)]<br />

(x)<br />

für alle n 2 N, also x =[a 1 ,...,a n + T n (x)]. Insgesamt liefert dies (b).<br />

(c) Mit (b) und Lemma 3.2 (d) erhält man<br />

p n<br />

x = p n + T n (x)p n 1 p n<br />

q n q n + T n = T n (x) p n 1 q n p n q n 1<br />

(x)q n 1 q n qn 2 + T n < 1<br />

(x)q n 1 q n qn<br />

2 ,<br />

da T n (x) 2 (0, 1). Die gewünschte Aussage folgt aus q n !1.


3.1. ELEMENTARE EIGENSCHAFTEN 27<br />

(d) Hat man (ã) =x, so gilt 1/x 2 (ã 1 , ã 1 + 1), wegen ã 1 2 N also ã 1 = a 1 .<br />

Wegen (a) und (b) lässt sich dies iterieren.<br />

⇤<br />

Teil (a) zeigt, dass T in der gleichen Weise zum Links-Shift auf dem Folgenraum<br />

korrespondiert wie die Verdoppelung modulo 1 im Bernoulli-Shift in der Situation<br />

von Abschnitt 1.2.5. Aus Teil (c) folgt, dass jede irrationale Zahl eine Kettenbruchentwicklung<br />

hat; diese ist nach Teil (d) eindeutig.<br />

<strong>Kettenbrüche</strong> liefern in einem präzisierbaren Sinn die besten Approximationen<br />

irrationaler Zahlen durch rationale Zahlen. Natürlich ist dies bei ⇡ ‘das Beispiel<br />

schlechthin’; die folgende Tabelle zeigt die ersten fünf Schritte.<br />

⇡<br />

n 0 1 2 3 4<br />

a n 3 7 15 1 292<br />

p n 1 3 22 333 355 103 993<br />

q n 0 1 7 106 113 33 102<br />

p n<br />

q n<br />

⇡ 0.14 0.0012 .83 · 10 5 .26 · 10 6 .57 · 10 10<br />

Was passiert bei rationalen Zahlen?<br />

Bemerkung 3.5. Bei der p-adischen Entwicklung ist bekanntlich die Darstellung<br />

der p-rationalen Zahlen, also der ganzzahligen Vielfachen einer negativen Potenz<br />

von p, nicht eindeutig. Ein ähnliches Phänomen hat man auch hier:<br />

1<br />

[2, 3, 1] =<br />

2+ 1 = 1<br />

3+ 1 2+ 1 =[2, 4].<br />

4<br />

1<br />

Eindeutigkeit lässt sich durch die Forderung erzwingen, dass die letzte Zahl a n in<br />

einem endlichen Kettenbruch [a 0 ; a 1 ,...,a n ] stets größer als 1 sein muss.<br />

Bei x = p/q mit teilerfremden p, q 2 N ist<br />

n q<br />

T (x) = =<br />

po<br />

q j q<br />

p pk<br />

wieder eine rationale Zahl, und mit T (x) =r/s, r, s 2 N teilerfremd, k := bq/pc<br />

erhält man, da p Vielfaches von s ist,<br />

q = pk+ v, mit v = rp 2{0,...,p 1}.<br />

s<br />

Wir erkennen hier den euklidischen Algorithmus, aus dem Schulunterricht als Verfahren<br />

zur Berechnung des größten gemeinsamen Teilers vertraut. Beispielsweise<br />

erhält man ggT(1701, 805) = 7 mit den Schritten<br />

1701 = 805 · 2 + 91,<br />

805 = 91 · 8 + 77,<br />

91 = 77 · 1 + 14,<br />

77 = 14 · 5+7,<br />

14 = 7 · 2+0,<br />

und hieraus 1701/805 = [2; 8, 1, 5, 2]. /


28 3. KETTENBRÜCHE<br />

Eine interessante Anwendung der Approximation durch Brüche mit kleinem<br />

Zähler und Nenner ergibt sich in der Mechanik, wenn ein bestimmtes Verhältnis<br />

über Zahnräder realisiert werden soll, beispielsweise bei einem mechanischen Modell<br />

des Sonnensystems (Huygens).<br />

3.2. Ein maßtheoretisches Zwischenspiel<br />

Wir haben bereits mehrfach verwendet, das zwei Wahrscheinlichkeitsmaße P<br />

und Q auf einem messbaren Raum (⌦, A), die auf einem durchschnittsstabilem<br />

Erzeugendensystem E von A übereinstimmen, gleich sind. Der aus den Stochastik-<br />

