als pdf-Datei - AGV Bau Saar
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Recht<br />
<strong>Bau</strong> <strong>Saar</strong><br />
A KTUELLE<br />
R ECHTSPRECHUNG<br />
1. Verdachtskündigung<br />
Bundesarbeitsgericht<br />
Urteil vom 25. Oktober 2012<br />
Az.: 2 AZR 700/11<br />
Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis<br />
nicht nur dann kündigen,<br />
wenn er der Überzeugung ist, der Arbeitnehmer<br />
habe eine strafbare Handlung<br />
tatsächlich begangen und eine<br />
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses<br />
sei ihm aus diesem Grunde unzumutbar.<br />
Eine Kündigung (sogar fristlos) ist<br />
auch dann möglich, wenn der Arbeitnehmer<br />
in Verdacht steht, eine erhebliche<br />
Vertragsverletzung - etwa eine<br />
Straftat - begangen zu haben. Da bei<br />
einer solchen Verdachtskündigung regelmäßig<br />
die Gefahr besteht, dass der<br />
Arbeitnehmer entgegen allen gegen<br />
ihn sprechenden Indizien zu Unrecht<br />
verdächtigt wird, sind an die Wirksamkeit<br />
einer solchen Verdachtskündigung<br />
strenge Anforderungen zu stellen.<br />
Dazu zählen insbesondere, dass<br />
sich der Verdacht aus objektiven, im<br />
Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden<br />
Tatsachen ergeben muss, der Verdacht<br />
dringend sein muss. Aufgrund<br />
der objektiven Umstände muss <strong>als</strong>o eine<br />
große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen,<br />
dass der Arbeitnehmer die<br />
Pflichtwidrigkeit begangen hat, die<br />
Vertragsverletzung, derer der Arbeitnehmer<br />
verdächtigt wird, von erheblichem<br />
Gewicht ist und der Arbeitgeber<br />
alles Zumutbare zur Aufklärung des<br />
Sachverhaltes getan hat.<br />
Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse<br />
der Strafverfolgungsbehörden<br />
können die Annahme, der Arbeitnehmer<br />
habe eine Pflichtverletzung<br />
begangen, zwar verstärken. Auf eine<br />
den dringenden Tatverdacht bejahende<br />
Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden<br />
<strong>als</strong> solche kann eine Verdachtskündigung<br />
jedoch nicht gestützt<br />
werden. So urteilte das Bundesarbeitsgerichts<br />
in der vorliegenden<br />
Entscheidung.<br />
Für die betriebliche Praxis sollte der<br />
betroffene Arbeitnehmer vor Ausspruch<br />
einer Verdachtskündigung immer<br />
vom Arbeitgeber angehört werden.<br />
2. Anspruch auf Teilzeit<br />
Bundesarbeitsgericht<br />
Urteil vom 11.06.2013<br />
Az.: 9 AZR 786/11<br />
Nach § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz<br />
kann ein Arbeitnehmer die Verringerung<br />
seiner vertraglich vereinbarten<br />
Arbeitszeit verlangen, wenn sein<br />
Arbeitsverhältnis mehr <strong>als</strong> sechs Monate<br />
besteht und sein Arbeitgeber in der<br />
Regel mehr <strong>als</strong> 15 Arbeitnehmer beschäftigt.<br />
Zur Durchsetzung seines Anspruchs<br />
muss der Arbeitnehmer die<br />
Verringerung seiner Arbeitszeit und<br />
den Umfang der Verringerung spätestens<br />
drei Monate vor deren Beginn<br />
geltend machen, wobei gleichzeitig<br />
die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit<br />
anzugeben ist. Der Arbeitgeber<br />
hat die Verringerung der Arbeitszeit<br />
sowie deren Verteilung entsprechend<br />
den Wünschen des Arbeitnehmers<br />
festzulegen, soweit betriebliche<br />
Gründe nicht entgegenstehen.<br />
§ 8 TzBfG enthält keine Vorgaben hinsichtlich<br />
des Umfangs der Vertragsänderung.<br />
Insbesondere nennt die Vorschrift<br />
auch kein Mindestmaß der Verringerung<br />
der Arbeitszeit. Das Bundesarbeitsgericht<br />
hat nunmehr in der vorliegenden<br />
Entscheidung darauf hingewiesen,<br />
dass ein Arbeitnehmer, der<br />
nur eine verhältnismäßig geringfügige<br />
Verringerung seiner Arbeitszeit und<br />
eine bestimmte Verteilung der reduzierten<br />
Arbeitszeit verlangt, damit<br />
nicht rechtsmissbräuchlich handelt.<br />
Allerdings können besondere Umstände<br />
des Einzelfalls, die darauf schließen<br />
