CURT VON BROCKE
CURT VON BROCKE
CURT VON BROCKE
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Breslau, Jal.rl.underthalle (Hintergrund links), Architekt: Max Bery. Im Vordergrund und rechts Bauten der Ausstellung 1913 von Hans PShiy.<br />
Während in Europa die Vergrößerung der Architekturbüros<br />
zur Mechanisierung und zu schlechten künstlerischen<br />
Leistungen geführt hat, haben die Amerikaner<br />
schlagend bewiesen, daß die allerbesten Leistungen<br />
aus sehr großen Büros (mit 100 oder mehr Angestellten)<br />
hervorgehen können, wenn dort in neuzeitlicher Weise<br />
gearbeitet wird. Die großen und neuzeitlichen Architekturbüros<br />
ermöglichen den zahlreichen Spezialisten,<br />
die zur Lösung wirklich großer Bauaufgaben erforderlich<br />
sind, die geistreiche Zusammenarbeit, und sie befreien<br />
die führenden Köpfe dieser Organisation von<br />
den kleinlichen Rücksichten, die an der Wurzel unserer<br />
Verwirrung liegen. Auch ein hervorragender Baukünstler<br />
kann seine künstlerische Anschauung selbst<br />
in der kleinsten Gasse nicht siegreich zum Ausdruck<br />
bringen, wenn er Hans Dampf in allen Gassen sein muß."<br />
Mit anderen Worten, es ist den Amerikanern durch<br />
geistreiche Organisation gelungen, wieder etwas wie<br />
die alten Bauhütten im besten Sinne des Wortes zu<br />
schaffen, und es berührt beinahe schon als falsch, diese<br />
Baumeister- und Gesellenverbände noch „Architekturbüros"<br />
statt Bauhütten zu nennen. Eine entschlossenere<br />
und erfolgreichere Abwehr des „reinen Mechanisierens"<br />
könnte es sicher nicht geben als diese amerikanische,<br />
und es liegt auf der Hand, daß die ausschließlich mit<br />
dem künstlerischen Entwurf beschäftigten Köpfe, denen<br />
alle am Bau mitwirkenden Mechaniker und Wirtschaftler<br />
nur unermüdliche Handlanger sind, für ihr höchstes<br />
Ziel ganz besonders fein geschult sein können.<br />
Das ist sehr wichtig. Selbst beim Versuche „rein<br />
zu mechanisieren", wenn er je gemacht würde, stellt<br />
sich unvermeidlich und immer wieder die Notwendigkeit<br />
der Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten<br />
zu mechanisieren ein, und bei dieser Wahl wird der<br />
Künstler, gleichviel, ob er es wie Professor Straumer<br />
ehrlich zugesteht oder nicht, von seinen „Erinnerungen",<br />
d. h. also von seiner Geschmacksbildung und der Feinheit<br />
seines Auges beeinflußt.<br />
Niemals vielleicht wurde der Wahn, als könne man<br />
ohne Anlehnung an überlieferte Formen „rein mechanisieren",<br />
scherzhafter aufgedeckt als durch die manchmal<br />
sehr geistreichen Leistungen des in Chicago ansässigen<br />
Architekten Frank Lloyd Wright, dessen meist<br />
in Deutschland und Holland lebende Bewunderer oft<br />
— nicht immer — verschweigen, daß seine Werke<br />
voll „romantischer Erinnerungen" stecken. Bei Wright<br />
sind diese Erinnerungen in der Tat geradezu krankhaft<br />
romantisch, weil sie nicht eine gesunde und offen<br />
eingestandene Weiterentwicklung vertrauter und bewährter<br />
Überlieferungen, sondern ein mutwilliges Herübernehmen<br />
von Reiseerinnerungen aus China und<br />
Japan sind, deren Auswirkungen zwar als bodenständige<br />
Heimatskunst (amerikanischer Präriestil!) angezeigt<br />
werden, aber darum nicht im geringsten weniger<br />
exotisch sind. Die Innendekorateure des achtzehnten<br />
Jahrhunderts, die sich ja auch einmal vorübergehend<br />
an „Chinoiserien" ergötzten, haben es wenigstens verstanden,<br />
von dem Fremdgute ganz Besitz zu ergreifen<br />
und es völlig dem eigenen Kunstdenken einzuverleiben.<br />
Dagegen wirken die romantischen Spielereien<br />
F. L. Wrights in der amerikanischen Baukunst als Fremdkörper<br />
und werden deshalb auch von den meisten<br />
amerikanischen Architekten mit gutmütigem oder geringschätzigem<br />
Lächeln abgelehnt.<br />
Wenn wir uns wieder zu einer einheitlichen, lebenden<br />
Kunst durchringen wollen, wird ganz besonders viel<br />
davon abhängen, daß die „romantischen Erinnerungen",<br />
von denen Professor Straumer spricht, nicht etwa ungezügelt<br />
umherschweifen und spielerisch exotische Geschmackslaunen<br />
aus aller Welt aufgreifen, sondern daß<br />
ein einheitlicher großer Wille sie lenkt. Nur so können<br />
neue bauliche Taten getan werden, die der „Erinnerung"<br />
an das Beste unserer großen Überlieferung würdig sind.<br />
Nur so wird es allmählich dahin kommen, daß jeder<br />
Neubau sich zwar neuartig, aber kongenial dem Alten<br />
angliedert, wie Blüten an die Blatter und Zweige, aus<br />
denen sie ersprießen. Nur dann werden so bedauerliche<br />
Durcheinander vermieden werden, wie wir sie<br />
in Berlin z. B. in der Gruppe um das Preußische Abgeordnetenhaus<br />
besitzen oder in jener Gruppe von drei<br />
Ausstellungshallen, unter denen Professor Straumers<br />
Radiohalle die schönste ist. Werner Hegemann.<br />
119<br />
9<br />
M. B. IX, 3