Vorlesungen bekannte Beweis beruht zum einen darauf, dass die Menge aller A 2A<br />

mit P (A) =Q(A) ein Dynkin-System ist, d.h. es gilt<br />

P (;) =Q(;), P(A) =Q(A) ) P (A c )=Q(A c ),<br />

sowie für paarweise disjunkte Elemente A i , i 2 N, von A,<br />

⇣[<br />

1 ⌘ ⇣[<br />

1<br />

P (A i )=Q(A i )für alle i 2 N ) P A i = Q A i<br />

⌘,<br />

zum anderen auf dem Satz, dass bei durchschnittsstabilem E das von E erzeugte<br />

Dynkin-System sogar eine -Algebra ist.<br />

Wir benötigen im nächsten Abschnitt eine Variante dieser Prozedur: A 0 ⇢P(⌦)<br />

heißt Algebra, wenn gilt<br />

i=1<br />

i=1<br />

;2A 0 , A 2A 0 ) A c 2A 0 , A, B 2A 0 ) A [ B 2A 0 ,<br />

M⇢P(⌦) heißt monotone Klasse, wennfür jede Folge (A i ) i2N von Elementen von<br />

M gilt:<br />

1[<br />

A i ⇢ A i+1 für alle i 2 N ) A i 2M,<br />

A i A i+1 für alle i 2 N )<br />

i=1<br />

1\<br />

A i 2M.<br />

Natürlich gibt es zwischen all diesen Mengensysteme ‘jede Menge’ Zusammenhänge.<br />

So ist o↵ensichtlich jede -Algebra auch eine Algebra, und man zeigt leicht, dass<br />

eine Algebra, die auch monotone Klasse ist, eine -Algebra ist.<br />

Wir schreiben m(E) für die von einem Mengenystem erzeugte monotone Klasse,<br />

definiert als der Durchschnitt aller monotonen Klassen, die E enthalten. Das<br />

folgende Resultat ist als der Satz über monotone Klassen (monotone class theorem)<br />

bekannt; der Beweis ist recht ähnlich zu dem oben erwähnten Resultat zu<br />

Dynkin-Systemen.<br />

i=1<br />

Satz 3.6. Ist A 0 eine Algebra, so ist gilt m(A 0 )= (A 0 ).<br />

Beweis. Wir zeigen, dass M := m(A 0 ) eine Algebra ist.<br />

Es sei G := {A 2M: A c 2M}.MitM ist auch G eine monotone Klasse. Da<br />

A 0 stabil unter Komplementen ist, gilt A 0 ⇢G, und damit M⇢G. Also enthält<br />

M mit jeder Menge auch deren Komplement.<br />

Es sei nun G 1 die Menge aller A 2Mmit der Eigenschaft, dass für alle B 2A 0<br />

auch A [ B ein Element von M ist. O↵ensichtlich ist G 1 wieder eine monotone<br />

Klasse, die A 0 und damit M enthält. Nun sei G 2 die Menge aller A 2Mmit<br />

der Eigenschaft, dass für alle B 2Mauch A [ B 2Mgilt. Dann ist G 2 eine


3.2. EIN MASSTHEORETISCHES ZWISCHENSPIEL 29<br />

monotone Klasse, die nach dem bereits bewiesenen A 0 und damit M enthält. Damit<br />

ist gezeigt, dass mit A und B auch A [ B ein Element von M ist.<br />

⇤<br />

Wir geben zwei Anwendungen.<br />

Satz 3.7. Es seien (⌦, A) ein messbarer Raum, µ und ⌫ endliche Maße hierauf<br />

und A 0 eine Algebra mit A = (A 0 ).Giltdann<br />

mit einer Konstanten apple, so gilt sogar<br />

µ(A) apple apple⌫(A) für alle A 2A 0<br />

µ(A) apple apple⌫(A) für alle A 2A.<br />

Beweis. Es sei M die Menge aller A 2A,für die die interessierende Ungleichung<br />

erfüllt ist. Ist (A n ) n2N eine isotone Folge von Elementen von M, soerhält<br />

man mit der Stetigkeit von unten von Maßen<br />

⇣ [ 1<br />

µ<br />

n=1<br />

⌘ ⇣<br />

A n = lim µ [ n<br />

n!1<br />

k=1<br />

A k<br />

⌘<br />

= lim<br />

n!1 µ(A n) apple apple lim<br />

n!1 ⌫(A n) apple apple⌫<br />

⇣ [ 1<br />

A n<br />

⌘.<br />

Mit einer isotonen Folge enthält M also auch deren Vereinigung. Bei antitonen Folgen<br />

verfährt man analog, wobei man nun die Stetigkeit von oben von endlichen (!)<br />