lassen, der Arbeitnehmer wolle die<br />
ihm gemäß § 8 TzBfG zustehenden<br />
Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter<br />
Inkaufnahme einer unwesentlichen<br />
Verringerung der Arbeitszeit<br />
und der Arbeitsvergütung eine blockweise<br />
Freistellung durchzusetzen, die<br />
Annahme eines Rechtsmissbrauchs<br />
rechtfertigen.<br />
Der Arbeitnehmer wollte in diesem<br />
Fall seine regelmäßige Arbeitszeit um<br />
3,29 % vermindern und die reduzierte<br />
Arbeitszeit so verteilen, dass er jeweils<br />
vom 22. Dezember eines Jahres bis<br />
zum 2. Januar des Folgejahres nicht zu<br />
arbeiten braucht. Diese Freistellung<br />
„zwischen den Jahren“ sahen die Richter<br />
<strong>als</strong> rechtsmissbräuchlich an.<br />
3. Bestimmtheit einer ordentlichen<br />
Kündigung<br />
Bundesarbeitsgericht<br />
Urteil vom 20.06.2013<br />
Az.: 6 AZR 805/11<br />
Nach der Entscheidung des BAG muss<br />
eine Kündigung so hinreichend bestimmt<br />
sein, dass der Arbeitnehmer<br />
aus der Kündigung zweifelhaft erkennen<br />
kann, dass der Arbeitgeber das<br />
Arbeitsverhältnis beenden möchte.<br />
Nach der Rechtsprechung zählt hierzu<br />
auch die Angabe desjenigen Zeitpunktes,<br />
zu dem das Arbeitsverhältnis enden<br />
soll. Um das Bestimmtheitsgebot<br />
zu erfüllen, muss ein Beendigungsdatum<br />
nicht unbedingt angegeben werden.<br />
Dem Arbeitnehmer ist es vielmehr<br />
grundsätzlich zumutbar, das Beendigungsdatum<br />
selbst zu ermitteln,<br />
wenn dies unschwer möglich ist. Nach<br />
der vorliegenden Entscheidung soll eine<br />
Ermittlung des Beendigungszeitpunktes<br />
auch dann unschwer möglich<br />
sein, wenn eine Kündigung "zum<br />
nächstmöglichen Zeitpunkt" ausgesprochen<br />
wird und gleichzeitig einen<br />
Hinweis auf die maßgebenden Kündigungsfristen<br />
sowie deren Regelungsgehalt<br />
enthält.<br />
In der betrieblichen Praxis ist dennoch<br />
dringend anzuraten, ein Beendigungsdatum<br />
anzugeben, insbesondere weil<br />
sich die Kündigungsfristen der in der<br />
<strong>Bau</strong>wirtschaft anzuwendenden Tarifverträge<br />
erheblich von den gesetzlichen<br />
Kündigungsfristen unterscheiden.<br />
4. Berechnung der Wartezeit nach<br />
§ 1 Abs. 1 KSchG<br />
Bundesarbeitsgericht<br />
Urteil vom 20.06.2013<br />
Az.: 2 AZR 790/11<br />
Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes<br />
besteht Kündigungsschutz<br />
erst dann, wenn das Arbeitsverhältnis<br />
in demselben Betrieb ohne<br />
Unterbrechung länger <strong>als</strong> sechs Monate<br />
bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG).<br />
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts<br />
soll eine rechtliche<br />
Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses<br />
jedoch dann unbeachtlich sein,<br />
wenn zwischen dem alten und neuen<br />
Arbeitsverhältnis ein enger sachlicher<br />
Zusammenhang besteht. Zu prüfen<br />
sind dabei der Anlass und die Dauer<br />
der Unterbrechung sowie die Art der<br />
Weiterbeschäftigung. Je länger jedoch<br />
die zeitliche Unterbrechung, desto gewichtiger<br />
müssen die für einen sachlichen<br />
Zusammenhang sprechenden<br />
Umstände sein. Im Geltungsbereich<br />
des Bundesrahmentarifvertrages für<br />
das <strong>Bau</strong>gewerbe ist nach neuester<br />
Auffassung des Bundesarbeitsgerichts<br />
eine Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit<br />
von bis zu sechs Monaten für<br />
sich allein genommen noch nicht ausreichend,<br />
um eine Zusammenrechnung<br />
der Zeiten vor und nach der<br />
Unterbrechung im Rahmen von § 1<br />
Abs. 1 KSchG auszuschließen. So urteilte<br />
das Bundesarbeitsgericht in der vorliegenden<br />
Entscheidung.<br />
Für die Fälle vorübergehender Entlassungen<br />
und anschließender, nach einer<br />
Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses<br />
erfolgende Wiedereinstellungen<br />
von gewerblichen Arbeitnehmern<br />
im <strong>Bau</strong>gewerbe dürfte diese Entschei-<br />
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