Maßen verwendet.<br />

Also ist M eine monotone Klasse, die nach Voraussetzung A 0 enthält, und<br />

Satz 3.6 liefert die Behauptung.<br />

⇤<br />

Das zweite Resultat zeigt, dass sich die Mengen einer -Algebra in Wahrscheinlichkeit<br />

durch die Mengen einer erzeugenden Algebra approximieren lassen.<br />

Satz 3.8. Es seien (⌦, A,P) ein Wahrscheinlichkeitsraum und A 0 eine Algebra<br />

mit A = (A 0 ). Dann gilt<br />

8A 2A8✏>0 9A 0 2A 0 : P (A 4 A 0 ) apple ✏.<br />

Beweis. Es sei wieder M das System aller A 2A, die die interessierende Approximationseigenschaft<br />

haben. Ist (A n ) n2N isoton, so wählen wir zu vorgegebenem<br />

✏>0zunächst ein n 0 2 N mit<br />

P (A n0 4 A 1 ) < ✏ 1[<br />

2 , A 1 := A n .<br />

Hier geht die Stetigkeit von oben von Wahrscheinlichkeitsmaßen ein:<br />

⇣ [<br />

1 ⌘ ⇣ [<br />

n 0 ⌘ c<br />

A n0 4 A 1 = A n \ A n # ;.<br />

n=1<br />

Zu A 1 ,...,A n0 gibt es B 1 ,...,B n0 2A 0 mit P (A k 4B k ) apple ✏/(2n 0 ). Die gewünschte<br />

Aussage P A 1 4(B 1 [...[B n0 ) 0 eine endliche Menge I 1 ,...,I n von Intervallen gibt (von denen<br />

noch angenommen werden kann, dass sie paarweise disjunkt sind) derart, dass<br />

n=1<br />

n=1<br />

n=1


30 3. KETTENBRÜCHE<br />

unif(0, 1)(A 4 (I 1 [ ...[ I n )


3.3. DIE KETTENBRUCHENTWICKLUNG ALS DYNAMISCHES SYSTEM 31<br />

also stimmen P und P T<br />

sind somit gleich.<br />

auf einem durchschnittsstabilem Erzeuger überein und<br />

⇤<br />

Wir wollen zeigen, dass das MDS ergodisch ist, und benötigen hierfür einige<br />

Hilfsaussagen. Zu a =(a 1 ,...,a n ) 2 N n sei wieder<br />

p n<br />

p n 1<br />

=[a 1 ,...,a n ], =[a 1 ,...,a n 1 ],<br />

q n q n 1<br />

mit teilerfremden p n ,q n bzw. p n 1 ,q n 1 .Wirsetzen<br />

⇢<br />

pn + tp n 1<br />

E(a) =<br />

:0apple t


32 3. KETTENBRÜCHE<br />

gezeigt werden kann. Dies aber folgt leicht aus der Isotonie der q-Folge, wenn man<br />

den jeweils ungünstigsten Wert 1 für b und c einsetzt.<br />

Die Ungleichung lässt sich von Intervallen A =[b, c) auf ganz B [0,1) hochziehen:<br />

Für die aus Beispiel 3.9 bekannte Algebra der endlichen Vereinigungen von disjunkten<br />

Intervallen reicht die Additivität, für den zweiten Schritt wenden wir Satz 3.6<br />

auf die endlichen Maße<br />

A 7! ` T n (A) \ E(a) , A 7! `(A)`(E(a))<br />

bei festem a 2 N n an.<br />

⇤<br />

Satz 3.13. Das System [0, 1), B [0,1) ,P,T), mit der Gauß-Abbildung T und P<br />

wie in Satz 3.10, ist ergodisch.<br />

Beweis. Da P bzgl. ` eine von unten durch 1/(2 log 2) und von oben durch<br />

1/(log 2) beschränkte Dichte hat, gilt<br />

1<br />

1<br />

`(A) apple P (A) apple<br />

2 log 2 log 2 `(A) für alle A 2B [0,1).<br />

Ist nun A eine invariante Menge, so erhält man mit Lemma 3.12 für alle a 2 N n<br />

P A \ E(a) = P T n (A) \ E(a)<br />

1<br />

2 log 2 ` T n (A) \ E(a)<br />

1 `(A) ` E(a)<br />

4 log 2<br />

log 2<br />

P (A) P E(a) .<br />

4<br />

Für ein festes n bilden die Mengen E(a), a 2 N n , eine (unendliche) Intervallpartition<br />

von [0, 1); nach Konstruktion sind die Partitionen Verfeinerungen voneinander. Wir<br />

setzen A n := ({E(a) : a 2 N n }). Dies liefert eine isotone Folge von -Algebren,<br />

deren Vereinigung A 0 eine Algebra ist; siehe hierzu auch Aufgabe 3.3. Über die<br />

Kettenbruchentwicklung von x erhält man eine Folge von Intervallen in A 0 ,deren<br />

Vereinigung das Intervall [0,x) ergibt; insbesondere wird also B [0,1) von A 0 erzeugt.<br />

Die -Algebra A n besteht aus allen endlichen oder abzählbar unendlichen disjunkten<br />

(!) Vereinigungen von Mengen E(a) mita 2 N n , also lässt sich die Ungleichung<br />

log 2<br />

P A \ E(a) P (A) P E(a)<br />

4<br />

mit Additivität von den Mengen E(a) auf die Elemente von A n hochziehen, also<br />

auch auf A 0 . Betrachtet man nun bei festem A 2I die Abbildungen<br />

B 7! P (A \ B),<br />

B 7! P (A)P (B)<br />

als endliche Maße auf ([0, 1), B [0,1) ), so erhält man mit Satz 3.6, dass die Ungleichung<br />

auf ganz B [0,1) gilt. Setzt man nun B := A c , so folgt<br />

0=P (A \ B)<br />

log 2<br />

4<br />

P (A)P (B),<br />

also P (A)(1 P (A)) = 0, und damit P (A) 2{0, 1}. ⇤


3.4. ANWENDUNGEN 33<br />

3.4. Anwendungen<br />

Die Ergodizität der Kettenbruchentwicklung als MDS führt auf Aussagen zur<br />

Asymptotik diesert Darstellung fast aller Zahlen. Im folgenden sei x 2 [0, 1); wir<br />

können annehmen, dass x irrational ist. Wir verdeutlichen die Abhängigkeit der<br />

Zahlen in der Kettenbruchentwicklung und in den zugehörigen approximierenden<br />

Brüchen, indem wir nun a k (x),p n (x),q n (x) anstelle von a k ,p n ,q n schreiben. Das<br />

erste Resultat betri↵t die Häufigkeit und die Mittelwerte (arithmetisch und geometrisch)<br />

der a k ’s. Bei der Darstellung zu einer festen Basis d (siehe Abschnitt 2.3.3<br />

für den Fall d = 2) liefert das starke Gesetz der großen Zahlen für jede der d Zi↵ern<br />

dieselbe asymptotische relative Häufigkeit 1/d. BeiderKettenbruchentwicklungist<br />

N die Menge der ‘Zi↵ern’, eine Gleichverteilung also nicht mehr möglich – was den<br />

folgenden Satz zusätzlich interessant macht. Die Modifikation ‘fast sicher’ bezieht<br />

sich auf die Gleichverteilung bzw. das Lebesgue-Maß; das unter der Gauß-Abbildung<br />

invariante Maß P ist hierzu äquivalent, hat also dieselben Nullmengen.<br />

(a)<br />

Satz 3.14. Für fast alle x 2 [0, 1) gilt<br />

1<br />

lim<br />

n!1 n # 1 apple k apple n : a k(x) =j = 1 ✓ ◆ (j + 1)<br />

2<br />

log 2 log j(j + 2)<br />

für alle j 2 N,<br />

1<br />

nX<br />

(b)<br />

lim a k (x) = 1,<br />

n!1n<br />

k=1<br />

✓<br />

Y n 1/n 1Y<br />

✓<br />

◆ log(j)/ log(2)<br />

1<br />

(c) lim a k (x)◆<br />

= 1+<br />

=2.6854 ... .<br />

n!1<br />

j(j + 2)<br />

k=1<br />

j=1<br />

Beweis. Aus Lemma 3.4 (a) ist a k (x) =a 1 (T k (x)) bekannt. Die erste Aussage<br />

folgt dann mit dem Satz von Birkho↵, wenn man f =1 {j} a 1 wählt und den fast<br />

sicheren Grenzwert<br />

P {x 2 [0, 1) : a 1 (x) =j} = 1<br />

log 2<br />

Z 1/j<br />

1/(j+1)<br />

1<br />

1+x dx<br />

ausrechnet. Für den Beweis der zweiten Aussage sei zunächst N 2 N fest. Mit<br />

f(x) =min{a 1 (x),N} erhält man<br />

1<br />

nX<br />

Z<br />

lim min{a k (x),N} = c(N) := min{a 1 (x),N} P (dx).<br />

n!1 n<br />

k=1<br />

Man kann zeigen (siehe auch Aufgabe 3.5), dass c(N) mitN !1gegen 1 geht,<br />

(b) folgt dann mit<br />

1<br />

nX<br />

1<br />

nX<br />

lim inf a k (x) lim min{a k (x),N} für alle N 2 N.<br />

n!1 n<br />

n!1 n<br />

k=1<br />

k=1<br />

Für den Beweis der letzten Aussage verwenden wir f(x) = log(a 1 (x)) und erhalten<br />

1<br />

nX<br />

Z<br />

lim log a k (x) = fdP = 1 1X<br />

Z 1/j<br />

1<br />

log(j)<br />

n!1 n<br />

log 2<br />

1+x dx.<br />

k=1<br />

j=1<br />

1/(j+1)<br />

Ausrechnen und Anwenden der (stetigen) Funktion x 7! e x liefert den behaupteten<br />

Grenzwert; dass dieser endlich ist, folgt mit elementar-analytischen Überlegungen<br />

zur Konvergenz von Reihen.<br />


34 3. KETTENBRÜCHE<br />

Die Bemerkungen im Anschluss an Lemma 3.2 zeigen, dass für alle n 2 N<br />

x<br />

p n<br />

q n<br />

<<br />

1<br />

a n+1 q 2 n<br />

apple 1<br />

q 2 n<br />

gilt; insbesondere liefert die Kettenbruchentwicklung einen konstruktiven Beweis zu<br />

dem in Abschnitt 1.2.2 erwähnten Resultat von Dirichlet. Aus Lemma 3.2 (c) folgt,<br />

dass die Nenner q n mit n !1exponentiell wachsen und somit der Fehler bei der<br />

Rationalapproximation exponentiell schnell fällt; in Aufgabe 3.2 geht es um einen<br />

speziellen Fall. In unserer zweiten Anwendung betrachten wir die Größenordnung<br />

der Nenner und des Approximationsfehlers auf einer logarithmischen Skala. Wieder<br />

erhält man für fast alle x denselben Grenzwert!<br />

(a)<br />

Satz 3.15. Für fast alle x 2 [0, 1) gilt<br />

1<br />

lim<br />

n!1 n log q n(x) =<br />

1<br />

n log x p n (x)<br />

=<br />

q n (x)<br />

⇡ 2<br />

12 log 2<br />

=1.1865 ... ,<br />

(b) lim<br />

= 2.3731 ... .<br />

n!1<br />

6 log 2 Beweis. Vergleicht man die Rekursionen für p n und q n in Lemma 3.2 und<br />

⇡ 2<br />

verwendet man die aus Lemma 3.4 bekannte Tatsache, dass T dem Links-Shift bei<br />

der Kettenbruchentwicklung entspricht, so erhält man p n (x) =q n 1 (T (x)), also<br />

wegen p 1 (x) =1<br />

Mit f(x) = log x folgt<br />

wobei<br />

1<br />

q n (x) = p n(x)<br />

q n (x)<br />

1<br />

n log q n(x)<br />

p n 1 (T (x)) ···p1(T n 1 (x))<br />

q n 1 (T (x)) q 1 (T n 1 (x)) .<br />

= 1 n<br />

nX<br />

1<br />

f(T k (x))<br />

k=0<br />

nX<br />

1✓<br />

R n (x) := log(T k (x))<br />

k=0<br />

⇣ pn<br />

log<br />

q n<br />

1<br />

n R n(x),<br />

k (T k (x))<br />

⌘ ◆<br />

k (T k .<br />

(x))<br />

Bei dem ersten Term erhält man mit dem Ergodensatz und etwas Integrationsvermögen<br />

den fast sicheren Grenzwert<br />

Z<br />

f(x) P (dx) = 1 Z 1<br />

log x<br />

log 2 0 1+x dx = ⇡ 2<br />

12 log 2<br />

(man beachte, dass die Oberschranke nicht von x abhängt). Für den Beweis von (a)<br />

bleibt also zu zeigen, dass R n (x)/n für fast alle x mit n !1gegen 0 geht. Hierfür<br />

verwenden wir die zwei Ungleichungen: Wir lassen temporär das Argument x weg<br />

und erinnern zunächst an<br />

woraus sich<br />

x =<br />

1X<br />

k=1<br />

( 1) k+1<br />

q k 1 q k<br />

,<br />

x<br />

p n<br />

q n<br />

p n<br />

q n<br />

=<br />

apple<br />

1<br />

nX<br />

k=1<br />

q n q n+1<br />

( 1) k+1<br />

q k 1 q k<br />

,


3.4. ANWENDUNGEN 35<br />

ergibt, also mit Lemma 3.2 (c)<br />

x<br />

p k /q k<br />

1 = q k<br />

p k<br />

x<br />

p k<br />

q k<br />

apple<br />

1<br />

p k q k+1<br />

apple 23/2<br />

2 k für alle k 2 N<br />

folgt. Außerdem hat man<br />

Damit erhalten wir<br />

|R n | apple<br />

nX<br />

2<br />

k=0<br />

log(1 + y) apple 2|y|, falls |y| apple 1 p<br />

2<br />

.<br />

2 5/2 ✓<br />

2 n k + log<br />

T n 1 ◆<br />

(x)<br />

p 1 (T n 1 (x))/q 1 (T n 1 .<br />

(x))<br />

O↵ensichtlich ist die endliche Summe durch den Wert 4 nach oben beschränkt. Mit<br />

p 1 (y)<br />

q 1 (y) = 1<br />

a 1 (y)<br />

und<br />

1<br />

1+a 1 (y)


36 3. KETTENBRÜCHE<br />

Aufgaben<br />

Aufgabe 3.1. Beweisen Sie die Aussagen (a-c) und (e) in Lemma 3.2.<br />

Aufgabe 3.2. Es seien p n/q n, n 2 N, die durch die Kettenbruchentwicklung<br />

gelieferten Approximationen der irrationalen Zahl x. ZeigenSie,dassimFalle<br />

x =( p 5+1)/2 der Grenzwert<br />

↵ := lim<br />

n!1 q2 n x<br />

existiert, und bestimmen Sie den Wert von ↵.<br />

Aufgabe 3.3. Es sei (A n) n2N eine isotone Folge von -Algebren über einer festen<br />

Menge (man spricht auch von einer Filtration). Zeigen Sie, dass S 1<br />

n=1<br />

An stets<br />

eine Algebra ist, und konstruieren Sie ein Beispiel, in dem diese Vereinigung keine<br />

-Algebra ist.<br />

Aufgabe 3.4. (a) Zeigen Sie, dass die Gleichverteilung unif(0, 1) nicht unter der<br />

Gauß-Abbildung T aus Abschnitt 3.1 invariant ist.<br />

(b) Es sei X =[A 1,A 2,...] die Kettenbruchentwicklung einer unif(0, 1)-verteilten<br />

Zufallsvariablen X. Bestimmen Sie den Erwartungswert von A 1.<br />

Aufgabe 3.5. Es sei a k (x) dieZahlinPositionk 2 N bei der Kettenbruchentwicklung<br />

von x 2 [0, 1). Zeigen Sie, dass für fast alle solchen x<br />

1<br />

n # 1 apple k apple n : a k(x) =a k+1 (x)<br />

mit n !1gegen eine von x unabhängige Konstante apple konvergiert. Finden Sie<br />

eine Formel für apple und geben Sie eine numerische Näherung an.<br />

p n<br />

q n

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